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BVerwG - Entscheidung vom 15.06.2007

2 WD 17.06

Fundstellen:
ZBR 2008, 139
ZBR 2008, 175

BVerwG, Beschluss vom 15.06.2007 - Aktenzeichen 2 WD 17.06

DRsp Nr. 2010/12902

Auf die Berufung des Soldaten wird das Urteil der 9. Kammer des Truppendienstgerichts Nord vom 11. April 2006 aufgehoben.

Das Verfahren wird eingestellt.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich der dem Soldaten erwachsenen notwendigen Auslagen werden dem Bund auferlegt.

Gründe:

I

Der im Jahre 1976 geborene Soldat wurde mit Bescheid des Kreiswehrersatzamtes R. vom 16. Dezember 1996 zum 3. März 1997 "zum 10monatigen Grundwehrdienst" einberufen, den er am 3. März 1997 bei der .../Panzerflug-abwehrkanonenlehrbataillon ... in ... antrat. Mit Wirkung vom 1. Juni 1997 wurde der Soldat zum Gefreiten befördert. Aufgrund seiner Verpflichtungserklärung vom 8. Juli 1997 wurde ihm am 18. Juli 1997 eine Urkunde ausgehändigt, die folgenden Wortlaut hat:

"Im Namen der

Bundesrepublik Deutschland

ernenne ich

den

Gefreiten

... ...

der aufgrund der Wehrpflicht Wehrdienst leistet

in das Verhältnis eines Soldaten auf Zeit

..., den 17. Juli 1997

Für den Bundesminister der Verteidigung

Der Kommandeur

Panzerflugabwehrkanonenlehrbataillon ...

(Unterschrift) ...

Dienstsiegel des Panzerflugabwehrkanonenlehrbataillons ..."

Ebenfalls am 18. Juli 1997 wurde der Soldat vereidigt. Ferner wurde ihm an diesem Tag die "Mitteilung über die Dauer des Dienstverhältnisses" vom 17. Juli 1997 ausgehändigt. Darin wird ausgeführt:

"Sehr geehrter Herr Gefreiter ...,

aufgrund Ihrer Verpflichtungserklärung vom 08.07.97 wird Ihre Dienstzeit festgesetzt auf 2 Jahre, 4 Monate, 17 Tage. Sie rechnet ab 18.07.97. ... Auf diese Zeit werden Ihnen folgende Wehrdienstzeiten, die Sie bis zur Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit in der Bundeswehr geleistet haben, angerechnet:

vom 01.03.97 bis 17.07.97.

Ihre Dienstzeit endet demnach mit Ablauf des 17.07.99.

Mit freundlichen Grüßen

(Unterschrift) ... OTL u. BtlKdr"

Die Dienstzeit des Soldaten wurde mehrfach verlängert. Zuletzt wurde sie mit Bescheid der Stammdienststelle des Heeres vom 30. November 2001 auf zwölf Jahre festgesetzt. In dem Bescheid heißt es, die Dienstzeit ende "demnach mit Ablauf des 28.02.2009".

Am 1. September 1997 wurde der Soldat zum Obergefreiten, am 1. April 1998 zum Unteroffizier, am 23. April 1999 zum Stabsunteroffizier, am 1. März 2001 zum Feldwebel und am 23. Oktober 2002 zum Oberfeldwebel befördert.

Mit Verfügung der Stammdienststelle des Heeres vom 16. Oktober 2006 wurde der Soldat für die Zeit vom 16. Oktober bis 10. November 2006 zu einem Praktikum bei der Firma W. Kiesabbau- und Transportgesellschaft mbH in G. und mit Verfügung der Stammdienststelle der Bundeswehr vom 8. Januar 2007 für die Zeit vom 15. Januar bis 9. Februar 2007 zu einem Praktikum bei der Firma B... in G. kommandiert. Mit Verfügung vom 10. Januar 2007 verfügte die Stammdienststelle der Bundeswehr mit Wirkung ab 1. März 2007 einen Dienstpostenwechsel des Soldaten zur Teilnahme an der Fachausbildung des Berufsförderungsdienstes. Als voraussichtliche Verwendungsdauer wird in diesem Bescheid der 28. Februar 2009 angegeben. Seit Anfang März 2007 absolviert der Soldat eine Umschulung zum Kaufmann für Spedition und Transportlogistik mit der Fachrichtung Stückgut und Schüttgut mit einer Ausbildungszeit von vierundzwanzig Monaten.

