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BAG - Entscheidung vom 19.08.2008

3 AZR 530/06

Normen:
EG Art. 141 (= EG-Vertrag Art. 119 a.F.)
EG Art. 311
GG Art. 3 Abs. 2
GG Art. 3 Abs. 3
BetrAVG § 1 (Gleichbehandlung)
BGB § 157

Fundstellen:
AP Nr. 18 zu Art 141 EG
DB 2009, 1770
NZA 2009, 785

BAG, Urteil vom 19.08.2008 - Aktenzeichen 3 AZR 530/06

DRsp Nr. 2009/8194

Einführung eines versicherungsmathematischen Abschlags nur für Männer nach dem 17. Mai 1990

Gleiches Entgelt für Männer und Frauen; Verstoß gegen das geschlechtsbezogene Diskriminierungsverbot [Art. 141 EG] bei Einführung eines versicherungsmathematischen Abschlags nur für Männer nach der Entscheidung des EuGH vom 17. Mai 1990 - Rs C-262/88 i.S. Barber; Auslegung der "Erledigungsklausel"; Fehlender Vertrauensschutz für den Arbeitgeber) Orientierungssätze: 1. Ein auf Männer beschränkter versicherungsmathematischer Abschlag stellt eine gegen Art. 141 EG verstoßende Diskriminierung wegen des Geschlechts dar. Eine enge Verzahnung des gesetzlichen und betrieblichen Rentensystems schränkt weder den Anwendungsbereich des Art. 141 EG ein noch beseitigt diese die unzulässige Diskriminierung. 2. Der Grundsatz des gleichen Entgelts (Art. 141 EG) gilt für jeden einzelnen Bestandteil des den männlichen oder den weiblichen Arbeitnehmern gezahlten Entgelts. Leistungen mit unterschiedlichen Zwecksetzungen können nicht miteinander "verrechnet" werden. 3. Ein europarechtlicher Vertrauensschutz führt zwar zu einer zeitlichen Einschränkung der unmittelbaren Wirkung des Art. 141 EG bei den auf das Geschlecht abstellenden, unterschiedlichen Altersgrenzen und versicherungsmathematischen Abschlägen. Wenn die diskriminierende Regelung aber erst nach dem Barber-Urteil vom 17. Mai 1990 (Rs C-262/88) geschaffen wurde, konnte und musste der Arbeitgeber bei seinen Planungen und Dispositionen die unmittelbare Wirkung des Art. 141 EG berücksichtigen. Dementsprechend genießt er insoweit keinen Vertrauensschutz. Eine andere Beurteilung kann nur geboten sein, wenn eine bei Erlass des Barber-Urteils bereits bestehende Ungleichbehandlung in einem später geänderten oder neu erlassenen Regelungswerk lediglich beibehalten oder sogar abgebaut wurde. Dies traf im vorliegenden Fall nicht zu. 4. Die Auslegung der in einem Aufhebungsvertrag enthaltenen "Erledigungsklausel" ergab, dass der Anspruch des Klägers auf Zahlung der Betriebsrente ohne versicherungsmathematischen Abschlag nicht ausgeschlossen worden war. Im Übrigen können die sich aus Art. 141 EG ergebenden Rechtsfolgen jedenfalls nicht im Voraus ausgeschlossen oder beschränkt werden. Ob auf bereits entstandene und fällige Ansprüche verzichtet werden könnte, bedurfte im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Der Anspruch auf Zahlung einer ungekürzten Betriebsrente entstand erst mit Eintritt des Versorgungsfalles.

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 10. Januar 2006 - 6 Sa 400/05 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 16. März 2005 - 6 Ca 3459/04 - abgeändert.

3. Die Beklagte wird verurteilt,

a) für die Monate Februar 2002 bis einschließlich Februar 2005 an den Kläger 6.080,95 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22. Februar 2002, 22. März 2002, 22. April 2002, 22. Mai 2002, 22. Juni 2002, 22. Juli 2002, 22. August 2002, 22. September 2002, 22. Oktober 2002, 22. November 2002, 22. Dezember 2002, 22. Januar 2003, 22. Februar 2003, 22. März 2003, 22. April 2003, 22. Mai 2003, 22. Juni 2003, 22. Juli 2003, 22. August 2003, 22. September 2003, 22. Oktober 2003, 22. November 2003, 22. Dezember 2003, 22. Januar 2004, 22. Februar 2004, 22. März 2004, 22. April 2004, 22. Mai 2004, 22. Juni 2004, 22. Juli 2004, 22. August 2004, 22. September 2004, 22. Oktober 2004, 22. November 2004, 22. Dezember 2004, 22. Januar 2005 und 22. Februar 2005 jeweils aus 164,35 Euro zu zahlen,

b) an den Kläger ab 21. März 2005 jeweils am 21. des laufenden Monats 164,35 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem jeweiligen Folgetag zu zahlen.

4. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen!

Normenkette:

EG Art. 141 (= EG-Vertrag Art. 119 a.F.); EG Art. 311; GG Art. 3 Abs. 2 ; GG Art. 3 Abs. 3 ; BetrAVG § 1 (Gleichbehandlung); BGB § 157 ;

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte die dem Kläger zustehende Betriebsrente um einen versicherungsmathematischen Abschlag kürzen darf.

Der am 4. Dezember 1940 geborene Kläger war vom 18. Dezember 1964 bis zum 31. Januar 2001 bei der I AG (I), einer Rechtsvorgängerin der Beklagten beschäftigt. Die betriebliche Altersversorgung war in der Betriebsvereinbarung Nr. 20 (BV 20) vom Januar 1994 wie folgt geregelt:

"II.

