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BVerwG - Entscheidung vom 11.07.2007

9 C 5.06

Normen:
BauGB § 242 Abs. 9 S. 1, 2

Fundstellen:
BVerwGE 128, 100
DVBl 2007, 1366
DÖV 2008, 287
NJ 2008, 229
UPR 2008, 239
ZMR 2008, 166

BVerwG, Urteil vom 11.07.2007 - Aktenzeichen 9 C 5.06

DRsp Nr. 2007/18824

Erschließungsbeitrag; Beitrittsgebiet; Verfahrensmangel; Aufklärungspflicht; Zeugenvernehmung: rechtliches Gehör; Erschließungsanlage; Satzung; Bekanntmachung; Bekanntmachungsorgan; anfängliche Unmöglichkeit; Nichtigkeit; erstmalige Herstellung; Fertigstellung; technisches Ausbauprogramm; örtliche Ausbaugepflogenheiten; maßgeblicher Zeitpunkt; Stichtag; Zeitraum; bautechnische Herstellung; Straßendecke; Straßenentwässerung; Straßenbeleuchtung; Zuständigkeit; Aufgabenverteilung; Schriftform; Provisorium; Eigeninitiative; Straßenfunktion; Anliegerstraße; Hauptverkehrsstraße; materielle Beweislast; Darlegungslast

»1. Für die Frage, ob im Beitrittsgebiet für eine Erschließungsanlage oder deren Teile Erschließungsbeiträge erhoben werden können, ist gemäß § 242 Abs. 9 Satz 1 und 2 BauGB maßgeblich, ob sie irgendwann vor dem 3. Oktober 1990 einem technischen Ausbauprogramm oder den örtlichen Ausbaugepflogenheiten entsprechend fertiggestellt worden sind. 2. Unter einem "technischen Ausbauprogramm" ist ein Plan zu verstehen, der Vorgaben zur bautechnischen Herstellung der Erschließungsanlage oder ihrer Teile enthält. Er muss in irgendeiner Form schriftlich niedergelegt worden sein; seine Existenz kann dann aber auch durch Zeugen bewiesen werden. Der Plan muss von einer nach den jeweils geltenden Rechtsvorschriften zuständigen staatlichen Stelle stammen, von ihr gebilligt oder ihr sonst wie zuzurechnen sein. Dabei ist, soweit es um die Zeit der DDR geht, die Aufgabenverteilung zwischen den staatlichen Stellen und den für die Planung und Bauausführung zuständigen Betrieben zu berücksichtigen. 3. "Örtliche Ausbaugepflogenheiten" sind das über einen längeren Zeitraum feststellbare Verhalten der Gemeinde bei der bautechnischen Herstellung von Erschließungsanlagen. Die bloße Hinnahme von Provisorien reicht nicht aus. Abzustellen ist grundsätzlich auf den gesamten Ort, bei größeren Städten ggf. auf Ortsbezirke, wenn sie für den Straßenbau zuständig waren. Unterschiede in der Funktion der betreffenden Straßen (z.B. als Anlieger- oder Hauptverkehrsstraße) können von Bedeutung sein. 4. Bei Nichterweislichkeit der Voraussetzungen des § 242 Abs. 9 Satz 1 und 2 BauGB liegt die materielle Beweislast grundsätzlich bei der Gemeinde.«

Normenkette:

BauGB § 242 Abs. 9 S. 1, 2 ;

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Erschließungsbeitrag für die Herstellung des A.-Wegs in der in Sachsen-Anhalt gelegenen beklagten Gemeinde. Er ist Eigentümer eines an diese Straße angrenzenden, mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks. Der A.-Weg liegt in der zum Ortsteil B. gehörenden so genannten "Siedlung, die in den 1930er Jahren angelegt wurde.

Über den Ausbauzustand der Straße vor dem 3. Oktober 1990 herrscht zwischen den Beteiligten Streit: Nach Angaben der Beklagten war der A.-Weg unbefestigt; im südlichen Abschnitt habe die Fahrbahnfläche aus komprimiertem, zum Teil mit Abbruchmaterialien (Ziegel- und Steinbruch) durchsetzten, sandigen Bodenmaterial bestanden und Schlaglöcher aufgewiesen, im nördlichen Abschnitt sei die Fahrbahnoberfläche mehrfach mit Ziegelschotter bzw. mineralischem Füllmaterial ausgebessert worden. Ein Gehweg und eine Straßenentwässerung seien nicht vorhanden gewesen; Oberflächenwasser sei im unbefestigten Seitenraum versickert bzw. verdunstet.

Nach Angaben des Klägers soll der A.-Weg durch Baumaßnahmen in der ersten Hälfte der 1980er Jahre bzw. in den Jahren 1989/1990 bereits hergestellt gewesen sein: Aufgrund eines Beschlusses des Rates der Gemeinde aus dem Jahr 1980 sei die Oberfläche etwa 0,4 m abgetragen, eine Schotterschicht aufgebracht und diese verfestigt worden. Nachdem die Straße zweimal für Strom- und Wasserleitungen aufgerissen worden sei, sei sie aufgrund eines weiteren Beschlusses des Rates aus dem Jahr 1985, der aber erst 1989/1990 ausgeführt worden sei, erneut etwa 0,5 m ausgekoffert, mit recyceltem Verfüllmaterial grundhaft ausgebaut und mit Planierraupen und Rüttelwalzen verdichtet worden. Wegen fehlender Geldmittel und Materialmangels sei als Deckschicht lediglich ein Feinsplittgemisch aufgebracht worden. Die Entwässerung der Straße sei durch eine leichte Wölbung im Straßenkörper und beidseitigen Versickerungsmulden erfolgt. Der Gehweg sei in Gestalt einer durch Begrenzungspfähle getrennten Teilfläche der Fahrbahn (ohne Bordsteinkante) angelegt worden.

Nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik wurde der A.-Weg in den 1990er Jahren in zwei Teilschritten mit einem frostsicheren Unterbau und einer festen Straßendecke (im südlichen Teil bis zur Kreuzung mit dem Kirschweg/ Fliederweg aus Betonsteinpflaster, im nördlichen Teil mit einer Bitumendeckschicht), einem einseitigen Gehweg aus Betonsteinpflaster, einer Entwässerungskanalisation, Parkbuchten und Straßenbegleitgrün versehen; anstatt der bisherigen so genannten Mastansatzleuchten wurde eine neue Straßenbeleuchtung angebracht.

Mit Bescheid vom 20. August 2001 erhob die Beklagte auf der Grundlage ihrer Erschließungsbeitragssatzung vom 1. März 1999 in der Fassung der Änderungssatzung vom B. Juli 1999 von dem Kläger einen Erschließungsbeitrag in Höhe von 4.082,24 DM (umgerechnet 2.087,22 Euro) für die erstmalige Herstellung der Teileinrichtungen Fahrbahn, Gehweg, Straßenentwässerung und Grünflächen des A.-Wegs.

Dagegen erhob der Kläger eine Reihe von Einwänden. Ein Erschließungsbeitrag dürfe schon dem Grunde nach nicht erhoben werden, weil der A.-Weg aufgrund der früheren Ausbaumaßnahmen vor dem 3. Oktober 1990 bereits endgültig hergestellt gewesen sei: der Kläger trug ausführlich zur Baugeschichte des A.-Wegs vor und benannte mehrere Zeugen für die von ihm behaupteten Beschlüsse des Rates der Gemeinde und die in deren Vollzug ausgeführten Baumaßnahmen. Auch der Höhe nach sei die Beitragsforderung zu beanstanden: Es hätte eine Abschnittsbildung vorgenommen werden müssen, weil die nördliche Teilstrecke mit einer deutlich anderen Fahrbahnoberfläche und erst knapp zehn Jahre später als die südliche Teilstrecke hergestellt worden sei. Es sei unnötiger Aufwand verursacht worden, u.a. weil einige Teileinrichtungen in ausreichendem Zustand bestanden hätten: die Höhe der Bauplanungs- und Beratungskosten sei nicht nachvollziehbar. Der Bürgermeister der Beklagten habe den Bürgern zugesichert, dass ein deutlich geringerer Beitrag erhoben werde.

