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BSG - Entscheidung vom 06.02.2008

B 6 KA 58/07 B

Normen:
EG Art. 13 Art. 234 Art. 43
EGRL 78/2000 Art. 6
EUVtr Art. 6 Abs. 2
SGB V § 95 Abs. 7 S. 3

BSG, Beschluss vom 06.02.2008 - Aktenzeichen B 6 KA 58/07 B

DRsp Nr. 2008/8653

Gemeinschaftsrechtskonformität der 68-Jahres-Altersgrenze in der vertragsärztlichen Versorgung

1. Die Grundrechtsverbürgung in Art. 6 Abs. 2 des Vertrages über die Europäische Union und die Dienstleistungsfreiheit des Art. 43 EGV sind kein Maßstab für die Regelung des § 95 Abs. 7 S. 3 SGB V , weil sie auf rein innerstaatliche Maßnahmen, die nicht in Anwendung des Gemeinschaftsrechts erfolgen, nicht anwendbar sind. 2. Mit der Richtlinie des Rates 2000/78/EG vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ist die Altersgrenze für die Beendigung der vertragsärztlichen Tätigkeit vereinbar. [Nicht amtlich veröffentlichte Entscheidung]

Normenkette:

EG Art. 13 Art. 234 Art. 43 ; EGRL 78/2000 Art. 6 ; EUVtr Art. 6 Abs. 2 ; SGB V § 95 Abs. 7 S. 3 ;

Gründe:

I. Die 1936 geborene Klägerin, die seit 1982 als praktische Ärztin zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen war, will trotz Vollendung der Altersgrenze von 68 Jahren für die vertragsärztliche Tätigkeit (§ 95 Abs 7 Satz 3 SGB V ) über den 30.6.2004 hinaus vertragsärztlich tätig sein. Sie ist der Auffassung, die Altersgrenze für die Beendigung der vertragsärztlichen Tätigkeit sei mit höherrangigem Recht, insbesondere mit europäischem Recht unvereinbar.

Der beklagte Berufungsausschuss wies den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid des Zulassungsausschusses, mit dem dieser das Ende der Zulassung der Klägerin mit Ablauf des 30.6.2004 festgestellt hatte, zurück. Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Urteil des Landessozialgerichts vom 28.2.2007).

Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil macht die Klägerin geltend, im Rechtsstreit sei die Frage zu entscheiden, ob die Altersgrenzenregelung idF des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung aus dem Jahre 2004 mit dem Verbot der Diskriminierung wegen Alters in Ausprägung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes und der Richtlinie 2000/78/EG in Einklang steht. Diese Frage habe grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG .

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Vereinbarkeit der Altersgrenze für die Beendigung der vertragsärztlichen Tätigkeit mit Vollendung des 68. Lebensjahres gemäß § 95 Abs 7 Satz 3 SGB V mit dem GG ist durch die höchstrichterliche Rechtsprechung (zuletzt Urteil des Senats vom 6.2.2008 - B 6 KA 41/06 R - und Beschluss des Bundesverfassungsgerichts [BVerfG] vom 7.8.2007 - 1 BvR 1941/07 -) geklärt. Deshalb kommt dieser Rechtsfrage keine grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG mehr zu. Dasselbe gilt im Ergebnis auch im Hinblick auf die Vereinbarkeit des § 95 Abs 7 Satz 3 SGB V mit europäischen Rechtsvorschriften. Zwar liegen dazu weder höchstrichterliche Entscheidungen nationaler Gerichte noch eine solche des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vor. Die Antwort auf die Rechtsfrage ist jedoch im Hinblick auf die bisherige Rechtsprechung des EuGH so klar, dass eine Vorlage an dieses Gericht auf der Grundlage des Art 234 Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft ( EGV ) in dem von der Beschwerde angestrebten Revisionsverfahren nicht in Betracht käme.

