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BVerwG - Entscheidung vom 27.03.2007

1 B 271.06

BVerwG, Beschluss vom 27.03.2007 - Aktenzeichen 1 B 271.06

DRsp Nr. 2007/8151

Gründe:

Die Beschwerde ist unzulässig.

1. Nach § 132 Abs. 2 VwGO ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Entscheidung der Vorinstanz von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Im Beschwerdeverfahren ist die Prüfung gemäß § 133 Abs. 3 VwGO auf frist- und formgerecht vorgetragene Zulassungsgründe beschränkt. Dabei muss mit der Grundsatzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) eine über den jeweiligen Einzelfall hinausgreifende, in verallgemeinerungsfähiger Weise im Interesse der Rechtseinheit oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsfähige und klärungsbedürftige konkrete Frage des revisiblen Rechts dargelegt werden. Mit der Abweichungsrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ) muss unter genauer Bezeichnung der höchstrichterlichen Entscheidung, von der das Berufungsgericht abgewichen sein soll, ein prinzipieller Auffassungsunterschied in einer Rechtsfrage aufgezeigt und dargetan werden, inwiefern die angegriffene Entscheidung darauf beruhen soll. Bei einer Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ) ist schließlich der Bezeichnungspflicht nur genügt, wenn die Tatsachen schlüssig dargetan werden, die den geltend gemachten Verfahrensmangel ergeben, und es als möglich erscheint, dass die angefochtene Entscheidung auf ihm beruht. Hinsichtlich aller Revisionszulassungsgründe stellt § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO auch Anforderungen an die Klarheit, Verständlichkeit und Überschaubarkeit des Beschwerdevorbringens.

Die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde muss demzufolge eine Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffes durch den Prozessbevollmächtigten und ein Mindestmaß an Geordnetheit des Vorbringens erkennen lassen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1993 - BVerwG 6 B 42.93 - Buchholz 310 § 67 VwGO Nr. 81 und vom 21. Februar 2006 - BVerwG 1 B 108.05 - juris). Dabei verlangt das Darlegen - das schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch im Sinne von "erläutern" und "erklären" zu verstehen ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. März 1993 - BVerwG 3 B 105.92 - Buchholz 310 § 133 >n.F.< VwGO Nr. 11; BFH, Beschluss vom 18. Januar 1968 - V B 45/67 - BFHE 90, 369 >370<) - ebenso wie das gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderliche Bezeichnen ein Mindestmaß an Klarheit, Verständlichkeit und Übersichtlichkeit der Ausführungen. Gerade dies ist einer der Gründe dafür, dass die Nichtzulassungsbeschwerde dem Anwaltszwang unterliegt. Welche Anforderungen dabei im Einzelnen zu stellen sind, ist nach den jeweiligen Umständen zu beurteilen. Eine umfangreiche Beschwerdebegründung entspricht jedenfalls dann nicht den formellen Erfordernissen, wenn die Ausführungen zu den Zulassungsgründen in unübersichtlicher, ungegliederter, unklarer, kaum auflösbarer Weise mit Einlassungen zu irrevisiblen oder für das Beschwerdeverfahren sonst unerheblichen Fragen vermengt sind. Es ist nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts, aus einem derartigen Gemenge das herauszusuchen, was möglicherweise - bei wohlwollender Auslegung - zur Begründung der Beschwerde geeignet sein könnte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Dezember 1972 - BVerwG 4 B 122.72 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 99). Eine solche Verpflichtung des Beschwerdegerichts lässt sich auch nicht aus Art. 19 Abs. 4 oder Art. 103 Abs. 1 GG entnehmen (BVerfG, Beschluss vom 6. September 1983 - 1 BvR 237/83 - SozR 1500 § 160a SGG Nr. 48).

2. Die insgesamt 64 Seiten umfassende Beschwerdebegründung wird den genannten Darlegungserfordernissen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht gerecht.

a) Soweit die Beschwerde mehrere Divergenzrügen erhebt, entsprechen die Rügen den gesetzlichen Darlegungsanforderungen schon im Ansatz nicht. Dies gilt zunächst für die beiden Rügen, das Berufungsgericht sei bei seiner Verfahrensweise, ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß § 130a VwGO und damit ohne Anhörung der Klägerin zu entscheiden, von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen. Der Darstellung der Beschwerde ist lediglich zu entnehmen, dass das Berufungsgericht - aus Sicht der Beschwerde - die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Verfahren nach § 130a VwGO unzutreffend angewendet haben soll, nicht aber - wie es für eine Divergenzrüge erforderlich wäre -, dass das Berufungsgericht einen abstrakten, der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts widersprechenden Rechtssatz aufgestellt hat (vgl. das auch von der Beschwerde genannte Urteil vom 30. Juni 2004 - BVerwG 6 C 28.03 - NVwZ 2004, 1377 ). Dies gilt ferner für die Rügen, das Berufungsgericht hätte - in Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - die psychische Erkrankung der Klägerin nicht ohne ein weiteres Sachverständigen-Gutachten beurteilen dürfen, außerdem sei das Berufungsgericht im Hinblick auf Art. 3 EMRK von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts abgewichen. Auch insoweit zeigt die Beschwerde nicht auf, dass das Berufungsgericht einen abstrakten, der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bzw. des Bundesverfassungsgerichts widersprechenden Rechtssatz aufgestellt hat.