Der Auszug aus dem Zentralregister vom 26. Juni 2006 weist die zu Anschuldigungspunkt 2 sachgleiche Verurteilung des Soldaten durch das Urteil des Amtsgerichts B. D. (Az: ...) vom 27. April 2005 wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung, Beleidigung und Nötigung zu 90 Tagessätzen zu je 50 € Geldstrafe aus. Der Auszug aus dem Disziplinarbuch vom 3. Juli 2006 belegt darüber hinaus eine förmliche Anerkennung vom 1. Juni 2001 wegen vorbildlicher Pflichterfüllung sowie die Auferlegung einer Disziplinarbuße in Höhe von 300 € (zur Bewährung ausgesetzt) vom 13. Mai 2004 wegen einer unwahren dienstlichen Meldung.

Ausweislich der Mitteilung der Wehrbereichsverwaltung - Gebührniswesen - in Kiel vom 21. Juni 2006 erhält der Soldat Dienstbezüge in Höhe von brutto 1 974,55 €, netto 1 657,36 €.

II

In dem mit Verfügung des Kommandeurs des Heerestruppenkommandos vom 29. September 2005, zugestellt am 7. Oktober 2005, eingeleiteten gerichtlichen Disziplinarverfahren hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft nach zuvor am 13. Dezember 2005 erfolgter Anhörung mit Anschuldigungsschrift vom 4. Janu-ar 2006, ausgehändigt am 17. Januar 2006, dem Soldaten folgenden Sachverhalt zur Last gelegt:

"1. Er hat vom 22. August 2003 gegen 23.00 Uhr bis zum 23. August 2003 gegen 07.00 Uhr in seiner früheren Wohnung in ... N., ...-Ring 20, die Wohnungstür seiner Wohnung von innen verschlossen, um dadurch zu verhindern, dass seine damalige Freundin, Stefanie S., die aufgrund eines eskalierenden Beziehungsstreits fortgehen wollte, seine Wohnung verlässt und ihr auch ihr Mobiltelefon abgenommen, weil er verhindern wollte, dass sie um Hilfe ruft. In der Folge hat er zu nicht näher bestimmbaren Zeitpunkten in der Nacht vom 22. auf den 23. August 2003 im Verlauf des Streits seine damalige sich gegen ihn wehrende Freundin mehrfach grob an den Armen festgehalten, sie in Bauchlage auf seine Bettcouch geworfen und sich gegen ihren Willen auf ihren Rücken gelegt und sein Kinn fest auf den Rücken seiner früheren Freundin gedrückt, um sie am Gehen zu hindern. Zu diesem Zweck hat er auch versucht, die Hände seiner damaligen Freundin mit Klebeband zu fesseln. Weiter hat er massiv den Unterkiefer von Stefanie S. gedrückt und sie für die Dauer von drei bis vier Sekunden an der Kehle gewürgt.

2. Er hat zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt Ende Mai 2004 in B. auf dem Gelände einer Tankstelle seinen Pkw der Marke BMW so dicht hinter den Pkw der Zeugin Stefanie S. gefahren, dass diese die Tankstelle mit ihrem Pkw nicht mehr verlassen konnte. Im Verlauf eines sodann zwischen den beiden geführten Streitgesprächs bezeichnete er die Zeugin als Schlampe. Als Stefanie S. seiner Forderung nicht nachkam, ihm sein Mobiltelefon und seinen Ausweis zurückzugeben, schlug er ihr mit der flachen Hand in das Gesicht und drückte sie zu Boden, wodurch die Zeugin nicht unerhebliche Schmerzen und diverse Hämatome davon trug. Nachdem es der Zeugin gelungen war, sich in ihrem Pkw einzuschließen, schlug er mehrfach mit der Faust gegen die Fahrertür. Als die Zeugin daraufhin, wie von ihm beabsichtigt, die Tür öffnete, drückte er sie zur Seite, entnahm ihre Tasche, kippte den Inhalt vor dem Auto aus und nahm sein Mobiltelefon an sich. Auch trat er mit dem Fuß den Beifahrerspiegel des Pkw von Stefanie S. ab."

Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft R. mit Verfügung vom 19. Januar 2004 wegen des von Anschuldigungspunkt 1 erfassten sachgleichen Sachverhalts das strafrechtliche Ermittlungsverfahren - Az: ... - nach Zahlung einer Geldauflage von 500 € gemäß § 170 Abs. 2 i.V.m. § 153a Abs. 1 StPO eingestellt. Wegen des von Anschuldigungspunkt 2 erfassten sachgleichen Sachverhalts hatte das Amtsgericht B. D. den Soldaten mit dem bereits zuvor erwähnten Urteil vom 27. April 2005 (Az: ...), rechtskräftig seit demselben Tag, zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 50 € verurteilt.

Die 9. Kammer des Truppendienstgerichts Nord hat den Soldaten mit dem angefochtenen Urteil vom 11. April 2006 in den Dienstgrad eines Stabsunteroffiziers der Besoldungsgruppe A 6 herabgesetzt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, der Soldat habe mit seinem zu beiden Anschuldigungspunkten festgestellten Fehlverhalten die ihm obliegende außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht (§ 17 Abs. 2 Satz 2 SG ) verletzt und mithin ein Dienstvergehen begangen. Gegen das ihm am 3. Mai 2006 zugestellte Urteil hat der Soldat am 16. Mai 2006 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen:

Hinsichtlich des dem Anschuldigungspunkt 1 zugrunde liegenden Sachverhaltes schließe die endgültige Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft nach § 153a StPO nicht nur eine nochmalige strafrechtliche, sondern auch eine disziplinarrechtliche Verurteilung aufgrund desselben Sachverhaltes aus. Zu dieser Einstellung sei es gekommen, weil die Zeugin Stefanie S. als Anzeigenerstatterin mit Schreiben vom 26. August 2003 gegenüber der Staatsanwaltschaft R. ihre Strafanzeige mit der Begründung zurückgenommen habe: "Da ich von Bekannten zu dieser Anzeige gedrängt wurde und die Angelegenheit, welche zur Strafanzeige führte, zwischen uns durch ein ausführliches Gespräch geklärt wurde."

Soweit die Truppendienstkammer hinsichtlich des Anschuldigungspunktes 2 die tatsächlichen Feststellungen im rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts B. D. vom 27. April 2005 zugrunde gelegt und daraus die Schlussfolgerung gezogen habe, hieraus ergäben sich schwere Zweifel an der Integrität und der dienstlichen Zuverlässigkeit des Soldaten, könne dem nicht gefolgt werden. Das Urteil der Truppendienstkammer berücksichtige nicht hinreichend die inzwischen fast zehnjährige tadelfreie Führung des Soldaten bei der Bundeswehr, die in den dienstlichen Beurteilungen ihren Niederschlag gefunden hätte. Zudem habe sich der Soldat zur Tatzeit in einem derart krankhaften seelischen Zustand befunden, dass sein angeschuldigtes Verhalten nicht als schuldhaft qualifiziert werden könne. Die Voraussetzungen des § 20 StGB lägen vor, zumal bereits der Truppenarzt in L. spätestens am 30. April 2003 von seiner, des Soldaten, verminderten Zurechnungsfähigkeit ausgegangen sei. Die von der Truppendienstkammer ausgesprochene Degradierung vom Oberfeldwebel zum Stabsunteroffizier sei zudem eine unverhältnismäßige Sanktion. Der Soldat beantragt,

das angefochtene Urteil des Truppendienstgerichts Nord vom 11. April 2006 abzuändern und ihn freizusprechen.

