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BVerwG - Entscheidung vom 06.11.2008

4 B 58.08

BVerwG, Beschluß vom 06.11.2008 - Aktenzeichen 4 B 58.08

DRsp Nr. 2008/21952

Gründe:

Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Das Berufungsurteil leidet nicht an dem geltend gemachten Verfahrensmangel der Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs.

Die Kläger sehen einen Gehörsverstoß darin, dass der Verwaltungsgerichtshof zwischen dem Erörterungstermin vor dem Berichterstatter am 7. Juli 2008 und der Zustellung des im schriftlichen Verfahren ergangenen Urteils vom 30. Juli 2008 nicht zu erkennen gegeben habe, von seiner Auffassung abrücken zu wollen, die von der Zufahrtsstraße zur Gaststätte der Beigeladenen ausgehenden Verkehrsgeräusche müssten dem Betrieb zugerechnet werden. Ihr Vorwurf trifft nicht zu. Der Berichterstatter hat die Prozessbevollmächtigten der Kläger mit Schreiben vom 18. Juli 2008 auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. August 2007 - BVerwG 4 C 2.07 - (BVerwGE 129, 209) hingewiesen. Aus diesem Urteil ergibt sich, dass die TA Lärm 1998 als normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift anzuwenden ist, die für eine einzelfallbezogene Beurteilung der Schädlichkeitsgrenze aufgrund tatrichterlicher Würdigung nur insoweit Raum lässt, als sie insbesondere durch Kann-Vorschriften und Bewertungsspannen Spielräume eröffnet (Rn. 12). Nach der Lektüre des Urteils musste den Klägern auch ohne Interpretationshilfe durch den Verwaltungsgerichtshof klar sein, dass nach Nr. 7.4 Abs. 1 Satz 1 TA Lärm 1998 (Beilage Nr. II/1999 zu NVwZ 1999 Heft 2) die Fahrzeuggeräusche auf dem Betriebsgrundstück sowie bei der Ein- und Ausfahrt dem Vorhaben der Beigeladenen zuzurechnen sind und für Verkehrsgeräusche auf öffentlichen Verkehrsflächen nach Nr. 7.4 Abs. 1 Satz 3 die Absätze 2 bis 4 gelten. Die Behauptung der Kläger, das Bundesverwaltungsgericht habe im Urteil vom 29. August 2007 an einer bisherigen ständigen Rechtsprechung festgehalten, wonach die TA Lärm im Baurecht lediglich als Orientierungshilfe heranzuziehen sei, ist unrichtig. Im Urteil vom 29. August 2007 heißt es (Rn. 14), zwar messe sich die TA Lärm für die Prüfung baurechtlicher Vorschriften - hier des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB - als an die Immissionsschutzbehörden gerichtete Verwaltungsvorschrift keine Geltung bei, dass sie insoweit zu beachten sei, ihr also bindende Wirkung zukomme, ergebe sich jedoch aus dem Baurecht, das mit dem Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen auf das Immissionsschutzrecht verweise. Das Bundesverwaltungsgericht ist mit diesem Rechtssatz nicht von einer bisherigen Rechtsprechung abgerückt, sondern hat einer Änderung der Rechtslage Rechnung getragen, die darin liegt, dass sich der Geltungsbereich der TA Lärm 1998 im Gegensatz zu demjenigen der TA Lärm 1968 auch auf nicht genehmigungsbedürftige Anlagen erstreckt (Urteil vom 29. August 2007 aaO. Rn. 11).

Unbegründet ist ferner der Vorhalt der Kläger, der Verwaltungsgerichtshof habe übersehen, dass nach Nr. 3.2.2 TA Lärm 1998 in Sonderfällen ergänzend zu prüfen sei, ob sich unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls eine vom Ergebnis der Regelfallprüfung abweichende Beurteilung ergebe. Die Kläger lassen außer Acht, dass die Regelung in Nr. 3.2.2 TA Lärm 1998 für genehmigungsbedürftige Anlagen (§ 4 BImSchG i.V.m. der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen - 4. BImSchV ) gilt, das Vorhaben der Beigeladenen jedoch einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nicht bedarf.