Alters- und Invaliditätsversorgung

§ 4

1. Anspruch auf Bezug der betrieblichen Altersversorgung erhalten diejenigen Betriebsangehörigen, welche

a) die Voraussetzungen für den Bezug einer Sozialversicherungsrente wegen Alters erfüllen und den Nachweis durch Vorlage eines Rentenbescheids erbringen. ...

...

d) bis zum Erreichen der Altersgrenze ununterbrochen im Dienst der I standen.

...

§ 5

1. Die monatlichen Versorgungsleistungen der I für die in § 4 aufgeführten Personen betragen nach 10 zurückgelegten Dienstjahren 20 % des letzten monatlichen Grundeinkommens. Für jedes weitere vollendete Dienstjahr steigen die Versorgungsleistungen um 1 % des letzten monatlichen Grundeinkommens, bis mit Abschluß des 35. Dienstjahres die Höchstleistung von 45 % erreicht ist. ...

...

VI.

Sonstige Bestimmungen

...

§ 19

Werden die Renten aus der gesetzlichen Sozialversicherung aufgrund vorgezogenen Altersruhestandes oder sonstigen Gründen durch Abschläge gekürzt, so ist bei der Berechnung der I-Rente von den ungekürzten Sozialrenten auszugehen.

Durch eine Minderung des allgemeinen Rentenniveaus, z.B. durch Änderung der Rentenformel, darf für das Unternehmen keine Mehrbelastung entstehen.

Eine angemessene Lösung zur Vermeidung der Mehrbelastung ist zwischen Vorstand und Betriebsrat zu vereinbaren. ...

§ 20

Diese Richtlinien treten anstelle der Richtlinien vom 01. Juni 1959 und der Betriebsvereinbarung vom 28. Juli 1965 hinsichtlich Abschnitt I - IV und IV ab 01. Januar 1966, ..."

Die BV 20 sah bei Inanspruchnahme einer Altersrente vor Vollendung des 65. Lebensjahres weder für Frauen noch für Männer versicherungsmathematische Abschläge vor.

Nach § 1 des Aufhebungsvertrages vom 6./8. Juni 2000 wurde das Arbeitsverhältnis "aufgrund von Umstrukturierungsmaßnahmen einvernehmlich zum 31. Januar 2001 beendet". Dieser Vertrag enthält unter anderem folgende Vereinbarungen:

"§ 9

Betriebliche Altersversorgung

1. Als versorgungsfähige Dienstzeit im Sinne der betrieblichen Altersversorgung wird die Zeit bis zum Austritt angerechnet.

2. Das beim Austritt entsprechend den Bestimmungen der für den Mitarbeiter geltenden Versorgungsordnung ermittelte versorgungsfähige Einkommen wird um Tariferhöhungen, die für die aktiven Mitarbeiter im Geltungsbereich des Manteltarifvertrags für die Arbeitnehmer der bayerischen Energieversorgungsunternehmen eintreten, bis zum Eintritt des Versorgungsfalls fortgeschrieben. Dies gilt nicht für Haushaltszulage und sonstige Festbeträge.

3. Für Mitarbeiter, die einen Versorgungsanspruch nach dem Gesamtversorgungssystem (Betriebsvereinbarung Nr. 20) haben, wird bei der Berechnung der betrieblichen Altersversorgung die Sozialversicherungsrente zugrunde gelegt, die sich ohne den versicherungsmathematischen Abschlag in der gesetzlichen Rentenversicherung ergeben würde und entsprechend § 19 BV 20 mit dem Korrekturfaktor gewichtet.

4. Die errechnete betriebliche Altersversorgung wird um einen versicherungsmathematischen Abschlag von 0,3 % für jeden Monat der vorzeitigen Inanspruchnahme vor vollendetem 63. Lebensjahr gekürzt. Dies gilt nicht für Mitarbeiter, die die Altersrente für Schwerbehinderte in Anspruch nehmen.

...

6. Soweit in diesem Vertrag keine abweichenden Regelungen getroffen wurden, gelten im Übrigen die jeweiligen Versorgungsordnungen in der jeweils gültigen Fassung.

§ 10

Ausgleich der Nachteile in der Sozialversicherungsrente

Zum Ausgleich der Nachteile in der Sozialversicherungsrente werden vom Arbeitgeber nachstehende Leistungen gewährt:

...

2. Darüber hinaus erhalten Mitarbeiter bei Inanspruchnahme der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder der Altersrente für Schwerbehinderte zum Ausgleich der damit verbundenen Rentenabschläge in der Sozialversicherungsrente ab Bezug der Betriebsrente vom Arbeitgeber folgenden monatlichen Aufstockungsbetrag zur Betriebsrente:

Rentenabschlag: Aufstockungsbetrag:

500,00 DM 250,00 DM

400,00 DM 200,00 DM

300,00 DM 150,00 DM

200,00 DM 100,00 DM

100,00 DM 50,00 DM

...

§ 12

Erledigungsklausel

Mitarbeiter und Arbeitgeber sind sich darüber einig, daß mit der Erfüllung sämtlicher Verpflichtungen aus diesem Vertrag sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, aus seiner Beendigung und für die Zeit nach der Beendigung erledigt sind, soweit nicht in diesem Vertrag etwas anderes bestimmt ist."

Der Aufhebungsvertrag setzte die Betriebsvereinbarung Nr. 133 vom 28. Oktober 1999 (BV 133) um, die laut Präambel der "sozialverträglichen Durchführung des Stellenabbaus" diente. § 9 BV 133 lautet wie folgt:

"§ 9

Betriebliche Altersversorgung

1. Als versorgungsfähige Dienstzeit für die Berechnung der betrieblichen Altersversorgung zählt nur die Zeit bis zum Austritt.