b) Auch die Verfahrensrügen genügen nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO . Dies gilt zunächst für den geltend gemachten Verstoß gegen das Gebot der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 96 VwGO ) wegen unterbliebener persönlicher Anhörung der Klägerin. Denn die Beschwerde legt nicht dar, dass das Berufungsgericht auf die Glaubwürdigkeit der Klägerin oder die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben abgestellt hat und deshalb nicht hätte entscheiden dürfen, ohne sich von der bereits in erster Instanz angehörten Klägerin einen persönlichen Eindruck zu verschaffen (vgl. hierzu im Einzelnen den von der Beschwerde selbst zitierten Beschluss vom 26. Februar 2003 - BVerwG 1 B 218.02 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 328 m.w.N.). Das Berufungsgericht ist auf der Grundlage des vom Verwaltungsgericht eingeholten fachärztlichen Gutachtens des Privatdozenten Dr. Z. vom 17. Dezember 2004, das auf drei ambulanten Untersuchungen der Klägerin beruhte, davon ausgegangen, dass bei der Klägerin eine PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung) mit bewusstseinsnaher depressiver Überlagerung vorliegt, hat aber - ebenfalls auf der Grundlage dieses Gutachtens - eine Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 AufenthG wegen Verschlimmerung der Erkrankung bei einer Rückkehr in den Kosovo verneint, weil die Erkrankung im Kosovo ausreichend behandelbar sei und auch eine ernsthafte Suizidgefahr nicht festgestellt werden könne (BA S. 15 ff.). Inwiefern das Berufungsgericht unter diesen Umständen verpflichtet gewesen sein sollte, die Klägerin (erneut) anzuhören, lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen.

Ebenfalls unschlüssig ist die Rüge, das Berufungsgericht habe verfahrensfehlerhaft im Beschlussverfahren nach § 130a VwGO entschieden. Das Berufungsgericht hat in seinem Beschluss ausführlich dargelegt, aus welchen Gründen es diese Verfahrensweise gewählt hat (BA S. 6). Dass diese im Ermessen des Gerichts stehende Entscheidung in ihren tragenden Erwägungen auf sachfremden Gesichtspunkten oder auf grober Fehleinschätzung - auch im Hinblick auf die geltend gemachte besondere Schwierigkeit der Sache - beruht, zeigt die Beschwerde nicht auf.

Unschlüssig ist zudem die Verfahrensrüge, das Berufungsgericht hätte ein weiteres Sachverständigen-Gutachten einholen müssen und die Erkrankung der Klägerin nicht aus eigener Sachkunde beurteilen dürfen (§ 86 Abs. 1 VwGO ). Zwar trifft es zu, dass das Gericht die hier erheblichen medizinischen (psychotraumatologischen und psychotherapeutischen) Fachfragen grundsätzlich nicht aus eigener Sachkunde und ohne Zuhilfenahme fachärztlichen Sachverstands beurteilen darf (vgl. den von der Beschwerde zitierten Beschluss vom 24. Mai 2006 - BVerwG 1 B 118.05 - InfAuslR 2006, 485). Im vorliegenden Fall geht der Vorwurf der Beschwerde indes schon deshalb fehl, weil das Berufungsgericht seine Auffassung auf das von ihm für überzeugend gehaltene, in erster Instanz eingeholte, fachärztliche Gutachten des Dr. Z. gestützt hat (BA S. 13). Inwiefern sich ihm unter den Umständen des vorliegenden Falles von Amts wegen die Einholung eines weiteren fachärztlichen (Ober-)Gutachtens hätte aufdrängen müssen, zeigt die Beschwerde nicht auf. Insbesondere geht sie nicht auf die eingehenden Erwägungen des Berufungsgerichts dazu ein, dass auch durch das von der Klägerin vorgelegte Attest ihres behandelnden Therapeuten Dr. M. vom 1. März 2006 und die von ihr eingereichte Stellungnahme des Facharztes Dr. Sp. vom 25. Juni 2006 das Gutachten des Dr. Z. nicht erschüttert werde und deshalb die Einholung eines weiteren Gutachtens nicht erforderlich sei (BA S. 12 ff. und S. 20 ff.). In Wahrheit wendet sich die Beschwerde auch mit diesen Rügen gegen die ihrer Ansicht nach unzutreffende Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Berufungsgerichts, ohne damit einen Zulassungsgrund aufzuzeigen.

c) Im Übrigen enthält die Beschwerdebegründung - teilweise in englischer Sprache - ausführliche tatsächliche Schilderungen, die das Schicksal der Klägerin und anderer Personen betreffen, medizinische Anmerkungen zu der geltend gemachten psychischen Erkrankung der Klägerin, allgemeine Anmerkungen zur Entscheidung des Berufungsgerichts und zum Gang des Verfahrens, lange wörtliche Wiedergaben aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie Auszüge aus zum Teil allgemeinen psychiatrischen Gutachten und neurologischen Befunden. Eine Durchsicht dieser Ausführungen zeigt, dass es sich hierbei im Wesentlichen um revisionsrechtlich unbeachtlichen Tatsachenvortrag handelt, hinsichtlich dessen nicht hinreichend erkennbar ist, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ihn auf seine Erheblichkeit für das Beschwerdeverfahren überprüft hat. Der Prozessbevollmächtigte beschreibt immer wieder neue Aspekte der posttraumatischen Belastungsstörung, auf die sich die aus dem Kosovo stammende Klägerin als asylrechtliches Abschiebungshindernis beruft. Der beschließende Senat ist im Übrigen schon aus den eingangs dargelegten Gründen nicht gehalten, dieses Vorbringen näher daraufhin zu untersuchen, ob es möglicherweise Hinweise enthält, die revisionsrechtlich von Belang sein könnten.

Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO . Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG .

Vorinstanz: OVG Nordrhein-Westfalen, vom 20.09.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 13 A 1740/05