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BVerwG - Entscheidung vom 04.01.2007

7 B 53.06

BVerwG, Beschluß vom 04.01.2007 - Aktenzeichen 7 B 53.06

DRsp Nr. 2007/2939

Gründe:

I. Die Klägerin gehört zum EnBW-Konzern. Sie ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der EnBW AG, in der der Konzern seine Eigenerzeugungskapazitäten gebündelt hat und mit der ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag besteht. Sie erstrebt eine Ermäßigung der Wasserentnahmeentgelte für die Entnahme von Wasser aus dem Rhein zur Kühlung der beiden Kraftwerksblöcke des Kernkraftwerks Philippsburg in den Jahren 1998 und 1999. In Baden-Württemberg muss für das Entnehmen von Grund- und Oberflächenwasser ein Entgelt bezahlt werden (sog. Wasserpfennig). Der Beklagte setzte für die Jahre 1998 und 1999 Wasserentgelte von zusammen etwa 74,4 Mio. DM fest und lehnte eine Ermäßigung nach § 17d WG -BW ab. Nach dieser Bestimmung kann die Wasserbehörde im Einzelfall das Wasserentnahmeentgelt um bis zu 90 v.H. ermäßigen, wenn - wie hier - eine wasserintensive Produktion vorliegt und sich bei ungekürzter Erhebung des Wasserentnahmeentgelts die Gestehungskosten des Entgeltpflichtigen so stark erhöhen würden, dass er erheblich und nicht nur vorübergehend in seiner Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt wäre. Eine Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit im Sinne dieser Bestimmung wird in der baden-württembergischen Verwaltungspraxis, die vom Berufungsgericht insoweit nicht beanstandet wird, angenommen, wenn durch das Wasserentnahmeentgelt der Gewinn vor Steuern um größenordnungsmäßig 5 % gemindert wird.

Der Beklagte lehnte im vorliegenden Fall eine Ermäßigung mit der Begründung ab, bei der Frage, ob der Gewinn um 5 % oder mehr gemindert werde, dürfe nicht auf die Klägerin, sondern müsse auf den Konzern abgestellt werden. Dessen Gewinn werde nicht um mehr als 5 % gemindert.

Die dagegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen.

Im Berufungsverfahren hat die Klägerin u.a. beantragt, den Beklagten zur Ermäßigung des - von ihr bereits gezahlten - Wasserentnahmeentgelts für das Jahr 1998 um 82,27 % und für das Jahr 1999 um 61,28 % zu verpflichten sowie zur Erstattung von 27 067 484,39 EUR (zuzüglich Zinsen) zu verurteilen.

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat der Berufung teilweise stattgegeben, den die Ermäßigung ablehnenden Bescheid aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, über den Antrag der Klägerin auf Ermäßigung des Wasserentnahmeentgelts unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Zur Begründung hat er insbesondere ausgeführt: Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Ermäßigung lägen vor. Deshalb hätte der Beklagte das ihm in § 17d Abs. 1 Satz 1 WG -BW eingeräumte Ermessen ausüben müssen. Die im gerichtlichen Verfahren nachgeschobenen Ermessenserwägungen könnten nicht beachtet werden. Im Übrigen seien diese Erwägungen auch fehlerhaft.

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (vgl. 1.). Das angefochtene Urteil kann auch nicht auf einem geltend gemachten Verfahrensmangel beruhen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO , vgl. 2).

1. Die Beschwerde hält zunächst die beiden folgenden Fragen zum Energiewirtschaftsrecht für grundsätzlich klärungsbedürftig:

Enthalten § 9 Abs. 2 EnWG 1998 und § 10 Abs. 3 EnWG 2005 allein Vorgaben für die Rechnungslegung von Elektrizitätsversorgungsunternehmen (insbesondere mit dem Ziel, Wettbewerbern diskriminierungsfrei den Netzzugang zu ermöglichen) oder binden sie darüber hinaus bundesrechtlich Landesgesetzgeber oder Landesbehörden bei der Auslegung von landesrechtlichen Vorschriften insbesondere bei solchen Regelungen, die die Erhebung von Entgelten für die Entnahme von Wasser zur Stromproduktion (so genannten "Wasserpfennig") regeln?

Enthalten § 9 EnWG 1998 oder § 10 EnWG 2005 bundesrechtliche Vorgaben für Landesgesetzgeber oder Landesbehörden insbesondere dahingehend, dass bei der Beurteilung einer etwaigen Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens infolge der Erhebung von Entgelten für die Entnahme von Wasser zur Stromproduktion und dabei insbesondere bei der Entscheidung über eine Ermäßigung gem. § 17d WG BW allein auf den Bereich "Erzeugung" eines Elektrizitätsversorgungsunternehmens abzustellen ist?

