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BFH - Entscheidung vom 29.07.2008

III S 35/08 (PKH)

BFH, Beschluss vom 29.07.2008 - Aktenzeichen III S 35/08 (PKH)

DRsp Nr. 2008/18956

Gründe:

I. Mit Bescheid vom 22. November 2007 hob die Beklagte (Familienkasse) die Festsetzung des Kindergeldes für A, den Sohn der Klägerin und Antragstellerin (Klägerin), ab Oktober 2007 auf und forderte das für die Monate Oktober und November 2007 gezahlte Kindergeld zurück.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob die Klägerin Klage gegen den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid und beantragte, ihr für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe (PKH) zu gewähren. Durch Beschluss vom 7. Mai 2008 4 K 258/07 (4) übertrug der für die Entscheidung zuständige Senat des Finanzgerichts (FG) den Rechtsstreit dem Berichterstatter R als Einzelrichter zur Entscheidung.

Außerdem beantragte die Klägerin, die Vollziehung des Bescheids vom 22. November 2007 auszusetzen. Dieser Rechtsstreit wurde durch Beschluss vom 8. Mai 2008 4 V 84/08 (4) ebenfalls dem Berichterstatter R als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Durch Beschlüsse vom 8. Mai 2008 4 K 258/07 (4) und 4 V 84/08 (4) lehnte R den Antrag auf PKH sowie den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) ab.

Durch Gerichtsbescheid vom 8. Mai 2008 4 K 258/07 (4) wies er die Klage ab; die Revision ließ er nicht zu. Mit Schreiben vom 14. Mai 2008 beantragte die Klägerin mündliche Verhandlung.

Ebenfalls mit Schreiben von 14. Mai 2008 erhob die Klägerin persönlich sowie durch den von ihr bevollmächtigten Ehemann (Bevollmächtigter) Beschwerden gegen

- die Ablehnung der PKH,

- die Ablehnung der AdV,

- die Nichtzulassung der Revision und

- die Übertragung der Rechtsstreite auf den Einzelrichter.

Zugleich beantragte sie, ihr für diese Verfahren PKH zu gewähren und ihr einen Rechtsanwalt beizuordnen.

Am 21. Mai 2008 beantragte der Bevollmächtigte der Klägerin beim FG, die Familienkasse durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, an die Klägerin Unterlagen zum Erhalt von Kindergeld für A zu übersenden, der seinen Zivildienst am 30. Juni 2008 beende und noch keine Arbeitsstelle habe. Am 22. Mai 2008 schrieb der Bevollmächtigte der Klägerin, das Verfahren habe sich erledigt, da die Familienkasse die Unterlagen übersandt habe. Er nehme den Antrag daher zurück. R stellte als Berichterstatter durch Beschluss vom 22. Mai 2008 das Verfahren ein und setzte den Streitwert auf 1 000 EUR fest.

Mit Schriftsatz vom 10. Juni 2008 teilte die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten mit, sie habe der Familienkasse ein Ratenzahlungsangebot unterbreitet und gehe davon aus, dass diese damit einverstanden sei, so dass sich eine mündliche Verhandlung erübrigen könne. Nachdem die Familienkasse erklärt hatte, sie habe einen entsprechenden Stundungsbescheid zugunsten der Klägerin erteilt, erließ R als Einzelrichter am 26. Juni 2008 einen klarstellenden Beschluss, in dem er ausführte, der Schriftsatz der Klägerin vom 10. Juni 2008 werde als Rücknahme des Antrags auf mündliche Verhandlung ausgelegt. Der Gerichtsbescheid vom 8. Mai 2008 wirke damit als rechtskräftiges Urteil. Der Beschluss sei ebenso wie die im Gerichtsbescheid ausgesprochene Kostenfolge und die Streitwertfestsetzung nach § 128 Abs. 2 FGO und § 68 Abs. 1 Satz 4, § 66 Abs. 3 Satz 3 des Gerichtskostengesetzes ( GKG ) unanfechtbar.

Am 25. Juli 2008 übersandte der Bevollmächtigte der Klägerin unter Bezugnahme auf das Az. III S 35/08 (PKH) des vorliegenden Verfahrens einen vom 16. Mai 2008/25. Juli 2008 datierten Schriftsatz, mit dem er mitteilte, das Klageverfahren sei nicht erledigt. Denn er habe den Antrag auf mündliche Verhandlung nicht zurückgenommen, er habe lediglich mitgeteilt, das Verfahren könne sich erledigen, weil mit der Familienkasse eine Einigung auf Ratenzahlung zustande gekommen sei. Dies gebe dem FG nicht das Recht, das Verfahren zu beenden und ihnen die Kosten aufzubürden.

Gleiches gelte für das Verfahren auf einstweilige Anordnung. Die Familienkasse habe erst auf den gerichtlichen Antrag reagiert. Bei dieser Sach- und Rechtslage habe er die Kosten nicht zu tragen.

Er bitte, über die eingelegten Rechtsmittel zu entscheiden.

II. Da für Verfahren vor dem Bundesfinanzhof (BFH) Vertretungszwang gilt (§ 62a der Finanzgerichtsordnung -- FGO --, seit 1. Juli 2008 § 62 Abs. 4 FGO ) und deshalb sowohl die von der Klägerin als auch ihrem Bevollmächtigten erhobenen Beschwerden unwirksam wären, wertet der Senat die Schreiben der Klägerin und ihres Bevollmächtigten als Antrag auf PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts für --erst durch einen Rechtsanwalt zu erhebende-- Beschwerden gegen die Entscheidungen des FG. Denn ein Antrag auf PKH für ein beabsichtigtes Rechtsmittel unterliegt nicht dem Vertretungszwang (§ 155 FGO i.V.m. § 78 Abs. 5 , § 117 Abs. 1 der Zivilprozessordnung -- ZPO --).