2. Das zum Zeitpunkt des Austritts ermittelte versorgungsfähige Einkommen wird um Tariferhöhungen, die für die aktiven Mitarbeiter im Geltungsbereich des Manteltarifvertrages der Arbeitgebervereinigung der Bayerischen Energieversorgungsunternehmen eintreten, bis zum Eintritt des Versorgungsfalls fortgeschrieben. Dies gilt nicht für Haushaltszulage und sonstige Festbeträge.

...

4. Bei Mitarbeitern, die einen Versorgungsanspruch nach dem Gesamtversorgungssystem (BV 20) erworben haben, wird bei der Betriebsrentenberechnung die tatsächliche, ungekürzte Sozialrente angerechnet und entsprechend § 19 BV 20 mit dem Korrekturfaktor gewichtet.

5. Die errechnete betriebliche Altersversorgung wird bei Männern um einen versicherungsmathematischen Abschlag von 0,3 % für jeden Monat der vorzeitigen Inanspruchnahme vor vollendetem 63. Lebensjahr gekürzt. Dies gilt nicht für Männer, die die Altersrente für Schwerbehinderte in Anspruch nehmen."

Die Vereinbarungen in § 10 des Aufhebungsvertrages stimmen mit den Regelungen in § 10 BV 133 überein.

Seit dem 1. Februar 2002 bezieht der Kläger von der Beklagten eine vorgezogene Betriebsrente. Bei deren Berechnung hat die Beklagte eine "Betriebsrente nach Vollendung des 65. Lebensjahres ohne vorheriges Ausscheiden" in Höhe von 4.658,59 DM zugrunde gelegt. Über diesen Rechenschritt besteht kein Streit. Nach Abzug eines versicherungsmathematischen Abschlags von 321,44 DM (23 x 0,3 % = 6,9 % von 4.658,59 DM) und durch Erhöhung um einen Aufstockungsbetrag von 150,00 DM gelangte die Beklagte zu einer monatlichen Versorgungsleistung in Höhe von 4.487,15 DM = 2.294,24 Euro. Über die Höhe des Aufstockungsbetrages besteht zwischen den Parteien ebenfalls Einigkeit. Der Kläger hat sich gegen den versicherungsmathematischen Abschlag gewandt und eine um monatlich 164,35 Euro höhere Betriebsrente verlangt (= 321,44 DM : 1,95583).

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der nur auf Männer angewandte versicherungsmathematische Abschlag stelle eine europarechtlich unzulässige Diskriminierung wegen des Geschlechts dar. Auch den Männern stehe eine ungekürzte Betriebsrente zu. Im vorliegenden Fall sei auch nicht zwischen den bis einschließlich 17. Mai 1990 zurückgelegten und den späteren Beschäftigungszeiten zu unterscheiden; denn diese Differenzierung diene dem Vertrauensschutz. Im vorliegenden Fall seien jedoch die maßgeblichen, diskriminierenden Regelungen erst nach dem Barber-Urteil geschaffen worden. Der unzulässige versicherungsmathematische Abschlag könne nicht mit dem gewährten Aufstockungsbetrag verrechnet werden. Dies widerspreche dem Zweck des Aufstockungsbetrages. Die Erledigungsklausel in § 12 des Aufhebungsvertrages erstrecke sich nicht auf die betriebliche Altersversorgung und lasse die Klageforderung unberührt.

Der Kläger hat in den Vorinstanzen zuletzt beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.080,95 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. Februar 2002, 21. März 2002, 21. April 2002, 21. Mai 2002, 21. Juni 2002, 21. Juli 2002, 21. August 2002, 21. September 2002, 21. Oktober 2002, 21. November 2002, 21. Dezember 2002, 21. Januar 2003, 21. Februar 2003, 21. März 2003, 21. April 2003, 21. Mai 2003, 21. Juni 2003, 21. Juli 2003, 21. August 2003, 21. September 2003, 21. Oktober 2003, 21. November 2003, 21. Dezember 2003, 21. Januar 2004, 21. Februar 2004, 21. März 2004, 21. April 2004, 21. Mai 2004, 21. Juni 2004, 21. Juli 2004, 21. August 2004, 21. September 2004, 21. Oktober 2004, 21. November 2004, 21. Dezember 2004, 21. Januar 2005, 21. Februar 2005 jeweils aus 164,35 Euro zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen an ihn ab 21. März 2005 und künftig jeweils zum 21. eines Folgemonats 164,35 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit diesen Tagen zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Klageforderung stehe bereits die Abgeltungsvereinbarung in § 12 des Aufhebungsvertrages entgegen. Eine europarechtlich unzulässige Diskriminierung liege nicht vor. Nach dem vorliegenden Versorgungssystem sei die Betriebsrente mit dem Sozialversicherungsrecht verknüpft. Die Unterscheidung zwischen Männern und Frauen sei aufgrund dieses Versorgungssystems gerechtfertigt. Zumindest sei zwischen den Beschäftigungszeiten bis einschließlich 17. Mai 1990 und den späteren Beschäftigungszeiten zu differenzieren. Selbst wenn die versicherungsmathematischen Abschläge unzulässig wären, dürften sie mit dem Aufstockungsbetrag verrechnet werden. Dies führe dazu, dass dem Kläger keinesfalls eine höhere Betriebsrente zustehe.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren mit der Maßgabe weiter, dass Zinsen jeweils ab dem 22. des laufenden Monats verlangt werden.

Entscheidungsgründe:

Der Revision des Klägers ist stattzugeben. Die Klage ist in vollem Umfang begründet. Dem Kläger steht die verlangte höhere Betriebsrente zu.

