Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BVerwG - Entscheidung vom 22.05.2008

5 B 174.07

BVerwG, Beschluß vom 22.05.2008 - Aktenzeichen 5 B 174.07

DRsp Nr. 2008/13995

Gründe:

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts ist nicht begründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 132 Abs. 2 VwGO ) liegen nicht vor.

1. Die Rechtssache hat nicht die ihr von der Beschwerde beigemessene grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ). Dies wäre nur dann zu bejahen, wenn für die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechtsfrage von Bedeutung war, die auch für die Entscheidung im Revisionsverfahren erheblich wäre und deren höchstrichterliche Klärung zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (stRspr; vgl. Beschluss vom 11. August 1999 - BVerwG 11 B 61.98 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 19).

a) Die von der Beschwerde im Zusammenhang mit der Anwendung von § 27 Abs. 2 BVFG für klärungsbedürftig gehaltenen Fragen (Beschwerdebegründung S. 1, 5 und 6),

"unter welchen Voraussetzungen eine Bezugsperson, die vor dem 1. Januar 2005 ins Bundesgebiet eingereist ist, sich auf § 27 Abs. 2 BVFG zur Einbeziehung der noch im Aussiedlungsgebiet befindlichen Abkömmlinge und Ehegatten berufen kann, wenn sie bereits vor ihrer Ausreise den zuständigen Behörden gegenüber kund getan hat, dass sie und auch die Kinder und der Ehegatte aufgenommen werden möchten",

"ob § 27 Abs. 2 BVFG nach der Änderung des § 27 Abs. 1 BVFG ab dem 1 Januar 2005 auf Bezugspersonen, die sich ohne den Einbeziehungsbescheid ihrer Abkömmlinge im Bundesgebiet befinden, noch anwendbar ist",

"ob nach dem 1. Januar 2005 auch in den Fällen, in denen eine besondere Härte im Sinne des § 27 Abs. 2 BVFG (Regelfall) gegeben ist, die Bezugsperson sich nicht mehr auf § 27 Abs. 2 BVFG zur nachträglichen Einbeziehung ihrer Abkömmlinge berufen kann, um die Einbeziehung nach der Neuregelung ab dem 1. Januar 2005 zu erreichen",

"ob § 27 Abs. 2 BVFG und unter welchen Voraussetzungen ab dem 1. Januar 2005 auf die Anträge der Bezugspersonen auf nachträgliche Eintragung der Abkömmlinge gemäß § 27 Abs. 2 Halbsatz 2 BVFG anzuwenden ist",

rechtfertigen die Zulassung der Revision bereits deshalb nicht, weil - worauf die Beklagte zutreffend hinweist - die Einbeziehung unabhängig vom Fehlen eines Härtefalles bereits am Fehlen der Voraussetzungen des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG scheitert. Nach der zum 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Neufassung des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG werden der im Aussiedlungsgebiet lebende nichtdeutsche Ehegatte, sofern die Ehe seit mindestens drei Jahren besteht, oder nichtdeutsche Abkömmlinge von einer Person im Sinne des Satzes 1 (Bezugsperson) "zum Zwecke der gemeinsamen Aussiedlung in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson nur dann einbezogen, wenn die Bezugsperson dies ausdrücklich beantragt". Dementsprechend kommt, wenn die Einbeziehung nicht von der Bezugsperson beantragt worden ist, auch keine nachträgliche Einbeziehung auf der Grundlage von § 27 Abs. 2 BVFG in Betracht, weil es dafür jedenfalls an den "sonstigen Voraussetzungen" des Absatzes 1 fehlen würde (vgl. Beschlüsse vom 28. Juli 2005 - BVerwG 5 B 134.04 - juris und vom 30. Oktober 2006 - BVerwG 5 B 55.06 - juris). Die aufgeworfenen Rechtsfragen würden sich in einem Revisionsverfahren bereits deshalb nicht stellen, weil nach den nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen (s.u. 2.) angegriffenen und deshalb bindenden (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO ) tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts von der Klägerin nicht der für eine Einbeziehung der Tochter erforderliche ausdrückliche Antrag vor Aussiedlung (vgl. § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG ) gestellt wurde, er insbesondere auch nicht in der bloßen Erwähnung der Tochter in dem Aussiedlungsantrag liegt. Im Übrigen steht einer Zulassung der Revision zur Klärung der oben dargestellten bzw. der auf S. 6 des Beschwerdeschriftsatzes vom 23. Juli 2007 aufgeworfenen Rechtsfrage, "ob § 27 Abs. 2 BVFG und unter welchen Voraussetzungen ab dem 1. Januar 2005 auf die Anträge der Bezugspersonen auf nachträgliche Eintragung der Abkömmlinge gemäß § 27 Abs. 2 Halbsatz 2 BVFG anzuwenden ist", bereits entgegen, dass das Oberverwaltungsgericht - und dies auch in der Sache zutreffend - gerade keine besondere Härte im Sinne des § 27 Abs. 2 BVFG angenommen hat, weil Anhaltspunkte dafür fehlten, dass es der Klägerin nicht zumutbar gewesen wäre, die Einbeziehung ihrer Tochter S. in einen ihr zu erteilenden Aufnahmebescheid vor ihrer Ausreise abzuwarten, weil zu diesem Zeitpunkt nicht einmal ein Antrag auf Einbeziehung vorgelegen habe. Das gegen diese - verfahrensfehlerfrei gefundene - Bewertung gerichtete Vorbringen der Klägerin steht in Widerspruch zu ihrem eigenen Verhalten nach Erhalt eines Aufnahmebescheides, in dem Ihre Tochter S. nicht aufgenommen worden war.

