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BFH - Entscheidung vom 17.03.2009

IV B 102/08

Normen:
FGO § 116 Abs. 3 S. 1, 4

BFH, Beschluss vom 17.03.2009 - Aktenzeichen IV B 102/08

DRsp Nr. 2009/8109

Normenkette:

FGO § 116 Abs. 3 S. 1, 4;

Gründe:

I.

Die Klägerin und Beschwerdeführerin zu 2. (Klägerin zu 2.) firmierte zuletzt unter dem Namen A GmbH & Co. KG. Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Komplementär-GmbH war der Kläger und Beschwerdeführer zu 1. (Kläger zu 1.). Der Kläger zu 1. wurde wegen versuchter Steuerhinterziehung in 2 Fällen, Unterschlagung in 3 Fällen und Betruges in 37 Fällen rechtskräftig zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt, die er zurzeit in der JVA B verbüßt.

In den beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) eingereichten Erklärungen zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Streitjahre (1993 bis 1999) erklärte die Klägerin zu 2. Einkünfte aus Gewerbebetrieb für 1993 in Höhe von ./. 805 000 DM, für 1994 in Höhe von ./. 21 688 DM, für 1995 in Höhe von 400 000 DM, für 1996 in Höhe von 196 000 DM, für 1997 in Höhe von ./. 806 188 DM, für 1998 in Höhe von ./. 5 000 DM und für 1999 in Höhe von 0 DM. Die Veranlagung erfolgte zunächst erklärungsgemäß.

Nach einer Außenprüfung vertrat das FA die Auffassung, dass die Klägerin zu 2. weder am wirtschaftlichen Verkehr teilgenommen noch eine Gewinnerzielungsabsicht gehabt habe. Dementsprechend hat es die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen der Streitjahre aufgehoben.

Die dagegen nach durchgeführtem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage teilweise als unzulässig und im Übrigen als unbegründet ab.

Das Urteil wurde persönlich dem Kläger zu 1. am 30. August 2008 zugestellt.

Am 15. September 2008 legte der Prozessbevollmächtigte der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision Beschwerde ein und kündigte deren Begründung mit gesondertem Schriftsatz an. Gleichzeitig führte er aus, dass das Urteil am 30. August 2008 zugestellt worden sei. Der Beschwerdeschrift war eine Kopie des angefochtenen Urteils beigefügt. Auf dieser Urteilskopie befindet sich auf der ersten Seite der Stempelaufdruck "Fotokopie" nebst dem Datum "30.08.08", sowie eine handschriftliche Paraphe.

Am 23. Oktober 2008 beantragte der Prozessbevollmächtigte der Kläger, die Begründungsfrist für die Beschwerde bis zum 30. November 2008 zu verlängern. Gleichzeitig bat er um die Gewährung von Akteneinsicht beim Amtsgericht S.

Antragsgemäß verlängerte der Vorsitzende des beschließenden Senats die Begründungsfrist bis zum 1. Dezember 2008, was dem Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 28. Oktober 2008 mitgeteilt wurde.

Nach Mitteilung des Amtsgerichts S nahm der Prozessbevollmächtigte am 12. November 2008 Akteneinsicht.

Am 1. Dezember 2008 übersandte der Prozessbevollmächtigte per Fax einen unvollständigen Beschwerdebegründungsschriftsatz, der sich im Wesentlichen auf die Darstellung der Verfahrensgeschichte bezog. Gleichzeitig verwies der Prozessbevollmächtigte auf ein an ihn gerichtetes handschriftliches Anschreiben des Klägers zu 1. Das Anschreiben war dem Schriftsatz beigefügt, aber auf Grund der schlechten Übertragungsqualität für den Senat zum Teil nicht lesbar. In dem Schriftsatz kündigte der Prozessbevollmächtigte die Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages im Hinblick auf einen (weiteren) an ihn gerichteten und abgesandten Schriftsatz des Klägers zu 1. an, der noch nicht bei ihm eingetroffen sei.

Die ebenfalls angekündigte Übersendung der dem Schriftsatz beigefügten Anlage per einfacher Post an das Gericht erfolgte nicht.

Am 15. Januar 2009 und erneut (wortgleich) am 19. Januar 2009 teilte der Prozessbevollmächtigte mit, dass eine Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde unverschuldet bislang nicht habe erfolgen können. Er gehe davon aus, dass die Begründungsschrift verbunden mit einem Wiedereinsetzungsantrag spätestens am 31. Januar 2009 vorgelegt werden könne. Der Senat werde gebeten, bis zu diesem Zeitpunkt von einer Entscheidung abzusehen. Auf Grund der Komplexität des Vorgangs in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht könne die Begründung nur in engem Zusammenhang mit dem Mandanten gefertigt werden.

