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BVerwG - Entscheidung vom 27.11.2007

5 B 83.06

BVerwG, Beschluß vom 27.11.2007 - Aktenzeichen 5 B 83.06

DRsp Nr. 2008/51

Gründe:

Die auf Zulassung der Revision gerichtete Beschwerde ist nicht begründet.

Die Revision kann nicht wegen Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ) zugelassen werden. Die Beschwerde meint zu Unrecht, das Berufungsgericht weiche mit der Anwendung des § 6 Abs. 2 BVFG F. 2001 von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. September 2003 - BVerwG 5 C 35.02 - ab. Denn eine Abweichung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VWGO setzt voraus, dass das Berufungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der Rechtsprechung der in dieser Norm genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abweicht (stRspr, Beschluss vom 25. Januar 2005 - BVerwG 9 B 38.04 - NVwZ 2005, 447 ). Daran fehlt es. Denn der Satz in der Senatsentscheidung vom 4. September 2003, der für die Divergenz angeführt wird: "Bereits aus der Entstehungsgeschichte ergebe sich, dass sich diese Regelung nur auf Anträge solcher Personen beziehe, die sich noch im Aussiedlungsgebiet befänden, nicht indes auf Anträge solcher Personen, die bei Inkrafttreten des Gesetzes bereits ausgesiedelt seien.", ist kein Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts. Vielmehr findet sich dieser Satz im Tatbestand des Urteils bei der Wiedergabe der vorinstanzlichen Rechtsauffassung (Urteil vom 4. September 2003 - BVerwG 5 C 35.02 - juris Rn. 3).

Die Revision kann auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Satz 1 VwGO ) zugelassen werden.

Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob § 6 Abs. 2 BVFG in der alten Fassung von 1993 oder der neuen Fassung von 2001 anzuwenden ist, ist für Verfahren, in denen wie im Streitfall um die Aufnahme nach §§ 26 , 27 BVFG gestritten wird, bereits geklärt. Denn das Begehren der Klägerin, die Beklagte zu verpflichten, ihr einen Aufnahmebescheid zu erteilen, ist ein Verpflichtungsbegehren und, da gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach der im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung geltenden Rechtslage zu beurteilen (vgl. Urteile vom 29. August 1995 - BVerwG 9 C 391.94 - BVerwGE 99, 133 und vom 29. März 2001 - BVerwG 5 C 17.00 - BVerwGE 114, 116 ). Soweit die Beschwerde für die Klärungsbedürftigkeit der Frage zur maßgeblichen Fassung des § 6 Abs. 2 BVFG darauf hinweist, dass für den Erwerb des Spätaussiedlerstatus grundsätzlich der Zeitpunkt maßgeblich sei, in dem der Einreisende in Deutschland seinen ständigen Aufenthalt nehme, und eine nachträgliche Verschärfung der Anerkennungsvoraussetzungen aus verfassungsrechtlichen Gründen ausgeschlossen sei, verkennt sie, dass nach § 4 BVFG den Spätaussiedlerstatus nur erwirbt, wer die Aussiedlungsgebiete "im Wege des Aufnahmeverfahrens verlassen und ... im Geltungsbereich des Gesetzes seinen ständigen Aufenthalt genommen hat". Die Klägerin hat aber 1999 nicht "im Wege des Aufnahmeverfahrens" die Aussiedlungsgebiete verlassen und in Deutschland ihren ständigen Aufenthalt genommen. Sie ist 1999 nicht mit einem Aufnahmebescheid, sondern als deutsche Staatsangehörige eingereist; die Erteilung eines Aufnahmebescheides ist Gegenstand dieses Rechtsstreits.

Soweit die Beschwerde geltend macht (Beschwerdebegründung unter I. 2. S. 4 ff.), bei der Entscheidungsfindung sei "§ 6 Abs. 2 BVFG (Fassung von 2001) darüber hinaus auch falsch bzw. unvollständig" angewandt worden, macht sie keinen Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO geltend. Insofern benennt sie keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung.

Die Revision kann schließlich nicht wegen eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ) zugelassen werden.