Einen Antrag des Klägers auf vorläufigen Rechtsschutz hat das Verwaltungsgericht abgelehnt. Auf die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht die angefochtenen Bescheide aufgehoben, weil die Erschließungsbeitragssatzung wegen Bekanntmachungsmängeln nicht wirksam geworden sei. Das Oberverwaltungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Den angefochtenen Bescheiden liege nach der zwischenzeitlich erfolgten Bekanntmachung der Erschließungsbeitragssatzung in dem Gemeindeblatt "B. B." nunmehr wirksames Satzungsrecht zugrunde. Gegen die Wirksamkeit der Verkündung der Erschließungsbeitragssatzung in diesem Bekanntmachungsorgan bestünden trotz dessen geringer Auflage und des dafür zu entrichtenden Entgelts keine rechtsstaatlichen Bedenken. Entgegen der Ansicht des Klägers habe die Erschließungsbeitragssatzung nicht durch Aushang in den Bekanntmachungskästen am Rathaus B. und am Einkaufszentrum im Ortsteil H. verkündet werden müssen, wie dies § 16 Abs. 2 der Hauptsatzung der Beklagten in der Fassung der dritten Änderung der Hauptsatzung vom 4. Dezember 1996 bestimmt habe. Denn einen Aushangkasten in der Nähe des besagten Einkaufszentrums habe es nie gegeben, dies führe zur Unwirksamkeit dieser Verkündungsregelung.

Der A.-Weg sei mit den hier abgerechneten Teileinrichtungen nicht vor dem 3. Oktober 1990 bereits hergestellt gewesen i.S. von § 242 Abs. 9 BauGB . Der A.-Weg sei nicht irgendwann vor diesem Stichtag einem technischen Ausbauprogramm entsprechend fertiggestellt worden. Dies gelte zunächst hinsichtlich der Teileinrichtung Fahrbahn. Die Beweisaufnahme habe nicht ergeben, dass der Rat der Gemeinde in den Jahren 1980 oder 1985 einen Plan mit konkreten Anforderungen an den Zustand der Teileinrichtung Fahrbahn beschlossen habe. Sie habe im maßgeblichen Zeitpunkt auch nicht den örtlichen Ausbaugepflogenheiten entsprochen. Denn nach den Feststellungen der Beklagten habe die Mehrheit der Gemeindestraßen über eine Fahrbahnbefestigung höheren Grades mit Pflaster, Beton oder Bitumen verfügt: dahinter bleibe der A.-Weg mit seiner Schotterschicht zurück. Die Teileinrichtungen Gehweg und Straßenentwässerung unterlägen der Erschließungsbeitragspflicht, weil sie jedenfalls nicht in ihrer gesamten Ausdehnung i.S. von § 242 Abs. 9 BauGB bereits hergestellt gewesen seien, sondern nur bis zum Ende der damaligen Bebauung. Hinsichtlich dieser beiden Teileinrichtungen fehle es außerdem an dem erforderlichen technischen bzw. kunstmäßigen Ausbau; die bloße Abtrennung einer Teilfläche der Fahrbahn durch Pfähle für den Fußgängerverkehr bzw. die Entwässerung des anfallenden Regenwassers durch Ausnutzung der natürlichen Gegebenheiten reichten dafür nicht aus.

Die Beitragsforderung sei auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Die Unterschiede im Ausbauzustand im südlichen und nördlichen Teil des A.-Wegs erforderten keine Abschnittsbildung und gesonderte Abrechnung des beitragsfähigen Erschließungsaufwands. Soweit der Kläger eine qualitativ niedrigere Ausführung für ausreichend halte, führe dies unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit nicht zu einer Kürzung des beitragsfähigen Aufwands; das gelte namentlich für die Bauplanungs- und Beratungskosten. Die Äußerungen des Bürgermeisters im "B.B." enthielten lediglich eine Auskunft über die zu erwartende Gesamtbelastung der Anlieger, aber keine rechtsverbindliche Zusicherung, dass keine höheren Beiträge erhoben würden.

Mit seiner Revision rügt der Kläger Verfahrensfehler. In materiell-rechtlicher Hinsicht macht er im Wesentlichen geltend: Die Erschließungsbeitragssatzung sei nicht wirksam bekanntgemacht worden. Die Veröffentlichung im "B.B." genüge nicht den Anforderungen des Rechtsstaatsprinzips, gegen Letzteres verstoße auch die Annahme des Berufungsgerichts, dass die spätere Änderung des Bekanntmachungsrechts nicht wirksam geworden sei. Das Berufungsgericht verkenne den Begriff des technischen Ausbauprogramms; dieser verlange nicht, dass in einem Beschluss des Rates selbst bereits konkrete technische Vorgaben zum Ausbau der Erschließungsanlage enthalten seien. Bei den örtlichen Ausbaugepflogenheiten sei nicht der Ausbauzustand im gesamten Ort maßgeblich, es könne auch auf eine Teileinheit desselben, wie hier auf die abgrenzbare "Siedlung", abgestellt werden. Im Übrigen wiederholt und vertieft der Kläger seine Einwände zur Höhe des Erschließungsbeitrags.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 29. Juni 2006 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 23. September 2004 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Urteil des Berufungsgerichts. Was die Auslegung des § 242 Abs. 9 BauGB angeht, tritt der Vertreter des Bundesinteresses ihr in der Sache bei.

II.

Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil verstößt gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ). Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung.

A. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts ist nicht frei von Verfahrensmängeln. Das Berufungsgericht hat seiner gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO ) nicht genügt, indem es die vom Kläger für das Vorliegen eines technischen Ausbauprogramms benannten Zeugen in der mündlichen Verhandlung nur zum Teil vernommen hat (1.). Es hat ferner gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG , § 108 Abs. 2 VwGO ) verstoßen, indem es bei der Frage nach den ortsüblichen Ausbaugepflogenheiten seiner Entscheidung einseitig Tatsachenvortrag der Beklagten zugrunde gelegt hat, dem der Kläger mit substantiiertem Bestreiten entgegengetreten war (2.).

1. Ein Verstoß gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht kommt in Betracht, wenn das Tatsachengericht, auch ohne dass der Kläger darauf mit einem Beweisantrag hinwirkt, den Sachverhalt nicht näher aufklärt, obwohl sich dem Gericht solche Ermittlungen unter Zugrundelegung seiner materiell-rechtlichen Auffassung aufgrund konkreter Anhaltspunkte hätten aufdrängen müssen (vgl. Urteil vom 22. Januar 1969 - BVerwG 6 C 52.65 - BVerwGE 31, 212 , 217 f.; Beschlüsse vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 [n.F.] VwGO Nr. 26 S. 14 f. und vom 18. Juni 1998 - BVerwG 8 B 56.98 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 154 S. 475). Das ist hier der Fall.

