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BVerfG - Entscheidung vom 08.09.2008

2 BvL 6/03

Normen:
NSpielbankG § 6 Abs. 1
GG Art. 100 Abs. 1

BVerfG, Beschluss vom 08.09.2008 - Aktenzeichen 2 BvL 6/03

DRsp Nr. 2008/19148

Unzulässigkeit einer Richtervorlage betreffend die Vereinbarkeit der Erhebung einer Troncabgabe mit rechtsstaatlichen Grundsätzen mangels Darlegung der Überzeugung des vorlegenden Gerichts von der Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung gestellten Frage

Normenkette:

NSpielbankG § 6 Abs. 1 ; GG Art. 100 Abs. 1 ;

Gründe:

I. Das Normenkontrollverfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 GG betrifft die Vereinbarkeit der Erhebung einer Troncabgabe mit rechtsstaatlichen Grundsätzen.

1. Der Klägerin des Ausgangsverfahrens wurde am 11. November 1975 gemäß dem Niedersächsischen Gesetz über die Zulassung öffentlicher Spielbanken vom 25. Juli 1973 (Nds. GVBl S. 253 - NSpielbG 1973) eine Konzession zum Betrieb einer Spielbank in B... mit einem Zweigspielbetrieb in B... für die Dauer von 15 Jahren erteilt.

2. § 6 Abs. 1 NSpielbG 1973 bestimmt, dass Zuwendungen der Besucher an die Spielbank oder an das spieltechnische Personal nur in der Weise zulässig sind, dass diese Zuwendungen einem in der Spielbank dafür aufgestellten Behälter zugeführt werden (Tronc). Gemäß § 6 Abs. 2 NSpielbG 1973 hat der Spielbankunternehmer den Tronc, soweit nicht daraus eine besondere Abgabe an das Land zu leisten ist, für das Personal, das bei der Spielbank beschäftigt ist, zu verwenden. § 7 Satz 1 Nr. 2 NSpielbG 1973 ermächtigt den Minister des Innern, durch Verordnung die Höhe der Abgabe des Spielbankunternehmers aus dem Tronc zu bestimmen. Die Abgabe ist gemäß § 7 Satz 2 NSpielbG 1973 so zu bemessen, dass der Spielbank ein Betrag verbleibt, der zur Deckung eines angemessenen und wirtschaftlichen Personalaufwandes erforderlich ist. Gemäß § 1 der aufgrund dieser Ermächtigung erlassenen Verordnung über die Höhe der Abgabe des Spielbankunternehmers aus dem Tronc vom 26. April 1977 (Nds. GVBl S. 109 - Troncverordnung) beträgt die Höhe der Abgabe, beginnend bei einem Tronc-Aufkommen von 300.000 DM, in mit dem Tronc-Aufkommen steigenden Stufen 5 bis 10 vom Hundert.

3. Seit Inkrafttreten der Verordnung am 1. April 1978 entrichtete die Klägerin neben der Spielbankabgabe die Troncabgabe nach Maßgabe der landesrechtlichen Regelungen. Nachdem die Klägerin die Voranmeldung der Troncabgabe wegen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit ihrer Rechtsgrundlage für Januar 1989 unterlassen hatte, setzte das Finanzamt B... mit Bescheid vom 8. März 1989 die Troncabgabe für Januar 1989 für die Spielbanken B... und den Zweigspielbetrieb B... fest. Der Einspruch blieb erfolglos.

4. Das Finanzgericht hob den Bescheid vom 8. März 1989 auf, weil die Troncabgabe keine Steuer, sondern eine Sonderabgabe sei und das Finanzamt daher für den Erlass der angegriffenen Bescheide sachlich unzuständig gewesen sei.

Der Bundesfinanzhof teilte diese Auffassung nicht, hob das Urteil des Finanzgerichts auf und verwies die Sache an dieses zurück (Urteil vom 8. März 1995 - II R 59/93 -; siehe auch BFHE 177, 288 [Parallelentscheidung]). Die Troncabgabe müsse im Zusammenhang mit der Spielbankabgabe gesehen werden. Sie erfülle wie diese alle Begriffsmerkmale einer Steuer im Sinne des § 3 Abs. 1 AO . Die Tatsache, dass der Abgabesatz in einer Verordnung geregelt sei, berühre möglicherweise die Verfassungsmäßigkeit der Regelung, ändere aber nichts am Steuercharakter der Abgabe. Der Qualifizierung der Troncabgabe als Steuer stehe auch nicht entgegen, dass das Bundesverfassungsgericht anlässlich der Entscheidung zur Fortgeltung von § 7 der Reichsspielbankenverordnung 1938/1944 (BVerfGE 28, 119 [150]) die Abschöpfung eines Teils des Troncs als Abgabe besonderer Art verstanden habe.