Der Bundeswehrdisziplinaranwalt beantragt,

das Verfahren wegen eines nicht heilbaren Verfahrenshindernisses unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils nach § 123 Satz 3 i.V.m. § 108 Abs. 4 WDO außerhalb der Hauptverhandlung durch Beschluss einzustellen.

Der Soldat sei weder am 18. Juli 1997 noch später wirksam in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen worden, weil ihm keine den Vorgaben des § 41 Abs. 1 SG genügende Urkunde ausgehändigt worden sei. Die im Gesetz geforderten Worte "unter Berufung" oder "ich berufe" seien im Text der Urkunde nicht enthalten. Dies sehe auch die vorsorglich nochmals beteiligte Stammdienststelle des Heeres als zuständige personalbearbeitende Stelle so.

Dass die Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit alsbald nachgeholt und eine Unzuständigkeit der Einleitungsbehörde geheilt werde, sei nicht absehbar. Bei Nachholung der Ernennung wäre zwar nach § 2 Abs. 1 WDO das Fehlverhalten dann im gerichtlichen Disziplinarverfahren verfolgbar. Unbeschadet dessen stelle sich angesichts der rechtskräftigen Verurteilung in dem zum Gegenstand des gerichtlichen Disziplinarverfahrens sachgleichen Strafverfahren aber die Frage der charakterlichen Eignung des Soldaten für eine Nachholung der Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit. Die personalbearbeitende Stelle habe Maßnahmen nach der ZDv 14/5 B 128 und B 129 zunächst ausgesetzt, um der Beurteilung der Rechtsstellung des Soldaten durch den erkennenden Senat nicht vorzugreifen.

III

Das Berufungsverfahren ist gemäß § 123 Satz 3 i.V.m. § 108 Abs. 3 Satz 1 WDO unter Aufhebung des angefochtenen Urteils der 9. Kammer des Truppendienstgerichts Nord vom 11. April 2006 wegen eines bestehenden Verfahrenshindernisses einzustellen. Die Entscheidung ergeht durch Beschluss außerhalb der mündlichen Verhandlung in der Besetzung mit drei Richtern (§ 123 Satz 3 i.V.m. §§ 108 Abs. 4, 80 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 WDO).

Ein Verfahrenshindernis im Sinne des § 108 Abs. 3 Satz 1 WDO besteht unter anderem dann, wenn die allgemeinen Verfahrensvoraussetzungen nicht vorliegen. Zu den allgemeinen Verfahrensvoraussetzungen gehören im gerichtlichen Disziplinarverfahren insbesondere die Verfolgbarkeit von Täter und Tat (vgl. Beschluss vom 19. März 1971 - BVerwG 2 WD 92.70 - BVerwGE 43, 200 [201 f.]; Dau, WDO, 4. Aufl. 2002, § 108 Rn. 8 und § 98 Rn. 4) sowie die Möglichkeit, im Falle eines Schuldspruchs eine der in der Wehrdisziplinarordnung vorgesehenen gerichtlichen Disziplinarmaßnahmen verhängen zu können. Daran fehlt es hier.

Der Soldat ist zwar durch den Bescheid des Kreiswehrersatzamtes R. vom 16. Dezember 1996 mit Wirkung ab 3. März 1997 wirksam in das Wehrdienstverhältnis eines Wehrpflichtigen berufen worden (§ 21 WPflG), das für ihn zu dem im Einberufungsbescheid festgesetzten Zeitpunkt am 3. März 1997 begonnen hat (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SG ). Er ist jedoch ungeachtet seiner unter dem 8. Juli 1997 abgegebenen "Verpflichtungserklärung bei der Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit" und der ihm am 18. Juli 1997 ausgehändigten Urkunde vom 17. Juli 1997 nicht rechtswirksam in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen worden.

