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BVerwG - Entscheidung vom 08.01.2007

3 B 16.06

Fundstellen:
PharmR 2007, 159

BVerwG, Beschluss vom 08.01.2007 - Aktenzeichen 3 B 16.06

DRsp Nr. 2007/3290

Gründe:

Die Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO liegen nicht vor.

1. Die Klägerin erstrebt die Verlängerung der Zulassung des homöopathischen Arzneimittels "Ignatia-Homaccord" (Tropfen), das als arzneilich wirksame Bestandteile Strychnos ignatii und Moschus moschiferus jeweils in mehreren unterschiedlichen Verdünnungsgraden (Potenzen) enthält (sog. Potenzakkorde: für Strychnos ignatii D 4, D 10, D 30, D 200, für Moschus moschiferus D 6, D 30, D 200). Mit Schreiben vom 31. Juli 1995 beanstandete die Beklagte den Verlängerungsantrag und setzte zur Beseitigung der Mängel eine Frist von drei Jahren (§ 105 Abs. 5 Satz 1 AMG ). Dazu hieß es, die Kombination mehrerer Wirkstoffe in dem Präparat sei entgegen § 22 Abs. 3a AMG nicht ausreichend begründet; dazu sei die Vorlage von präparatespezifischem Erkenntnismaterial erforderlich. Mit Bescheid vom 6. Juni 2000 lehnte die Beklagte den Antrag ab mit der Begründung, die Klägerin habe die ihr mitgeteilten Mängel nicht innerhalb der gesetzten Frist behoben. Klage und Berufung der Klägerin blieben ohne Erfolg.

2. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO . Die Klägerin sieht als grundsätzlich klärungsbedürftig die Frage an, wie sich § 22 Abs. 3a AMG zu § 22 Abs. 2 Nr. 2 und 3 sowie zu § 22 Abs. 3 AMG verhält. Die weiteren Ausführungen ergeben, dass die Klägerin an die in § 22 Abs. 3a AMG bei Kombinationsarzneimitteln geforderte Begründung, dass jeder arzneilich wirksame Bestandteil einen Beitrag zur positiven Beurteilung des Präparats leistet, geringere Anforderungen stellen will als § 22 Abs. 2 Nr. 2 und 3 und § 22 Abs. 3 AMG im Hinblick auf die durch Unterlagen zu belegende Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels. Diese Frage bedarf jedoch nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren, weil sie durch das Urteil des Senats vom 16. Oktober 2003 - BVerwG 3 C 28.02 - (NVwZ-RR 2004, 180 ) bereits beantwortet ist. Dort hat der Senat zu der mit § 22 Abs. 3a AMG korrespondierenden Ablehnungsnorm des § 25 Abs. 2 Nr. 5a AMG ausgesprochen, dass der pharmazeutische Unternehmer den Beitrag jedes arzneilich wirksamen Bestandteils zur positiven Beurteilung bei einem Kombipräparat ebenso durch Unterlagen belegen muss, wie es der mit § 22 Abs. 2 korrespondierende § 25 Abs. 2 Nr. 4 AMG im Hinblick auf die Wirksamkeit des Arzneimittels verlangt. Das bedeutet, dass der Unternehmer nach § 22 Abs. 3a AMG zur Erfüllung seiner Begründungspflicht Unterlagen vorlegen muss, aus denen sich ergibt, dass der arzneilich wirksame Bestandteil zur Wirksamkeit des Präparats in der vorgegebenen Indikation beiträgt oder unerwünschten Effekten entgegenwirkt (vgl. Urteil vom 16. Oktober 2003 a.a.O.). Insoweit sind, wie der Senat ausdrücklich ausgesprochen hat, bezüglich des positiven Beitrags eines Bestandteils keine geringeren Begründungsanforderungen zu stellen als hinsichtlich der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Präparats.