Das Finanzgericht setzte den Rechtsstreit aus und legte dem Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG die Frage zur Entscheidung vor, ob § 7 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 NSpielbG 1973 gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG ), insbesondere den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung, verstößt.

Darauf erging das Gesetz zur Ergänzung abgaberechtlicher Vorschriften für öffentliche Spielbanken vom 14. Juni 2002 (Nds. GVBl S. 174 - Ergänzungsgesetz), das mit Wirkung vom 1. September 1973 in Kraft gesetzt wurde (§ 5). In dessen § 3 wurde die Troncabgabe für die Spielbank B... mit Zweigspielbetrieb in B... ab dem 1. April 1978 in derselben Weise und Höhe wie in der Troncverordnung geregelt.

Im Hinblick auf das Inkrafttreten des Ergänzungsgesetzes stellte das Bundesverfassungsgericht die Unzulässigkeit der Vorlage des Finanzgerichts fest (Bundesverfassungsgericht, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 28. April 2003 - 1 BvL 3/01 -, vgl. auch BVerfGK 1, 124 ff.).

5. Das Finanzgericht hat nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit erneut gemäß Art. 100 Abs. 1 GG ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die im Rubrum wiedergegebenen Fragen zur Entscheidung vorgelegt (vgl. EFG 2004, S. 438 ff.).

Zur Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen führt das Finanzgericht aus: § 3 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit § 5 des Ergänzungsgesetzes könne nicht als Rechtsgrundlage für den Bescheid vom 8. März 1989 herangezogen werden, falls das Ergänzungsgesetz wegen unzulässiger Rückwirkung auf den 1. September 1973 verfassungswidrig sei. In diesem Fall sei zu entscheiden, ob § 7 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 des NSpielbG 1973 in Verbindung mit der Troncverordnung eine hinreichende gesetzliche Grundlage für die Erhebung der Troncabgabe sei. Bei Ungültigkeit dieser Norm sei der Klage stattzugeben. Eine Stattgabe wegen der geltend gemachten Unterdeckung des Troncs für die gesamten Personalausgaben komme nicht in Betracht. Anders als die Spielbankunternehmerin meine, bezwecke § 7 Satz 2 NSpielbG 1973, wonach der Spielbank nach Erhebung der Troncabgabe der zur Deckung eines angemessenen und wirtschaftlichen Personalaufwandes erforderliche Betrag zu verbleiben hat, lediglich die Sicherstellung der Finanzierung der Gehälter des spieltechnischen Personals, nicht aller Beschäftigten.

Das Ergänzungsgesetz sei wegen unzulässiger Rückwirkung mit dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit unvereinbar. § 3 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit § 5 des Ergänzungsgesetzes entfalte eine unzulässige "echte" Rückwirkung. Dadurch werde die Rechtsposition der Spielbankbetreiberin ohne Rechtfertigung verschlechtert. Diese habe im Jahre 2002 nicht mehr mit einer Änderung des Spielbankengesetzes 1973 rechnen müssen. Obwohl sie den Bescheid vom 8. März 1989 angefochten gehabt habe, habe der Landesgesetzgeber das Spielbankrecht zwar anderweitig, aber bis zum Jahr 2002 nicht hinsichtlich der Troncabgabe geändert. Das rückwirkende Gesetz sei auch nicht als Klarstellung einer unklaren oder verwirrenden Rechtslage zulässig. In § 7 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 NSpielbG 1973 sei die Erhebung der Troncabgabe eindeutig geregelt gewesen. Die Berichtigung eines gesetzgeberischen Versehens sei nur aus Gründen der Rechtssicherheit und der materiellen Gerechtigkeit zulässig, derartige Gründe lägen aber nicht vor. Auch sei die Rückwirkung nicht durch zwingende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt.

