Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BVerwG - Entscheidung vom 13.10.2008

6 B 47.08

BVerwG, Beschluß vom 13.10.2008 - Aktenzeichen 6 B 47.08

DRsp Nr. 2008/20180

Gründe:

Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und des Verfahrensmangels gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Die Revision ist nicht gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Eine Rechtssache ist nur dann im Sinne dieser Vorschrift grundsätzlich bedeutsam, wenn eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Den Darlegungen der Beschwerde, auf die die Prüfung des Senats gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO beschränkt ist, lässt sich nicht entnehmen, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Streitverfahren erfüllt sind.

a) Die Klägerin wirft die folgende als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage auf: "Zwingt § 12 Abs. 2 RStV in seinen in den Jahren 2000 und 2001 geltenden Fassungen dazu, dass im Wege der teleologischen Reduktion die Regelung des § 1 Abs. 3 RGebStV in seinen in den Jahren 2000 und 2001 geltenden Fassungen dahin auszulegen ist, dass von dieser Regelung Personen oder Firmen nicht erfasst werden, d.h. nicht der Rundfunkgebührenpflicht unterliegen, auf welche als Leasinggeber ein privat verleastes Kraftfahrzeug zugelassen ist und die ein darin eingebautes Rundfunkempfangsgerät nicht zum Empfang bereithalten, weil sie hieran keinerlei tatsächliche Nutzungsmöglichkeit besitzen?". Diese Frage kann die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht rechtfertigen, denn sie ist, ohne dass dies der Klärung in einem Revisionsverfahren bedürfte, zu verneinen.

Gemäß § 12 Abs. 2 des Rundfunkstaatsvertrags (RStV) vom 31. August 1991 (Art. 1 des Staatsvertrags über den Rundfunk im vereinten Deutschland vom 31. August 1991) in der Fassung des Dritten Rundfunkänderungsstaatsvertrags vom 11. September 1996 (BayGVBl S. 480), dessen Bestimmungen gemäß § 48 RStV dem revisiblen Recht angehören, wird die Gebührenpflicht durch das Bereithalten eines Rundfunkempfangsgeräts begründet. Das Nähere zur Rundfunkgebührenpflicht ist in den Bestimmungen des Rundfunkgebührenstaatsvertrags (RGebStV) vom 31. August 1991 (Art. 4 des Staatsvertrags über den Rundfunk im vereinten Deutschland vom 31. August 1991) geregelt, die erst mit Wirkung vom 1. März 2007 für revisibel erklärt worden sind (vgl. Beschluss vom 5. April 2007 - BVerwG 6 B 15.07 - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 42 Rn. 4 m.w.N.). Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 RGebStV ist Rundfunkteilnehmer - und damit gemäß § 2 Abs. 2 RGebStV rundfunkgebührenpflichtig -, wer ein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereithält. Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 RGebStV gilt für das in ein Kraftfahrzeug eingebaute Rundfunkempfangsgerät derjenige als Rundfunkteilnehmer, für den das Kraftfahrzeug zugelassen ist. Da in § 12 Abs. 2 RStV lediglich eine Grundsatzregelung zur Rundfunkfinanzierung getroffen ist, die durch die Bestimmungen des Rundfunkgebührenstaatsvertrags aufgegriffen und näher ausgestaltet wird, ist nicht zweifelhaft, dass § 12 Abs. 2 RStV keine einschränkende Maßgabe für die Auslegung des § 1 Abs. 3 Satz 1 RGebStV entnommen werden kann, wie sie der Klägerin vorschwebt. Vielmehr ist die zuletzt genannte Vorschrift die vorrangige, weil speziellere Norm, die in ihrem Anwendungsbereich von dem Grundsatz in § 12 Abs. 2 RStV teilweise abweicht, indem sie - nach den nichtrevisiblen Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs aus Gründen der Praktikabilität der Gebührenerhebung - die Eigenschaft als Rundfunkteilnehmer und damit die Gebührenpflicht nicht mit dem Bereithalten des Rundfunkempfangsgeräts, sondern mit der Zulassung des Kraftfahrzeugs verknüpft. Dementsprechend hat der beschließende Senat bereits mit Beschluss vom 4. April 2002 - BVerwG 6 B 1.02 -, der in einem früheren Verwaltungsstreitverfahren der Klägerin ergangen ist, die Vorschrift des § 1 Abs. 3 Satz 1 RGebStV als uneingeschränkt mit § 12 Abs. 2 RStV vereinbar bezeichnet.