3. Entgegen der Auffassung der Klägerin weicht das angefochtene Urteil nicht von dem bereits genannten Urteil des Senats vom 16. Oktober 2003 ab. Die Klägerin sieht eine Abweichung darin, dass der Senat in seinem Urteil entsprechend dem Wortlaut des § 25 Abs. 2 Nr. 5a AMG nur eine Begründung für den positiven Beitrag jedes arzneilich wirksamen Bestandteils verlangt habe, während das Berufungsgericht insoweit einen Nachweis fordere. Ein solcher Widerspruch besteht jedoch nicht. Das Berufungsgericht hat seiner Subsumtion ausdrücklich den im Urteil des Senats entwickelten Rechtssatz zugrunde gelegt, die nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5a AMG erforderliche ausreichende Begründung fehle, wenn die vom Antragsteller eingereichten Unterlagen nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse den geforderten Schluss nicht zulassen, wenn sie sachlich unvollständig sind oder wenn sie inhaltlich unrichtig sind. An diesem Maßstab hat es sodann die von der Klägerin im Nachzulassungsverfahren vorgelegten Unterlagen gemessen und festgestellt, dass sie nicht den Schluss zulassen, die Zusammenfassung der beiden Wirkstoffe jeweils in mehreren Potenzen einschließlich verschiedener Hochpotenzen sei positiv zu beurteilen. Wenn das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang am Ende des Urteils (S. 18) zweimal von dem "erforderlichen Nachweis" spricht, so handelt es sich dabei ersichtlich lediglich um eine - sprachlich unkorrekte - Zusammenfassung des zuvor vollständig und korrekt wiedergegebenen und der Entscheidung zugrunde gelegten Rechtssatzes. Eine Abweichung ist daraus nicht zu entnehmen.

4. Das angefochtene Urteil beruht auch nicht auf einem Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO .

a) Fehl geht zunächst die Rüge, das Berufungsgericht hätte zu der Frage, ob die Aufbereitungsmonographien für die hier verwendeten Wirkstoffe für alle Verdünnungsstufen (Potenzen) des jeweiligen Arzneimittels gelten, die Mitglieder der Kommission D vernehmen müssen. Eine solche Beweisaufnahme kam schon deshalb nicht in Betracht, weil diese Frage zwischen den Beteiligten gar nicht streitig war. Das angefochtene Urteil gibt die Aussage des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung wieder, dass die Herstellung von Potenzen Teil der klassischen Homöopathie sei und dass wegen des streng individualisierten Therapieansatzes dieser Richtung bewusst von entsprechenden Festlegungen abgesehen wurde. Streitig war vorliegend vielmehr, ob die konkrete Rezeptur des streitigen Arzneimittels mit der Zusammenfassung zweier verschiedener Wirkstoffe jeweils in verschiedenen Potenzen einschließlich mehrerer Hochpotenzen unter den Gesichtspunkten der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit im Hinblick auf jeden Bestandteil positiv zu beurteilen ist. Dass die Monographien, die sich jeweils nur auf einen der beiden Wirkstoffe beziehen, zu einer solchen Kombination keine Aussage machen, liegt, wie das Berufungsgericht zu Recht festgestellt hat, auf der Hand und kann auch von der Klägerin nicht ernsthaft in Frage gestellt werden.

Darüber hinaus entzog sich der Inhalt der Aufbereitungsmonographien auch deshalb einer Beweisaufnahme durch Vernehmung der Mitglieder der Kommission D, weil dieser Inhalt keine einer Beweisaufnahme zugängliche Tatsache ist. Die Monographien waren nach § 25 Abs. 7 des Arzneimittelgesetzes in der Fassung vom 24. August 1976 (BGBl I S. 2445) Bekanntmachungen des Bundesgesundheitsamtes, die das durch Kommissionen aufbereitete wissenschaftliche Erkenntnismaterial nach § 22 Abs. 3 und § 23 Abs. 1 Satz 1 AMG aufzeigten. Diese Bekanntmachungen bildeten die Grundlage der vom Bundesgesundheitsamt zu treffenden Entscheidungen. Wich es davon ab, so hatte es die Gründe hierfür darzulegen. Das Fünfte Änderungsgesetz zum Arzneimittelgesetz vom 9. August 1994 (BGBl I S. 2071) hat die Erstellung von Aufbereitungsmonographien beendet. Ihrem Charakter nach waren sie eine sachverständige Feststellung des jeweiligen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes. Der Inhalt einer solchen Sachverständigenfeststellung kann im Rechtsstreit als Beweismittel herangezogen werden; er ist aber selbst keine entscheidungserhebliche und damit einem Beweis zugängliche Tatsache.