Die Beklagte darf bei den Männern ebenso wenig wie bei den Frauen den in § 9 Nr. 5 BV 133 und § 9 Nr. 4 des Aufhebungsvertrages vorgesehenen versicherungsmathematischen Abschlag vornehmen. Dies gilt auch für den auf die Beschäftigungszeit bis einschließlich 17. Mai 1990 entfallenden Teil der Betriebsrente. Die dadurch entstehende Erhöhung der Betriebsrente darf nicht mit dem Aufstockungsbetrag (§ 10 Nr. 2 BV 133 und § 10 Nr. 2 des Aufhebungsvertrages) "verrechnet" werden. Die in § 12 des Aufhebungsvertrages enthaltene "Erledigungsklausel" steht der Klageforderung nicht entgegen.

I. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf höhere Betriebsrente für die Zeit ab 1. Februar 2002 ergibt sich nicht aus den Vorschriften des nationalen deutschen Rechts, sondern aus Art. 141 EG (= Art. 119 EG-Vertrag aF).

1. Der in § 9 Nr. 5 BV 133 und § 9 Nr. 4 des Aufhebungsvertrages vorgesehene, auf Männer begrenzte versicherungsmathematische Abschlag bei vorgezogener Inanspruchnahme der Altersrente verstieß ebenso wenig wie ein unterschiedliches Rentenzugangsalter gegen den vom arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz mit umfassten Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen (vgl. BAG 18. März 1997 - 3 AZR 759/95 - BAGE 85, 284 ; 3. Juni 1997 - 3 AZR 910/95 - BAGE 86, 79 ).

Zwar verbietet Art. 3 Abs. 3 GG die Benachteiligung eines Arbeitnehmers wegen seines Geschlechts. Ein Verstoß betrieblicher Regelungen gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Geschlechts kann aber durch das Gleichberechtigungsgebot des Art. 3 Abs. 2 GG gerechtfertigt sein (BVerfG 28. Januar 1992 - 1 BvR 1025/82, 1 BvL 16/83, 1 BvL 10/91 - zu C I 3 der Gründe, BVerfGE 85, 191 ; BAG 22. Juni 1993 - 1 AZR 590/92 - zu B II 2 b aa der Gründe, BAGE 73, 269 ). Nach Art. 3 Abs. 2 GG fördert der Staat die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Männern und Frauen und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. Dies erlaubt es, die bisher für Frauen noch bestehenden Nachteile in der beruflichen Entwicklung durch die Festsetzung eines früheren Rentenalters auszugleichen. Das Bundesverfassungsgericht hat bei den Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung einen solchen Ausgleich zugelassen (BVerfG 28. Januar 1987 - 1 BvR 455/82 - BVerfGE 74, 163 ). Es hat nur den Gesetzgeber aufgefordert, durch eine Neuregelung dem sich wandelnden Erwerbsverhalten der Frauen Rechnung zu tragen und eine in der Zukunft zu erwartende Ungleichbehandlung zu vermeiden. Dem ist der Gesetzgeber für die gesetzliche Rentenversicherung durch Schaffung von Übergangsregelungen nachgekommen. An diese Regelungen durften Arbeitgeber, die selbständig Versorgungsordnungen aufstellen, anknüpfen. Insoweit verstießen Regelungen über ein unterschiedliches Rentenzugangsalter nicht gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (BAG 18. März 1997 - 3 AZR 759/95 - zu III 2 der Gründe, BAGE 85, 284 ; 3. Juni 1997 - 3 AZR 910/95 - zu 3 b aa der Gründe, BAGE 86, 79 ).

Für auf Männer beschränkte versicherungsmathematische Abschläge wegen vorgezogener Inanspruchnahme einer betrieblichen Altersrente gilt nichts anderes. Sowohl das Rentenzugangsalter als auch die versicherungsmathematischen Abschläge wirken sich auf die Höhe der betrieblichen Altersversorgung aus (vgl. dazu BAG 23. September 2003 - 3 AZR 304/02 - zu II 2 der Gründe, BAGE 107, 358 ). Bei welcher der beiden Berechnungsgrundlagen die Frauen begünstigt werden, ist nicht entscheidend für die Frage, ob Art. 3 Abs. 2 GG die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen rechtfertigt.

2. Der geltend gemachte Klageanspruch ergibt sich jedoch daraus, dass der auf Männer beschränkte versicherungsmathematische Abschlag eine gegen Art. 141 EG verstoßende Diskriminierung wegen des Geschlechts darstellt.

a) Art. 141 EG (= Art. 119 EG-Vertrag aF) ist in Deutschland als Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft unmittelbar anwendbares Recht (vgl. ua. EuGH 17. Mai 1990 - C-262/88 - [Barber] Rn. 39, EuGHE I 1990, 1889; 14. Dezember 1993 - C-110/91 - [Moroni] Rn. 23, EuGHE I 1993, 6591; BAG 18. Oktober 2005 - 3 AZR 506/04 - zu II 2 der Gründe, BAGE 116, 152 ). Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift erstreckt sich auf betriebliche Versorgungsleistungen. Unter "Entgelt" iSd. Art. 141 EG sind nicht nur "die üblichen Grund- oder Mindestlöhne und -gehälter", sondern auch "sonstige Vergütungen zu verstehen, die der Arbeitgeber aufgrund des Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer mittelbar oder unmittelbar in bar oder in Sachleistungen zahlt" (vgl. ua. EuGH 13. Mai 1986 - C-170/84 - [Bilka] Rn. 15, EuGHE I 1986, 1607). Dieser weite Entgeltbegriff erstreckt sich auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Unerheblich ist es, dass diese erst nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gewährt werden (vgl. ua. EuGH 14. Dezember 1993 - C-110/91 - [Moroni] Rn. 11, aaO).

b) Die unterschiedliche Festlegung versicherungsmathematischer Abschläge bei vorgezogener Inanspruchnahme der Altersrente verstößt ebenso wie die Festlegung eines unterschiedlichen Rentenalters für Männer und Frauen gegen das Lohngleichheitsgebot des Art. 141 EG (vgl. ua. BAG 23. September 2003 - 3 AZR 304/02 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 107, 358 ). Dabei handelt es sich um eine allein an das Geschlecht anknüpfende, unmittelbare Diskriminierung. Sie lässt sich europarechtlich nicht rechtfertigen.