Inwieweit der Verwaltungsgerichtshof dadurch einen Gehörsverstoß begangen haben soll, dass er die Frage der Unwirksamkeit des Bebauungsplans "Untergermaringen Ost", der ein allgemeines Wohngebiet festsetzt, offen gelassen hat, legen die Kläger nicht dar. Die Gehörsrüge dient ihr nur als untauglicher Anknüpfungspunkt, um die tatrichterliche Würdigung des Verwaltungsgerichtshofs anzugreifen, dass ihr Grundstück bei angenommener Unwirksamkeit des Bebauungsplans wegen seiner Lage am Rande zum Außenbereich nicht das in einem reinen Wohngebiet anzunehmende Schutzniveau beanspruchen könne, sondern nur das Schutzniveau wie in einem allgemeinen Wohngebiet.

2. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Kläger beimessen.

Die als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnete Frage, ob bei Unwirksamkeit eines Bebauungsplanes, der ein allgemeines Wohngebiet festsetzt, von einem reinen Wohngebiet auszugehen ist, wenn im gesamten bisherigen Instruktionsbereich nur Wohnbebauung verwirklicht wurde und seit geraumer Zeit besteht, würde sich in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen; denn der Verwaltungsgerichtshofs ist davon ausgegangen, dass das Wohngebiet, in dem das Grundstück der Kläger liegt, faktisch ein reines Wohngebiet ist (UA Rn. 23).

Auf die weitere Frage, ob in diesem Fall bei der Zulassung eines neuen lärmemittierenden Betriebs zum Schutz der Wohnbebauung als Orientierungshilfe von dem Richtwert nach Nr. 6.1 Buchst. e) TA Lärm 1998 auszugehen ist, wobei der von dem Betrieb ausgehende Zu- und Abgangsverkehr, der auf der öffentlichen Straße abgewickelt wird, mitzurechnen ist, wenn dieser Verkehr den bisherigen Verkehr überwiegt, lässt sich beantworten, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf. Nr. 6.1 Buchst. e) TA Lärm 1998 setzt für reine Wohngebiete Immissionsrichtwerte fest, die tags 50 dB(A) und nachts 35 dB(A) betragen, Der Verwaltungsgerichtshof hat ausgeführt, dass diese Werte trotz der Lage des klägerischen Grundstücks in einem faktisch reinen Wohngebiet nicht maßgeblich sind, weil die Schutzwürdigkeit des Grundstücks wegen seiner Nachbarschaft zum Außenbereich herabgesetzt sei. Er hat sich dabei der "Mittelwertrechtsprechung" des Bundesverwaltungsgerichts (u.a. Urteil vom 18. Mai 1995 - BVerwG 4 C 20.94 - BVerwGE 98, 235 [244]) angeschlossen, die auch in die TA Lärm (Nr. 6.7) Eingang gefunden hat. Die Kläger legen nicht dar, dass diese Rechtsprechung der Fortentwicklung oder Korrektur bedürfte. Ob der vom Verwaltungsgerichtshof gebildete Mittelwert ihren Lärmschutzinteressen hinreichend Rechnung trägt, beurteilt sich nach der Ortsüblichkeit und den Umständen des Einzelfalles (vgl. Beschluss vom 28. September 1993 - BVerwG 4 B 151.93 - BRS 55 Nr. 165). Die Frage, unter welchen Voraussetzungen und mit welcher Rechtsfolge vorhabenbedingte Verkehrsgeräusche auf öffentlichen Verkehrsflächen rechtlich relevant sind, beantwortet Nr. 7.4 Abs. 1 Satz 3 TA Lärm 1998.

3. Die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO scheidet aus, weil das Berufungsurteil nicht von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. August 1998 - BVerwG 4 C 5.98 - (Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 190) abweicht. Der Revisionszulassungsgrund der Divergenz liegt nur vor, wenn die Vorinstanz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem ihre Entscheidung tragenden Rechtssatz einem ebensolchen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts widerspricht (vgl. Beschluss vom 20. Dezember 1995 - BVerwG 6 B 35.95 - NVwZ-RR 1996, 712; stRspr). Die Divergenzrüge der Kläger scheitert bereits daran, dass das in Bezug genommene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, wonach der vorhabenbedingte Zu- und Abgangsverkehr aus dem baurechtlichen Entscheidungsprogramm nicht ausgeblendet werden darf, nicht zu der hier maßgeblichen Bestimmung des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB , sondern zu § 34 Abs. 1 BauGB ergangen ist.

4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ab, da sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 , § 159 Satz 2 VwGO und die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3 , § 52 Abs. 1 GKG .

Vorinstanz: VGH Bayern, vom 30.07.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 15 B 08.265