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BVerwG - Entscheidung vom 10.11.2008

8 B 71.08

BVerwG, Beschluß vom 10.11.2008 - Aktenzeichen 8 B 71.08

DRsp Nr. 2008/21939

Gründe:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO liegen nicht vor.

1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO . Dies ist nur dann der Fall, wenn eine Rechtssache eine über den Einzelfall hinausgehende klärungsfähige und klärungsbedürftige abstrakte Rechtsfrage von fallübergreifendem Gewicht aufwirft, die in einem künftigen Revisionsverfahren zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur Fortentwicklung des Rechts beantwortet werden kann. Aus § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO folgt zudem, dass es sich um keine Rechtsfrage des irrevisiblen Landesrechts handeln darf. Die von der Beschwerde für rechtsgrundsätzlich bedeutsam erachtete Frage,

ob § 113 Abs. 5 VwGO auf allgemeine Leistungsklagen gegen Körperschaften, denen bei der Entscheidung über die begehrte Leistung aufgrund ihres Rechts auf Selbstverwaltung ein Entscheidungsspielraum (Ermessen) zusteht, in der Weise (entsprechend) Anwendung findet, dass das Gericht die Körperschaft nicht zur Leistung verurteilen, sondern lediglich dazu verpflichten kann, über die Vornahme der Leistung im Rahmen ihres Selbstverwaltungsrechts und unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden,

würde sich in einem Revisionsverfahren nicht so stellen, so dass es zu keiner die Rechtsfortbildung fördernden Klärung dieser Frage käme. Klärungsbedürftig ist nicht der Anwendungsbereich des § 113 Abs. 5 VwGO , sondern die Frage, inwieweit dem Beklagten aufgrund satzungsrechtlicher Bestimmungen bezüglich der von der Klägerin begehrten Leistung noch ein Entscheidungsspielraum zusteht, der noch nicht ausgeschöpft ist. Dies ist eine Rechtsfrage des Landesrechts. Eine Rechtsfrage des Landesrechts wird aber nicht schon dadurch zu einer grundsätzlichen Frage des revisiblen Rechts, dass geltend gemacht wird, das Berufungsgericht habe die Frage unter Verletzung von Bundesrecht - hier der Verwaltungsgerichtsordnung - beantwortet (Beschluss vom 15. Dezember 1989 - BVerwG 7 B 177.89 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 277).

Unabhängig davon hat der Verwaltungsgerichtshof aufgrund des festgestellten Sachverhalts keinen Entscheidungsspielraum des Beklagten angenommen. Den Anspruch der Klägerin auf Teilhabe an den vorgenommenen Ausschüttungen hat der Verwaltungsgerichtshof in entsprechender Anwendung der Satzungsbestimmungen über die Liquidation bei der Auflösung des Verbandes in Verbindung mit den Beschlüssen der Verbandsversammlung vom 30. November 2001, 5. Juli 2002 und 8. November 2002 gesehen (vgl. UA S. 6, 16). Die Beschlüsse wurden danach in Kenntnis der Forderung der Klägerin auf die Verbandsmitglieder beschränkt. An die Auslegung irrevisiblen Rechts durch den Verwaltungsgerichtshof ist das Revisionsgericht - mangels entsprechender Verfahrensrügen - auch gebunden, soweit es darauf als Vorfrage für die Anwendung revisiblen Rechts ankommt.

2. Der Verwaltungsgerichtshof ist mit seiner Entscheidung auch nicht von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen, § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO . Die Beschwerde legt keinen Rechtssatzwiderspruch zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Mai 1973 (BVerwG 4 C 33.70 - BVerwGE 42, 222 = Buchholz 445.2 § 81 WVVO Nr. 3) dar. Sie rügt in Wirklichkeit eine vermeintlich fehlerhafte Rechtsanwendung durch den Verwaltungsgerichtshof, wenn sie vorträgt, der Verwaltungsgerichtshof habe die von ihm grundsätzlich anerkannte Gestaltungsfreiheit des Beklagten nicht zum Anlass genommen, es den "rechtssetzenden Organen" des Zweckverbandes zu überlassen, den aus seiner Sicht zweckmäßigen Verteilungsmaßstab festzusetzen.

Es liegt auch keine Divergenz zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. März 1960 (BVerwG 1 C 43.59 - BVerwGE 10, 202 = Buchholz 406.20 § 6 WSG Nr. 6) vor. Das Berufungsgericht hat schon keinen von dieser Entscheidung abweichenden Rechtssatz aufgestellt.

3. Dem Verwaltungsgerichtshof ist auch kein Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO unterlaufen, weil er seine Entscheidungskompetenz überschritten und den Beklagten zur Leistung verpflichtet, statt zu einer Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verurteilt habe. Die Beschwerde rügt damit zwar die prozessuale Vorgehensweise des Gerichts. Diese Vorgehensweise ist jedoch bestimmt worden durch seine Sicht der materiellen Rechtslage, sodass ein Verfahrensfehler auf diese Weise nicht begründet werden kann. Deshalb greift auch die Auffassung des Beklagten, der Verwaltungsgerichtshof hätte ihm die Möglichkeit einräumen müssen, die Regelungslücke eigenverantwortlich zu schließen, von vornherein nicht durch.

Soweit sich die Beschwerde gegen die richterliche Überzeugungsbildung wendet (§ 108 Abs. 1 VwGO ), hat sie schon deswegen keinen Erfolg, weil nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Würdigung des Sachverhalts dem materiellen Recht zuzurechnen ist. Die Beweiswürdigung des Tatrichters ist aufgrund § 137 Abs. 2 VwGO vom Revisionsgericht nur auf die Verletzung allgemeinverbindlicher Beweisgrundsätze überprüfbar, zu denen die allgemeinen Auslegungsgrundsätze (§§ 133 , 157 BGB ), die gesetzlichen Beweisregeln, die Denkgesetze und die allgemeinen Erfahrungssätze gehören (Urteil vom 19. Januar 1990 - BVerwG 4 C 28.89 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 225). Von einem Verstoß dagegen kann nicht die Rede sein, insbesondere hat der Verwaltungsgerichtshof mit seiner Auslegung der Satzungsbestimmungen und der Verbandsbeschlüsse §§ 133 , 157 BGB nicht verletzt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO , die Streitwertfestsetzung auf §§ 47 , 52 GKG .

Vorinstanz: VGH Baden-Württemberg, vom 08.05.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 1 S 667/05