Die Beklagte kann sich nicht auf eine enge und unmittelbare Verzahnung des gesetzlichen und betrieblichen Rentensystems berufen. Eine derartige Verknüpfung schränkt weder den Anwendungsbereich des Art. 141 EG (= Art. 119 EG-Vertrag aF) ein noch beseitigt sie die gegen diese Vorschrift verstoßende Diskriminierung. Die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und die Betriebsrenten sind europarechtlich getrennt zu betrachten. Einer Überprüfung nach Art. 141 EG (= Art. 119 EG-Vertrag aF) unterliegen nur die Betriebsrenten. Selbst Renten, die aufgrund eines an die Stelle des gesetzlichen Systems getretenen betrieblichen Systems gezahlt werden, fallen in den Anwendungsbereich des Art. 141 EG = Art. 119 EG-Vertrag aF (EuGH 17. Mai 1990 - C-262/88 - [Barber] Rn. 30, EuGHE I 1990, 1889). Dies gilt zumindest ebenso für ergänzende Betriebsrentensysteme (EuGH 14. Dezember 1993 - C-110/91 - [Moroni] Rn. 17, EuGHE I 1993, 6591; 28. September 1994 -C-200/91 - [Coloroll] Rn. 62 ff., EuGHE I 1994, 4389). Eine individualvertragliche oder kollektivvertragliche Verpflichtung des Arbeitgebers, die Betriebsrenten in Anlehnung an das gesetzliche Rentenversicherungsrecht zu zahlen, hat keine Auswirkungen auf den diskriminierenden Charakter der privatrechtlichen Kürzungsregelung (EuGH 14. Dezember 1993 - C-110/91 - [Moroni] Rn. 12, aaO). In diesem Urteil hat der EuGH eine geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung beim Entgelt auch dann als europarechtswidrig angesehen, wenn sie an eine differenzierende nationale gesetzliche Regelung anknüpfte, die dem Ausgleich biographischer Nachteile zu dienen bestimmt war. Darauf hat der Senat bereits im Urteil vom 7. November 1995 (- 3 AZR 1064/94 - zu II 2 d der Gründe, AP EWG-Vertrag Art. 119 Nr. 71 = EzA EWG-Vertrag Art. 119 Nr. 32) hingewiesen.

c) Der Grundsatz der Entgeltgleichheit (Art. 141 EG) zählt zu den Grundlagen der europäischen Gemeinschaft und begründet für den Arbeitnehmer Rechte, die er vor den nationalen Gerichten durchsetzen kann. Solange die diskriminierenden Regelungen bestehen und eine Gleichbehandlung nicht hergestellt ist, verpflichtet das Gebot des Art. 141 EG dazu, "den Angehörigen der benachteiligten Gruppe dieselben Vergünstigungen zu gewähren, wie sie den Angehörigen der bevorzugten Gruppe zustehen" (EuGH 28. September 1994 - C-200/91 - [Coloroll] Rn. 32, EuGHE I 1994, 4389). Insoweit - also für die Vergangenheit - besteht eine europarechtliche Verpflichtung zu einer sog. Anpassung nach oben.

d) Ein europarechtlicher Vertrauensschutz führt allerdings zu einer zeitlichen Einschränkung der unmittelbaren Wirkung des Art. 141 EG (= Art. 119 EG-Vertrag aF) bei den auf das Geschlecht abstellenden, unterschiedlichen Altersgrenzen und versicherungsmathematischen Abschlägen. Dieser Vertrauensschutz kommt der Beklagten im vorliegenden Fall nicht zugute.

aa) Der EuGH hat im Barber-Urteil vom 17. Mai 1990 (- C-262/88 - EuGHE I 1990, 1889) die Rückwirkung seiner Rechtsprechung eingeschränkt. Dies geschah "mit Rücksicht auf die schwerwiegenden Störungen, zu denen sein Urteil im Hinblick auf in der Vergangenheit liegende Vorgänge führen könnte" (EuGH 17. Mai 1990 - C-262/88 - [Barber] Rn. 41, aaO). Durch Richtlinien des Rates war ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden (vgl. dazu EuGH 17. Mai 1990 - C-262/88 - [Barber] Rn. 42, aaO). Unter diesen Umständen schlossen es "zwingende Gründe der Rechtssicherheit aus, daß Rechtsverhältnisse, deren Wirkungen sich in der Vergangenheit erschöpft haben, in Frage gestellt werden, wenn dies rückwirkend das ... Gleichgewicht ... betrieblicher Versorgungssysteme stören könnte". Die unmittelbare Wirkung des europarechtlichen Entgeltgleichheitsgebotes gilt jedoch uneingeschränkt zugunsten der "Personen ..., die rechtzeitig Schritte zur Wahrung ihrer Rechte unternommen haben". Außerdem hat der EuGH darauf hingewiesen, "daß für den Erwerb eines Rentenanspruchs nach Erlaß des vorliegenden Urteils eine Beschränkung der Wirkungen ... nicht in Betracht kommt" (EuGH 17. Mai 1990 - C-262/88 - [Barber] Rn. 44, aaO). In beiden Fällen gebietet es die Rechtssicherheit nicht, dem Versorgungspflichtigen Vertrauensschutz zu gewähren.

bb) Über die Reichweite des vom EuGH im Barber-Urteil eingeräumten Vertrauensschutzes bestand zunächst Unklarheit. Insbesondere zwei Interpretationen kamen in Betracht (vgl. dazu Borchardt BetrAV 1993, 1, 6):

- Gleiche Bedingungen sind für alle Betriebsrenten zu gewährleisten, die erstmals nach dem 17. Mai 1990 zu zahlen sind.