Das Wehrdienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit wird gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 SG durch die Ernennung begründet ("Berufung"). Die Form der Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit bestimmt sich nach § 41 SG . Die Begründung des Dienstverhältnisses (ebenso wie eine - hier nicht einschlägige - "Umwandlung" [im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 2 SG] des Dienstverhältnisses eines Soldaten auf Zeit in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten oder umgekehrt) erfolgt durch Aushändigung einer Ernennungsurkunde (§ 41 Abs. 1 Satz 1 SG ). § 41 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SG legt für eine "Berufung" in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit (oder eines Berufssoldaten) den zwingend erforderlichen Wortlaut der Ernennungsurkunde fest. Während es bei der "Umwandlung" (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 SG ) nach § 41 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SG ausreichend ist, dass die die "Art des Dienstverhältnisses bestimmenden Worte" ("Berufssoldat" oder "Soldat auf Zeit") in der Ernennungsurkunde enthalten sind (vgl. dazu u.a. Beschluss vom 29. August 1972 - BVerwG 6 B 5.72 - NZWehrr 1973, 32), ist bei der Begründung des Dienstverhältnisses (eines Berufssoldaten oder eines Soldaten auf Zeit) nach dem insoweit eindeutigen und keiner anderweitigen Auslegung zugänglichen Wortlaut des § 41 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SG ("... müssen enthalten sein") unverzichtbar, dass die Worte "unter Berufung in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten" oder "unter Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit" in der Urkunde enthalten sind. Nach § 41 Abs. 1 Satz 3 SG ist lediglich erlaubt, anstelle der Worte "unter Berufung" die Worte "ich berufe" zu verwenden. Die Begründung des Dienstverhältnisses eines Soldaten auf Zeit wird erst mit dem Tag der Aushändigung der Ernennungsurkunde wirksam (§ 41 Abs. 2 SG ). Fehlen - wenn auch versehentlich - die in § 41 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bzw. Satz 3 SG zwingend vorgeschriebenen Worte in der Ernennungsurkunde, wird das Wehrdienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit (bzw. eines Berufssoldaten) nicht rechtswirksam begründet (vgl. Dau, WDO, 4. Aufl. 2002, § 1 Rn. 16). Ausschlaggebend für die Wirksamkeit der Ernennung ist dabei allein der Wortlaut der Urkunde; eine hiervon abweichende Einweisungsverfügung ist insoweit unbeachtlich (vgl. Dau, WDO, 4. Aufl. 2002, § 1 Rn. 16 m.w.N.; Scherer/Alff, SG , 7. Aufl. 2003, § 41 Rn. 4). Denn eine Einweisungsverfügung, auch wenn in ihr die in § 41 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 oder Satz 3 SG vorgeschriebenen Worte verwendet werden, stellt keine Ernennungsurkunde dar und erfüllt schon deshalb nicht die dargelegten strengen Formerfordernisse des Gesetzes.

Angesichts dessen ist davon auszugehen, dass der Soldat weder durch die am 18. Juli 1997 erfolgte Aushändigung der Urkunde vom 17. Juli 1997 noch durch das an ihn gerichtete Schreiben des Kommandeurs des Panzerflugabwehrkanonenlehrbataillons ... vom 17. Juli 1997 über die Einweisung in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 2 Z rechtswirksam in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen worden ist. Eine solche Berufung erfolgte auch nicht durch die ebenfalls an ihn adressierte "Mitteilung über die Dauer des Dienstverhältnisses" des Kommandeurs Panzerflugabwehrkanonenlehrbataillon ... vom 17. Juli 1997. Darin wurde zwar eine "Dienstzeit festgesetzt auf 2 Jahre, 4 Monate 17 Tage". Diese Mitteilung vermag aber aus den dargelegten Gründen die fehlende Aushändigung einer förmlichen Ernennungsurkunde, die den strengen Formerfordernissen des § 41 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bzw. Satz 3 SG genügt, nicht zu ersetzen. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der in dieser Mitteilung vom 17. Juli 1997 enthaltenen Formulierung, auf die festgesetzte Dienstzeit würden die (im Einzelnen näher bezeichneten) "Wehrdienstzeiten", die der Soldat "bis zur Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit in der Bundeswehr geleistet" habe, "angerechnet". Diese Formulierung lässt zwar erkennen, dass der Ersteller/Verfasser und der Unterzeichner des Schreibens davon ausgingen, der Soldat werde im Anschluss an die von ihm bis zum 17. Juli 1997 geleisteten Wehrdienstzeiten in das Verhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen (werden). Eine solche Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit ist jedoch aus den zuvor dargelegten Gründen nicht in der erforderlichen Weise und damit nicht rechtswirksam erfolgt.

