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BAG - Entscheidung vom 04.05.2009

3 AZB 76/08

Normen:
ZPO § 114 S. 1
ZPO § 115 Abs. 1 S. 1
ZPO § 15 Abs. 1 S. 3 Nr. 1
ZPO § 15 Abs. 1 S. 3 Nr. 2a
ZPO § 15 Abs. 1 S. 3 Nr. 2b

BAG, Beschluss vom 04.05.2009 - Aktenzeichen 3 AZB 76/08

DRsp Nr. 2011/926

Abzug des Erwerbstätigenfreibetrags sowohl des Antragstellers als auch der unterhaltsberechtigten Person bei Gewährung von Prozesskostenhilfe

1. Der Erwerbstätigenfreibetrag nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Buchst. b ZPO soll pauschal die erhöhten Aufwendungen abgelten, die einem im aktiven Arbeitsleben stehenden Arbeitnehmer treffen. 2. Dieser Zweck gebietet es, ihn sowohl vom Einkommen der Prozesskostenhilfe beantragenden Partei als auch vom Einkommen der unterhaltsberechtigten Person iSv. § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 ZPO in Abzug zu bringen.

Die Rechtsbeschwerde der Bezirksrevisorin beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz als Vertreterin der Landeskasse gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 3. Juni 2008 - 7 Ta 82/08 - wird zurückgewiesen.

Normenkette:

ZPO § 114 S. 1; ZPO § 115 Abs. 1 S. 1; ZPO § 15 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 ; ZPO § 15 Abs. 1 S. 3 Nr. 2a ; ZPO § 15 Abs. 1 S. 3 Nr. 2b ;

Gründe:

I. Der Kläger des Ausgangsverfahrens hatte den Beklagten des Ausgangsverfahrens vor dem Arbeitsgericht Koblenz auf Zahlung rückständiger Arbeitsvergütung in Anspruch genommen. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 6. April 2005 hatte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Im Gütetermin vom 10. Mai 2005 wurde ein verfahrensbeendender Vergleich geschlossen. Das Arbeitsgericht hat dem Kläger sodann Prozesskostenhilfe ohne Verpflichtung zur Ratenzahlung bewilligt.

Mit Beschluss vom 15. September 2006 hat das Arbeitsgericht gem. § 120 Abs. 4 Satz 1 ZPO die im Beschluss vom 10. Mai 2005 getroffene Zahlungsbestimmung dahin geändert, dass der Kläger ab dem 1. Oktober 2005 monatliche Raten iHv. 95,00 Euro zu zahlen hatte. Diesen Beschluss hat es mit Beschluss vom 26. Januar 2007 dahin abgeändert, dass es dem Kläger "ab dem 1. November 2006 Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsbestimmung bewilligt" hat. Am 7. März 2008 hat der Kläger eine neue Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingereicht und darin ua. angegeben, seine Ehefrau beziehe aus einem Arbeitsverhältnis eine monatliche Vergütung iHv. 396,00 Euro. Daraufhin hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 1. April 2008 seinen Beschluss vom 26. Januar 2007 abgeändert und dem Kläger monatliche Ratenzahlungen iHv. 45,00 Euro ab dem 15. April 2008 auferlegt. Bei der Berechnung ist es davon ausgegangen, dass der Kläger über ein einzusetzendes Einkommen iSd. § 115 Abs. 1 ZPO iHv. 101,15 Euro verfügte. Einen Unterhaltsfreibetrag für die Ehefrau des Klägers hat es im Hinblick auf die Höhe des Einkommens der Ehefrau nicht in Ansatz gebracht. Gegen diesen Beschluss hat der Kläger sofortige Beschwerde eingelegt, mit der Begründung, bei der Ermittlung des anzurechnenden Einkommens der Ehefrau sei auch zugunsten dieser ein Erwerbstätigenfreibetrag in Abzug zu bringen.

Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 24. April 2008 nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Dieses hat mit Beschluss vom 3. Juni 2008 - 7 Ta 82/08 - den Beschluss des Arbeitsgerichts aufgehoben und die Rechtsbeschwerde der Landeskasse zugelassen. Gegen diesen, ihr am 7. Juli 2008 zugestellten Beschluss, wendet sich die Bezirksrevisorin beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz mit ihrer am 28. Juli 2008 beim Bundesarbeitsgericht eingegangenen Rechtsbeschwerde.

II. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das maßgebliche Einkommen der Ehefrau des Klägers ist wie das Einkommen des Klägers, dh. gleichfalls nach § 115 ZPO zu berechnen. Von ihm sind deshalb nicht nur die in § 82 Abs. 2 SGB XII bezeichneten Beträge, sondern auch der Erwerbstätigenfreibetrag nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Buchst. b ZPO abzuziehen (so auch Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs PKH/BerH 4. Aufl. Rn. 269; Groß in Schoreit/Groß Beratungshilfe und Prozesskostenhilfe 9. Aufl. § 115 ZPO Rn. 47; Musielak/Fischer ZPO 6. Aufl. § 115 Rn. 19; Zöller/Philippi ZPO 27. Aufl. § 115 Rn. 29; MünchKommZPO/Motzer 3. Aufl. § 115 Rn. 32). Der Erwerbstätigenfreibetrag nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Buchst. b ZPO soll pauschal die erhöhten Aufwendungen abgelten, die einem im aktiven Arbeitsleben stehenden Arbeitnehmer treffen (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 21. März 2006 - 2 Ta 25/06 -). Dieser Zweck gebietet es, ihn sowohl vom Einkommen der Prozesskostenhilfe beantragenden Partei als auch vom Einkommen der unterhaltsberechtigten Person iSv. § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 ZPO in Abzug zu bringen.

Dies entsprach ständiger Praxis unter Geltung des § 115 ZPO in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung (Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe 3. Aufl. Rn. 269; Dehn in Schoreit/Dehn Beratungshilfe und Prozesskostenhilfe 8. Aufl. § 115 ZPO Rn. 24; Musielak/Fischer ZPO 3. Aufl. § 115 Rn. 19; Zöller/Philippi ZPO 24. Aufl. § 115 Rn. 33a; MünchKommZPO/Wax 2. Aufl. § 115 Rn. 41; Hk-ZPO/Rathmann/Pukall § 115 Rn. 19). Hieran hat sich weder etwas geändert für die Zeit vom 1. Januar bis 31. März 2005 durch die Änderung des § 115 ZPO aufgrund Art. 34 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3022, 3064), der § 76 Abs. 2 , 2a BSHG durch § 82 Abs. 2 und 3 SGB XII ersetzt hat, noch für die Zeit ab dem 1. April 2005 durch die Fassung des § 115 ZPO , die er durch Art. 1 Nr. 2a des "Gesetzes über die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz" vom 22. März 2005 (BGBl. I S. 837) erhalten hat. Ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 15/4952 S. 46) wurde die bisherige Verweisung auf die Regelung des § 82 Abs. 3 SGB XII (Abzug von 30 % des Bruttoeinkommens) wegen der fehlenden Obergrenze für nicht sachgerecht erachtet und allein vor dem Hintergrund durch den nunmehr in § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Buchst. b ZPO enthaltenen Pauschalabzug ersetzt.

Entgegen der Rechtsauffassung der Rechtsbeschwerde steht der Berücksichtigung eines Erwerbstätigenfreibetrages beim Einkommen der unterhaltsberechtigten Person auch nicht der Wortlaut des § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Buchst. b ZPO entgegen, wonach der Erwerbstätigenfreibetrag nur den Parteien zugute kommen soll. Diese Formulierung der Bestimmung ist, da die Partei nur ihr eigenes Einkommen einzusetzen hat und das Einkommen der unterhaltsberechtigten Person dieses Einkommen nicht erhöht, dh. eine Zusammenrechnung der Einkommen nicht stattfindet (Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs PKH/BerH 4. Aufl. Rn. 210 mwN; Zöller/Philippi ZPO 27. Aufl. § 115 Rn. 7 mwN), nur konsequent. Insbesondere schließt sie die Berücksichtigung eines Erwerbstätigenfreibetrages beim Einkommen der unterhaltsberechtigten Person entsprechend dem Zweck der Regelung nicht aus.

In Anwendung dieser Grundsätze ist mit dem Landesarbeitsgericht davon auszugehen, dass der Kläger über kein einsetzbares Einkommen iSd. § 115 ZPO verfügte.

Von seinem Arbeitslosengeld iHv. 966,30 Euro waren zunächst 35,79 Euro monatliche Versicherungsbeiträge (§ 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Buchst. a ZPO , § 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII), sodann ein Freibetrag nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 Buchst. a ZPO iHv. 382,00 Euro, die Kosten der Unterkunft und Heizung (§ 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 ZPO ) iHv. 449,00 Euro und schließlich ein reduzierter Unterhaltsfreibetrag gem. § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 Buchst. a, Satz 7 ZPO iHv. 159,50 Euro in Abzug zu bringen. Der reguläre Unterhaltsfreibetrag nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 Buchst. a ZPO iHv. 382,00 Euro minderte sich um das eigene Einkommen der Ehefrau des Klägers, von dem seinerseits zuvor der Erwerbstätigenfreibetrag iHv. 174,00 Euro abzuziehen war. Damit belief sich das maßgebliche Einkommen der Ehefrau des Klägers auf 222,50 Euro (= 396,50 Euro abzüglich 174,00 Euro).

III. Eine Kostenentscheidung für das Rechtsbeschwerdeverfahren ist nicht veranlasst.

Vorinstanz: LAG Rheinland-Pfalz, vom 03.06.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 7 Ta 82/08