- Gleiche Bedingungen sind nur für diejenigen Beitragszeiten zu gewähren, die nach dem 17. Mai 1990 zurückgelegt wurden.

Für eine dementsprechende Klarstellung hat die Maastrichter Protokollerklärung vom 9./10. Dezember 1991 gesorgt. Sie lautet wie folgt:

"Im Sinne des Artikels 119 gelten Leistungen aufgrund eines betrieblichen Systems der sozialen Sicherheit nicht als Entgelt, sofern und soweit sie auf Beschäftigungszeiten vor dem 17. Mai 1990 zurückgeführt werden können, außer im Fall von Arbeitnehmern oder deren anspruchsberechtigten Angehörigen, die vor diesem Zeitpunkt eine Klage bei Gericht oder ein gleichwertiges Verfahren nach geltendem einzelstaatlichen Recht anhängig gemacht haben."

Dieses Protokoll wurde dem EG-Vertrag in der Schlussakte des Maastrichter Vertrages zur Gründung einer Europäischen Union beigefügt und ist damit nach Art. 311 EG Bestandteil des EG-Vertrages geworden. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Einschränkung der unmittelbaren Wirkung des Art. 119 EG-Vertrag aF (= Art. 141 EG) den Erfordernissen des Vertrauensschutzes Rechnung tragen sollte und insoweit lediglich das Barber-Urteil präzisiert oder modifiziert wurde. Der Wortlaut des Protokolls ist folgerichtig dem Tenor des Barber-Urteils nachgebildet, worauf auch die Bundesregierung in ihrer Antwort vom 11. November 1992 auf eine parlamentarische Anfrage hingewiesen hat (BT-Drucks. 12/3740 S. 28).

cc) In den nachfolgenden Entscheidungen hat der EuGH unter Beachtung dieser Protokollerklärung seine bisherige Rechtsprechung bestätigt und den Umfang des Vertrauensschutzes, soweit erforderlich, erläutert (vgl. ua. EuGH 14. Dezember 1993 - C-110/91 - [Moroni] Rn. 29 ff., EuGHE I 1993, 6591; 28. September 1994 - C-200/91 - [Coloroll] Rn. 44 ff., EuGHE I 1994, 4389). Im Urteil vom 14. Dezember 1993 (- C-110/91 - [Moroni] Rn. 29, aaO) hat der EuGH nochmals darauf hingewiesen, dass die zeitliche Beschränkung der Wirkungen des Barber-Urteils der Besonderheit des Versorgungsentgelts Rechnung trägt, "die in einer zeitlichen Trennung ... der Entstehung des Rentenanspruchs, zu der es nach und nach im Laufe des Arbeitslebens eines Arbeitnehmers kommt, und der tatsächlichen Gewährung der Leistung, die demgegenüber bis zur Erreichung eines bestimmten Alters hinausgeschoben ist, besteht". Im Urteil vom 28. September 1994 (- C-200/91 - [Coloroll] Rn. 58 ff., aaO) hat der EuGH bei betrieblichen Versorgungsleistungen, die nicht von der Dauer der tatsächlichen Beschäftigungen abhängen, wie die Zahlung eines Pauschalbetrages im Falle des Todes des Arbeitnehmers, darauf abgestellt, ob das die Leistung auslösende Ereignis bis zum 17. Mai 1990 eingetreten ist. "Nach diesem Zeitpunkt sind solche Leistungen unter Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung zu gewähren, ohne daß zwischen vor und nach dem Urteil Barber liegenden Beschäftigungszeiten zu unterscheiden ist" (EuGH 28. September 1994 - C-200/91 - [Coloroll] Rn. 59, aaO). Andererseits gilt nicht nur die unmittelbare Wirkung des Art. 119 EG-Vertrag aF (= Art. 141 EG) weiter, sondern auch der bisherige Vertrauensschutz, wenn bei einem Arbeitsplatzwechsel die erworbenen Rentenansprüche übertragen werden (EuGH 28. September 1994 - C-200/91 - [Coloroll] Rn. 95 ff., aaO). Stets hat der EuGH darauf abgestellt, ob und inwieweit die Rechtssicherheit einen Vertrauensschutz erfordert.

dd) Wenn die diskriminierende Regelung erst nach dem Barber-Urteil geschaffen wurde, konnte und musste der Arbeitgeber bei seinen Planungen und Dispositionen die unmittelbare Wirkung des Art. 141 EG (= Art. 119 EGVertrag aF) berücksichtigen. Die uneingeschränkte Anwendung des Lohngleichheitsgebots auf eine Neuregelung beeinträchtigt nicht die Rechtssicherheit. Schutzwürdiges Vertrauen des Arbeitgebers besteht in einem solchen Fall nicht. Eine andere Beurteilung kann geboten sein, soweit eine bei Erlass des Barber-Urteils bereits bestehende Ungleichbehandlung in einem später geänderten oder neu erlassenen Regelungswerk lediglich beibehalten oder sogar abgebaut wird. Dies trifft im vorliegenden Fall nicht zu. Die gegen das Lohngleichheitsgebot des Art. 141 EG verstoßenden Abschlagsregelungen wurden in den BV 131, 132, 133 und den darauf aufbauenden Aufhebungsverträgen mehrere Jahre nach dem 17. Mai 1990 vereinbart.

(1) Ein versicherungsmathematischer Abschlag kann nach dem in Deutschland geltenden Betriebsrentenrecht nur dann vorgenommen werden, wenn er in der Versorgungszusage selbst vorgesehen ist (vgl. ua. BAG 24. Juli 2001 - 3 AZR 567/00 - zu B II 2 b der Gründe, BAGE 98, 212). Eine entsprechende Regelung enthält die BV 20 nicht, und zwar weder für Frauen noch für Männer.

