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BFH - Entscheidung vom 27.05.2008

X B 13/08

BFH, Beschluss vom 27.05.2008 - Aktenzeichen X B 13/08

DRsp Nr. 2008/13077

Gründe:

1. Die Beschwerde ist unzulässig, soweit sie die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 1995 betrifft. Insoweit mangelt es nämlich an der (formellen) Beschwer des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger), weil das Finanzgericht (FG) der Klage wegen des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 1995 in dem angefochtenen Urteil stattgegeben hat.

2. Im Übrigen --soweit sie die Einkommensteuer 1989 bis 1991 sowie die Gewerbesteuermessbeträge 1990 und 1991 betrifft-- ist die Beschwerde begründet. Der Kläger hat schlüssig das Vorliegen eines Verfahrensmangels i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung ( FGO ) gerügt. Ein solcher liegt auch vor.

a) Lehnt das FG zu Unrecht einen Beweisantrag ab, so verletzt es seine Sachaufklärungspflicht gemäß § 76 Abs. 1 FGO (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 10. März 2005 X B 66/04, BFH/NV 2005, 1339 ).

b) aa) Der Kläger hat in seinem an das FG gerichteten Schriftsatz vom 14. November 2007 u.a. Folgendes vorgetragen:

Die Unterschrift auf dem Lieferschein Nr. ... sei eindeutig nicht ihm selbst, sondern seinem Cousin C X zuzuordnen. C X habe ebenso wie ein A X Z-Geschäfte mit der Firma Y KG gemacht. Dies gelte insbesondere auch im hier streitbefangenen Zeitraum. Angesichts dessen, dass der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) immer wieder auf "Herrn X" Bezug genommen habe, sei aus der Unterschrift unter dem Lieferschein Nr. ... eindeutig erkennbar, dass nicht er --der Kläger-- derjenige gewesen sei, der mit der Firma Y KG die in Rede stehenden Z-Geschäfte getätigt habe, sondern C X neben dem bereits genannten A X. Beide vorgenannten Familienangehörigen (des Klägers) hätten jedoch mit ihm (Kläger) in keinem geschäftlichen Kontakt gestanden. Mit seiner --des Klägers-- Inanspruchnahme durch das FA sei folglich der "falsche X" herangezogen worden.

Zum Beweis für den vorgenannten Vortrag hat der Kläger C X benannt.

In der mündlichen Verhandlung vor dem FG am 15. November 2007 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers ausweislich der Sitzungsniederschrift im Anschluss an die vom FG durchgeführte Beweisaufnahme durch Vernehmung verschiedener anderer Zeugen ausdrücklich bemerkt, dass auf die Vernehmung des von ihm benannten Zeugen C X nicht verzichtet werde (Bl. 295, 308 der Finanzgerichtsakten Band II).

bb) Gleichwohl hat das FG die Vernehmung des Zeugen C X für entbehrlich gehalten und dies im angefochtenen Urteil mit im Wesentlichen folgenden Erwägungen begründet:

Aufgrund der Aussage des Zeugen Y sei der Senat davon überzeugt, dass der Kläger der Lieferant der fraglichen Materialmengen gewesen sei und sich zur Durchführung und Abrechnung der Lieferungen lediglich der Hilfe von D B (ebenfalls Cousin des Klägers), weiteren Verwandten und von Frau W (frühere Lebensgefährtin des Klägers) bedient habe. Der Zeuge Y habe seine Aussage zu den Lieferungen des Klägers u.a. damit begründet, dass er nur mit diesem über die Preise der jeweiligen Lieferungen verhandelt habe. Der Zeuge Y habe zwar selbst eingeräumt, dass ihm noch andere Personen mit dem Namen X bekannt seien. Auch diese anderen Personen hätten jedoch nach Aussage des Zeugen Y Lieferungen im Auftrag des Klägers an die Firma Y KG ausgeführt.