b) Auch die von der Beschwerde für grundsätzlich klärungsbedürftig gehaltene Frage (Beschwerdebegründung S. 8),

"ob der im Aufnahmeantrag 'als ein weniger' enthaltene Antrag auf Einbeziehung in den Aufnahmebescheid des Ehegatten oder Elternteils ein ausdrücklicher Antrag im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG ist",

rechtfertigt die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht. Auf den von der Klägerin selbst gestellten Aufnahmeantrag ist diese Fragestellung, die an zu anderen Fallkonstellationen ergangene Rechtsprechung anknüpft, sinnvoll nicht anwendbar (und wäre nicht erheblich, da die Klägerin einen Aufnahmebescheid erhalten hat). Selbst wenn in dem von der Tochter der Klägerin am 14. Juli 1998 gestellten eigenen Aufnahmeantrag ein solcher auf Einbeziehung in den der Klägerin erteilten Aufnahmebescheid zu sehen sein sollte, hätte die Klage aufgrund der bereits erfolgten Ausreise der Klägerin keinen Erfolg. Der Senat hat bereits in seinem dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin bekannten, noch das alte Recht betreffenden Beschluss vom 25. Mai 2000 - BVerwG 5 B 26.00 - klargestellt, dass nach Ausreise der Bezugsperson eine nachträgliche Einbeziehung - auch im Härtewege - grundsätzlich nicht in Betracht kommt und ein etwaiger Rechtsirrtum mangels Vertrauenstatbestand keine besondere Härte begründet. Nachdem im vorliegenden Fall die Klägerin als Mutter bzw. Großmutter der Personen, deren nachträgliche Einbeziehung begehrt wird, allenfalls erst nach erfolgter Einreise und Erfolglosigkeit des nachträglich von ihren Abkömmlingen gestellten Aufnahmeantrages die Einbeziehung begehrt hat, ist die oben aufgeworfene Rechtsfrage nicht klärungsbedürftig.

c) Durch die von der Beschwerde im Zusammenhang mit § 27 Abs. 1 Satz 5 BVFG aufgeworfene Rechtsfrage (Beschwerdebegründung S. 9),

"ob nach dem 1. Januar 2005 die Bezugsperson, die sich als deutsche Staatsangehörige oder bereits anerkannte Spätaussiedlerin im Bundesgebiet aufhält einen Antrag auf nachträgliche Einbeziehung ihrer Kinder oder des Ehegatten in den Aufnahmebescheid stellt, dann, wenn der Antrag wegen Fehlens einer besonderen Härte abgelehnt wird, die Fiktionsvorschrift des § 27 Abs. 1 Satz 5 BVFG durch Wohnsitznahme im Aussiedlungsgebiet für sich in Anspruch nehmen darf oder nicht",

wird kein die Zulassung der Revision rechtfertigender grundsätzlicher Klärungsbedarf aufgezeigt. Wie sich bereits dem eindeutigen Wortlaut des § 27 Abs. 1 Satz 5 BVFG (nunmehr § 27 Abs. 1 Satz 6 BVFG ) entnehmen lässt und keiner Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf, ist diese Vorschrift hier nicht anwendbar. Denn § 27 Abs. 1 Satz 6 BVFG bezieht sich bereits seinem eindeutigen Wortlaut nach lediglich auf einen Folgeantrag, der gestellt worden ist, nachdem der Erstantrag wegen Fehlens einer besonderen Härte im Sinne von § 27 Abs. 2 BVFG abgelehnt worden ist. Die Vorschrift ist mithin nicht anwendbar, wenn - wie hier - der Aussiedler erfolgreich sein Spätaussiedlerverfahren betrieben und nach Erteilung eines Aufnahmebescheides im Bundesgebiet Wohnsitz genommen hat.

d) Auch die weiter von der Klägerin für grundsätzlich klärungsbedürftig gehaltene Frage (Beschwerdebegründung S. 11),

"ob es dem Bundesverwaltungsamt als Aufnahmebehörde gestattet ist, die Antragsformulare so zu gestalten, dass ein deutscher Volkszugehöriger, der Antrag für seine Ehegatten und die Kinder stellt, auf dem Antragsformular nur Kinder unter 16 Jahren als Mitantragsteller bezeichnen kann, während für Kinder ab 16 Jahren im Formular zwar Angaben verlangt werden, jedoch auf dem 'Deckblatt' des Antragsformulars diese nicht als Antragsteller aufgeführt werden",

rechtfertigt die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht. Das Vorbringen genügt bereits nicht den an die Darlegung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ) zu stellenden Anforderungen, vielmehr greift die Beschwerde im Gewande der Grundsatzrüge die einzelfallbezogene Auslegung und Anwendung von § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG durch das Oberverwaltungsgericht an.

