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BVerwG - Entscheidung vom 28.02.2007

10 B 58.06

BVerwG, Beschluss vom 28.02.2007 - Aktenzeichen 10 B 58.06

DRsp Nr. 2007/5603

Gründe:

Die auf die Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) und des Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. a) Grundsätzliche Bedeutung misst die Beschwerde der Sache im Hinblick auf die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts bei, nach § 12 Abs. 1 2. Alt. der Grundstücksentwässerungssatzung der Stadt B. (EWS) komme es nicht darauf an, ob die Druckentwässerung im Vergleich zur Freispiegelkanalentwässerung die wirtschaftlichere Lösung sei, sondern allein darauf, ob die Stadt sich aus wirtschaftlichen Gründen im Sinne einer wirtschaftlichen Motivation für eine Druckentwässerung entscheide. Damit wird eine klärungsbedürftige Rechtsfrage des revisiblen Rechts (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO ) nicht bezeichnet. Denn die Entwässerungssatzung, auf deren Auslegung sich die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts bezieht, ist wegen ihrer Zugehörigkeit zum Landesrecht einer Überprüfung durch das Revisionsgericht nicht zugänglich.

Das Anliegen der Beschwerde wird nicht dadurch zu einer Frage des revisiblen Rechts, dass die Beschwerde die Vereinbarkeit der berufungsgerichtlichen Auslegung des § 12 Abs. 1 EWS mit Prinzipien des Bundesverfassungsrechts, namentlich dem Willkürverbot, geltend macht. Denn insoweit versäumt sie es, die Klärungsbedürftigkeit der einschlägigen Normen des Bundesrechts aufzuzeigen. Die Rüge einer Verletzung von Bundesrecht bei der vorinstanzlichen Auslegung und Anwendung irrevisiblen Landesrechts vermag die Zulässigkeit der Grundsatzrevision indes nur zu rechtfertigen, wenn die Beschwerde eine klärungsbedürftige Frage gerade des Bundesrechts darlegt, nicht aber dann, wenn - wie hier - nicht das Bundesrecht, sondern allenfalls das Landesrecht klärungsbedürftig ist (stRspr, vgl. etwa Beschluss vom 7. März 1996 - BVerwG 6 B 11.96 - Buchholz 310 § 137 Abs. 1 VwGO Nr. 7 m.w.N.).

Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts keineswegs - wie von der Beschwerde vorausgesetzt - auf den Ausschluss selbst einer gerichtlichen Willkürkontrolle der behördlichen Entscheidung für eine bestimmte Entwässerungsart hinausläuft. Eine wirtschaftliche Motivation der Behörde setzt jedenfalls die Orientierung an wirtschaftlichen Maßstäben voraus; nur vorgeschobene wirtschaftliche Motive würden deshalb auch nach der Auslegung des § 12 Abs. 1 EWS durch das Oberverwaltungsgericht den Normtatbestand nicht ausfüllen.

b) Die Beschwerde will weiterhin geklärt wissen, ob der vom Berufungsgericht angestellte Vergleich der Ausnutzung der von den Anschlussnehmern zur Einspeisung ihres Abwassers in das öffentliche Kanalnetz erzeugten Druckenergie für die Weiterleitung innerhalb der öffentlichen Druckwasserleitung mit der Ausnutzung der Schwerkraft für den Betrieb einer öffentlichen Freigefälleleitung rechtlich angängig sei. Auch diese Frage ist der Klärung in einem Revisionsverfahren nicht zugänglich. Das Oberverwaltungsgericht hat den Vergleich angestellt, um deutlich zu machen, dass mit dem von der Stadt B. gewählten Entwässerungssystem keine Verschiebung der Abwasserbeseitigungspflicht auf den Anschlussnehmer verbunden sei. Es hat eine solche Verschiebung verneint, weil die Funktionsweise der öffentlichen Druckentwässerungsanlage auf der bloßen Ausnutzung der Druckenergie beruhe, die der Anschlussnehmer ohnehin erzeugen müsse, um seine Abwässer in die öffentliche Anlage einzuspeisen. Der Vergleich mit der Ausnutzung der natürlichen Schwerkraft zum Betrieb einer Freigefälleleitung dient lediglich dazu, dies zu veranschaulichen, hat hingegen keinen selbständigen rechtlichen, geschweige denn bundesrechtlichen Gehalt, der Gegenstand revisionsgerichtlicher Klärung sein könnte.

c) Grundsätzliche Bedeutung misst die Beschwerde ferner sinngemäß der Frage bei, ob für die Druckentwässerung und die Entwässerung mittels Freispiegelkanals von einem vergleichbaren wirtschaftlichen Vorteil ausgegangen werden dürfe, obgleich die Anschlusskosten im Fall der Druckentwässerung höher liegen. Auch darin kann ihr nicht gefolgt werden, denn diese Frage betrifft unmittelbar nur die Vereinbarkeit der satzungsrechtlichen Festlegung des Beitragssatzes mit § 8 Abs. 6 KAG NRW und damit wiederum irrevisibles Landesrecht.