Der Kläger hatte zu der Frage, ob der A.-Weg bereits vor dem 3. Oktober 1990 einem technischen Ausbauprogramm oder den örtlichen Ausbaugepflogenheiten entsprechend fertiggestellt war, Beweis angeboten durch sieben im Schriftsatz vom 18. Dezember 2002 benannte Zeugen. Das Berufungsgericht hat den Vortrag zu Recht als beweiserheblich angesehen und einen Beweisbeschluss erlassen: dieser enthielt zwei Beweisfragen, nämlich ob der Rat der Gemeinde in den Jahren 1980 bzw. 1985 den Ausbau des A.-Wegs beschlossen habe und ggf. in welcher Art und Weise der Ausbau erfolgt sei. Die Zeugen waren im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht präsent. Das Berufungsgericht hat auch mit dieser Beweisaufnahme begonnen, indem es drei Zeugen (Frau R., Frau Dr. B. und Herrn Siegmund S.) vernommen hat; von einer Vernehmung der vier weiteren Zeugen hat es dagegen abgesehen. Als Begründung dafür hat es im angefochtenen Urteil (UA S. 11, 3. Absatz) angeführt, auf die weiter angebotenen Zeugen zu der Frage, ob die Fahrbahn Ende der achtziger Jahre einem technischen Ausbauprogramm entsprechend fertiggestellt worden sei, komme es nicht an, weil die Beweiserhebung schon nicht ergeben habe, dass im Jahr 1985 ein dahingehender Beschluss des Rates (Hervorhebung nur hier) gefasst worden sei. Richtig daran ist, dass der Kläger in dem vorbezeichneten Schriftsatz lediglich die Zeuginnen R. und Dr. B. für die behauptete Beschlussfassung des Rates im Jahr 1985 benannt hatte; die weiteren (vom Berufungsgericht nicht gehörten) Zeugen waren nur zum Beweis für die tatsächliche Ausführung der Ausbauarbeiten 1988/1989 aufgeboten worden. Insoweit mag das Berufungsgericht angenommen haben, sein Beweisbeschluss sei "abgearbeitet". Vernachlässigt hat das Berufungsgericht dabei jedoch zweierlei: Zum Ersten sind bei der Auslegung von Prozesserklärungen, so auch eines schriftsätzlichen Beweisangebots, die für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätze (§§ 133 , 157 BGB ) anzuwenden. Der Wortlaut der Prozesserklärung tritt hinter deren Sinn und Zweck zurück. Dies führt dazu, dass ergänzend die Interessenlage der Partei zu berücksichtigen ist, soweit sie sich aus dem Parteivortrag und sonstigen für das Gericht und die Gegenseite als Empfänger der Prozesserklärung erkennbaren Umständen ergibt (vgl. Beschluss vom 17. Mai 2004 - BVerwG 9 B 29.04 - juris Rdn. 5). Der Klägervortrag ging erkennbar dahin, dass sämtliche Zeugen aufgrund ihrer unterschiedlichen Funktionen im Rat der Gemeinde, im Rat des Bezirkes und in dem bauausführenden Betrieb Aussagen dazu machen konnten, dass der tatsächlichen Bauausführung ein entsprechender Beschluss des Rates zugrunde lag bzw. dass aus der Bauausführung auf die Beschlussfassung geschlossen werden könne. Die Beweisaufnahme abzubrechen, weil das Vorliegen eines Beschlusses des Rates nicht bewiesen worden sei, stand zum Zweiten nicht in Übereinstimmung mit dem eigenen Prüfungsmaßstab des Berufungsgerichts für das Vorliegen eines technischen Ausbauprogramms. Nach den dazu im Berufungsurteil aufgestellten Obersätzen soll dafür "irgendein" straßenbautechnischer Plan ausreichen, "gleichgültig von wem und in welcher Form der Plan aufgestellt worden" sei und ob er sich "unmittelbar aus z.B. einem Beschlussprotokoll oder nur mittelbar aus Aktenvermerken sowie Verträgen, Anweisungen oder sonstigen Vorgaben an die für die Durchführung der jeweiligen Ausbaumaßnahmen zuständigen Stellen entnehmen` lasse (UA S. 9, 2. Absatz). Wenn nach dieser Rechtsauffassung das technische Ausbauprogramm nicht zwingend vom Rat, erst recht nicht in Beschlussform erlassen sein muss, sondern auch von einer anderen Stelle stammen kann, hätte es sich dem Berufungsgericht aufdrängen müssen, auch die weiteren Zeugen dazu zu hören, ob sich aus den in ihr Wissen gestellten Umständen der tatsächlichen Bauausführung Rückschlüsse auf ein sei es vom Rat, sei es von einer anderen Stelle aufgestelltes technisches Ausbauprogramm ergaben. Immerhin waren der Vorsitzende und der Leiter der Abteilung Tiefbau der PGH "F.", also des nach den Angaben des Klägers mit der Bauausführung beauftragten Betriebs, sowie das für die Aufsicht über die Abteilung Planung/Straßenwesen des Kreises zuständige Mitglied des Rates des Bezirkes als Zeugen aufgeboten, mithin Personen, bei denen es nahelag, dass ein Beschluss des Rates oder ein sonstiges Schreiben der Gemeinde oder einer anderen mit dem Ausbau des A.-Wegs befassten Stelle "über ihren Schreibtisch gegangen" wäre.

2. Das Berufungsgericht hat darüber hinaus den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG , § 108 Abs. 2 VwGO ) verletzt. Dieser verpflichtet das Gericht, die Ausführungen eines Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen, in Erwägung zu ziehen und, jedenfalls soweit es sich um einen zentralen Punkt seiner Rechtsverfolgung handelt, in den Entscheidungsgründen zu verarbeiten. Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies auf die Nichtbeachtung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (ständ. Rechtspr; vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 1. Februar 1978 - 1 BvR 426/77 - BVerfGE 47, 182 , 187, 189 und vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 , 146). Die Frage der örtlichen Ausbaugepflogenheiten und der nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts insofern maßgebliche durchschnittliche Ausbauzustand der anderen Straßen im Gemeindegebiet betrafen einen zentralen Punkt des Rechtstreits. Der Kläger hat in der Antragsschrift vom 8. November 2001 im zugehörigen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes für insgesamt 43 im Einzelnen aufgeführte Straßen deren Ausbauzustand beschrieben, in Reaktion darauf hat die Beklagte als Anlage B 7 zu ihrer Antragserwiderungsschrift vom 10. Januar 2002 eine tabellarische Aufstellung "Ausstattung der einzelnen Straßen (Fahrbahn, Gehweg, Straßenentwässerung) der Gemeinde B. zum Zeitpunkt 03.10.1990", undatiert und ohne Verfasser- oder Quellenangabe, vorgelegt. Im angefochtenen Urteil stützt sich das Berufungsgericht für seine Auffassung, dass "die Mehrheit der Gemeindestraßen ... über eine Fahrbahnbefestigung höheren Grades mit Pflaster, Beton oder Bitumen" verfügt habe, auf offenbar diese Auflistung als "Feststellungen der Beklagten" (UA S. 11 unten). Die erwähnte Auflistung ist aber ebenso einseitiger Tatsachenvortrag wie der gegenteilige, nicht minder substantiierte Vortrag des Klägers. Es ist nicht zu erkennen, aus welchen Gründen des Prozessrechts oder des materiellen Rechts das Oberverwaltungsgericht seiner Entscheidung den Tatsachenvortrag des einen Beteiligten als feststehenden Sachverhalt ("Feststellung") zugrunde gelegt hat, ohne den gegenteiligen, damit in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Vortrag des anderen Beteiligten zu berücksichtigen und auf ihn einzugehen (vgl. den Beschluss des Senats vom 18. Oktober 2006 - BVerwG 9 B 6.06 - NVwZ 2007, 216 , 218 zu einer anderen Straße im Gemeindegebiet der Beklagten).

B. Das Berufungsurteil verstößt auch in materiell-rechtlicher Hinsicht gegen Bundesrecht.

1. Allerdings geht das Berufungsgericht zu Recht davon aus, dass die angefochtenen Bescheide sich auf wirksames Satzungsrecht der Beklagten stützen können. Das Berufungsgericht ist in Anwendung irrevisiblen Landesrechts der Auffassung, dass die Erschließungsbeitragssatzung vom 1. März 1999 in der Fassung der Änderungsatzung vom 8. Juli 1999 (EBS 1999) mit deren Veröffentlichung im Gemeindeblatt "B.B." vom Oktober 2004 wirksam bekanntgemacht worden ist. Entgegen der Ansicht des Klägers ist das bundesrechtlich nicht zu beanstanden.