Der Klägerin war das rechtliche Gehör nicht versagt. Ihren Bevollmächtigten ist im Anhörungsschreiben des Gerichts vom 17. Februar 2006 nach § 130a Satz 2, § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO mitgeteilt worden, dass eine Zurückweisung der Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss erwogen werde und in Betracht komme, "wenn man die im Zulassungsbeschluss noch offen gelassene Frage des durchgängigen positiven Bekenntnisses zum deutschen Volkstum (vergl. auch BVerwG, Beschluss vom 8. Februar 2005 - 5 B 128.04 -, juris) auf der Grundlage des bisherigen Vortrags näher untersucht". Die Antwort der Klägerin im Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 3. April 2006 hat das Berufungsgericht zur Kenntnis genommen. Auf die Bitte der Vertreter der Klägerin um richterlichen Hinweis und "um Erläuterung bzw. Erklärung der Aussage, dass das Gericht die Voraussetzungen der durchgängig positiven Bekenntnis zum deutschen Volkstum in der Person der Klägerin nicht für gegeben hält", teilte ihnen das Gericht mit Schreiben vom 4. April 2006 mit, es habe mit dem Hinweis auf den Beschluss vom 8. Februar 2005 - BVerwG 5 B 128.04 - "mehr als deutlich" auf die Problematik des Bekenntnisses auf andere Weise aufmerksam gemacht. Durch die Hinweise des Berufungsgerichts auf die Urteile vom 13. November 2003 - BVerwG 5 C 41.03 - (Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 104) und - BVerwG 5 C 40.03 - (BVerwGE 119, 192 , im Zulassungsbeschluss vom 21. September 2005) und auf den Beschluss vom 8. Februar 2005 - BVerwG 5 B 128.04 - bei der Anhörung nach § 130a VwGO war hinreichend offengelegt, dass es - vorbehaltlich Zeiten eines nach § 6 Abs. 2 Satz 5 BVFG unterstellten Bekenntnisses - auf ein durchgängig positives Bekenntnis der Klägerin zum deutschen Volkstum ankommen werde. Dass das Berufungsgericht die Klägerin nicht persönlich angehört hat, verletzt ihren Anspruch auf rechtliches Gehör nicht. Aus Art. 103 Abs. 1 GG ergibt sich grundsätzlich kein Anspruch auf mündliche Verhandlung oder persönliche Anhörung (BVerfG, Beschluss vom 8. Februar 1994 - 1 BvR 765, 766/89 - BVerfGE 89, 381 [391]). Da gesetzlich keine persönliche Anhörung angeordnet ist (§ 130a VwGO ), liegt die Form der Anhörung grundsätzlich im Ermessen des Gerichts (vgl. BVerfG aaO.).

Das Berufungsgericht hat auch nicht seine Aufklärungs- und Hinweispflicht (§ 86 VwGO ) verletzt. Die Klägerin hat als Antwort auf das Anhörungsschreiben des Berufungsgerichts ihren bisherigen Vortrag wiederholt und zum Beweis ihre Parteieinvernahme angeboten. Der Vortrag der Klägerin umfasste, dass es ihr bis zum Ende ihres Aufenthalts im Kinderheim 1964 nicht möglich und zumutbar gewesen sei, sich zum deutschen Volkstum zu bekennen, und dass sie sich seit Ende 1988 in der deutsch-baltischen Gemeinschaft und ab 1989 auch in der ersten lettisch-deutschen Kulturgemeinschaft engagiert habe, enthielt aber für die Jahre von 1964 bis 1988 weder substantiierte Angaben dazu, dass und in welcher Weise sie sich in dieser Zeit nach außen erkennbar als deutsche Volkszugehörige bekannt habe, noch ein darauf bezogenes Beweisangebot. Auch in ihrer Beschwerdebegründung hat die Klägerin keine substantiierten Angaben dazu gemacht, dass sie sich in der Zeit von 1964 bis 1988 nach außen erkennbar als deutsche Volkszugehörige bekannt habe, sondern erklärt, sie könne "nicht mehr vortragen, als bereits getan, nämlich dass sie sich stets als Deutsche gefühlt hat, die Deutsche Sprache und Kultur im familiären und Freundeskreis verbreitet worden ist, sie ihr Leben lang darum gekämpft hat, die deutsche Staatsangehörigkeit wiederzuerlangen und sich deshalb auch nach Änderung der politischen Situation in Lettland nicht zuletzt in der deutsch-baltischen Gemeinschaft zu Riga, deren Gründungsmitglied sie war, für die Verbreitung deutschen Kulturgutes engagiert hat" (Beschwerdebegründung S. 6 Abs. 1). Das aber hat das Berufungsgericht nicht in Frage gestellt.

Die Rüge der Klägerin, dass Berufungsgericht hätte "die politische wie wirtschaftliche Situation in Lettland in der Zeit, in der sich die Klägerin dort als Vertriebene aufgehalten hat, näher 'erforschen' müssen", ist in der Beschwerdebegründung nicht durch entsprechenden Vortrag von Tatsachen belegt. So werden keine konkreten Unterlagen benannt, die das Berufungsgericht nicht berücksichtigt habe und aus denen sich ergebe, dass es der Klägerin in der Zeit von 1964 bis 1988 nicht möglich gewesen sei, sich nach außen erkennbar als deutsche Volkszugehörige zu bekennen. Soweit die Klägerin die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Klägerin sei es in der Zeit von 1964 bis 1988 möglich und zumutbar gewesen, sich nach außen zum deutschen Volkstum zu bekennen, für nicht richtig hält, rügt sie einen Fehler in der Beweiswürdigung; ein solcher ist kein Verfahrensfehler (Beschluss vom 10. Dezember 2003 - BVerwG 8 B 154.03 - NVwZ 2004, 627).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO , die Entscheidung über den Streitwert auf § 52 Abs. 2 GKG .

Vorinstanz: OVG Nordrhein-Westfalen, vom 09.06.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 12 A 1748/03