Der Senat hat bereits in seinem einen Zahnarzt betreffenden Beschluss vom 27.4.2005 - B 6 KA 38/04 B - ausgeführt, dass die Regelung des § 95 Abs 7 Satz 3 SGB V nicht am Maßstab der Grundrechtsverbürgung des Art 6 Abs 2 des Vertrages über die Europäische Union ( EUV ) und der Dienstleistungsfreiheit des Art 43 EGV zu prüfen ist, weil diese Vorschriften auf rein innerstaatliche Maßnahmen, die nicht in Anwendung des Gemeinschaftsrechts erfolgen, nicht anwendbar sind. Die Verfassungsbeschwerde gegen diesen Beschluss hat das BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss vom 22.11.2005 - 1 BvR 1957/05).

Klärungsbedürftig im Sinne einer Vorlage an den EuGH auf der Grundlage des Art 234 EGV könnte danach allein die generelle Vereinbarkeit der Altersgrenze für die Beendigung der vertragsärztlichen Tätigkeit mit der auf Art 13 EGV beruhenden Richtlinie des Rates 2000/78/EG vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf sein. Die für eine Vorlage an den EuGH erforderlichen Zweifel hinsichtlich der Vereinbarkeit dieser Altersgrenze mit der Richtlinie bestehen jedoch nicht. Das Ausscheiden von Vertragsärzten aus der Versorgung mit Vollendung des 68. Lebensjahres ist eine durch Art 6 der Richtlinie zugelassene Ungleichbehandlung wegen Alters (Urteil des Senats vom 6.2.2008 - B 6 KA 41/06 R). Angesichts des weiten Spielraums, der den Mitgliedstaaten bei der Festlegung von Altersgrenzen nach der Rechtsprechung des EuGH zukommt (zuletzt Urteil vom 16.10.2007 - C 411/05 - [Palacios de la Villa], NJW 2007, 3339 ), ist die Altersgrenze für Vertragsärzte durch gewichtige gesundheitspolitische und beschäftigungspolitische Zielsetzungen gerechtfertigt. Sie dient der Sicherung von Gefahren, die für die Versorgung der Versicherten von nicht mehr voll leistungsfähigen Ärzten ausgehen können (BVerfG [Kammer], SozR 3-2500 § 95 Nr 17 und Beschluss vom 7.8.2007 aaO), und der Finanzierbarkeit der gesetzlichen Krankenversicherung durch eine Begrenzung der Zahl der zugelassenen Ärzte bei Erhaltung von Zulassungschancen junger Ärzte (BSG SozR 3-2500 § 95 Nr 32 S 157).

Der Senat sieht keinen Anlass, die am 6.2.2008 getroffene Entscheidung im Hinblick auf den Schriftsatz der Bevollmächtigten der Klägerin vom 11.2.2008 aufzuheben und später erneut zu entscheiden. Die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ist - nach Verlängerung - am 24.10.2007 abgelaufen. Neue Gesichtspunkte kann der Bevollmächtigte der Klägerin nach diesem Zeitpunkt nicht mehr vortragen. Alle die Altersgrenze betreffenden Rechtsfragen sind am 6.2.2008 in der mündlichen Verhandlung des (Parallel-)Verfahrens B 6 KA 41/06 R im Beisein des Bevollmächtigten der Klägerin, der auch den Kläger im Verfahren B 6 KA 41/06 R vertritt, erörtert worden. Für ein erneutes Eintreten in die Entscheidungsberatung nach der Beschlussfassung im vorliegenden Verfahren am Ende des Sitzungstages vom 6.2.2008 besteht deshalb kein Grund.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung .

Die Entscheidung über den Streitwert folgt derjenigen des Berufungsgerichts im Beschluss vom 28.2.2007 und beruht auf §§ 52 , 47 Gerichtskostengesetz .

Vorinstanz: LSG Hamburg, vom 28.02.2007 - Vorinstanzaktenzeichen L 2 KA 2/06
Vorinstanz: SG Hamburg, vom 09.01.2006 - Vorinstanzaktenzeichen S 27 KA 294/04