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BVerwG - Entscheidung vom 23.04.2008

10 B 106.07

BVerwG, Beschluß vom 23.04.2008 - Aktenzeichen 10 B 106.07

DRsp Nr. 2008/11424

Gründe:

Die Beschwerde, mit der die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) geltend gemacht wird, bleibt ohne Erfolg.

1. Die Beschwerde wirft zunächst die Frage auf,

"ob § 28 Abs. 2 AsylVfG auch auf Verfahren Anwendung findet, in denen ein Betroffener vor dem 1. Januar 2005 einen Asylfolgeantrag gestellt hat, der heute unter § 28 Abs. 2 AsylVfG fallen würde und aufgrund dieses Antrags vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge oder durch Verwaltungsgericht festgestellt worden ist, dass in der Person des Folgeantragstellers die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen und dass diese Entscheidung jedoch nicht rechtskräftig geworden ist und heute - unter der Geltung des § 28 Abs. 2 AsylVfG - über die Klage bzw. Berufung zu entscheiden ist."

Mit dieser Fragestellung zu § 28 Abs. 2 AsylVfG in der ab 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Fassung des Zuwanderungsgesetzes vom 30. Juli 2004 (BGBl I S. 1950) wird keine klärungsbedürftige Grundsatzfrage bezeichnet, die zur Zulassung der Revision führt. Sie betrifft ein übergangsrechtliches Problem, denn der Gesetzgeber hat § 28 AsylVfG durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970) geändert. Der neu eingefügte Absatz 1a dient der Umsetzung des Art. 5 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 (ABl EG Nr. L 304 S. 12) - Qualifikationsrichtlinie - und mit dem neu gefassten Absatz 2 hat er von der den Mitgliedstaaten in Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie eingeräumten Öffnungsmöglichkeit Gebrauch gemacht (vgl. BTDrucks 16/5065 S. 216 f.). Nach ständiger Rechtsprechung aller Senate des Bundesverwaltungsgerichts haben Rechtsfragen bei auslaufendem Recht trotz anhängiger Fälle regelmäßig - und so auch hier - keine grundsätzliche Bedeutung, da die Zulassungsvorschrift des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nur eine für die Zukunft geltende Klärung herbeiführen soll (Beschluss vom 20. September 1995 - BVerwG 6 B 11.95 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 6 m.w.N.).

In diesem Zusammenhang bedarf es keiner Klärung, dass das Berufungsgericht - mangels spezieller Übergangsregelung im Zuwanderungsgesetz - gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auf die Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen hatte; im Übrigen hätte auch das Bundesverwaltungsgericht in dem angestrebten Revisionsverfahren die am 28. August 2007 in Kraft getretene Neufassung des § 28 Abs. 2 AsylVfG anzuwenden.

Schließlich erweist es sich auch mit Blick auf die von der Beschwerde angestellten Erwägungen nicht als klärungsbedürftig, dass die Anwendung des § 28 Abs. 2 AsylVfG - ob in der Alt- oder in der Neufassung - auf bereits verwirklichte subjektive Nachfluchttatbestände auch ohne entsprechende übergangsrechtliche Regelung schutzwürdiges Vertrauen von Asylbewerbern nicht verletzen kann. Es entspricht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass verfassungsrechtlicher Vertrauensschutz den von Rechtsänderungen Betroffenen nicht vor jeder Enttäuschung bewahrt (BVerfGE 24, 220 [230] m.w.N.). Schutzwürdig kann nur das betätigte Vertrauen sein, d.h. die "Vertrauensinvestition", die zur Erlangung einer Rechtsposition oder zu entsprechenden anderen Dispositionen geführt hat (BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. September 2007 - 1 BvR 58/06 - juris Rn. 20 mit Verweis auf BVerfGE 75, 246 [280] und BVerfGE 69, 272 [309]). Insoweit hat das Berufungsgericht zutreffend herausgestellt, dass bei der Prüfung der Anwendung des § 28 Abs. 2 AsylVfG auf bereits verwirklichte subjektive Nachfluchttatbestände davon auszugehen ist, dass Nachfluchtaktivitäten nicht im Hinblick auf den Fortbestand in die bestehende Rechtslage, sondern aus einer inneren Überzeugung heraus entfaltet wurden (UA S. 11 f.).

2. Die Beschwerde macht des Weiteren als Grundsatzfrage geltend,

"ob § 28 Abs. 2 AsylVfG seit dem 10. Oktober 2006 nicht mehr anwendbar ist und keine Rechtswirkung mehr entfaltet, da er mit der Qualifikationsrichtlinie nicht in Übereinstimmung zu bringen ist."

Dazu führt sie aus, dass die Öffnungsklausel des Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie für die Beurteilung der auf Nachfluchtgründen beruhenden Verfolgungsgefahr im Rahmen von Folgeanträgen auf "Umstände" abstelle. Damit sei die Regelungskompetenz der Mitgliedstaaten nach dem sich aus Art. 4 Abs. 3 Buchst. c ersichtlichen Sprachgebrauch der Richtlinie auf "persönliche Umstände" beschränkt. Nicht dazu gehörten die in Art. 5 Abs. 2 und Art. 4 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie genannten (exilpolitischen) "Aktivitäten" eines Antragstellers.

Auch die Frage nach der Vereinbarkeit des § 28 Abs. 2 AsylVfG (i.d.F. des Zuwanderungsgesetzes vom 30. Juli 2004, BGBl I S. 1950) mit Art. 5 Abs. 3 der Qualifikationsrichtlinie betrifft ausgelaufenes Recht. Selbst wenn man aber die von der Beschwerde angeführte Begründung auf die nunmehr seit August 2007 geltende Fassung der Vorschrift bezieht, ist damit die Klärungsbedürftigkeit der Frage nicht hinreichend dargelegt. Die Beschwerde grenzt in der Terminologie der Qualifikationsrichtlinie "Aktivitäten" und "Umstände" exklusiv gegeneinander ab, weil sie unter "Umständen" i.S.d. Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie ausschließlich "persönliche Umstände" versteht. Dabei setzt sie sich nicht damit auseinander, dass der Wortlaut der Richtlinie zwischen "Umständen" (z.B. Art. 11 Abs. 1 Buchst. e und f und Abs. 2, Art. 16) und "persönlichen Umständen" (z.B. Art. 4 Abs. 3 Buchst. c, Art. 8 Abs. 2) unterscheidet. Im Übrigen liefe die den Mitgliedstaaten mit Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie eingeräumte Öffnungsklausel nach dem engen Verständnis der Beschwerde weitgehend leer; dies wäre ein mit Sinn und Zweck der Vorschrift ersichtlich nicht vereinbares Ergebnis (VGH Kassel, Beschluss vom 28. Januar 2008 - 4 UZ 2110/07.A - [juris]).

Der Senat sieht von einer weiteren Begründung der Entscheidung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO . Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Satz 1 RVG .

Vorinstanz: OVG Sachsen, vom 27.03.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 2 B 817/05