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BSG - Entscheidung vom 20.03.2008

B 8 SO 50/07 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2 § 160a Abs. 2 S. 3

BSG, Beschluss vom 20.03.2008 - Aktenzeichen B 8 SO 50/07 B

DRsp Nr. 2008/11930

Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde; Bezeichnung einer Divergenz

Die Zulassung der Revision wegen Abweichung wird nicht durch die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern durch die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet. [Nicht amtlich veröffentlichte Entscheidung]

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2 § 160a Abs. 2 S. 3 ;

Gründe:

I. Der Kläger wendet sich mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 22. November 2007, das die Versagung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) durch die Beklagte wegen mangelnder Mitwirkung des Klägers für rechtmäßig gehalten hat.

Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde rügt der Kläger, das LSG sei von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - abgewichen. Das LSG habe den Rechtssatz aufgestellt, die Beklagte könne Leistungen der Sozialhilfe auch dann nach § 66 Abs 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - ( SGB I ) versagen, wenn der Hilfesuchende Unterlagen nicht vorlege, aus denen sich Erkenntnisse über die Vermögensverhältnisse der letzten zehn Jahre vor Antragstellung ergäben. Demgegenüber habe das BVerfG entschieden, dass bei der Prüfung der Voraussetzungen eines Anspruchs auf Sozialhilfe nur auf die gegenwärtige Lage abzustellen sei. Ein Bescheid nach § 66 SGB I könne grundsätzlich nicht auf bloße Mutmaßungen in Bezug auf die Vergangenheit gestützt werden, wenn ein substanzieller Zweifel an der gegenwärtigen Bedürftigkeit nicht bestehe. Gegen dieses sog Gegenwärtigkeitsprinizip verstoße das angefochtene Urteil. Diese Abweichung sei auch entscheidungserheblich.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) nicht in der erforderlichen Weise bezeichnet ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG ). Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter gemäß § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG iVm § 169 SGG entscheiden.

Um eine Abweichung iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG zu bezeichnen, hat die Beschwerdebegründung einen Widerspruch im Grundsätzlichen oder ein Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze in der Entscheidung des LSG einerseits und in einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG andererseits aufzuzeigen (BSG SozR 1500 § 160a Nr 67) und die in Bezug genommene Entscheidung so zu kennzeichnen, dass sie ohne weiteres aufzufinden ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14). Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das Urteil des LSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG oder das BVerfG aufgestellt haben, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung. Ferner ist erforderlich, dass das angefochtene Urteil des LSG auf der Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ). Dies muss im Einzelnen dargelegt werden.

Bei seinem Vortrag, das LSG sei von der Entscheidung des BVerfG vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - abgewichen, hat der Beschwerdeführer nicht schlüssig dargetan, inwiefern das LSG einem der genannten Entscheidung des BVerfG zu entnehmenden Rechtssatz widersprochen haben könnte. Er hat der Entscheidung des BVerfG vom 12. Mai 2005 den Rechtssatz entnommen, dass "bei der Prüfung der Voraussetzung eines Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums nur auf die gegenwärtige Lage abgestellt werden" dürfe. "Umstände der Vergangenheit" dürften "nur insoweit herangezogen werden, als sie eindeutige Erkenntnisse über die gegenwärtige Lage des Anspruchsstellers" ermöglichten. Er hat indes nicht herausgearbeitet, welchen hiervon abweichenden Rechtssatz das LSG (angeblich) aufgestellt hat und inwiefern ein Widerspruch der Rechtssätze gegeben sein soll. Der Beschwerdeführer versäumt es insbesondere, darauf einzugehen, dass das LSG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils - unter Berücksichtigung der Grundsätze des BVerfG - ausgeführt hat, dass eine Mitwirkungsobliegenheit sich auch auf die Vorlage von Unterlagen aus der Vergangenheit beziehen kann, wenn - bei kategorisch verweigerter Vorlage von jeglichen Unterlagen - anderweitig die Bedürftigkeit als Voraussetzung für einen Leistungsanspruch nicht möglich sei.

Sofern der Kläger damit dem LSG einen Verstoß gegen das "Gegenwärtigkeitsprinzip" des BVerfG vorwirft, verkennt er den Gegenstand der Divergenzbeschwerde. Denn der Kläger hat nicht aufgezeigt, inwieweit das LSG mit diesen von ihm selbst aufgestellten Auslegungsgrundsätzen von der Rechtsprechung des BVerfG (abstrakt) abgewichen wäre. Vielmehr rügt er lediglich die konkrete Subsumtion des LSG im Einzelfall. Es genügt jedoch - wie aufgezeigt - zur Darlegung der Abweichung nicht, dass lediglich behauptet wird, das LSG habe nicht den Kriterien der höchstrichterlichen Rechtsprechung entsprochen. Vielmehr muss der Kläger aufzeigen, dass das LSG den Kriterien des BVerfG widersprochen habe. Eine solche Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen hat die Beschwerde hinsichtlich der von ihr behaupteten Divergenz jedoch nicht aufgezeigt. Die Richtigkeit des angefochtenen Urteils ist nicht Gegenstand des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, das allein auf die Prüfung der Nebenentscheidung über die Zulassung der Revision gerichtet ist (BSG, Beschluss vom 28. März 2006 - B 11a AL 245/05 B).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 22.11.2007 - Vorinstanzaktenzeichen L 7 SO 1298/07
Vorinstanz: SG Freiburg, vom 21.02.2007 - Vorinstanzaktenzeichen S 9 SO 4732/06