Die Bestimmung des § 7 Satz 1 Nr. 2 NSpielbG 1973 sei wegen Verstoßes gegen das Rechtsstaatsprinzip ungültig. Dieses gebiete, dass steuerbegründende Tatbestände nach Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt und begrenzt seien. Der Steuertatbestand müsse so bestimmt sein, dass der Steuerpflichtige die auf ihn entfallende Steuerlast vorausberechnen könne. Erforderlich sei eine gesetzliche Festlegung über den Steuergegenstand, den Steuerschuldner, die Bemessungsgrundlage und den Steuersatz. Anhand dieser Festlegungen müsse die Steuerbemessungsgrundlage numerisch bestimmt beziehungsweise bestimmbar sein. Die Fixierung eines bloßen Rahmens oder einer Obergrenze entspreche dem nicht. Steuertatbestände könnten nur durch förmliches Gesetz oder Satzung festgelegt werden. Dem Bestimmtheitsgebot sei dann genügt, wenn der Gesetzgeber die wesentlichen Bestimmungen über die Steuer mit hinreichender Genauigkeit treffe. Der Verordnungsgeber dürfe lediglich zu einer Konkretisierung von Steuertatbeständen ermächtigt werden.

Diesen Anforderungen werde die Ermächtigungsnorm des § 7 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 NSpielbG 1973 nicht gerecht. Sie sei nicht so bestimmt, dass schon aus ihr und nicht erst aus der auf ihr beruhenden Verordnung erkennbar sei, welche Verpflichtungen den Spielbankunternehmer träfen. Zwar seien unter Einbeziehung von § 6 Abs. 2 NSpielbG 1973 die Steuerpflicht und ein Abschöpfungsauftrag sowie die Ermächtigung des Ministers des Inneren zur Bestimmung der Höhe der Abgabe durch Verordnung normiert. Jedoch habe der Gesetzgeber keine konkrete Bestimmung über die (numerische) Höhe der Troncabgabe getroffen. Damit werde die für den gesetzlichen Steuertatbestand konstitutive Bestimmung des Steuersatzes - und nicht nur die Konkretisierung des gesetzlich bestimmten Steuertatbestandes - in unzulässiger Weise dem Verordnungsgeber überlassen. Es ergäben sich gravierende Unschärfen bei der Auslegung der Begriffe "Betrag zur Deckung eines angemessenen und wirtschaftlichen Personalaufwandes", je nachdem, ob von Gesamtpersonalbedarf oder vom Personalbedarf bei den "klassischen Spielen" ausgegangen werde. Diese Unschärfen ließen sich durch Auslegung nicht auflösen; der nach § 6 Abs. 2 NSpielbG 1973 an sich vorrangigen Abschöpfungsfunktion der Troncabgabe stehe § 7 Satz 2 NSpielbG 1973 gegenüber, der nach seinem Wortlaut einen Vorrang der Personalkostendeckung normiere, hinter den die Troncabgabepflicht gegebenenfalls zurücktrete. Auch unter Berücksichtigung der sachtypischen Besonderheiten der Troncabgabe sei die Verordnungsermächtigung nicht hinreichend bestimmt. Die Besteuerungsobergrenzen würden lediglich mit unbestimmten, an tatsächliche Gegebenheiten (Deckung eines angemessenen und wirtschaftlichen Personalaufwands) anknüpfenden Begriffen, nicht aber bezüglich der Höhe des Steuersatzes bezeichnet. Ein den Gesetzgeber bindender Verfassungsauftrag zu einer Abschöpfung von Spielbankgewinnen bzw. Tronceinnahmen bis zur Wirtschaftlichkeitsgrenze bestehe nicht. § 7 Satz 1 Nr. 2 NSpielbG 1973 erlaube es dem Verordnungsgeber, den Steuersatz und damit ein für die Steuer schlechthin konstitutives Merkmal selbst einzuführen.

II. Zur Vorlage haben die Klägerin des Ausgangsverfahrens und für das Land Niedersachsen die Niedersächsische Staatskanzlei Stellung genommen.

1. Die Klägerin des Ausgangsverfahren trägt vor, § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 5 Ergänzungsgesetz bewirke eine unzulässige Rückbewirkung von Rechtsfolgen; sie habe dreizehn Jahre nach Anfechtung der Steuererhebung nicht mehr mit einer Gesetzesänderung rechnen müssen. Unter Bezugnahme auf ihre Stellungnahme im vorangegangenen Vorlageverfahren führt sie aus, dass es für die Erhebung der Troncabgabe an einer verfassungsrechtlich gesicherten Grundlage fehle; die Höhe der Steuer werde im Gesetz nicht hinreichend bestimmt.