b) Aus entsprechenden Gründen führt auch die an die erste Frage angelehnte weitere Frage der Klägerin, in der sie sich zusätzlich mit dem Verhältnis zwischen § 13 RStV und § 1 Abs. 3 Satz 1 RGebStV befasst, nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung.

c) Auch den Ausführungen der Klägerin, mit denen sie die Verfassungswidrigkeit des § 1 Abs. 3 Satz 1 RGebStV dartun möchte, ist keine Frage des revisiblen Rechts zu entnehmen, die der Klärung in einem Revisionsverfahren bedürfte. Vielmehr ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass die Abgrenzung des Kreises der Gebührenpflichtigen von denjenigen, die keine Rundfunkgebühren zu entrichten haben, auf sachlichen Gründen beruhen muss, um vor Art. 3 Abs. 1 GG standzuhalten (vgl. Urteil vom 9. Dezember 1998 - BVerwG 6 C 13.97 - BVerwGE 108, 109 [112 ff.]), und dass die Bestimmung der Gebührenpflichtigen aus Gründen der Praktikabilität und Verwaltungsvereinfachung auch typisierend vorgenommen werden darf (vgl. Beschluss vom 20. November 1995 - BVerwG 6 B 73.95 - Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 77). Ebenso wenig bedarf der Klärung in einem Revisionsverfahren, dass Art. 5 Abs. 1 GG keine ins Einzelne gehenden Vorgaben dazu enthält, wer als Rundfunkteilnehmer anzusehen und damit gebührenpflichtig ist.

2. Die Revision ist auch nicht gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen eines dem Berufungsurteil anhaftenden Verfahrensmangels zuzulassen. Ein solcher Mangel ist nur dann im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 [n.F.] VwGO Nr. 26 S. 14 m.w.N.). Daran fehlt es hier.

a) Die Klägerin meint, dem Berufungsgericht sei ein Verstoß gegen die Denkgesetze im Bereich der Tatsachenfeststellung und damit eine Verletzung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung gemäß § 108 VwGO unterlaufen. Denn es habe bei zutreffender Beweiswürdigung entsprechend den Erfordernissen des § 108 VwGO zwingend den Schluss ziehen müssen, dass für den Abgabenpflichtigen in der Regel ein Fehlverhalten bei der Erklärung (Anmeldung des Rundfunkempfangsgeräts) ohne praktisch bedeutsames Entdeckungsrisiko möglich sei. Zur weiteren Begründung führt die Klägerin aus, der Auskunftsanspruch der Rundfunkanstalten gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 RGebStV setze Anhaltspunkte für einen Verstoß des Rundfunkteilnehmers gegen seine Anzeigepflicht voraus und sei nicht mit dem Recht der Anstalten verbunden, die Wohnung einer Person oder die Geschäftsräume eines Unternehmens zu Kontrollzwecken zu betreten. Der Rundfunkteilnehmer sei auch nicht verpflichtet, die Richtigkeit seiner Angaben eidesstattlich zu versichern; zudem seien die Haushaltsangehörigen berechtigt, die Auskunft unter Hinweis auf ein Zeugnisverweigerungsrecht zu verweigern. Aus diesen Gründen stehe den Anstalten kein Mittel zur Verfügung, eine richtige Auskunft über das Bereithalten eines Rundfunkempfangsgeräts zu erzwingen.