Nichts anderes ergibt sich auch aus der nachfolgenden Personalverfügung Nr. 08/97 des Kommandeurs des Panzerflugabwehrkanonenlehrbataillons 6 vom 8. Oktober 1997, mit der der Soldat als Anwärter für die Laufbahngruppe der Unteroffiziere zugelassen wurde, sowie aus den weiteren Personalverfügungen über die Beförderung des Soldaten zum Obergefreiten, Unteroffizier, Stabsunteroffizier, Feldwebel und Oberfeldwebel. Keine dieser Personalverfügungen vermag die fehlende Aushändigung einer formgerechten und wirksamen Ernennungsurkunde im Sinne des § 41 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bzw. Satz 3 SG zu ersetzen.

Damit steht der Soldat aufgrund des wirksamen Einberufungsbescheides vom 16. Dezember 1996 seit dem 3. März 1997 im Wehrdienstverhältnis eines Wehrpflichtigen. Dieses Wehrdienstverhältnis endet gemäß § 2 Abs. 2 SG mit dem Ablauf des Tages, an dem der Soldat aus der Bundeswehr ausscheidet. Für Soldaten, die aufgrund der Wehrpflicht Wehrdienst leisten, bestimmt sich die Beendigung des Wehrdienstes nach §§ 28 ff. WPflG. Ein Soldat, der aufgrund der Wehrpflicht Wehrdienst leistet, ist gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 WPflG zwar mit Ablauf der für den Wehrdienst im Einberufungsbescheid festgesetzten Zeit zu entlassen. Dies wäre im vorliegenden Falle angesichts des im Einberufungsbescheid auf zehn Monate festgesetzten Grundwehrdienstes der 31. Dezember 1997 gewesen. Eine solche Entlassung wäre gemäß § 29 Abs. 5 Satz 1 WPflG von der Stelle zu verfügen gewesen, die nach § 4 Abs. 2 SG für die Ernennung des Soldaten zuständig wäre oder der die Ausübung des Entlassungsrechtes übertragen worden ist.

Es ist nicht ersichtlich, dass eine solche Entlassung des Soldaten aus dem Wehrdienstverhältnis rechtswirksam erfolgt ist. Allein der Umstand, dass offenbar sowohl der Soldat als auch die personalbearbeitende Stelle - rechtsirrig - davon ausgegangen sind, dass der Soldat am 18. Juli 1997 durch Aushändigung und Entgegennahme der Urkunde vom 17. Juli 1997 wirksam in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen worden sei, stellt keine rechtswirksame Verfügung der Entlassung des Soldaten aus dem Wehrdienstverhältnis eines Wehrpflichtigen dar. Denn der objektive Erklärungsgehalt dieser Urkunde lässt eine solche auf die Rechtsfolgen einer Entlassung im Sinne des § 29 Abs. 5 Satz 1 WPflG gerichtete Willenserklärung nicht erkennen, zumal sowohl die personalbearbeitende Stelle als auch der Soldat davon ausgingen, dass der Soldat auch nach Erhalt der Urkunde weiterhin in einem Wehrdienstverhältnis stand und nicht aus der Bundeswehr ausgeschieden ist.

Auch der Umstand, dass der Soldat seit der Aushändigung der Urkunde vom 17. Juli 1997 von den personalbearbeitenden Stellen und seinen Vorgesetzten als Soldat auf Zeit behandelt und in der Folgezeit auch mehrfach befördert worden ist, hat nicht dazu geführt, dass das durch den Einberufungsbescheid vom 16. Dezember 1996 begründete Wehrdienstverhältnis beendet worden ist. Demzufolge nimmt der Soldat gegenwärtig bis zum vorgesehenen Ablauf seiner Dienstzeit (28. Februar 2009) auch an einer Maßnahme im Rahmen des Berufsförderungsdienstes teil.

