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BVerwG - Entscheidung vom 23.01.2007

8 B 100.06

BVerwG, Beschluss vom 23.01.2007 - Aktenzeichen 8 B 100.06

DRsp Nr. 2007/3317

Gründe:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Weder liegen die geltend gemachten Verfahrensfehler im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vor, noch weist die Sache die ihr beigegebene grundsätzliche Bedeutung auf (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ).

1. Die Rüge des Klägers, das Verwaltungsgericht habe eine überraschende Entscheidung getroffen, weil das Gericht in der langen mündlichen Verhandlung keinen rechtlichen Hinweis auf die beabsichtigte Klageabweisung gegeben habe, kann keinen Verfahrensfehler begründen. Ein unzulässiges Überraschungsurteil ist nicht schon dann gegeben, wenn eine Partei aufgrund ihrer Einschätzung des Ablaufs der mündlichen Verhandlung mit einem anderen, für sie günstigeren Ausgang gerechnet hatte. Entscheidend ist vielmehr, ob das Gericht durch die Art seiner Sachbehandlung die Partei davon abgehalten hat, für die Entscheidung wesentliche Gesichtspunkte vorzutragen, und dadurch den Anspruch der Partei auf rechtliches Gehör verletzt hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1991 - 1 BvR 1383/90 - NJW 1991, 2823 f.).

Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 24. Mai 2006 gerade ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es nach jetzigem Erkenntnisstand keine erheblichen Bedenken hinsichtlich des redlichen Erwerbs des Nutzungsrechts und des Eigentums an den aufstehenden Gebäuden durch den Beigeladenen zu 1 und seine verstorbene Ehefrau sehe. Damit war ein deutlicher Hinweis gegeben, dass dem Restitutionsbegehren des Klägers der Ausschlussgrund des § 4 Abs. 2 VermG entgegenstehen könne.

Auch die Rüge mangelnder Sachverhaltsaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO ) greift nicht durch. Nach Meinung der Beschwerde hätte sich dem Gericht aufdrängen müssen, Rechtsgrundlagen und Handhabungen weiter aufzuklären, weil der Fall hinsichtlich der Überführung des Grundstücks in Volkseigentum von DDR-Recht und Rechtspraxis abgewichen sei. Der Beschwerde lässt sich aber nicht entnehmen, was das Verwaltungsgericht weiter hätte aufklären sollen.

Zum Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 1 Buchst. c VermG hat das Verwaltungsgericht unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts festgestellt, dass die Wirksamkeit des Veräußerungsgeschäftes für das Vorliegen des Schädigungstatbestandes nicht erforderlich ist, wenn dem Erwerber eine Eigentümerstellung verschafft wurde, die gemessen an der Rechtswirklichkeit der DDR unangreifbar war. Das lässt weiteren Aufklärungsbedarf nicht erkennen.

Bei der Prüfung des redlichen Erwerbs als Restitutionsausschlussgrund stellt das Verwaltungsgericht - wiederum unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - darauf ab, dass bei Verleihung des für den redlichen Erwerb ausreichenden akzessorischen dinglichen Nutzungsrechts der Erwerb des bereits vorhandenen Gebäudes durch eine entsprechende Eintragung im Gebäudegrundbuchblatt vollendet war. Anhaltspunkte für eine Manipulation sah das Verwaltungsgericht nicht. Auch die Beschwerde trägt nicht vor, was sich insoweit an Beweiserhebungen oder weiterer Sachverhaltsermittlung dem Gericht hätte aufdrängen müssen. Das Verwaltungsgericht hat ausdrücklich festgestellt, dass die Verleihung des Nutzungsrechts objektiv fehlerhaft gewesen sei, weil an dem Grundstück noch nicht wirksam Volkseigentum begründet worden war. Es hat es aber als ausreichend angesehen, dass - unabhängig davon, ob möglicherweise eine Heilung des fehlerhaften rechtsgeschäftlichen Gebäudeerwerbs durch die nachträgliche Begründung von Volkseigentum eingetreten ist - der in § 4 Abs. 2 VermG geregelte anspruchshindernde Einwand der Redlichkeit weder die Rechtswirksamkeit des vollendeten Rechtsgeschäfts noch die Wirksamkeit der Nutzungsrechtsverleihung voraussetze. Vielmehr reiche ein Verstoß gegen DDR-Recht allein regelmäßig nicht aus, dem Erwerber die Berufung auf eine erworbene Rechtsposition zu versagen. Diese Rechtsauffassung steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die für die Annahme der Unredlichkeit fordert, dass der Verstoß gegen Rechtsvorschriften auf einer sittlich anstößigen Manipulation beruht, an der der Erwerber in vorwerfbarer Weise beteiligt war (stRspr, vgl. z.B. Urteil vom 13. September 2000 - BVerwG 8 C 33.99 - Buchholz 428 § 4 Abs. 3 VermG Nr. 6 m.w.N.).

Die von der Beschwerde erhobene Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs greift nicht durch. Das Verwaltungsgericht setzt sich in seinem Urteil ausführlich mit den Einwänden des Klägers auseinander. Auf die von der Beschwerde behauptete Nichtigkeit der Überführung des Grundstücks in Volkseigentum kam es nach seiner Rechtsauffassung, auf die allein abzustellen ist, nicht an.

2. Der Rechtssache kommt auch keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ). Die Beschwerde hält für grundsätzlich bedeutsam die Frage,

ob ein "redlicher Erwerb" auch dann möglich ist, wenn das Grundstück, dessen Restitution geltend gemacht wird, dem Eigentümer nach DDR-Recht nicht rechtswirksam entzogen wurde, insbesondere die Überführung in Volkseigentum nicht wirksam vollzogen wurde, obwohl dieser Umstand zunächst bei Antragstellung für die Antragsteller im vermögensrechtlichen Verfahren nicht erkennbar war.

Abgesehen davon, dass Zweifel an der Abstraktheit einer Rechtsfrage bestehen, lässt die Beschwerde schon nicht erkennen, inwieweit das Wissen des Antragstellers bei Stellung des Restitutionsantrags hinsichtlich der Wirksamkeit der Überführung eines Grundstücks in Volkseigentum die Beurteilung der Redlichkeit des Erwerbs beeinflussen soll. Im Übrigen ist Voraussetzung eines Restitutionsanspruchs, dass ein Schädigungstatbestand vorliegt. Dass es dafür auf den tatsächlichen Entzug der Eigentumsposition und nicht auf die Wirksamkeit des zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts ankommt, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt (stRspr seit Urteil vom 30. Juni 1994 - BVerwG 7 C 24.93 - BVerwGE 96, 178 >180<). Unabhängig davon, ob die Feststellung der schädigenden Maßnahme rechtskräftig ist oder nicht, kann sie bei der Frage des redlichen Erwerbs nicht anders beurteilt werden als im Rahmen der Prüfung der Berechtigung des Antragstellers.

Soweit die Beschwerde pauschal die Abweichung von höchstrichterlicher Zivilrechtsprechung behauptet, stellt dies keinen Grund für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO dar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 , § 162 Abs. 3 VwGO , die Streitwertfestsetzung auf §§ 47 , 52 GKG .

Vorinstanz: VG Frankfurt (Oder) - 3 K 1278/99 - 28.6.2006,