a) Die EBS 1999 ist nicht deswegen nichtig, weil das Bekanntmachungsorgan "B.B." nicht in einer für alle Satzungsbetroffenen ausreichenden Auflagenstärke gedruckt wird und zudem nur käuflich zu erwerben ist. Das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG ), das der Kläger dadurch verletzt sieht, gebietet lediglich, dass Rechtsnormen so zu verkünden (bekanntzumachen) sind, dass die Betroffenen sich vom Erlass und vom Inhalt der Rechtsnorm verlässlich Kenntnis verschaffen können und dass diese Möglichkeit der Kenntnisnahme nicht in unzumutbarer Weise erschwert sein darf (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 2. April 1963 - 2 BvL 22/60 - BVerfGE 16, 6 , 17 und vom 22. November 1983 - 2 BvL 25/81 - BVerfGE 65, 283 , 291). Dabei enthält das Rechtsstaatsprinzip keine in allen Einzelheiten eindeutig bestimmten Gebote und Verbote. Es bedarf vielmehr der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten, wie hier durch die Bekanntmachungsvorschriften des Landes- und Ortsrechts. Danach ist dem Rechtsstaatsprinzip grundsätzlich auch bei einer Bekanntmachung von kommunalem Satzungsrecht in nur einer Zeitung Genüge getan, sofern sichergestellt ist, dass diese Zeitung von interessierten Bürgern erworben werden kann (vgl. Urteil vom 13. Dezember 1985 - BVerwG 8 C 66.84 - NVwZ 1986, 925, 927). Dies schließt ein, dass es grundsätzlich keine unzumutbare Erschwernis darstellt, diese Zeitung käuflich zu erwerben. Hinsichtlich der Auflagenstärke des Bekanntmachungsorgans ist offensichtlich, dass es nicht in einer Auflage erscheinen muss, die der Zahl der potentiellen Rechtsbetroffenen (auch nur annäherungsweise) entspricht. Es liegt vielmehr auf der Hand, dass eine Auflagenstärke ausreichend ist, die sich an dem mutmaßlichen Bedarf und Erwerbsinteresse der Rechtsbetroffenen orientiert. Dass das Berufungsgericht dies bei einer Einwohnerzahl der Gemeinde von 12.000 Personen und einer Auflagenzahl von 600 Exemplaren bejaht hat, ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. den Beschluss des Senats vom 18. Oktober 2006, aaO., S. 216).

b) Entgegen der Ansicht des Klägers liegt ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip auch nicht darin, dass das Berufungsgericht die dritte Änderungssatzung zur Hauptsatzung der Beklagten vom 4. Dezember 1996, wonach Veröffentlichungen durch Aushang in zwei Bekanntmachungskästen erfolgen, nämlich am Rathaus B. und am Einkaufszentrum im Ortsteil H., für nichtig erachtet hat, weil es einen Bekanntmachungskasten an dem erwähnten Einkaufszentrum nie gegeben habe.

Das steht mit den vorbezeichneten Anforderungen des Rechtsstaatsprinzips in Einklang. Es stellt eine unzumutbare Erschwernis für die Bürger dar, sich vom Erlass und vom Inhalt des bekanntzumachenden Rechts verlässlich Kenntnis verschaffen zu können, wenn das vorgesehene Bekanntmachungsorgan von Anfang an, also bereits bei Erlass der Bekanntmachungsnorm, nie existiert hat. Für den Fall einer nachträglich eintretenden tatsächlichen Unmöglichkeit der Bekanntmachung in einem von zwei kumulativ vorgeschriebenen Bekanntmachungsorganen kann es zwar mit dem Publizitätsgebot des Rechtsstaatsprinzips für eine Übergangszeit vereinbar sein, wenn die Bekanntmachung nur in dem einen verbliebenen Organ erfolgt. Dies ist allerdings verbunden mit der Pflicht der Gemeinde, ihr Bekanntmachungsrecht an die geänderten tatsächlichen Verhältnisse alsbald anzupassen (vgl. Urteil vom 11. Oktober 2006 - BVerwG 10 CN 2.05 - BVerwGE 126, 388 , 392 ff.). Davon unterscheidet sich die hier gegebene Fallkonstellation der anfänglichen tatsächlichen Unmöglichkeit der neuen Bekanntmachungsform. Denn zum einen fällt es in die originäre Verantwortung des Satzungsgebers, dafür Sorge zu tragen, dass beim Erlass neuen Bekanntmachungsrechts ein von ihm selbst ausgewähltes Bekanntmachungsorgan auch tatsächlich existiert: zum anderen kann der Bürger über die Gültigkeit des bekanntzumachenden Ortsrechts in besonderer Weise irritiert sein, wenn der Satzungsgeber ein von Anfang an nicht vorhandenes Bekanntmachungsorgan bestimmt.

Ob aus der danach anzunehmenden Nichtigkeit der dritten Änderungssatzung zur Hauptsatzung der Beklagten folgt, dass das bisherige Bekanntmachungsrecht fortgalt (wie das Berufungsgericht annimmt), kann dahinstehen. Für den Streitfall ist dies unerheblich, weil die den angefochtenen Bescheiden zugrunde liegende EBS 1999 nach allen in Betracht kommenden Bekanntmachungsmodalitäten veröffentlicht worden ist, die im fraglichen Zeitraum Geltung beansprucht haben (können). Denn sie ist sowohl im Gemeindeblatt "B.B." (gemäß § 16 Abs. 2 der vom Berufungsgericht als maßgeblich erachteten Hauptsatzung vom 21. September 1994) als auch in dem Bekanntmachungskasten am Rathaus B. (als - wegen Nichtexistenz des anderen - einzig verbliebenen Bekanntmachungsorgan gemäß der dritten Änderungssatzung vom 4. Dezember 1996 zu dieser Hauptsatzung) als auch in allen sechs später bestimmten Bekanntmachungskästen (gemäß § 15 Abs. 2 der Hauptsatzung vom 1. März 1999 in der Fassung der zweiten Änderungssatzung vom 5. Januar 2000) als auch im Amtsblatt des Landkreises vom 24. Januar 2001 (gemäß § 15 Abs. 1 der Hauptsatzung in der Fassung der dritten Änderungssatzung vom 7. Dezember 2000) veröffentlicht worden.

2. Das angefochtene Urteil verstößt allerdings gegen § 242 Abs. 9 Satz 1 und 2 BauGB .

Gemäß Satz 1 der genannten Vorschrift können für Erschließungsanlagen oder deren Teile in dem in Art. 3 des Einigungsvertrags genannten Gebiet, die vor dem Wirksamwerden des Beitritts der DDR zur Bundesrepublik Deutschland bereits hergestellt worden sind, Erschließungsbeiträge nach dem Baugesetzbuch nicht erhoben werden, sondern nur - i.d.R. niedrigere - Ausbaubeiträge nach dem Kommunalabgabengesetz des jeweiligen Landes. Die Vorschrift stellt insofern eine Privilegierung der neuen Länder dar, als sie anders als die für das übrige Bundesgebiet geltende und dort auf das Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes (30. Juni 1961) bezogene Übergangsvorschrift des § 242 Abs. 1 BauGB nicht allein auf die Erschließungsanlage insgesamt abstellt, sondern die Erhebung von Erschließungsbeiträgen auch für deren "Teile`, d.h. für Teileinrichtungen wie Fahrbahn, Gehweg usw., ausschließt (Urteil vom 18. November 2002 - BVerwG 9 C 2.02 - BVerwGE 117, 200 , 202 ff., 204). Nach Satz 2 der Vorschrift sind Erschließungsanlagen oder deren Teile bereits hergestellt, wenn sie vor dem genannten Zeitpunkt "einem technischen Ausbauprogramm oder den örtlichen Ausbaugepflogenheiten entsprechend fertiggestellt" waren.