Entgegen der Auffassung der Beschwerde fühlte sich der Verwaltungsgerichtshof nicht aufgrund bundesrechtlicher Normen zu einer bestimmten - aus der Sicht der Beschwerde verfehlten - Auslegung des Landesrechts verpflichtet. Die genannten Vorschriften des Energiewirtschaftsgesetzes begründen auch objektiv ersichtlich keine rechtliche Bindung für den Gesetzgeber des Landeswassergesetzes.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Begründung seiner Entscheidung insoweit insbesondere ausgeführt: Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 17d Abs. 1 Satz 1 WG -BW für eine Ermäßigung seien erfüllt. Eine erhebliche Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit sei bei einer Minderung des Gewinns um größenordnungsmäßig 5 % anzunehmen. Der VGH habe in zwei Urteilen entschieden, bei vertikaler Konzernverflechtung könne nicht ausgeschlossen werden, dass durch entsprechend gewählte interne Verrechnungspreise Gewinne oder Verluste verlagert würden, ohne dass die über das Wasserentnahmeentgelt entscheidende Behörde dies im Einzelnen überprüfen könne. Deshalb müsse ein Entgeltschuldner gegen sich gelten lassen, dass bei der Feststellung der für ihn maßgeblichen Zahlen an den jeweiligen übergeordneten Bereich angeknüpft werde. An diese Rechtsprechung knüpfe der Beklagte unter Hinweis auf den zwischen der EnBW AG und der Klägerin bestehenden Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag an. Damit verkenne er aber, dass sich die rechtliche Situation durch das Inkrafttreten des Energiewirtschaftsgesetzes vom 24. April 1998 grundlegend gewandelt habe. Denn dessen § 9 (heute § 10 Energiewirtschaftsgesetz 2005) verpflichte die Elektrizitätsversorgungsunternehmen dazu, in ihrer Buchführung getrennte Konten für die Bereiche Erzeugung, Übertragung und Verteilung sowie für Aktivitäten außerhalb des Elektrizitätsbereichs zu führen. Damit könne es von außen nicht erkennbare oder nicht überprüfbare interne Verrechnungspreise nicht mehr geben, auch nicht bei vertikalen Konzernverflechtungen. Deshalb komme es entscheidungserheblich darauf an, ob die Gesamtbelastung der Klägerin mit Wasserentnahmeentgelten ihren Gewinn um 5 % oder mehr mindere.

Das Berufungsgericht ist damit allein in Auslegung irrevisiblen Landesrechts zu dem Ergebnis gelangt, ein Entgeltschuldner müsse bei Prüfung der Ermäßigung gegen sich gelten lassen, dass an den übergeordneten Konzernbereich angeknüpft werde, wenn bei vertikaler Konzernverflechtung nicht ausgeschlossen werden könne, dass durch interne Verrechnungen Gewinne und Verluste verlagert würden. Den bundesrechtlichen Bestimmungen des Energiewirtschaftsgesetzes 1998 hat er allein die für § 17d WG -BW erhebliche tatsächliche Feststellung entnommen, dass auch bei vertikalen Konzernverflechtungen - im Gegensatz zu der zuvor bestehenden Rechtslage - nunmehr ausgeschlossen werden könne, dass durch interne Verrechnungen Verluste und Gewinne - in einer von außen nicht überprüfbaren Weise - verlagert würden. Dass sich dies aus § 9 Abs. 2 EnWG 1998 bzw. § 10 Abs. 3 EnWG 2005 ergibt, wird von der Beschwerde nicht in Frage gestellt. Eine darüber hinausgehende Bedeutung hat der VGH diesen Vorschriften des Bundesrechts nicht beigemessen. Eine solche kommt ihnen für den Bereich des Landeswasserrechts auch objektiv nicht zu; die Beschwerde hat nicht dargelegt, dass das Energiewirtschaftsgesetz kraft Bundesrechts eine andere Auslegung des § 17d WG -BW geboten hätte.

Weiter hält die Beschwerde folgende Fragen zum Nachschieben von Ermessenserwägungen im gerichtlichen Verfahren für grundsätzlich klärungsbedürftig:

Welche Anforderungen sind an Inhalt und Umfang der Ermessenserwägungen in einem Verwaltungsakt zu stellen, damit diese einer Ergänzung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gem. § 114 Satz 2 VwGO zugänglich sind?

Müssen diese Erwägungen einen Mindestinhalt haben?

Müssen diese Erwägungen ausdrücklich als Ermessenserwägungen bezeichnet sein?

Ist eine Ergänzung gem. § 114 Satz 2 VwGO zulässig, wenn in dem Verwaltungsakt die für die Ausübung des Ermessens maßgeblichen Gesichtspunkte zwar nicht als Ermessenserwägungen bezeichnet sind, aber Gegenstand der rechtlichen Beurteilung der Tatbestandsvoraussetzungen, deren Vorliegen ein Ermessen eröffnet, sind und damit in die Entscheidung eingegangen sind?

Diese Fragen sind hier nicht entscheidungserheblich. Das Berufungsgericht ist aus zwei, seine Entscheidung selbständig tragenden Gründen zu dem Ergebnis gelangt, dass der Verwaltungsakt ermessensfehlerhaft (§ 114 Satz 1 VwGO ) ist: Die im gerichtlichen Verfahren nachgeschobenen Ermessenserwägungen könnten nicht beachtet werden, da § 114 Satz 2 VwGO nur eine Ergänzung eines vorprozessual bereits ausgeübten Ermessens zuließe; im Übrigen seien diese Erwägungen aus - im Einzelnen genannten Gründen - fehlerhaft. Hinsichtlich der zweiten, das angefochtene Urteil entgegen der Auffassung des Beklagten insoweit selbständig tragenden, Begründung wird von der Beschwerde jedoch kein Revisionszulassungsgrund geltend gemacht.

2. Die angefochtene Entscheidung kann auch nicht auf einem geltend gemachten Verfahrensmangel beruhen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ).

Als Verfahrensmangel rügt die Beschwerde den oben dargelegten vermeintlichen Verstoß gegen § 114 Satz 2 VwGO . Selbst wenn ein solcher hinsichtlich der ersten Begründung vorläge, könnte jedoch die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs darauf nicht beruhen, da er diese - wie dargelegt - insoweit doppelt begründet hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO . Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG .

Vorinstanz: VGH Baden-Württemberg, vom 06.12.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 8 S 314/03