Die Verwertung der Erklärung des Beklagtenvertreters zum Inhalt der Aufbereitungsmonographien ist nicht deshalb verfahrensfehlerhaft, weil die Erklärung nicht ins Protokoll aufgenommen worden ist. Nach § 105 VwGO i.V.m. § 160 ZPO besteht im Allgemeinen keine Pflicht, schlichte Parteiäußerungen in das Protokoll aufzunehmen. § 160 Abs. 4 ZPO gibt den Beteiligten insoweit ein Antragsrecht. Davon ist hier aber nicht Gebrauch gemacht worden.

b) Die Klägerin meint, bei richtiger Auslegung der beiden Aufbereitungsmonographien hätte sich aus diesen zumindest ein Beweis des ersten Anscheins dafür ergeben, dass alle Bestandteile des streitigen Arzneimittels einen Beitrag zu dessen positiver Beurteilung leisten. Damit dringt sie jedoch nicht durch. Die Bewertung der Beweismittel ist Teil der Tatsachenfeststellung. Diese obliegt dem Berufungsgericht und nicht dem Revisionsgericht. Verfahrensverstöße zeigt die Klägerin insoweit nicht auf. Vielmehr spricht alles für die Richtigkeit der vom Berufungsgericht vorgenommenen Einschätzung, da die Aufbereitungsmonographien, wie auch die Klägerin einräumt, weder die Potenzakkorde überhaupt noch erst Recht die Zusammenführung von Hochpotenzen verschiedener Wirkstoffe ansprechen.

c) Die Klägerin meint weiter, das Berufungsgericht hätte sich nicht ohne Einholung sachverständigen Rates über die Bejahung der Sinnhaftigkeit des Kombipräparats in der Sinnhaftigkeitsbegründung von Frau Dr. F.-B. vom 2. April 1992 und im Gutachten von Herrn L. vom 22. Februar 1998 hinwegsetzen dürfen. Auch diese Rüge geht fehl. Da die Klägerin in der mündlichen Verhandlung keinen förmlichen Beweisantrag gestellt hat, wäre der Verzicht auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens nur dann verfahrensfehlerhaft, wenn sich dem Berufungsgericht die Notwendigkeit einer entsprechenden Beweisaufnahme hätte aufdrängen müssen. Das ist jedoch nicht der Fall. Das Berufungsgericht hatte nur darüber zu entscheiden, ob die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen eine ausreichende Begründung für den positiven Beitrag jedes Bestandteils zur Gesamtwirkung des Arzneimittels lieferten. Dieser Anforderung genügte die Sinnhaftigkeitsbegründung von Frau Dr. F.-B. offensichtlich nicht. Sie setzte sich mit der zentralen Frage der Vermischung von Potenzakkorden unter Einschluss von Hochpotenzen verschiedener Wirkstoffe überhaupt nicht auseinander. Das Gutachten von Herrn L. legte von Anfang an einen rechtlich unzutreffenden Ansatz zugrunde. Es heißt dort auf Seite 3, die vorgelegte Begründung könne allenfalls auf ihre Plausibilität hin überprüft werden. Dies hat der Senat in seinem Urteil vom 16. Oktober 2003 (a.a.O.) für unzureichend erklärt. Im Übrigen trifft es nicht zu, dass das Berufungsgericht sich mit diesen Stellungnahmen nicht auseinandergesetzt habe. Es hat vielmehr insoweit auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.

Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Beurteilung der zureichenden Begründung nach § 22 Abs. 3a AMG war auch deshalb nicht geboten, weil die Kommission D in ihrer Sitzung vom 4. April 2001 empfohlen hatte, die Zulassung des Arzneimittels Ignatia-Homaccord (flüssige Verdünnung zur Injektion), das in seiner Zusammensetzung dem vorliegend streitigen Arzneimittel entspricht, abzulehnen. Dazu traf sie zusammenfassend folgende Feststellungen: "Der positive Beitrag ist nicht ausreichend begründet, woraus sich ergibt, dass auch die Wirksamkeit der Kombination nicht ausreichend begründet ist; die Unbedenklichkeit ist nach dem Selbstverständnis der homöopathischen Therapierichtung ebenso wie die Wirksamkeit nicht ausreichend geprüft. Es fehlen ausreichende Daten." Da die Kommission D durchgängig mit Vertretern der homöopathischen Therapierichtung besetzt ist, handelt es sich um eine sachverständige Äußerung, die die Einschätzung des Berufungsgerichts vollauf bestätigte.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO . Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3 und § 52 Abs. 1 GKG .

Vorinstanz: OVG Nordrhein-Westfalen, vom 10.11.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 13 A 4137/03
Fundstellen
PharmR 2007, 159