Die vom Berufungsgericht aufgestellten Maßstäbe, anhand deren es in Anwendung und Auslegung von § 242 Abs. 9 Satz 1 und 2 BauGB die Erhebung eines Erschließungsbeitrags im Streitfall für rechtmäßig hält, sind nicht in jeder Hinsicht mit Bundesrecht vereinbar.

a) Als maßgeblichen Zeitpunkt stellt das Gesetz darauf ab, ob die Erschließungsanlage oder deren Teile "vor" dem Wirksamwerden des Beitritts, d.h. irgendwann vor dem 3. Oktober 1990, bereits hergestellt worden sind, also gleichgültig, ob dies zu Zeiten der DDR oder zu früheren Zeiten erfolgte. Zu prüfen ist, ob sie irgendwann bis zu diesem Zeitpunkt einem seinerzeit gültigen technischen Ausbauprogramm oder den seinerzeitigen örtlichen Ausbaugepflogenheiten entsprechend fertiggestellt waren. Dies entspricht der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur (vgl. bereits das Urteil des Senats vom 18. November 2002, aaO., S. 201; OVG Weimar, Beschluss vom 30. Juni 2003 - 4 EO 206/96 - LKV 2004, 39; OVG Greifswald, Beschluss vom 3. Juni 1996 - 6 M 20/95 - DVBl 1997, 501 , 502; Ernst, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB , Stand: 60. Erg-Lfg. Februar 1999, § 242 Rdn. 20; Quaas, in: Schrödter, BauGB , 7. Aufl., 2006, § 242 Rdn. 15; Löhr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB , 10. Aufl., 2007, § 128 Rdn. 28a: ebenso noch Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge [EAB], 7. Aufl., 2004, § 2 Rdn. 40 f.; ders., Berliner Kommentar zum BauGB [BK], 3. Aufl., 2002, Stand: 7. Erg-Lfg. September 2006, § 242 Rdn. 24 f.; ders., ZMR 2002, 241, 243 f.).

Nach einer anderen Ansicht (neuerdings Driehaus, Kommunalabgabenrecht [KAG], Loseblatt-Kommentar, Stand: 36. Erg-Lfg. März 2007, § 8 Rdn. 218e, S. 166 unten, S. 166/1 oben) soll dagegen für das Merkmal der örtlichen Ausbaugepflogenheiten einzig auf den Zeitpunkt 3. Oktober 1990 abzustellen sein. Diese Ansicht führt zur Begründung an, dass andernfalls z.B. bei einer im Jahr 1920 angelegten (und bis 1990 nicht grundlegend geänderten) Straße auf die Gepflogenheiten der betreffenden Gemeinde in jenem Jahr (1920) abgestellt werden müsse. Dies anhand des tatsächlichen Zustandes aller einschlägigen Verkehrsanlagen in der Gemeinde in einem so weit zurückliegenden Jahr heute noch zu ermitteln, sei regelmäßig unmöglich. Es sei auszuschließen, dass der Bundesgesetzgeber im Rahmen einer auf einfache und praktikable Lösungen ausgerichteten Überleitungsregelung eine Anforderung angeordnet habe, die regelmäßig unmögliche Ermittlungen voraussetze: deshalb sei es geboten, als zeitlichen Bezugspunkt für die örtlichen Ausbaugepflogenheiten - ebenso wie für die übrigen Anknüpfungspunkte in § 242 Abs. 9 Satz 1 und 2 BauGB - auf den Stichtag 3. Oktober 1990 abzustellen.

Dem vermag sich der Senat aus mehreren Gründen nicht anzuschließen. Zum Ersten spricht der Wortlaut "vor" für die Maßgeblichkeit des gesamten Zeitraums vor dem Wirksamwerden des Beitritts. Hätte der Gesetzgeber einzig auf den Stichtag 3. Oktober 1990 abstellen wollen, hätte sich eine andere Formulierung angeboten (z.B. "am" oder "im Zeitpunkt"). Praktikabilitätserwägungen, wie sie die Gegenansicht in erster Linie anführt, können in die Gesetzesauslegung einzubeziehen sein, wo eine solche eröffnet ist. Der klare Wortlaut des Gesetzes bildet jedoch die äußerste Grenze jeder Gesetzesauslegung (vgl. Urteil vom 29. Juni 1992 - BVerwG 6 C 11.92 - BVerwGE 90, 265 , 269). Deshalb ist es auch nicht möglich, innerhalb der beiden Alternativen des § 242 Abs. 9 Satz 2 BauGB auf unterschiedliche Zeitpunkte abzustellen. Weiter entspricht nur die hier vertretene Auslegung dem allgemeinen Grundsatz des Erschließungsbeitragsrechts (vgl. Ernst, aaO., § 242 Rdn. 20, § 133 Rdn. 24b, OVG Greifswald aaO.), dass eine Erschließungsanlage, die irgendwann einmal nach den seinerzeit maßgeblichen Voraussetzungen endgültig hergestellt war, später nicht wieder in den Zustand der Unfertigkeit zurückversetzt werden kann (also etwa weil am oder unmittelbar vor dem 3. Oktober 1990 ein höherer Ausbaustandard "Gepflogenheit" geworden war). Schließlich ergäbe sich ein Widerspruch zur insoweit vergleichbaren Übergangsregelung des § 242 Abs. 1 BauGB betreffend die Erschließungsbeitragsfreiheit der "vorhandenen" Straßen im Übrigen Bundesgebiet, für die eine Beitragspflicht aufgrund der "bis zum 29. Juni 1961 " geltenden Vorschriften nicht entstehen konnte. Im vorliegenden Zusammenhang auf einen anderen Maßstab abzustellen, wäre auch mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG schwerlich zu rechtfertigen (vgl. bereits den Beschluss vom 18. Oktober 2006, aaO., S. 219).

Hieran gemessen ist das angefochtene Urteil insoweit nicht zu beanstanden, als das Berufungsgericht zutreffend darauf abgestellt hat, ob der A.-Weg "irgendwann vor dem 3. Oktober 1990" einem technischen Ausbauprogramm entsprechend fertiggestellt war. Hinsichtlich des Merkmals der örtlichen Ausbaugepflogenheiten ist dagegen nicht eindeutig, welches der zeitliche Maßstab sein soll, da das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang teilweise auf den Ausbauzustand des A.-Wegs "am" (UA S. 11 unten, S. 12 im 2., 4. und 5. Absatz), teilweise "bis zum" (UA S. 12 im 3. Absatz) bzw. "vor dem" 3. Oktober 1990 (UA S. 12 im 5. Absatz) abstellt. Da nach dem Vortrag des Klägers aber einzig in Rede stand, dass der A.-Weg durch die beiden Baumaßnahmen in den 1980er Jahren "bis Mitte 1990" fertiggestellt worden sei, und da das Berufungsgericht eine weitere Beweisaufnahme zum Ausbauzustand der Straße abgelehnt hat, weil dieser sich zwischen Mitte des Jahres 1990 und dem 3. Oktober 1990 allenfalls unwesentlich geändert haben könne, war diese Unschärfe im Prüfungsmaßstab des Berufungsgerichts jedenfalls ohne Einfluss auf das Ergebnis.

b) Nicht zu beanstanden ist weiter, dass das Berufungsgericht seine Prüfung "nach der vom Gesetzgeber vorgegebenen Reihenfolge" damit beginnt, ob der A.-Weg einem technischen Ausbauprogramm entsprechend hergestellt war. Diese Formulierung gibt allerdings - zur Vermeidung von Fehlschlüssen - Anlass zu dem Hinweis, dass die beiden Alternativen des § 242 Abs. 9 Satz 2 BauGB , das "technische Ausbauprogramm" und die "örtlichen Ausbaugepflogenheiten`, wie sich aus dem Wort "oder" ergibt, gleichwertig nebeneinander stehen. Das Vorliegen eines technischen Ausbauprogramms im Sinne der ersten Alternative mag zuvörderst oder vorrangig zu prüfen sein, weil ein solches Programm, zumal wenn es schriftlich nachweisbar ist, den Willen der Gemeinde genauer zum Ausdruck bringt und eine höhere Gewähr und Verlässlichkeit bietet als die nach der zweiten Alternative anhand des tatsächlichen Ausbauverhaltens zu ermittelnden "Gepflogenheiten" (so zutreffend Ernst, aaO., Rdn. 17). Gelingt der Nachweis eines technischen Ausbauprogramms nicht, ist die zweite Alternative zu prüfen. Aber auch wenn sich ein technisches Ausbauprogramm findet, hinter dem die Erschließungsanlage oder deren Teile zurückbleiben, so dass die erste Alternative nicht erfüllt ist, entbindet das jedenfalls dann nicht von der Prüfung auch der zweiten Alternative, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein festgestelltes früheres technisches Ausbauprogramm zugunsten späterer örtlicher Ausbaugepflogenheiten aufgegeben worden sein könnte.

c) Den Begriff des "technischen Ausbauprogramms" hat das Berufungsgericht nicht in jeder Hinsicht zutreffend ausgelegt.