Damit ist die Fortführung des vorliegenden gerichtlichen Disziplinarverfahrens rechtlich unzulässig. Es fehlt an einer notwendigen Verfahrensvoraussetzung.

Gegen einen Soldaten im Wehrdienstverhältnis eines Wehrpflichtigen ist die Verhängung einer gerichtlichen Disziplinarmaßnahme nach der Wehrdisziplinarordnung nicht möglich. Zwar gilt nach § 1 Abs. 2 WDO die Wehrdisziplinarordnung für alle Soldaten. Wer Soldat ist, bestimmt § 1 Abs. 1 Satz 1 SG . Danach ist Soldat, wer aufgrund der Wehrpflicht oder freiwilliger Verpflichtung in einem Wehrdienstverhältnis steht. Wie sich aber aus § 58 WDO ergibt, ist die Verhängung einer gerichtlichen Disziplinarmaßnahme nur gegen Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit (§ 58 Abs. 1 WDO), gegen Soldaten im Ruhestand und gegen frühere Soldaten, die gemäß § 1 Abs. 3 WDO als Soldaten im Ruhestand gelten (§ 58 Abs. 2 WDO) sowie gegen Angehörige der Reserve und gegen nicht wehrpflichtige frühere Soldaten, die noch zu Dienstleistungen herangezogen werden können (§ 58 Abs. 3 WDO), zulässig. Gerichtliche Disziplinarmaßnahmen gegen Soldaten, die aufgrund der Wehrpflicht Wehrdienst leisten, sieht die Wehrdisziplinarordnung nicht vor. Dies ergibt sich nicht nur aus ihrem Wortlaut, sondern auch aus der Entstehungsgeschichte und dem daraus ableitbaren Sinn und Zweck der insoweit einschlägigen Regelungen der Wehrdisziplinarordnung. Nach der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung der Wehrdisziplinarordnung (nachfolgend: WDO a.F.) waren Soldaten, die aufgrund der Wehrpflicht in einem Wehrdienstverhältnis standen, nicht generell von gerichtlichen Disziplinarmaßnahmen ausgenommen (vgl. § 54 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 3 WDO a.F.; Dau, WDO, 3. Aufl. 1998, § 54 Rn. 6). Die seit dem 1. Januar 2002 geltende und auf das vorliegende Verfahren allein anwendbare Fassung der Wehrdisziplinarordnung hat diese Rechtslage geändert. Nach den Vorstellungen der am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten besteht für gerichtliche Disziplinarmaßnahmen gegen Soldaten, die aufgrund der Wehrpflicht in einem Wehrdienstverhältnis stehen, "keine Veranlassung, weil bei diesen Soldaten regelmäßig die Voraussetzungen für eine fristlose Entlassung mit der Folge des Dienstgradverlustes nach § 29 Abs. 1 Nr. 6 des Wehrpflichtgesetzes vorliegen werden, wenn ein Dienstvergehen mit einfachen Disziplinarmaßnahmen nicht mehr angemessen geahndet werden kann" (vgl. dazu die Begründung des Entwurfs eines 2. Gesetzes zur Neuordnung des Wehrdisziplinarrechts und zur Änderung anderer Vorschriften vom 16. November 2000, BTDrucks 14/4660 S. 31, zu Art. 1 Nr. 43 (§ 54 WDO a.F., jetzt: § 58 WDO); BTDrucks 14/6029, S. 17f; Dau, WDO, 4. Aufl. 2002, § 58 Rn. 2a).