Der Senat stelle nicht in Abrede, dass die Firma Y KG nicht nur vom Kläger Z-Lieferungen erhalten habe, sondern dass auch noch andere Personen, die möglicherweise den Namen X getragen hätten, Lieferungen an die Firma Y KG ausgeführt hätten. Die Aussage des Zeugen Y, dass auch geschäftliche Beziehungen zu anderen Personen mit dem Namen X oder zu Personen aus deren Verwandtenkreis bestanden hätten und dass es Materiallieferungen einer Gruppe von Personen gegeben habe, die "über den Kläger abgerechnet worden" seien, und Lieferungen einer anderen Gruppe, die "nicht über den Kläger abgerechnet worden" seien, lege dies nahe. In diesem Zusammenhang habe der Zeuge Y klar gemacht, dass sich in der Gruppe um den Kläger vor allem D B und W befunden hätten. Allein die Tatsache, dass unabhängig vom Kläger auch andere Personen Lieferungen an die Firma Y KG ausgeführt hätten, stehe der vom FA vorgenommenen Hinzuschätzung von betrieblichen Einnahmen nicht entgegen.

Soweit der Zeuge Y über den Umfang der Lieferungen des Klägers Auskunft erteilt habe, sei ausgeschlossen, dass er den in der mündlichen Verhandlung anwesenden Kläger mit einer anderen Person namens X verwechselt habe. Es sei durchaus möglich, dass der als weiterer Zeuge benannte C X daneben ebenfalls Z-Lieferungen an die Firma Y KG durchgeführt habe. Der Senat habe jedoch davon abgesehen, C X als Zeugen zu vernehmen. Der Kläger habe nicht dargelegt, in welchem Umfang und in welcher Art und Weise C X mit der Firma Y KG in den Streitjahren Z-Geschäfte abgewickelt haben solle. Er habe weiterhin nicht dargelegt, inwieweit D B und W oder andere Personen in diese Geschäfte einbezogen gewesen sein sollten. Er habe ferner nicht dargelegt, aus welchen durch die Zeugenvernehmung zu beweisenden Tatsachen sich ergeben solle, dass der Kläger der "falsche X" gewesen sei. Es sei deshalb nicht ersichtlich, welche konkreten Tatsachen durch die Vernehmung des C X hätten bewiesen werden sollen. Offenbar habe dieser lediglich das vortragen sollen, was der Kläger zunächst selbst zur Glaubhaftmachung seiner Behauptungen darzulegen gehabt hätte. Demgegenüber ergebe sich aus der Mitwirkungspflicht der Beteiligten, dass sie Beweisanträge nur zu bestimmten substantiierten Tatsachenbehauptungen stellten. Beweisermittlungs- oder -ausforschungsanträge, die so unbestimmt seien, dass im Grunde erst die Beweiserhebung selbst die entscheidungserheblichen Tatsachen aufdecken solle, brauchten regelmäßig dem Gericht nicht nahe zu liegen.

cc) In seiner Beschwerdebegründungsschrift hat der Kläger das Übergehen seines Beweisantrags, C X als Zeugen zu vernehmen, schlüssig gerügt. Der Kläger hat behauptet, dass nicht er, sondern C X diejenige Person sei, die mit der Firma Y KG die im Wesentlichen ihm --dem Kläger-- zugerechneten Z-Geschäfte "im Osten" getätigt habe. Er hat diese Behauptung u.a. damit belegt, dass ein näher bezeichneter Lieferschein von C X unterschrieben worden sei und der Zeuge Y in seiner Vernehmung in der mündlichen Verhandlung vom 15. November 2007 ausgesagt habe, außer mit dem Kläger auch mit anderen Personen mit dem Namen X (Z-)Geschäfte gemacht zu haben. Demzufolge hätte das FG --so führt der Kläger des Weiteren aus-- den Zeugen C X vernehmen müssen. Das Ergebnis dieser Vernehmung wäre gewesen, dass C X hätte einräumen müssen, dass er derjenige gewesen sei, welcher mit der Firma Y KG "die Umsätze im Osten getätigt" habe, und dass deshalb die streitigen "Hinzuschätzungen gänzlich revidiert, ggf. erheblich reduziert hätten werden müssen". Der Kläger hat schließlich zutreffend ausgeführt, dass er den in Rede stehenden Zeugenbeweis in seinem an das FG gerichteten Schriftsatz vom 14. November 2007 angetreten und in der mündlichen Verhandlung vor dem FG ausdrücklich erklärt habe, dass er auf die Vernehmung des Zeugen C X nicht verzichte.