Mit diesem Merkmal greift der Gesetzgeber einen Begriff auf, der von der Rechtsprechung im Zusammenhang mit der gemäß § 132 Nr. 4 BauGB in der Satzung der Gemeinde vorzunehmenden Festlegung der Merkmale der endgültigen Herstellung entwickelt wurde und von dort bekannt ist. Es besteht kein Grund, den Begriff hier anders zu interpretieren. Er ist nach allgemeiner Ansicht weit zu verstehen. Wie durch das Beiwort "technisch" verdeutlicht wird, ist darunter ein Plan zu verstehen, der Vorgaben zur bautechnischen Herstellung der Erschließungsanlage oder deren Teile enthält. Er muss sich mit Fragen des kunstmäßigen Ausbaus der Straße oder ihrer Teileinrichtungen befassen, also z.B. mit der Art der Befestigung der Fahrbahn, etwa dahin, ob sie mit Pflaster, Schwarzdecke, Beton oder Platten oder mit ähnlichem Material ausgestattet sein soll (OVG Greifswald, aaO., S. 503). Aus dem "Plan-Erfordernis folgt weiter, dass das technische Ausbauprogramm in irgendeiner Form schriftlich niedergelegt worden sein muss, etwa in einem Beschlussprotokoll, Aktenvermerk, oder in einer Anweisung an die ausführende Stelle; seine Existenz kann dann aber auch durch Zeugen bewiesen werden.

Nicht zu folgen vermag der Senat dem Berufungsgericht darin, dass mit diesem Begriff auf "irgendein" Ausbauprogramm verwiesen werde, "gleichgültig von wem" es aufgestellt worden sei. Ebenfalls zu weit geht die Ansicht, dass sogar ausreichend sein soll, wenn es lediglich von einer - z.B. im Wege der Eigeninitiative tätig gewordenen - "Mehrzahl von Privatpersonen" stamme (vgl. etwa Driehaus, EAB, aaO., § 2 Rdn. 40 und BK, aaO., § 242 Rdn. 24). Erforderlich ist vielmehr, dass der Plan grundsätzlich von einer nach den jeweils geltenden Rechtsvorschriften für den Straßenbau zuständigen staatlichen Stelle stammt, von ihr gebilligt oder ihr sonstwie zuzurechnen ist. Da eine Erschließungsanlage den eigentlich in einem Bebauungsplan niedergelegten Planungsvorstellungen der Gemeinde entsprechen muss (vgl. § 125 Abs. 1 BauGB ) und das technische Ausbauprogramm gleichsam nur einen Planersatz darstellt, ist erforderlich, dass dieser Plan von einer für den Straßenbau zuständigen Stelle irgendwie "autorisiert" ist. Das schließt nicht aus, dass auch den Besonderheiten der Rechtswirklichkeit der DDR Rechnung zu tragen ist, soweit ein technisches Ausbauprogramm aus diesem Zeitraum in Rede steht.

In diesem Zusammenhang ist namentlich eine bestimmte Aufgabenverteilung zwischen den staatlichen Stellen und den für die Planung und Bauausführung zuständigen Betrieben zu berücksichtigen: Nach der im Laufe der Jahrzehnte in den Einzelheiten wechselnden Rechtslage in der DDR waren die Zuständigkeiten und die Abläufe grundsätzlich so, dass - erstens - nach einer erforderlichen Entscheidung des jeweils zuständigen Rates, dass eine bestimmte Straße (aus-)gebaut werden solle, es - zweitens - einem Betrieb oblag, einen Straßenbauentwurf (Projektplan) aufzustellen, diesen - drittens - der zuständigen Stelle der staatlichen Bauaufsicht zur Prüfung und Genehmigung vorzulegen und schließlich - viertens - die Baumaßnahmen durchzuführen. Die Betriebe handelten dabei regelmäßig auf der Grundlage der technischen Normen, Gütevorschriften und Lieferbedingungen (TGL) und der Richtlinie für Stadtstraßen (RIST). Die TGL, vergleichbar den DIN-Vorschriften in der Bundesrepublik, waren durch § 1 der Verordnung über die Einführung Staatlicher Standards und Durchführung der Standardisierungsarbeiten in der Deutschen Demokratischen Republik vom 30. September 1954 (GBl.-DDR S. 821) zu rechtsverbindlichen Vorschriften erklärt worden (vgl. zu all dem Anlauf, KStZ 2000, 69, 72).

Ausgehend von diesem Maßstab stellt das Berufungsgericht im Streitfall zu strenge Anforderungen, indem es das Vorliegen eines technischen Ausbauprogramms deshalb verneint, weil sich aus den Aussagen der von ihm vernommenen Zeugen nicht ergebe, ob der Rat der Gemeinde "überhaupt konkrete Festlegungen des technischen Ausbaus" getroffen habe: es reiche nicht aus, dass der eingeschaltete Betrieb "für fachliche Dinge zuständig gewesen sei" und der behauptete Beschluss des Rates an diesen weitergeleitet worden sei (UA S. 11). Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass genau dies der damaligen DDR-Rechtslage entsprach und dass es ausreichte, wenn die vom Berufungsgericht vermissten "erforderlichen technischen Einzelheiten` nicht in einem Beschluss des Rates enthalten waren, sondern sich erst aus dem von dem Betrieb aufzustellenden Projektplan oder Ausführungsunterlagen "auf der Grundlage der geltenden TGL" ergaben (so die Zeugin Dr. B., Protokoll der mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts, S. 5). Ein etwaiger Beschluss des Rates der Gemeinde wäre nämlich einem Betrieb zu übermitteln gewesen, der die Baumaßnahme zu projektieren gehabt hätte. Das könnten (nach dem Vortrag des Klägers) die von diesem genannten Betriebe Gebäudewirtschaft G. oder PGH Bau "F." gewesen sein. Der Betrieb hatte im Falle eines genehmigungs- oder anzeigepflichtigen Vorhabens Bauunterlagen anzufertigen und zur Genehmigung vorzulegen: Genehmigungsbehörde wäre nach § 18 der Verordnung über die Staatliche Bauaufsicht vom 22. März 1972 (GBl.-DDR II S. 285) und der späteren Fassung vom 30. Juli 1981 (GBl.-DDR I S. 313) der Rat des Kreises, nach § 20 dieser Verordnung in der Fassung vom 1. Oktober 1987 (GBl.-DDR I S. 249) wäre es das Bezirksbauamt gewesen.

d) Die Ausführungen des Berufungsgerichts zu dem Merkmal der "örtlichen Ausbaugepflogenheiten" sind ebenfalls nicht in jeder Hinsicht rechtsfehlerfrei.

"Gepflogenheiten" sind nach allgemeinem Sprachverständnis ein Verhalten, das über einen längeren Zeitraum feststellbar sein muss und das auch mit den Synonymen "üblich" oder "Übung" umschrieben werden kann. Der Begriff "örtliche Ausbaugepflogenheiten" bezeichnet demgemäß ein über einen längeren Zeitraum feststellbares Verhalten der Gemeinde bei der bautechnischen Herstellung von Erschließungsanlagen. Daraus folgt, dass ein bloßes Nichtstun oder "Liegenlassen" nicht ausreicht. Das Hinnehmen von Provisorien oder das Sich-Abfinden mit einem notdürftigen Zustand, weil ein höherwertiger, an sich zu fordernder oder angestrebter Ausbauzustand nicht zu verwirklichen war (z.B. wegen des Fehlens von Baumaterialien), kann keine "Ausbaugepflogenheiten" begründen. Vielmehr geht es wie bei der ersten Alternative des § 242 Abs. 9 Satz 2 BauGB auch hier um die aktive technische Ausgestaltung der Erschließungsanlagen oder ihrer Teile. Danach setzen die Ausbaugepflogenheiten einen Grundbestand an kunstmäßigem Ausbau voraus. Die Erschließungsanlagen oder ihre Teileinrichtungen müssen durch künstliche Veränderung der Erdoberfläche planvoll straßenbautechnisch bearbeitet worden sein; das bloße Ausnutzen und grobe Herrichten natürlicher Geländegegebenheiten ist nicht ausreichend (z.B. das bloße Verfestigen und "Hobeln" einer vorhandenen "Sandpiste"). Erforderlich ist danach ein Mindestmaß an bautechnischer Herrichtung, nämlich das Vorhandensein einer hinreichend befestigten Fahrbahn (wofür z.B. auch eine Schotterdecke genügen kann), einer - wenn auch primitiven - Form von Straßenentwässerung (ein bloßes Versickernlassen wäre dagegen nicht ausreichend) sowie einer eigenen Straßenbeleuchtung, die einen ungefährdeten Haus-zu-Haus-Verkehr ermöglicht (zu diesen Mindestanforderungen vgl. Driehaus, EAB, aaO., § 2 Rdn. 35 S. 33 m.w.N., dort bezogen auf § 242 Abs. 1 BauGB und die vor dem Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes im Gebiet des ehemaligen Preußen ggf. Geltung beanspruchende Rechtslage).