(2) Ebenso wenig sieht die BV 20 unterschiedliche Altersgrenzen für Männer und Frauen vor. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG in der hier maßgeblichen, bis einschließlich 31. Dezember 2007 geltenden Fassung war im Regelfall das 65. Lebensjahr maßgebend. An dessen Stelle trat ein früherer Zeitpunkt, wenn er in der Versorgungsregelung als feste Altersgrenze vorgesehen war. Von der festen Altersgrenze ist die flexible Altersgrenze zu unterscheiden, die den Zeitpunkt bezeichnet, ab dem ein (vorgezogener) Eintritt in den Ruhestand und die (vorgezogene) Inanspruchnahme der Betriebsrente möglich sind (BAG 20. Juni 2000 - 3 AZR 872/98 - zu 3 a der Gründe, KTS 2002, 163). Eine "flexible Altersgrenze" wird auch dann nicht zu einer "festen", wenn der Arbeitgeber sich verpflichtet hat, bei vorgezogener Inanspruchnahme der Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung die bis zu diesem Zeitpunkt aufgebaute Betriebsrente ohne weitere Kürzungen zu zahlen. Die "feste Altersgrenze" bezeichnet den Zeitpunkt, ab dem der Arbeitnehmer die betriebliche Altersrente ohne die zusätzlichen Bedingungen des § 6 BetrAVG (Inanspruchnahme der Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung) verlangen kann. Nach § 4 BV 20 steht auch Frauen die Betriebsrente nur unter den Voraussetzungen des § 6 BetrAVG vor Vollendung des 65. Lebensjahres zu. Demgemäß ist die feste Altersgrenze in der BV 20 nicht für Frauen vorverlegt worden.

(3) In der BV 20 werden Männer und Frauen auch bei der Berechnung der vorgezogenen Betriebsrente nach vorzeitigem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis gleich behandelt. Wie die Berechnung im Einzelnen zu erfolgen hat, kann im vorliegenden Fall dahinstehen (vgl. dazu ua. BAG 18. November 2003 - 3 AZR 517/02 - zu III der Gründe, BAGE 108, 323 ; 12. Dezember 2006 - 3 AZR 716/05 - zu II 3 b und c der Gründe, AP BetrAVG § 1 Berechnung Nr. 32 = EzA BetrAVG § 1 Nr. 88).

(4) Durch die BV 131 vom 22. Dezember 1997, BV 132 vom 30. Juni 1999 und die BV 133 vom 28. Oktober 1999 wurden zusätzliche Versorgungsregelungen geschaffen. Sie ergänzten und modifizierten die BV 20. Ziel der BV 131, 132 und 133 war es, den wegen einer umfassenden Unternehmensumstrukturierung erforderlichen Stellenabbau durch betriebliche Vorruhestandsregelungen sozialverträglich zu gestalten (vgl. die Präambel zur BV 133). Dadurch wurde für die angesprochenen Arbeitnehmer auch ein Anreiz geschaffen, in den Vorruhestand zu treten. Die durch "Rentenabschläge" entstehenden Nachteile in der gesetzlichen Rentenversicherung werden nach § 10 Nr. 2 BV 133 teilweise ausgeglichen. Gleichzeitig wird die betriebliche Altersversorgung nur bei Männern um einen "versicherungsmathematischen Abschlag von 0,3 % für jeden Monat der vorzeitigen Inanspruchnahme vor vollendetem 63. Lebensjahr gekürzt". Diese Kürzung ist mehrere Jahre nach Erlass des Barber-Urteils eingeführt worden.

e) Der gegen Art. 141 EG verstoßende und deshalb unwirksame versicherungsmathematische Abschlag kann nicht mit dem Aufstockungsbetrag "verrechnet" werden. Die Zahlung des Aufstockungsbetrages ändert nichts daran, dass der nur für Männer geltende versicherungsmathematische Abschlag eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts darstellt.

aa) Der Aufstockungsbetrag nach § 10 des Aufhebungsvertrages, § 10 BV 133 ist eine zusätzliche Leistung mit einer eigenständigen Zwecksetzung. Diese Leistung dient nach ihrem Inhalt und ihren Voraussetzungen dazu, die mit der Vorruhestandsregelung verbundenen Nachteile in der gesetzlichen Rentenversicherung teilweise auszugleichen. Die Höhe des Aufstockungsbetrages hängt von der Höhe dieser Nachteile ab. Auf die Höhe der Betriebsrente, ihren Beginn und ihre voraussichtliche Laufzeit kommt es nicht an. Folgerichtig ist der Aufstockungsbetrag nicht in dem mit "betriebliche Altersversorgung" überschriebenen § 9 BV 133 und § 9 des Aufhebungsvertrages, sondern in § 10 BV 133 und § 10 des Aufhebungsvertrages geregelt. Diese Vereinbarungen tragen die Überschrift "Ausgleich der Nachteile in der Sozialversicherungsrente".

Der versicherungsmathematische Abschlag beruht auf den zusätzlichen finanziellen Belastungen des Arbeitgebers durch die vorgezogene Inanspruchnahme der Betriebsrente und knüpft deshalb an die Höhe der Betriebsrente an. Diese Kürzung ist konsequent in § 9 Nr. 5 BV 133 und § 9 Nr. 4 des Aufhebungsvertrages geregelt.