Diese Ausführungen der Klägerin tragen die erhobene Verfahrensrüge nicht. Die Klägerin wendet sich mit ihnen gegen die Ausführungen des Berufungsgerichts, soweit dieses dargelegt hat, die Gebührenerhebung beruhe nicht allein auf dem Deklarationsprinzip in Gestalt der Anzeigepflicht (§ 3 RGebStV) und der daran anknüpfenden Bußgelddrohung (§ 9 RGebStV), sondern werde gemäß dem Verifikationsprinzip ergänzt um wirksame Aufklärungsbefugnisse der zuständigen Vollzugsbehörden. Die Landesrundfunkanstalten verfügten über umfassende Auskunftsansprüche gegenüber Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorlägen, dass sie Rundfunkempfangsgeräte bereithielten und dies nicht oder nicht umfassend angezeigt hätten (§ 4 Abs. 5 Satz 1 RGebStV). Das Auskunftsrecht richte sich auch gegen Personen, die mit den möglichen Gebührenschuldnern in häuslicher Gemeinschaft zusammenlebten (§ 4 Abs. 5 Satz 2 RGebStV). Es umfasse im Einzelfall neben den nach § 3 Abs. 2 RGebStV anzuzeigenden Umständen weitere Daten, die zur Feststellung eines möglichen Teilnehmerverhältnisses erforderlich seien (§ 4 Abs. 5 Satz 3 RGebStV). Die erhobenen Daten könnten für Zwecke des Gebühreneinzugs erhoben und genutzt (§ 4 Abs. 5 Satz 3 Halbs. 2 RGebStV) und an andere Landesrundfunkanstalten weitergegeben werden (§ 8 Abs. 3 RGebStV). Von den Meldebehörden (§ 4 Abs. 6 RGebStV, Art. 28 MeldeG ) und den Zulassungsbehörden (§ 39 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StVG ) könnten zusätzliche Auskünfte eingeholt werden. - Den hiergegen gerichteten Ausführungen der Klägerin ist nicht zu entnehmen, dass das Berufungsgericht bei der Tatsachenfeststellung gegen die Gesetze der Logik verstoßen, d.h. einen Schluss gezogen hat, der schlechterdings nicht gezogen werden kann. Vielmehr beurteilt die Klägerin lediglich die Aufklärungsbefugnisse der Rundfunkanstalten als weniger wirksam als im Berufungsurteil angenommen.

b) Ebenfalls ohne Erfolg rügt die Klägerin, das Berufungsgericht habe seine Pflicht zur vollständigen Sachverhaltsaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO ) dadurch verletzt, dass es ihrem hilfsweise gestellten Beweisantrag nicht entsprochen habe, die Anzahl der im Jahre 2001 beim Beklagten gemeldeten gewerblich genutzten Hörfunkgeräte innerhalb und außerhalb von Kraftfahrzeugen zu ermitteln. Mit diesem Beweisantrag wollte die Klägerin den Nachweis erbringen, dass eine große Anzahl von Hörfunkgeräten, die der Gebührenpflicht unterlagen, beim Beklagten pflichtwidrig nicht gemeldet war. Zu dieser Thematik hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass sich ein "strukturelles Vollzugs- und Erhebungsdefizit" auch nicht anhand der Daten über die beim Beklagten gemeldeten Hörfunkgeräte belegen lasse. Die nach gebührenrechtlichen Kategorien geordneten Bestandszahlen (in Fahrzeugen - sonstige; gewerblich - privat genutzt) ließen sich zwar jeweils ins Verhältnis setzen zur Gesamtzahl der zu diesem Zeitpunkt zugelassenen gewerblichen und privaten Kraftfahrzeuge oder zur Zahl der Privathaushalte und der darin lebenden Personen. Daraus allein sei aber noch nicht abzuleiten, wie viele Rundfunkteilnehmer sich der Gebührenpflicht tatsächlich entzögen. Um auch nur den Anteil der pflichtwidrig nicht gemeldeten Geräte exakt berechnen zu können, müssten über den gesamten damaligen Gerätebestand und über das Nutzungsverhalten der Besitzer empirisch gesicherte Daten vorliegen, an denen es jedoch erkennbar fehle. Die Klägerin behelfe sich stattdessen mit pauschalen Aussagen, denen zufolge es im Jahre 2001 Privathaushalte ohne Rundfunkgeräte allenfalls in verschwindend geringer Zahl gegeben habe und jedes Kraftfahrzeug mit einem Autoradio ausgestattet gewesen sei. Für die Richtigkeit dieser Annahmen fänden sich indes keine nachprüfbaren Belege. - Hiernach hätte sich das Berufungsgericht nur dann in der Lage gesehen, von einem "tatsächlichen" auf ein "strukturelles" Erhebungsdefizit zu schließen, wenn ihm genaue und gesicherte Kenntnisse über die tatsächliche Anzahl der nicht gemeldeten, aber der Gebührenpflicht unterliegenden Hörgeräte vorgelegen hätten; mit der von der Klägerin selbst für allein möglich und richtig gehaltenen "Annäherungsberechnung" hätte es sich nicht begnügt. Auf der Grundlage dieser rechtlichen Anforderungen an die Feststellung eines "strukturellen Erhebungsdefizits", die von der Klägerin mit der Beschwerde nicht in Frage gestellt werden, war die von ihr vermisste Angabe der gemeldeten gewerblich genutzten Hörfunkgeräte zur Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts nicht geeignet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO , die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3 , § 52 Abs. 3 GKG .

Vorinstanz: VGH Bayern, vom 10.03.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 7 BV 07.765