Aus dem Tatbestandsmerkmal "örtlich" folgt, dass grundsätzlich auf den gesamten Ort abzustellen ist (so zutreffend OVG Magdeburg, Urteil vom 18. Dezember 2000 - 2 L 104/00 - ZMR 2002, 629; OVG Weimar, Beschluss vom 27. April 2006 - 4 EO 1089/04 - KStZ 2007, 11, 12), bei größeren Städten (z.B. Ost-Berlin) ggf. auf Ortsbezirke, wenn diese für den Straßenbau zuständig waren. Entgegen der Ansicht des Klägers sind im Streitfall daher nicht maßgeblich die Ausbaugepflogenheiten allein in der so genannte "Siedlung" als "abgegrenztes, eine optische Einheit bildendes Gebiet der Gemeinde (so aber OVG Greifswald, aaO., S. 503). Für die Maßgeblichkeit des gesamten Ortes sprechen der Gesetzeswortlaut (ansonsten hätten dem Gesetzgeber Formulierungen wie "Ortsteil" oder "in der näheren Umgebung" offengestanden) und andernfalls drohende Abgrenzungsschwierigkeiten. Ebenfalls zu solchen Unsicherheiten muss es führen, wenn ggf. "auch ein für das Gemeindegebiet repräsentativer Ortsteil geeignet sein soll, als Grundlage für die Bestimmung der örtlichen Ausbaugepflogenheiten zu dienen (deshalb abzulehnen der dahin gehende Vorschlag von Driehaus, KAG , aaO., § 8 Rdn. 218 f. S. 166/2).

Abzustellen ist grundsätzlich auf die örtlichen Ausbaugepflogenheiten im zeitlichen Zusammenhang mit der jeweils zu betrachtenden Herstellungsmaßnahme. Ausbaugepflogenheiten können sich nämlich im Lauf der Jahrzehnte ändern: so wäre es verfehlt, eine z.B. in den letzten Jahren der DDR durchgeführte Straßenbaumaßnahme mit Straßen und deren Ausbaustandard aus der Zeit zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu vergleichen. Der Vergleichsrahmen wird daher zu weit gezogen, wenn auf den durchschnittlichen Ausbauzustand aller (vorhandenen) Straßen im Gemeindegebiet abgestellt wird ohne Rücksicht auf den jeweiligen Ausbauzeitpunkt (ähnlich OVG Weimar, aaO., S. 12 f.). Andererseits kann eine Erschließungsanlage oder einer ihrer Teile aber auch dann entsprechend den örtlichen Ausbaugepflogenheiten fertiggestellt sein, wenn dies zwar noch nicht im Zeitpunkt ihrer Herstellung der Fall war, zu einem späteren Zeitpunkt aber die örtlichen Ausbaugepflogenheiten so reduziert worden sind, dass die Anlage bzw. ihr Teil nunmehr diesen Anforderungen entsprach (vgl. OVG Greifswald, aaO., S. 502). Eine nähere Bestimmung des danach maßgeblichen Vergleichsrahmens entzieht sich allgemeingültiger Festlegung und richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Entscheidend ist, welcher Ausbaustandard bei der Mehrheit der danach zu betrachtenden Erschließungsanlagen oder deren Teilen verwirklicht wurde. Maßgeblich ist der optische Gesamteindruck. Dieser ist anhand aller verfügbaren Erkenntnisquellen, z.B. anhand von Verzeichnissen, Kartenmaterial, Fotos oder Zeugenaussagen, zu ermitteln. Einen schematisch-rechnerischen Flächenvergleich fordert das Gesetz nicht (so aber der Vorschlag von Driehaus, EAB, aaO., § 2 Rdn. 43), doch mag ein solches Vorgehen ein taugliches Hilfsmittel sein, die Ausbaugepflogenheiten zu ermitteln.

Dabei können auch Unterschiede in der Funktion der betreffenden Straßen von Bedeutung sein (so zutreffend OVG Weimar, aaO., S. 13). Dies folgt aus einer parallelen Betrachtung der beiden Alternativen des § 242 Abs. 9 Satz 2 BauGB : In einem technischen Ausbauprogramm in Sinne der ersten Alternative können unterschiedliche Ausbaustandards berücksichtigt sein, gemäß denen die Straßen je nach ihrer Funktion herzustellen waren. Das legt es nahe, auch bei dem Merkmal der örtlichen Ausbaugepflogenheiten jedenfalls grobe Funktionsunterschiede zu berücksichtigen wie die, ob eine Straße nur als Anliegerstraße diente und damit nur einen begrenzten Ziel- und Quellverkehr zu bewältigen hatte oder ob sie auch oder vorwiegend den überörtlichen Durchgangsverkehr aufzunehmen bestimmt war, was sich ggf. in einem unterschiedlichen Ausbaustandard niederschlagen konnte.

Ausgehend von diesen Maßstäben hat das Berufungsgericht das Merkmal der örtlichen Ausbaugepflogenheiten verkannt. Denn es hat auf die "Mehrheit der Gemeindestraßen", d.h. auf alle vorhandenen Straßen abgestellt, unabhängig davon, seit wann diese existieren, nicht aber (nur) auf die Straßen, die im zeitlichen Zusammenhang mit denjenigen Baumaßnahmen ausgebaut worden sind, die nach Angaben des Klägers dazu geführt haben sollen, dass der A.-Weg bereits endgültig hergestellt gewesen sei. Außerdem ist aus dem bei den Gerichtsakten befindlichen Kartenmaterial ersichtlich, dass die Straßen im Gemeindegebiet der Beklagten unterschiedliche Funktionen haben, was ebenfalls für den Vergleichsrahmen bedeutsam sein kann.

3. Die übrigen Einwände des Klägers gegen das Berufungsurteil lassen dagegen keinen Verstoß gegen Bundesrecht erkennen.

a) Entgegen der Ansicht des Klägers kann den Äußerungen des Bürgermeisters der Beklagten im Gemeindeblatt "B.B." keine Zusicherung (§ 38 VwVfG ) eines niedrigeren (Ausbau-)Beitrags entnommen werden. Das Berufungsgericht hat auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 7. Februar 1986 - BVerwG 4 C 28.84 - BVerwGE 74, 15 , 17) und in tatrichterlicher Würdigung dieser Äußerungen angenommen, dass ihnen kein auf eine behördliche Selbstbindung gerichteter Verpflichtungswillen entnommen werden könne, bei der späteren Abrechnung der streitgegenständlichen Baumaßnahmen einen bestimmten Verwaltungsakt zu erlassen oder nicht zu erlassen. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

b) Das Berufungsgericht hat weiter angenommen, dass die Beklagte nicht verpflichtet war, die nördliche und südliche Teilstrecke des A.-Wegs im Wege der Abschnittsbildung getrennt abzurechnen. Auch das lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Ob eine Gemeinde von der ihr eingeräumten Möglichkeit einer Abschnittsbildung gemäß § 130 Abs. 2 Satz 1 und 2 BauGB Gebrauch macht, liegt in ihrem gerichtlich nur beschränkt überprüfbaren (§ 114 VwGO ) Ermessen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte ihr diesbezügliches Ermessen allein deshalb willkürlich ausgeübt hat, weil der A.-Weg in seinem nördlichen und südlichen Teil mit einer unterschiedlichen Fahrbahnoberfläche ausgebaut worden ist. Im Gegenteil war eine Abschnittsbildung rechtlich sogar ausgeschlossen, weil ein Kostenvergleich für die beiden Teile des A.-Wegs ergibt, dass die Abschnittsbildung zu einer erheblich unterschiedlichen Belastung der Anlieger der beiden Teilstrecken führen würde (vgl. dazu Urteil vom 7. Juni 1996 - BVerwG 8 C 30.94 - BVerwGE 101, 225 , 232 ff.).