2. Die Niedersächsische Staatskanzlei hält die Vorlage für unbegründet. § 3 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 5 des Ergänzungsgesetzes verstoße nicht gegen das rechtsstaatliche Vertrauensschutzgebot, das Ausnahmen zulasse. Das Ergänzungsgesetz stelle zwar einen Fall "echter" Rückwirkung dar. Auf Vertrauensschutz könne sich die Spielbankbetreiberin aber nicht berufen. Bei bloßen Korrekturen formeller Mängel dürfte wegen der bereichsspezifischen Besonderheiten das Interesse des Landesgesetzgebers an der Herstellung einer formell verfassungsgemäßen Rechtsgrundlage überwiegen (Ausnahmegrund des rückwirkenden Ersetzens einer nichtigen Norm). Die Abschöpfungsfunktion entfiele, wenn die Abgabe nicht erhoben würde. In diesem Fall verbliebe den Beschäftigten ein Einkommen aus Glücksspiel, das die Angemessenheitsgrenze übersteige. Hilfsweise könne zur Rechtfertigung der Rückwirkung auch auf den Ausnahmefall verwiesen werden, dass eine unklare bzw. verworrene Rechtslage zu bereinigen gewesen sei. Schließlich sei die Regelung des § 7 NSpielbG 1973 hinreichend bestimmt. Im Wege der Auslegung lasse sich eine hinreichend konkrete Bestimmung des Steuersatzes ermitteln; insbesondere bestehe kein Gegensatz zwischen § 6 Abs. 2 und § 7 Satz 2 NSpielbG 1973. Während erstere Norm den Vorrang der Abschöpfung bestimme, regele die zweitgenannte die Obergrenze der Abschöpfungspflicht und führe auf diese Weise zu einer hinreichenden Bestimmtheit im Sinne einer Bestimmbarkeit des Steuersatzes der Troncabgabe. Jedenfalls ließen sich wegen der sachtypischen Besonderheiten die Grenzen der Besteuerung bestimmen.

III. Die Vorlage ist unzulässig. Sie entspricht nicht den Anforderungen an die Darlegung der Überzeugung des vorlegenden Gerichts von der Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung gestellten Normen.

1. Ein Vorlagebeschluss nach Art. 100 Abs. 1 GG muss mit hinreichender Deutlichkeit erkennen lassen, aus welchen Gründen das vorlegende Gericht von der Unvereinbarkeit der Norm mit der Verfassung überzeugt ist und dass es bei Gültigkeit der Regelung zu einem anderen Ergebnis kommen würde als im Fall ihrer Ungültigkeit und wie es dieses Ergebnis begründen würde (vgl. BVerfGE 77, 259 [261]; 97, 49 [60]; 98, 169 [199]; 105, 61 [67]; stRspr). Das Gericht muss sich mit der Rechtslage auseinandersetzen, die in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassungen berücksichtigen und auf unterschiedliche Auslegungsmöglichkeiten der Norm eingehen, soweit diese für deren Verfassungsmäßigkeit von Bedeutung sein können (vgl. BVerfGE 79, 245 [249]; 86, 71 [77]; 97, 49 [60]). Die Darlegungen zur Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung gestellten Norm müssen den verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab nennen und die für die Überzeugung des Gerichts maßgebenden Erwägungen darstellen, wobei sich das Gericht jedenfalls mit naheliegenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten auseinanderzusetzen hat (vgl. BVerfGE 86, 52 [57]; 86, 71 [78]; 94, 315 [325]).

2. Das Finanzgericht hat zwar die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen hinreichend dargelegt. Es hat ausgeführt, dass die Klage im Fall der Wirksamkeit der Bestimmungen des Ergänzungsgesetzes ohne Erfolg zu bleiben habe, während es bei dessen Ungültigkeit auf die Verfassungsmäßigkeit von § 7 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 NSpielbG 1973 ankomme. Für den Fall, dass die Klage nach diesen Vorschriften zu beurteilen ist, hat das Finanzgericht insbesondere erläutert, dass die von der Klägerin geltend gemachte Reduzierung der Troncabgabe um den Personalaufwand, der von den verbleibenden Tronceinnahmen nicht gedeckt wird, ausscheidet und daher die Entscheidung ausschließlich von der Gültigkeit der genannten Vorschriften abhängt. Die Auffassung des Finanzgerichts ist nicht offensichtlich unhaltbar und daher für die Beurteilung der Entscheidungserheblichkeit maßgeblich (vgl. BVerfGE 105, 61 [67]; stRspr).