Soweit die Beschwerde die Vereinbarkeit der Satzungsregelung und der Auslegung des § 8 Abs. 6 KAG NRW mit dem bundes(verfassungs)rechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz in Zweifel zieht, führt dies gleichfalls nicht auf eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung. Denn insoweit geht es wiederum nur um die richtige Auslegung und Anwendung des Landesrechts. Hingegen vermag die Beschwerde nicht darzulegen, dass auch Art. 3 Abs. 1 GG als bundesrechtliche Maßstabsnorm ungeklärte Fragen von fallübergreifender Bedeutung aufwirft. Das Oberverwaltungsgericht hat deutlich herausgearbeitet, warum es in der unterschiedlichen Höhe der Anschlusskosten kein Hindernis für eine beitragsrechtliche Gleichbehandlung beider Fallgruppen sieht (UA S. 13 - 15). Das angefochtene Urteil verweist hierzu darauf, dass sich Unterschiede zwischen den Fallgestaltungen nicht bei dem durch die jeweilige Entwässerungsart vermittelten Vorteil, sondern nur bei dem jeweiligen Anschlussaufwand ergeben, dass der höhere Anschlussaufwand im Falle der Druckentwässerung jedoch im Zusammenhang mit der besonderen Grundstückssituation der auf diese Weise angeschlossenen Grundstücke - ihrer Hanglage am Rand der Ortsteilbebauung - zu sehen ist. Daraus zieht es den Schluss, die beiden Fallgruppen wiesen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht auf, dass die gleichartige Behandlung nicht mehr zu rechtfertigen wäre. Diese Ausführungen orientieren sich an den Grundsätzen, die für die Überprüfung abgabenrechtlicher Regelungen am Maßstab des Gleichbehandlungsgrundsatzes maßgeblich sind. Es ist nicht ansatzweise erkennbar, welche klärungsbedürftigen Fragen der Maßstabsnorm sich daran knüpfen sollten.

2. Die Verfahrensrügen greifen ebenfalls nicht durch.

a) Die Beschwerde rügt, das Berufungsgericht habe sich über das Beweisanerbieten des Klägers zu seinen Einwänden gegen den von einem Ingenieurbüro angestellten Kostenvergleich zwischen der Druckentwässerungsleitung der Beklagten und einem alternativ möglichen Freispiegelkanal hinweggesetzt und diese Einwände aufgrund eigener Beurteilungen zurückgewiesen, ohne die dafür erforderliche eigene Sachkunde darzulegen (vgl. zu diesem Erfordernis Beschlüsse vom 28. August 1995 - BVerwG 3 B 5.95 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 270 S. 16 und vom 19. November 1998 - BVerwG 8 B 148.98 - Buchholz 428 § 5 VermG Nr. 19 S. 56 f.). Diese Rüge kann schon deshalb keinen Erfolg haben, weil der gerügte Verfahrensmangel nicht entscheidungserheblich ist. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung nämlich selbständig tragend auf die - von der Beschwerde mit der Grundsatzrüge erfolglos angegriffene - Überlegung gestützt, satzungsrechtlich komme es für die Auswahl des Druckentwässerungssystems allein auf die wirtschaftliche Motivation der Stadt, nicht jedoch darauf an, ob diese Entwässerungsart die wirtschaftlichere Lösung sei.

b) Soweit die Beschwerde der Vorinstanz vorwirft, sie habe einen unzutreffenden Sachverhalt zugrunde gelegt, versäumt sie bereits darzulegen, welche Art von Verfahrensfehler dem Oberverwaltungsgericht unterlaufen sein soll. Auch unabhängig von dem Darlegungserfordernis ist weder erkennbar, dass das Gericht einen aktenwidrigen Sachverhalt zugrunde gelegt hat, noch bestehen Anhaltspunkte für die Annahme, es habe Bekundungen der Beteiligten nicht zur Kenntnis genommen.