II.

Die Beschwerde ist unzulässig.

1.

Die Beschwerde ist nicht innerhalb der Frist des § 116 Abs. 3 Sätze 1 und 4 der Finanzgerichtsordnung ( FGO ) begründet worden. Gemäß § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann von dem Vorsitzenden auf Antrag um einen weiteren Monat verlängert werden (Satz 4 der Vorschrift). Das Urteil ist den Klägern am 30. August 2008 zugestellt worden. Das Urteil ist zwar, ausweislich der in den FG-Akten befindlichen Postzustellungsurkunde, ausschließlich an den Kläger zu 1. und damit nicht wirksam zugestellt worden. Gemäß § 62 Abs. 6 Satz 5 FGO hätte das Urteil zwingend dem bereits im finanzgerichtlichen Verfahren bestellten Prozessbevollmächtigten zugestellt werden müssen. Dieser Zustellungsmangel gilt jedoch mit dem tatsächlichen Zugang des Urteils an den Prozessbevollmächtigten als geheilt (§ 189 der Zivilprozessordnung -- ZPO --). In dem Zeitpunkt des tatsächlichen Zugangs gilt das Urteil als zugestellt. Dem Prozessbevollmächtigten muss dabei nicht das zuzustellende Dokument, hier das Urteil, zugegangen sein, ausreichend ist der Empfang einer Kopie (Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung , 6. Aufl., § 53 Rz 137, m.w.N. zur Rechtsprechung).

Der Senat geht davon aus, dass auch der Prozessbevollmächtigte das Urteil, jedenfalls aber eine Kopie davon, bereits am 30. August 2008 erhalten hat. Dafür spricht zum einen, das der rechtskundige Prozessbevollmächtigte in dem Beschwerdeschriftsatz ausgeführt hat, das Urteil sei am 30. August 2008 zugestellt worden. Für den Zugang des Urteils bereits am 30. August 2008 spricht zum anderen der auf der Urteilskopie befindliche Stempelaufdruck. Danach ist die Urteilskopie am 30. August 2008 gefertigt worden. In Verbindung mit der Erklärung über den Zeitpunkt der Zustellung liegt deshalb die Vermutung nahe, dass der Stempelaufdruck nebst Datum vom Büro des Prozessbevollmächtigten auf der Urteilskopie angebracht worden ist. Die Anfertigung der Kopie setzt aber denknotwendig das Vorliegen des Originals voraus.

Die am 30. Oktober 2008 auslaufende Frist ist auf den fristgerechten Antrag der Kläger von dem Senatsvorsitzenden um einen Monat bis zum Ablauf des 1. Dezember 2008 verlängert worden. Eine den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechende Beschwerdebegründung ist bis zum Ablauf dieser Frist beim Bundesfinanzhof (BFH) nicht eingegangen.

2.

Den Klägern kann auch für die Fristversäumnis keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO ) gewährt werden. Nach § 56 Abs. 1 FGO ist jemandem, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Verschuldet ist eine Fristversäumnis, wenn die gebotene und nach den Umständen zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen wird, wobei bereits einfache Fahrlässigkeit die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausschließt (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 25. April 2005 VIII B 42/02, BFH/NV 2005, 1821 ). Das Verschulden ihrer Bevollmächtigten müssen sich die Kläger zurechnen lassen (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO ).

Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist binnen Monatsfrist nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen (§ 56 Abs. 2 FGO ). Erforderlich ist eine substantiierte, in sich schlüssige Darstellung aller entscheidungserheblichen Tatsachen innerhalb der Monatsfrist des § 56 Abs. 2 FGO (BFH-Beschluss vom 20. Juni 1996 X R 95/93, BFH/NV 1997, 40, m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.

Vorliegend fehlt es bereits an einem Antrag der Kläger. In den Schriftsätzen der Kläger vom 1. Dezember 2008, 15. Januar 2009 und 19. Januar 2009 ist ein Wiedereinsetzungsantrag lediglich angekündigt worden.

Im Übrigen rechtfertigt das bisherige Vorbringen ebenfalls nicht die Annahme, dass es dem Prozessbevollmächtigten nicht möglich gewesen sein sollte, bis zum Ablauf der verlängerten Beschwerdebegründungsfrist dem BFH eine Beschwerdebegründung zu übersenden. Es ist nicht substantiiert dargelegt worden, weshalb der sachkundige Prozessbevollmächtigte zur Begründung der Beschwerde auf die Ausführungen des Klägers zu 1. angewiesen und es ihm nicht möglich gewesen sein sollte, auch ohne dessen inhaltliche Vorgaben eine Beschwerdebegründung zu fertigen.

Vorinstanz: FG München, vom 13.08.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 1 K 4483/05