3. Hingegen ist das Finanzgericht bereits bei der Darlegung der Verfassungswidrigkeit der Bestimmungen des Ergänzungsgesetzes nicht ausreichend auf naheliegende Gesichtspunkte eingegangen, die gegen die Verfassungswidrigkeit der rückwirkenden Geltungsanordnung dieses Gesetzes sprechen. Daher kann offen bleiben, ob die Vorlage im Übrigen den verfassungsprozessrechtlichen Anforderungen genügt.

a) Das Finanzgericht würdigt das im Jahr 2002 ergangene, insgesamt zum 1. September 1973 und in Sonderheit für die Troncabgabe der Klägerin zum 1. April 1978 in Kraft gesetzte Ergänzungsgesetz verfassungsrechtlich im Hinblick auf die Zulässigkeit der so genannten echten Rückwirkung belastender Gesetze. Damit kommen folgende verfassungsrechtliche Maßstäbe zum Tragen, die das Finanzgericht im Ansatz auch nicht verkannt hat:

Das grundsätzliche Verbot rückwirkender belastender Gesetze beruht auf den Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes. Es schützt das Vertrauen in die Verlässlichkeit und Berechenbarkeit der unter der Geltung des Grundgesetzes geschaffenen Rechtsordnung und der auf ihrer Grundlage erworbenen Rechte (vgl. BVerfGE 101, 239 [262] m.w.N.). Die Rückbewirkung von Rechtsfolgen (sog. echte Rückwirkung), die dann vorliegt, wenn der Beginn des zeitlichen Anwendungsbereichs einer Norm und der Eintritt ihrer Rechtsfolgen auf einen Zeitpunkt festgelegt sind, der vor demjenigen liegt, zu dem die Norm gültig geworden ist, so dass der Gesetzgeber nachträglich ändernd in einen abgeschlossenen Sachverhalt eingreift, ist grundsätzlich unzulässig (vgl. BVerfGE 97, 67 [78 f.] m.w.N.). Ausnahmsweise tritt das Rückwirkungsverbot zurück, wenn sich kein schützenswertes Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte (vgl. BVerfGE 13, 261 [272]; 95, 64 [86 f.]; 101, 239 [263]). Dies kommt in Betracht, wenn die Betroffenen, bezogen auf den Zeitpunkt des (rückwirkenden) Inkrafttreten des Gesetzes, mit der Regelung rechnen mussten, oder wenn das geltende Recht so unklar und verworren ist, dass die Betroffenen bei ihren Dispositionen darauf nicht vertrauen konnten; ferner können sich die Betroffenen nicht immer auf den durch eine ungültige Norm erzeugten Rechtsschein verlassen, weshalb der Gesetzgeber unter Umständen eine nichtige Bestimmung rückwirkend durch eine rechtlich nicht zu beanstandende Norm ersetzen kann (vgl. BVerfGE 13, 261 [272]; 22, 330 [348]). Schließlich können überragende Belange des Gemeinwohls, die dem Prinzip der Rechtssicherheit vorgehen, eine Rückwirkungsanordnung rechtfertigen (vgl. BVerfGE 13, 261 [272]; 101, 239 [264]; stRspr).

b) Dem Vorlagebeschluss lässt sich nicht entnehmen, aus welchen Gründen die nach dem Niedersächsischen Spielbankengesetz 1973 konzessionierten Spielbankunternehmer oder speziell die Klägerin darauf vertrauen konnten, nicht als Treuhänder der Tronceinnahmen zu einer Troncabgabe herangezogen zu werden, und weshalb ein etwaiges Vertrauen darauf schützenswert ist.