III. Der Antrag auf PKH ist aber mangels Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung (§ 142 Abs. 1 FGO , § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ) abzulehnen.

1. Die von der Klägerin nach den Schreiben vom 14. Mai 2008 beabsichtigten Beschwerden sind nicht statthaft:

- Beschlüsse, mit denen der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen wird, sind nach § 6 Abs. 4 Satz 1 FGO unanfechtbar.

- Beschlüsse im Verfahren der PKH können nach § 128 Abs. 2 FGO nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

- Gegen einen Beschluss, mit dem das FG die AdV eines angefochtenen Bescheids ablehnt, steht den Beteiligten nach § 128 Abs. 3 FGO die Beschwerde nur zu, wenn sie in der Entscheidung zugelassen worden ist. Im Beschluss vom 8. Mai 2008 4 V 84/08 (4) ist die Beschwerde aber ausdrücklich nicht zugelassen worden.

Eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in einem Gerichtsbescheid wäre nur dann statthaft, wenn der Gerichtsbescheid rechtskräftig geworden wäre und als Urteil wirken würde. Gerade das bestreitet aber der Bevollmächtigte.

Im Übrigen hätte eine Nichtzulassungsbeschwerde auch keine Aussicht auf Erfolg. Denn die Revision ist nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, eine Entscheidung des BFH zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist oder dem FG ein Verfahrensfehler unterlaufen ist, auf dem das Urteil beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 FGO ). Ein solcher Zulassungsgrund ist nicht erkennbar. Vielmehr entspricht die Entscheidung des FG der geltenden Rechtslage.

Für ein Kind, das den gesetzlichen Zivildienst leistet, besteht nach der gesetzlichen Regelung (§§ 62 , 63 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes -- EStG --) kein Anspruch auf Kindergeld. Der Zivildienst hat lediglich zur Folge, dass für ein Kind, das nach Beendigung des Zivildienstes arbeitslos ist oder z.B. eine Ausbildung beginnt oder fortsetzt, für einen der Dauer des Zivildienstes entsprechenden Zeitraum bei Arbeitslosigkeit über das 21. Lebensjahr hinaus bzw. im Falle der Ausbildung über das 25. Lebensjahr hinaus Kindergeld gewährt werden kann (§ 32 Abs. 5 EStG ). Das Kindergeld ist daher für die Monate Oktober und November 2007 ohne Rechtsgrund gezahlt worden und deshalb zu erstatten.

Nach § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung hat die Familienkasse einen Anspruch auf Rückerstattung des Kindergeldes gegen den Leistungsempfänger. Das ist derjenige Elternteil, dem das Kindergeld als Anspruchsberechtigtem ausgezahlt worden ist. Das Kindergeld dient dazu, das Einkommen des kindergeldberechtigten Elternteils in Höhe des Existenzminimums für das Kind von der Einkommensteuer freizustellen. Soweit das Kindergeld dafür nicht erforderlich ist, dient es der Förderung der Familie (§ 31 Satz 1 und 2 EStG ). Es steht somit dem kindergeldberechtigten Elternteil zu und ist Teil von dessen Einkommen. Er erhält es nicht --wie die Klägerin meint-- nur treuhänderisch für das Kind. Nur wenn das Kindergeld aufgrund einer formellen Abzweigung nach § 74 Abs. 1 Satz 1 EStG an das Kind ausgezahlt worden ist, hat die Familienkasse das zu Unrecht gezahlte Kindergeld vom Kind zurückzufordern (BFH-Urteil vom 24. August 2001 VI R 83/99, BFHE 196, 278 , BStBl II 2002, 47 ).

2. Die Einwendungen des Bevollmächtigten im Schreiben vom 16. Mai 2008/25. Juli 2008, das FG sei zu Unrecht von einer Rücknahme des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und von einer Rücknahme des Antrags auf mündliche Verhandlung ausgegangen, können nicht mit einer Beschwerde gegen die Beschlüsse vom 22. Mai 2008 und vom 26. Juni 2008 geltend gemacht werden. Einstellungsbeschlüsse nach Klagerücknahme können gemäß § 128 Abs. 2 FGO nicht mit der Beschwerde angefochten werden. Dies gilt entsprechend für Beschlüsse, mit denen ein Verfahren wegen einstweiliger Anordnung nach Rücknahme eingestellt wird oder mit denen klargestellt wird, der Gerichtsbescheid gelte aufgrund der Rücknahme des Antrags auf mündliche Verhandlung als Urteil.

Meint ein Antragsteller/Kläger, er habe einen Antrag auf einstweilige Anordnung bzw. einen Antrag auf mündliche Verhandlung nicht zurückgenommen, kann er beim FG die Fortsetzung des Verfahrens beantragen. Das FG hat dann dazu entscheiden, ob der Antrag wirksam zurückgenommen worden ist oder ob das als Antragsrücknahme ausgelegte Schreiben eines nicht Rechtskundigen als Erklärung auszulegen ist, der Rechtsstreit sei in der Hauptsache erledigt mit der Folge, dass über die Kosten des Verfahrens nach § 138 FGO zu entscheiden ist.

3. Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen. Gerichtsgebühren entstehen nicht (§ 142 FGO , § 1 Nr. 3 GKG i.V.m. dem Kostenverzeichnis ).