Im Übrigen beruht die Rüge, das Oberverwaltungsgericht sei von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen, offenbar auf einem Missverständnis. Das Gericht verwendet den Begriff des Druckentwässerungsnetzes, um zu kennzeichnen, dass der Transport des in die öffentliche Entwässerungseinrichtung eingeleiteten Abwassers nicht im freien Gefälle, sondern durch Druck erfolgt, stellt aber nicht in Abrede, dass dieser Druck ausschließlich in den Druckpumpen der Hausanschlüsse erzeugt wird. Unterschiede zu den Sachverhaltsannahmen der Beschwerde, zumal solche von entscheidungserheblicher Bedeutung, kommen darin nicht zum Ausdruck.

c) Die Beschwerde wirft dem Berufungsgericht vor, widersprüchlich zu argumentieren, indem es einerseits der Stadt bei der Wahl der Entwässerungsart ein Ermessen zubillige, andererseits einen Anspruch der Anschlussnehmer auf fehlerfreie Ermessensausübung verneine. Auch damit wird kein Verfahrensfehler aufgezeigt, denn der Vorwurf richtet sich der Sache nach allein gegen die Schlüssigkeit der materiellen Rechtsanwendung. Selbst wenn diese Brüche aufweisen sollte, die sich in den Urteilsgründen widerspiegeln, so liegt darin kein verfahrensrechtlich erheblicher Begründungsmangel im Sinne des § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO .

d) Soweit die Beschwerde schließlich geltend macht, das Oberverwaltungsgericht sei bei der Bestimmung des Kostenaufwands für den Hausanschluss an das Druckentwässerungssystem der Beklagten von den unter Beweis gestellten Angaben des Klägers abgewichen, ohne eigene Sachkunde darzulegen, folgt daraus kein Verstoß gegen die Pflicht zur Beweiserhebung. In den bereits zitierten Beschlüssen vom 28. August 1995 und 19. November 1998 (jeweils a.a.O.) hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, ein Gericht dürfe von der Einholung eines Sachverständigengutachtens zu einer entscheidungserheblichen Beweisfrage, deren Beantwortung eine besondere, nicht durch Benutzung allgemein zugänglicher Erkenntnismittel unschwer zu beschaffende Sachkunde voraussetzt, nur absehen, wenn es diese Sachkunde für sich in Anspruch nehmen könne; das sei in einer von den Beteiligten und vom Revisionsgericht nachprüfbaren Weise durch eine überzeugende Darlegung nachzuweisen. Ob das Berufungsgericht mit dem schlichten, ausdrücklich ohnehin nur auf die Anschaffungskosten für ein Pumpwerk bezogenen "Erfahrungen des Senats" (UA S. 12 oben) diese Voraussetzungen erfüllt hat, bedarf keiner Entscheidung. Die strikten Anforderungen, denen das Gericht bei der Behandlung von Beweisanträgen genügen muss, sind nämlich schon deshalb nicht einschlägig, weil der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausweislich des Terminsprotokolls keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat. Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht auf die Angaben im angefochtenen Urteil zu den einzelnen Kostenansätzen (UA S. 12) letztlich nicht entscheidend abgestellt, sondern seine Entscheidung maßgeblich auf die Überlegung gestützt, der Kläger habe jedenfalls nicht substantiiert dargelegt, dass die Anschlusskosten die in ständiger Rechtsprechung des Gerichts angenommene Zumutbarkeitsgrenze von 25 000 EUR überschritten (UA S. 13). Dem ist die Beschwerde nur ganz pauschal entgegengetreten, ohne näher zu erläutern, an welcher Stelle und mit welchem Inhalt er hierzu Ausführungen gemacht hat. Der Begründungspflicht des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO , der die vollständige und schlüssige Darlegung des Sachverhalts erfordert, aus dem sich der geltend gemachte Verstoß gegen das Prozessrecht ergeben soll (vgl. Beschluss vom 1. Dezember 2000 - BVerwG 9 B 549.00 - Buchholz 310 § 133 >n.F.< VwGO Nr. 60 S. 18 f.), ist damit nicht Genüge getan.

Die in diesem Zusammenhang ergänzend erhobene Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe das Klagevorbringen zu den Anschlusserschwernissen durch einen auf dem Grundstück des Klägers verlaufenden Bach unbeachtet gelassen, ist nicht berechtigt. Das Gericht ist in seinen Entscheidungsgründen ausdrücklich auf diesen Vortrag eingegangen und hat sich mit der Frage auseinandergesetzt, welche Entwässerungsart im Hinblick auf den Schutz dieses Gewässers vorteilhafter ist (UA S. 12 f.).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO , die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3 , § 52 Abs. 3 GKG .

Vorinstanz: OVG Nordrhein-Westfalen, vom 25.07.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 15 A 2089/04