aa) Das Finanzgericht selbst führt aus, dass die Erhebung einer Troncabgabe von vornherein in § 6 Abs. 2, § 7 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 NSpielbG 1973 gesetzlich vorgesehen gewesen ist, und leitet seine verfassungsrechtlichen Bedenken lediglich daraus ab, dass der Steuersatz nicht durch Gesetz festgelegt, sondern der Bestimmung im Wege der Rechtsverordnung anhand als unzureichend erachteter Maßstäbe überlassen worden ist. Selbst wenn diese rechtliche Ausgestaltung bei den Spielbankunternehmern die Erwartung begründet hätte, dass die Erhebung der Troncabgabe keinen Bestand haben werde - wofür in tatsächlicher Hinsicht das Finanzgericht weder Feststellungen getroffen hat noch das Geringste spricht -, wäre zu prüfen, ob diese Erwartung sich zu einem schützenswerten Vertrauen verdichtet haben könnte. Insoweit spielen die - vom Finanzgericht allein unter dem Aspekt eines unredlichen Verhaltens erörterten und nicht näher aufgeklärten - Umstände des Abschlusses des Konzessionsvertrags und seine Bestimmungen (vgl. insbes. § 4 Abs. 4 Satz 1; siehe in diesem Zusammenhang auch BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 11. August 2008 - 2 BvL 5/03 -) ebenso eine Rolle wie die Besonderheiten des Spielbankenrechts. Die Erhebung einer Troncabgabe gehört zu den herkömmlichen Instrumenten zur Abschöpfung unangemessener privater Gewinne aus der Veranstaltung des an sich unerwünschten Glücksspiels (vgl. BVerfGE 28, 119 [148 ff.]; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 21. Juni 1988 - 1 BvR 481/84 - Umdruck S. 4 f.; siehe auch BVerfGE 102, 197 [215]).

bb) Das Finanzgericht hat sich diesen Fragen erkennbar deshalb nicht gestellt, weil es das Vertrauen der Klägerin auf eine Steuererhebung "aufgrund einer verfassungskonformen gesetzlichen Regelung" schlechthin als maßgeblich ansieht. Mit dieser abstrakten, Ausgangspunkt und Regelungsziel der in Rede stehenden gesetzlichen Rückwirkungsanordnung ausblendenden Sichtweise verfehlt es den Grundsatz des Vertrauensschutzes als Grund, aber auch als Grenze des Rückwirkungsverbots (vgl. BVerfGE 88, 384 [404]). Inwieweit Vertrauensschutz besteht, bedarf jeweils der Überprüfung anhand der konkreten Sachlage und der konkreten Regelungszusammenhänge. So kann insbesondere ein Vertrauen auf die wirkliche Rechtslage, also auf die Ungültigkeit der fraglichen Norm, schon durch den Rechtsschein ihrer Gültigkeit ausgeschlossen sein, und zwar vor allem dann, wenn die angegriffene Regelung an sich sachgerecht erscheint und ihr lediglich Bedenken formeller Art entgegen stehen (vgl. BVerfGE 22, 330 [347]).

Das Finanzgericht hätte demnach erörtern müssen, inwieweit die Spielbankunternehmer angesichts des Rechtsscheins von § 7 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 NSpielbG 1973 in Verbindung mit § 1 der Troncverordnung und im Hinblick auf die grundlegenden Voraussetzungen der Erteilung der Spielbankenkonzession und des fortgesetzten Spielbankenbetriebs auf eine Ungültigkeit der von ihnen in Frage gestellten Vorschriften vertrauen durften. Dies gilt umso mehr, als die vom Finanzgericht angeführten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die hinreichende Bestimmtheit der Verordnungsermächtigung keinen Beleg in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts finden. Dass das förmliche Gesetz insbesondere auch den Steuersatz bestimmen müsse, ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bisher nicht entschieden (vgl. BVerfGE 108, 186 [235]).

cc) Soweit das vorlegende Gericht ein schützenswertes Vertrauen der Klägerin daraus ableitet, dass der Landesgesetzgeber bis zum Jahr 2002 zwar das Spielbankenrecht in anderer Hinsicht zweimal, nicht jedoch die Erhebung der Troncabgabe geändert habe, obwohl die von der Klägerin eingeleiteten Rechtsbehelfsverfahren gegen den Bescheid vom 8. März 1989 noch anhängig gewesen seien, ist die Erwägung nicht schlüssig dargelegt.