dd) Dieser vom Kläger gerügte Verfahrensmangel liegt auch (tatsächlich) vor. Unter den gegebenen Umständen hätte das FG den vom Kläger beantragten Beweis erheben müssen. Es durfte die vom Kläger begehrte Vernehmung des C X nicht mit der Erwägung ablehnen, dass insbesondere bereits aufgrund der Aussage des in der mündlichen Verhandlung vernommenen Zeugen Y zur Überzeugung des Gerichts feststehe, dass der Kläger der Lieferant der streitigen Z-Lieferungen gewesen sei und die anderen Personen mit dem Namen X im Auftrag des Klägers gehandelt hätten. Dies läuft auf eine --verfahrensfehlerhafte-- vorweggenommene Beweiswürdigung hinaus. Die Vernehmung des Zeugen C X erschien jedenfalls nicht von vorneherein ungeeignet, den streitigen Sachverhalt weiter zu erhellen und ggf. die vom FG für glaubhaft gehaltenen Aussagen des Zeugen Y zu relativieren. Dies gilt umso mehr, als es das FG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils (Seite 11, letzter Absatz) für "durchaus möglich" gehalten hat, "dass der als weiterer Zeuge benannte C X ... ebenfalls Z-Lieferungen an die Firma Y KG durchgeführt hat". Die Vernehmung des Zeugen C X wäre vor diesem Hintergrund nicht zuletzt auch deswegen geboten gewesen, weil es im Streitfall nicht allein darum geht, ob die streitigen Gewinne und Erträge entweder ausschließlich dem Kläger oder allein C X zuzurechnen waren, sondern ggf. entschieden werden muss, ob die vom FA vorgenommenen (Hinzu-)Schätzungen im Hinblick auf die möglicherweise in Betracht zu ziehende Hinzurechnung bei einer anderen Person teilweise zu reduzieren sind.

Soweit das FG das Übergehen des in Rede stehenden Zeugenbeweises mit der Erwägung begründet hat, der Kläger habe nicht dargelegt

- in welchem Umfang und in welcher Art und Weise C X mit der Firma Y KG in den Streitjahren Z-Geschäfte abgewickelt haben solle,

- inwieweit D B und W oder andere Personen in diese Geschäfte einbezogen gewesen sein sollten und

- aus welchen durch die Zeugenvernehmung zu beweisenden Tatsachen sich ergeben solle, dass der Kläger der "falsche X" gewesen sei,

so dass nicht ersichtlich sei, welche konkreten Tatsachen durch die Vernehmung des C X hätten bewiesen werden sollen, überspannt es die Anforderungen an einen (zulässigen) Beweisantritt. Abgesehen davon, dass der Kläger einige (oben skizzierte) Umstände benannt hat, welche die Beteiligung des C X an den hier streitigen Z-Geschäften nicht als "völlig aus der Luft gegriffen" erscheinen lassen, kann dem Kläger nicht eine Mitwirkungspflicht in Bezug auf die Eruierung und Darlegung von Tatsachen überbürdet werden, die --wie namentlich insbesondere die Fakten zum Umfang und zu den Einzelheiten der zwischen der Firma Y KG und C X betriebenen Z-Geschäfte-- außerhalb seiner Wissens- und Einflusssphäre liegen.

3. Auf die Frage nach der schlüssigen Rüge und dem Vorliegen weiterer Revisionszulassungsgründe i.S. von § 115 Abs. 2 FGO kommt es unter den gegebenen Umständen nicht (mehr) an.

4. Der Senat hält es für sachgerecht, im Rahmen des vorliegenden Beschwerdeverfahrens gemäß § 116 Abs. 6 FGO zu verfahren. Er hebt deshalb das angefochtene FG-Urteil in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auf und verweist die Sache insoweit an das FG zurück, damit dieses die erforderlichen Feststellungen nachholen kann.

Vorinstanz: FG München, vom 15.11.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 15 K 5584/02