c) Keinen Bedenken unterliegt weiter die Annahme des Berufungsgerichts, dass die Teileinrichtungen Gehweg und Straßenentwässerung vor dem 3. Oktober 1990 nicht bereits hergestellt gewesen seien, weil sie ausweislich der in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht erörterten Fotos jedenfalls nicht auf ganzer Länge ausgebaut waren. Dagegen ist mangels durchgreifender Verfahrensrügen gegen die dem zugrunde liegenden, das Revisionsgericht bindenden Feststellungen (§ 137 Abs. 2 VwGO ) nichts zu erinnern. Dass der vom Kläger behauptete vormalige Ausbauzustand dieser Teileinrichtungen die Voraussetzungen des § 242 Abs. 9 BauGB nicht erfüllt, hat das Berufungsgericht im Übrigen auf die weitere Erwägung gestützt, dass die Mitbenutzung einer lediglich durch Begrenzungspfähle abgetrennten Teilfläche der Fahrbahn durch Fußgänger schon den (bau-)technischen Anforderungen an die Teileinrichtung eines abgegrenzten Gehweges nicht erfülle. Das ist nach dem vorstehenden Maßstab ebenso wenig zu beanstanden wie die weitere Annahme des Berufungsgerichts, dass eine Entwässerung des anfallenden Regenwassers durch bloßes Ausnutzen der natürlichen Gegebenheiten (Versickernlassen im unbefestigten Seitenraum des Straßenkörpers) einen mindestens erforderlichen Grundbestand an kunstmäßigem Ausbau nicht erkennen lasse.

d) Die Rüge des Klägers, es sei unnötiger Aufwand verursacht und abgerechnet worden, greift ebenfalls nicht durch. Dafür reicht es nicht aus, dass eine andere, qualitativ niedrigere Ausführung der streitgegenständlichen Teileinrichtungen, wie sie der Kläger für ausreichend hält, geringere Kosten verursacht hätte. Den Entscheidungen der Gemeinde über Art und Umfang ihrer Straßenbaumaßnahmen wird durch den Grundsatz der (sogenannten kostenbezogenen) Erforderlichkeit lediglich eine äußerste Grenze gesetzt; diese ist erst überschritten, wenn die Aufwendungen für die gewählte Lösung in für die Gemeinde erkennbarer Weise eine grob unangemessene Höhe erreichen, d.h. sachlich schlechthin unvertretbar sind (vgl. Urteile vom 14. Dezember 1979 - BVerwG 4 C 28.76 - BVerwGE 59, 249 , 253 und vom 10. November 1989 - BVerwG 8 C 50.88 - Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 81 S. 47). Dass das Berufungsgericht dies im Streitfall verneint hat, lässt ebenfalls keinen Rechtsfehler erkennen.

e) Ohne Erfolg rügt der Kläger schließlich, dass das Berufungsgericht ihm - trotz seines Obsiegens in erster Instanz und der erst nachträglichen Schaffung gültigen Satzungsrechts - die Kosten des gesamten Verfahrens auferlegt hat; auch dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. nur Urteil vom 28. November 1975 - BVerwG 4 C 45.74 - BVerwGE 50, 2 , 10 f.).

C. Nach all dem verstößt das Berufungsurteil gegen formelles und materielles Bundesrecht. Das angefochtene Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO ). Eine eigene Sachentscheidung ist dem Revisionsgericht nicht möglich, da es an den dafür erforderlichen Tatsachenfeststellungen fehlt. Dies nötigt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung durch das Berufungsgericht (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO ).

Die danach gebotene erneute und ergänzende Ermittlung und Bewertung des maßgeblichen Sachverhalts gibt dem Senat Anlass, auf die materielle Beweislast im Falle der Nichterweislichkeit der Voraussetzungen des § 242 Abs. 9 Satz 1 und 2 BauGB hinzuweisen:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts lässt sich die Frage, wer die Feststellungs- oder Beweislast trägt, nur aus dem jeweils anzuwendenden materiellen Recht beantworten (Urteile vom 26. Januar 1979 - BVerwG 4 C 52.76 - Buchholz 406.11 § 133 BBauG Nr. 67 S. 47 f. und vom 13. April 2005 - BVerwG 10 C 8.04 - Buchholz 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 39 S. 51, jeweils m.w.N.). Ist dem jeweils anzuwenden materiellen Rechtssatz dazu nichts zu entnehmen, gilt i.d.R. der Grundsatz, dass jeder Beteiligte die Beweislast für das Vorhandensein aller Voraussetzungen der ihm günstigen Rechtsnormen trägt. Diese grundsätzliche Beweislastregelung modifizierend kann u.U. noch von Bedeutung sein, dass bestimmte Vorgänge derart in die Sphäre einer Partei fallen, dass die andere Partei vor unzumutbaren Beweisschwierigkeiten stehen würde, wenn sie für diese Vorgänge die Beweislast trüge (Urteil vom 26. Januar 1979, aaO., S. 48). Für das Erschließungsbeitragsrecht hat das Bundesverwaltungsgericht zu der mit der Problematik des Streitfalls vergleichbaren, für die alten Bundesländer geltenden Überleitungsvorschrift des § 242 Abs. 1 BauGB (bezogen auf das Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes am 30. Juni 1961) ausgesprochen, dass ein klägerischer Vortrag, eine Straße sei schon unter der Geltung des alten Rechts endgültig hergestellt gewesen i.S. von § 242 Abs. 1 BauGB , nicht als "Einwendung" gegen den gemeindlichen Beitragsanspruch anzusehen sei mit der Folge, dass der Kläger für die diese Einwendung begründenden Umstände beweispflichtig sei. Vielmehr obliegt es der Gemeinde darzutun, dass erst und gerade die nach dem Stichtag durchgeführten Baumaßnahmen die - vorher noch unfertige - Straße erstmalig hergestellt haben, wenn sie hierfür Erschließungsbeiträge fordern will. Denn Erschließungsbeiträge sind für die "erstmalige Herstellung" einer Straße zu erheben. Die Erstmaligkeit gehört deswegen zu den anspruchsbegründenden Tatsachen, die den Heranziehungsbescheid tragen müssen; dies schließt begrifflich ein, dass die Straße nicht schon vorher nach den damals geltenden Maßstäben endgültig hergestellt war (Urteil vom 26. Januar 1979, aaO., S. 48).

Diese Grundsätze gelten ebenso, wenn nach der gebotenen Ausschöpfung aller in Betracht kommenden Aufklärungsmöglichkeiten nicht erwiesen ist, ob die Voraussetzungen des § 242 Abs. 9 Satz 1 und 2 VwGO vorliegen oder nicht. Es besteht kein Grund, die Darlegungs- und Beweislast im Rahmen von § 242 Abs. 9 BauGB anders zu beurteilen als bei Absatz 1 (im Ergebnis ebenso Driehaus, EAB, aaO., § 2 Rdn. 43; ders., ZMR 1994, 245, 247).

Vorinstanz: OVG Magdeburg - Urteil - 4 L 572/04 - 29.06.2006,
Vorinstanz: VG Magdeburg, vom 23.09.2004 - Vorinstanzaktenzeichen 2 A 649/02
Fundstellen
BVerwGE 128, 100
DVBl 2007, 1366
DÖV 2008, 287
NJ 2008, 229
UPR 2008, 239
ZMR 2008, 166