Das Finanzgericht erläutert bereits nicht, inwiefern die Klägerin den zwischenzeitlichen Gesetzesänderungen den Willen des Gesetzgebers hätte entnehmen können, den - zumal erst mit dem Vorlagebeschluss des Finanzgerichts vom 14. Mai 2003 greifbar gewordenen - Zweifeln an der hinreichenden Bestimmtheit der Gesetzesbestimmungen über die Troncabgabe nicht durch vorsorgliche rückwirkende Regelungen zu begegnen. Mit der Novellierung im Jahr 1989 (Niedersächsisches Spielbankengesetz vom 10. November 1989, Nds. GVBl S. 375 ff.) wurde die Trägerschaft der Spielbanken dahingehend neu geregelt, dass nur noch Gesellschaften, deren sämtliche Anteile unmittelbar oder mittelbar dem Land gehören, als Spielbankunternehmer konzessioniert werden. Die Weitergeltensklausel des § 11 Abs. 1 und Abs. 2 NSpielbG 1989 stellt lediglich klar, dass für die bereits konzessionierten privaten Spielbanken das neue Recht keine Anwendung finden sollte. Auch das Änderungsgesetz vom 14. Dezember 2001 (Nds. GVBl S. 756) betraf lediglich die gemäß der Novellierung 1989 neu erteilten Konzessionen. Im Übrigen spräche bereits das Prozessverhalten des Landes Niedersachsen gegen die Annahme, der Landesgesetzgeber habe konkludent die Rechtsposition der Klägerin stärken wollen.

c) Ferner genügen die Erwägungen des Finanzgerichts, mit denen es eine Rechtfertigung der rückwirkenden Regelung der Troncabgabe durch zwingende Gründe des Gemeinwohls ablehnt, nicht den an eine Vorlage gemäß Art. 100 Abs. 1 GG zu stellenden Anforderungen. Das Finanzgericht verengt seine Betrachtungen auf die Frage, ob die Auswirkungen auf die Finanzlage des Landes, falls die Troncabgabe nicht rückwirkend erhoben werden könnte, zwingende Gründe des Gemeinwohls begründen können, und verneint diese Frage, weil fiskalische Gründe allein eine Rückwirkung nicht rechtfertigen könnten. Dabei blendet es die dem Spielbankenrecht immanenten ordnungsrechtlichen Gesichtspunkte aus, die hier durchaus von hinreichendem Gewicht sein könnten, um die rückwirkende gesetzliche Regelung zu rechtfertigen. Die Erteilung einer Konzession zum Betrieb einer Spielbank dient nicht dazu, dem Spielbankenbetreiber und dem Spielbankenpersonal eine unbeschränkte wirtschaftliche oder berufliche Betätigung und Gewinnerzielung zu ermöglichen, sondern erfolgt im öffentlichen Interesse, staatlich überwachte und manipulationsfreie Glücksspielmöglichkeiten bereitzustellen (vgl. BVerfGE 28, 119 [148 ff.]; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 21. Juni 1988 - 1 BvR 481/84 - Umdruck S. 4 f.; siehe auch BVerfGE 102, 197 [215]). Das Finanzgericht verschließt sich im Hinblick darauf auch der Einsicht, dass der Spielbankbetrieb ins Werk gesetzt wurde. Nach dem Regelungsanliegen des Spielbankengesetzes 1973 folgt daraus zwingend, dass die mit der Troncabgabe beabsichtigte Abschöpfung des als - vom Ausgangspunkt des Glücksspielverbots (§ 284 Abs. 1 StGB ) und der aufgrund der beschränkten Anzahl von Spielbanken relativ risikolosen Gewinnerzielungsmöglichkeiten aus gesehen - unangemessen empfundenen Einkommens des spieltechnischen Personals aus dem Spielbankbetrieb für seinen gesamten Zeitraum realisiert werden muss. Das Ergänzungsgesetz soll also sicherstellen, dass eine der Bedingungen der Zulassung von Spielbanken, nämlich die Verwirklichung des Abschöpfungsgedankens, für den gesamten Zeitraum der Konzession erhalten bleibt. Das Ergänzungsgesetz bezweckt damit zugleich - in Anlehnung an den strafrechtlichen Gedanken positiver Generalprävention - die Aufrechterhaltung des Rechtsbewusstseins vom Ausnahmecharakter des konzessionierten Glücksspiels und unterstreicht, dass daraus gezogene Gewinne limitiert zu bleiben haben.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Vorinstanz: FG Niedersachsen, vom 14.05.2003 - Vorinstanzaktenzeichen 3 K 289/95