2. Ein Verfahrensmangel, der zur Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO führen könnte, ist nicht ordnungsgemäß dargelegt und liegt in der Sache nicht vor.

a) Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, das Oberverwaltungsgericht habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG i.V.m. § 108 Abs. 2 VwGO verletzt. Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Die Gerichte brauchen sich jedoch nicht mit jedem Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich auseinanderzusetzen. Denn es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Beteiligtenvorbringen auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Etwas anderes gilt, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 2003 - 2 BvR 624/01 - NVwZ-RR 2004, 3 ). Gemessen an diesen Anforderungen ergibt sich aus den Darlegungen der Klägerin keine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör. Fehl geht bereits die Annahme der Beschwerde, das Oberverwaltungsgericht habe die deutsche Staatsangehörigkeit der Klägerin verkannt und dadurch ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. Nähere Ausführungen zur Staatsangehörigkeit der Klägerin waren im Urteil des Oberverwaltungsgerichts bereits deshalb nicht veranlasst, weil diese Frage - wovon die Beschwerde im Übrigen selbst ausgeht - im Verfahren nicht problematisiert worden ist und nicht dargelegt oder ersichtlich ist, dass es - ausgehend vom insoweit maßgeblichen Rechtsstandpunkt des Oberverwaltungsgerichts - entscheidungserheblich darauf angekommen wäre. Die von der Klägerin insoweit herangezogene Rechtsprechung zu Fällen einer Härte nach § 27 Abs. 2 BVFG bei bestehender deutscher Staatsangehörigkeit betraf zudem andere Fallkonstellationen und hätte dem Berufungsgericht keinen Anlass geboten, auf die deutsche Staatsangehörigkeit der Klägerin einzugehen.

Fehl geht auch die Annahme der Beschwerde, das Oberverwaltungsgericht habe das Schreiben der damaligen Bevollmächtigten im Aufnahmeverfahren vom 24. Januar 1995 (Beiakte II Bl. 75) nicht zur Kenntnis genommen und dadurch das rechtliche Gehör der Klägerin verletzt. Vielmehr weist das Oberverwaltungsgericht auf S. 12 seines Urteils auf dieses Schreiben selbst hin und begründet in der Sache näher, warum hierin kein Antrag zugunsten der Klägerin gesehen wird. Die entsprechende Gehörsrüge der Klägerin wendet sich im Kern gegen die sachliche Richtigkeit dieser Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet die Gerichte jedoch nicht, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Dezember 1994 - 2 BvR 894/94 - NJW 1995, 2839 ). Das Prozessgrundrecht auf rechtliches Gehör gewährleistet auch nicht, dass die angegriffene Entscheidung frei von einfach-rechtlichen materiellen Rechtsfehlern ergeht, sondern stellt grundsätzlich nur sicher, dass die Entscheidung frei von Rechtsfehlern ergeht, die ihren Grund gerade in der unterlassenen Kenntnisnahme oder der Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Beteiligten haben (vgl. Beschluss vom 3. Januar 2006 - BVerwG 7 B 103.05 - ZOV 2006, 40).

b) Die Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe den Sachverhalt entgegen den Anforderungen des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO fehlerhaft gewürdigt, zeigt einen Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO schon deshalb nicht auf, weil die Grundsätze der Sachverhalts- und Beweiswürdigung regelmäßig revisionsrechtlich dem sachlichen Recht zuzuordnen sind (vgl. Beschlüsse vom 2. November 1995 - BVerwG 9 B 710.94 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266 und vom 11. August 1999 - BVerwG 11 B 61.98 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 19). Anhaltspunkte für das Vorliegen eines möglichen Ausnahmefalles einer gegen Denkgesetze verstoßenden oder sonst von Willkür geprägten Sachverhaltswürdigung sind von der Beschwerde nicht dargetan. Vielmehr wendet sich die Klägerin ausschließlich gegen die sachliche Richtigkeit der Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts; dies gilt insbesondere hinsichtlich der - überdies zutreffenden - Bewertung des Berufungsgerichts, wonach weder in ihrem eigenen Aufnahmeantrag noch in dem Schreiben der damaligen Bevollmächtigten vom 24. Januar 1995 ein Antrag ihrer Tochter auf Einbeziehung in den Aufnahmebescheid gesehen werden kann. Soweit die Beschwerde auf S. 8 einen Verstoß gegen Denkgesetze geltend macht, zitiert und interpretiert sie die Darlegungen des Oberverwaltungsgerichts (S. 13 des Urteilsabdrucks) falsch.

3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 , § 162 Abs. 3 VwGO , die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 3 , § 52 Abs. 2 , § 72 Nr. 1 GKG in der Fassung des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl I S. 718).

Vorinstanz: OVG Nordrhein-Westfalen, vom 11.05.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 2 A 4643/04