Zwar dürfen die Wehrdienstgerichte gemäß § 58 Abs. 6 WDO auch einfache Disziplinarmaßnahmen nach § 22 WDO verhängen. Diese Befugnis besteht für ein Wehrdienstgericht in einem gerichtlichen Disziplinarverfahren jedoch nur dann, wenn das Gesetz ein gerichtliches Disziplinarverfahren gegen den betreffenden Soldaten überhaupt gestattet. Denn die Verhängung einer - einfachen wie auch einer gerichtlichen - Disziplinarmaßnahme durch ein Wehrdienstgericht im Rahmen eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens setzt die rechtliche Zulässigkeit eines solchen Verfahrens voraus, das nur dann eingeleitet werden und in dem eine Anschuldigungsschrift nur dann ergehen darf, wenn die Verhängung einer gerichtlichen Disziplinarmaßnahme gegen den betreffenden Soldaten zum Zeitpunkt der Einleitungsverfügung und auch zum Zeitpunkt des Ergehens der Anschuldigungsschrift in Betracht kommt. Ist dies - wie generell bei Soldaten, die aufgrund der Wehrpflicht Wehrdienst leisten - aus den dargelegten Gründen nicht der Fall, fehlt es an einer gesetzlichen Verfahrensvoraussetzung.

Unabhängig davon stünde, worauf der Bundeswehrdisziplinaranwalt zutreffend hingewiesen hat, im vorliegenden Fall der Verhängung einer einfachen Disziplinarmaßnahme auf der Grundlage von § 58 Abs. 6 WDO das Verhängungsverbot des § 16 Abs. 1 Nr. 1 WDO entgegen. Denn hinsichtlich des von Anschuldigungspunkt 2 erfassten Fehlverhaltens wurde gegen den Soldaten durch das sachgleiche rechtskräftige Strafurteil des Amtsgerichts B. D. eine Geldstrafe verhängt, so dass eine einfache Disziplinarmaßnahme mit Ausnahme eines Disziplinararrests nicht mehr verhängt werden darf (§ 16 Abs. 1 Alt. 1 WDO). Da hinsichtlich des von Anschuldigungspunkt 1 erfassten Fehlverhaltens die Staatsanwaltschaft R. mit Verfügung vom 19. Januar 2004 das Verfahren gemäß § 170 Abs. 2 i.V.m. § 153a Abs. 1 StPO eingestellt hat, darf wegen desselben Sachverhalts ebenfalls eine einfache Disziplinarmaßnahme (mit Ausnahme eines Disziplinararrestes) nicht mehr verhängt werden (§ 16 Abs. 1 Alt. 3 WDO). Soweit nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 WDO die Verhängung von Disziplinararrest nicht ausgeschlossen ist, ist das Vorliegen der dafür in § 16 Abs. 1 Nr. 2 WDO normierten Voraussetzungen hier nicht ersichtlich. Denn es ist, worauf auch der Bundeswehrdisziplinaranwalt zutreffend hingewiesen hat, nicht erkennbar, dass eine Verhängung von Disziplinararrest gegen den Soldaten gegenwärtig erforderlich ist, um die militärische Ordnung aufrecht zu erhalten oder weil durch das Fehlverhalten das Ansehen der Bundeswehr ernsthaft beeinträchtigt wurde.

Besteht damit im vorliegenden gerichtlichen Disziplinarverfahren ein Verfahrenshindernis, weil der Soldat nicht wirksam in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen worden ist, ist das Verfahren nach § 108 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1, Abs. 4 WDO zwingend einzustellen. Die Einstellung wegen eines Verfahrenshindernisses schließt die Feststellung eines Dienstvergehens aus (Beschluss vom 25. März 1997 - BVerwG 2 WD 4.97 - DokBer(B) 1998, 12; Dau, WDO, 4. Aufl. 2002, § 108 Rn. 8).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 138 Abs. 3 WDO. Anhaltspunkte dafür, dass die Kosten ganz oder teilweise durch schuldhafte Säumnis des Soldaten verursacht worden sind, liegen nicht vor. Die Entscheidung, die dem Soldaten erwachsenen notwendigen Auslagen dem Bund aufzuerlegen, beruht auf § 140 Abs. 1 Alt. 1 WDO.

Vorinstanz: TDG-N - 9 VL 1/06,
Fundstellen
ZBR 2008, 139
ZBR 2008, 175