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BVerwG - Entscheidung vom 22.11.2007

3 B 26.07

BVerwG, Beschluß vom 22.11.2007 - Aktenzeichen 3 B 26.07

DRsp Nr. 2008/385

Gründe:

Die 1954 geborene Klägerin begehrt Rehabilitierung nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz ( BerRehaG ). Mit Beschluss vom 14. Juli 1999 hat das Landgericht Schwerin ihre in der früheren DDR im Rahmen eines gegen ihre Eltern durchgeführten Ermittlungsverfahrens erfolgte Festnahme und Unterbringung nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz für rechtsstaatswidrig erklärt und festgestellt, dass sie in der Zeit vom 27. Juli 1967 bis zum 3. August 1967 zu Unrecht Freiheitsentziehung erlitten habe. Bis zum 4. Juli 1969 besuchte die Klägerin die Hilfsschule in Raben Steinfeld. Nach einer Bescheinigung der Schweriner Kabelwerke GmbH vom 20. März 1991 war sie in der Zeit vom 1. September 1969 bis zum 31. März 1971 ohne Arbeitsvertrag in der "Geschützten Werkstatt" des Unternehmens zur Vorbereitung auf ein festes Arbeitsverhältnis tätig. Nach dem vorliegenden Sozialversicherungsausweis arbeitete die Klägerin von 1971 bis 1987 beim VEB Kabelwerk Nord.

Im Jahr 2004 beantragte die Klägerin, vertreten durch ihren Verfahrensbevollmächtigten und Betreuer, unter Bezugnahme auf den Beschluss des Landgerichts Schwerin vom 14. Juli 1999, sie nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz zu rehabilitieren und die Verfolgungszeit vom 1. September 1968 bis zum 24. Dezember 1987 festzustellen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen den ablehnenden Bescheid des Beklagten vom 28. April 2004 abgewiesen, weil die Klägerin die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 BerRehaG nicht erfülle. Während der Zeit ihres Gewahrsams sei sie noch Schülerin gewesen und daher an der Ausübung eines Berufes nicht gehindert worden. Auch die angeblich durch staatliche Behörden veranlasste Verpflichtung zur "Rehabilitations-Erwerbstätigkeit" in der Zeit vom September 1969 bis März 1971 erfülle die Voraussetzungen nicht, weil die Klägerin dadurch nicht gehindert gewesen sei, einen bisher ausgeübten, bereits begonnenen, erlernten oder durch den Beginn einer berufsbezogenen Ausbildung nachweisbar angestrebten Beruf auszuüben. Die Klägerin habe zuvor keinen Beruf ausgeübt und keine andere berufsbezogene Ausbildung erhalten. Die Tatsache, dass sie für ihre Tätigkeit in den ersten zwei Jahren kein Gehalt bezogen habe, begründe ebenfalls keinen Rehabilitierungsanspruch. Das Berufliche Rehabilitierungsgesetz bezwecke nicht, sämtliche beruflichen Nachteile von Verfolgten auszugleichen. Eine Auslegung der einschlägigen Vorschriften im Sinne der Klägerin sei nicht möglich, eine planwidrige Lücke liege nicht vor und auch ein besonderer atypischer Sachverhalt sei nicht gegeben.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil bleibt ohne Erfolg. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (1.), noch liegt ein Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 1 Nr. 3 VwGO vor, auf dem das Urteil beruht (2.). Daher kann dahinstehen, ob die Beschwerdefrist versäumt wurde oder ob hier wegen einer unrichtig erteilten Rechtsmittelbelehrung (sie enthält entgegen dem klaren Wortlaut des Gesetzes keinen Hinweis auf den Vertretungszwang auch bei Einlegung des Rechtsmittels [§ 67 Abs. 1 Satz 2 VwGO]) die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO lief oder ob der Klägerin gemäß § 60 VwGO auf ihren Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren wäre.

1. Die Beschwerde misst der Angelegenheit grundsätzliche Bedeutung bei, weil der vorliegende Fall zwischen der Schulzeit und der späteren Berufstätigkeit der Klägerin liege. Es sei nicht geklärt, ob es im Einklang mit Art. 3 GG stehe, dass ein Anspruch nach § 1 Abs. 1 BerRehaG nur dann bestehe, wenn zuvor bereits ein Beruf ausgeübt worden sei. Tatsächlich müssten hierzu auch die Fälle gehören, in denen nach Abschluss der Schule erstmalig in den beruflichen Lebensweg eines Bürgers durch staatliche Zwangsmaßnahmen eingegriffen worden sei. Es sei kein sachlicher Grund dafür erkennbar, diese Fälle anders zu behandeln als die Fälle, in denen zuvor bereits ein Beruf ausgeübt worden sei.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache jedoch nur, wenn sich eine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage stellt, die in einer Vielzahl von Fällen relevant sein kann und daher zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Fortentwicklung des Rechts der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf. Anhaltspunkte dafür, dass hier diese Voraussetzung gegeben sein könnte, sind weder in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dargelegt noch sonst ersichtlich. Die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen betreffen den konkreten Sachverhalt des vorliegenden Falles, ohne erkennbar werden zu lassen, dass diese Konstellation in einer nennenswerten Zahl weiterer Fälle ebenfalls zur Entscheidung stehen könnte. Damit beschränkt sie sich letztlich darauf, die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts anzugreifen und grundsätzliche Bedeutung zu behaupten. Mit bloßen Angriffen gegen die Rechtsauffassung der Vorinstanz kann jedoch die grundsätzliche Bedeutung nicht dargelegt werden. Im Übrigen ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt, dass das Berufliche Rehabilitierungsgesetz in Übereinstimmung mit der Verfassung nicht bezweckt, sämtliche beruflichen Nachteile von Verfolgten auszugleichen, insbesondere keine hypothetischen (Urteil vom 12. Februar 1998 - BVerwG 3 C 25.97 - Buchholz 115 Sonstiges Wiedervereinigungsrecht Nr. 11).

2. Die weiter erhobene offenbar auf eine mangelhafte Sachaufklärung zielende Verfahrensrüge setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Darlegung voraus, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiellrechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts ermittlungsbedürftig gewesen wären, welche Beweismittel zu welchen Beweisthemen zur Verfügung gestanden hätten, welches Ergebnis diese Beweisaufnahme voraussichtlich gehabt hätte, inwiefern das verwaltungsgerichtliche Urteil unter Zugrundelegung der materiellrechtlichen Auffassung des Gerichts auf der unterbliebenen Sachaufklärung beruhen kann und dass die Nichterhebung der Beweise vor dem Tatsachengericht rechtzeitig gerügt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich die unterbliebene Beweisaufnahme dem Gericht hätte aufdrängen müssen. Dem genügt die Beschwerde nicht. Sie beschränkt sich vielmehr darauf zu behaupten, der Beklagte habe bei seinem Ausgangsbescheid nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Rehabilitierungsbehörde auch die Verfolgungszeit ermitteln und die berufliche Benachteiligung im Wege eines Vergleichs bezeichnen sowie Kausalitätsfragen unter dem Gesichtspunkt des mitwirkenden Verschuldens prüfen müsse. Das genügt zur Darlegung eines Verfahrensmangels nicht.

Von einer weiteren Begründung seines Beschlusses sieht der Senat nach § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ab.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO ; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG .

Vorinstanz: VG Greifswald, vom 01.12.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 5 A 318/05