Ausgehend von der unterschiedlichen Zwecksetzung handelt es sich um voneinander zu unterscheidende Entgeltbestandteile. Bereits im Urteil vom 17. Mai 1990 (- C-262/88 - [Barber] Rn. 34, EuGHE I 1990, 1889) hat der EuGH darauf aufmerksam gemacht, dass die "gerichtliche Kontrolle schwierig und die praktische Wirksamkeit von Artikel 119 dementsprechend gemindert wäre, wenn die staatlichen Gerichte verpflichtet wären, die Gesamtheit der verschiedenartigen den männlichen oder den weiblichen Arbeitnehmern im Einzelfall gewährten Vergütungen zu bewerten und miteinander zu vergleichen. Eine echte Durchschaubarkeit, die eine wirksame Kontrolle erlaubt, ist folglich nur gewährleistet, wenn der Grundsatz des gleichen Entgelts für jeden einzelnen Bestandteil des den männlichen oder den weiblichen Arbeitnehmern gezahlten Entgelts gilt."

bb) Zudem ist die Ausgleichszahlung nach § 10 BV 133 und § 10 des Aufhebungsvertrages nicht auf Männer beschränkt. Die Anspruchsvoraussetzungen und die Bemessungskriterien sind für Männer und Frauen dieselben. Auch bei den gesetzlichen Altersrenten der Frauen können die Vorruhestandsregelungen dazu führen, dass im Rahmen der Übergangsvorschriften des § 237a SGB VI idF vom 16. Dezember 1997 iVm. Anlage 20 Rentenabschläge anfallen. Für Frauen der Jahrgänge 1947 und älter hat allerdings die Ausgleichszahlung aufgrund dieser Übergangsvorschriften - je nach Lebensalter und sozialversicherungsrechtlicher Rentenbiographie - keine oder eine geringere Bedeutung. Die sozialversicherungsrechtlichen Nachteile fallen für Männer und Frauen bei gleichem Lebensalter und gleicher Rentenbiographie deshalb unterschiedlich aus, weil im Sozialversicherungsrecht für eine Übergangszeit geschlechtsbezogene unterschiedliche Altersgrenzen aufrechterhalten werden dürfen, während dies im Betriebsrentenrecht gegen Art. 141 EG (= Art. 119 EG-Vertrag aF) verstößt. Durch die von den Vorinstanzen gebilligte "Verrechnung" würde im Ergebnis der Umfang des Nachteilsausgleichs für Männer abgesenkt. Frauen erhielten einen ungekürzten, Männer einen gekürzten Aufstockungsbetrag. Das Geschlecht würde zu unterschiedlichen Berechnungskriterien für den Entgeltteil "Ausgleichsbetrag" führen. Damit würde die unmittelbare Diskriminierung nur auf einen anderen Entgeltbestandteil verlagert.

II. Durch die in § 12 des Aufhebungsvertrages enthaltene "Erledigungsklausel" ist der Anspruch des Klägers auf Zahlung der Betriebsrente ohne versicherungsmathematischen Abschlag nicht ausgeschlossen worden. Eine derartige Vereinbarung wäre zudem unwirksam.

1. In § 12 des Aufhebungsvertrages haben sich die Parteien darauf geeinigt, dass dem Kläger über den Aufhebungsvertrag hinausgehende Ansprüche grundsätzlich nicht zustehen. Soweit der Aufhebungsvertrag ebenso wie die BV 133 eine gegen Art. 141 EG verstoßende Diskriminierung enthält, erfolgt eine sog. Anpassung nach oben. Da die in § 9 Nr. 4 des Aufhebungsvertrages getroffene Vereinbarung unwirksam ist, entfällt die darin vorgesehene Kürzungsmöglichkeit. Die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen des Aufhebungsvertrages bleibt bestehen, worauf in der "salvatorischen Klausel" (§ 13 Satz 1 des Aufhebungsvertrages) ausdrücklich hingewiesen wird. Bei der Klageforderung handelt es sich damit um einen Anspruch aus dem Aufhebungsvertrag, der nach § 12 des Aufhebungsvertrages nicht "erledigt", sondern zu erfüllen ist.

2. Selbst wenn die Erledigungsklausel anders ausgelegt würde und sich auf die Klageforderung erstreckte, änderte sich im Ergebnis nichts. Art. 141 EG hat zwingenden Charakter und gilt auch für Verträge zwischen Privatpersonen (vgl. ua. EuGH 28. September 1994 - C - 200/91 - [Coloroll] Rn. 26, EuGHE I 1994, 4389). Die sich aus Art. 141 EG ergebenden Rechtsfolgen können nicht im Voraus ausgeschlossen oder beschränkt werden. Ob auf bereits entstandene und fällige Ansprüche verzichtet werden könnte, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung (zu dieser Differenzierung vgl. BAG 20. August 1980 - 5 AZR 218/78 - zu III 2 a der Gründe, AP LohnFG § 6 Nr. 11 = EzA LohnFG § 6 Nr. 14; kritisch ErfK/Dörner 8. Aufl. § 12 EFZG Rn. 6 mwN). Der Anspruch auf Zahlung einer ungekürzten Betriebsrente entstand erst mit Eintritt des Versorgungsfalles.

III. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1 iVm. § 286 Abs. 2 Nr. 1 , § 247 BGB .

Hinweise des Senats:

Parallelsachen 19. August 2008 - 3 AZR 530/06 - (führend, vorliegend) und - 3 AZR 531/06 -

Verhältnis zu bisheriger Rechtsprechung:

Anwendung der Rechtsprechung des EuGH zum europarechtlichen Vertrauensschutz (EuGH 17. Mai 1990 - C-262/88 - [Barber] EuGHE I 1990, 1889; 14. Dezember 1993 - C-110/91 - [Moroni] EuGHE I 1993, 6591; 28. September 1994 - C-200/91 - [Coloroll] EuGHE I 1994, 4389)

Vorinstanz: LAG München, vom 10.01.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 6 Sa 400/05
Vorinstanz: ArbG München, vom 16.03.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 6 Ca 3459/04
Fundstellen
AP Nr. 18 zu Art 141 EG
DB 2009, 1770
NZA 2009, 785