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BVerwG - Entscheidung vom 03.05.2007

8 B 98.06

BVerwG, Beschluß vom 03.05.2007 - Aktenzeichen 8 B 98.06

DRsp Nr. 2007/10389

Gründe:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 , 2 und 3 VwGO liegen nicht vor.

1. Die Revision ist nicht wegen der behaupteten grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) zuzulassen. Die als grundsätzlich bedeutsam gestellten Fragen würden sich in einem Revisionsverfahren so nicht stellen.

Die von dem Beigeladenen zu 2 aufgeworfenen Rechtsfragen haben die Anwendung und Auslegung des Eigenheimgesetzes der DDR zum Gegenstand. Rechtsvorschriften der DDR sind vorkonstitutionelles Recht. Sie sind revisibles Bundesrecht nur dann und soweit, wie dies Art. 9 Einigungsvertrag bestimmt. Das ist für das Eigenheimgesetz vom 19. Dezember 1973 und den dazu erlassenen Durchführungsbestimmungen nicht geschehen. Soweit das vorkonstitutionelle Recht der DDR nicht übergeleitet worden und damit im Zeitpunkt des Beitritts außer Kraft getreten ist, handelt es sich im Sinne des Prozessrechts nicht um revisibles Recht (Beschluss vom 3. Mai 1996 - BVerwG 4 B 46.96 - Buchholz 11 Art. 14 GG Nr. 296 S. 8). Eine Überprüfung ist nur im Rahmen des Bundesrechts zulässig, soweit es den Fortbestand von Rechten oder Rechtsverhältnissen regelt, die in der DDR begründet wurden (Urteil vom 9. März 1999 - BVerwG 3 C 21.98 - Buchholz 115 Sonst. Wiedervereinigungsrecht Nr. 21). In diesem Zusammenhang zeigt die Beschwerde keine Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf.

2. Auch der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ) liegt nicht vor. In der Entscheidung vom 31. März 2004 (BVerwG 8 C 5.03 - Buchholz 428 § 4 Abs. 3 VermG Nr. 20) hat das Bundesverwaltungsgericht nur den Rechtssatz aufgestellt, dass die Veräußerung volkseigener Grundstücke in Privateigentum nach der Rechtsordnung der DDR unzulässig war und der Erwerber eines solchen Grundstücks nicht redlich im Sinne von § 4 Abs. 2 und Abs. 3 VermG war, wenn er zuvor auf die Unzulässigkeit der Veräußerung hingewiesen worden ist. Das Verwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung keinen abstrakten Rechtssatz aufgestellt, der von dieser Rechtsprechung abweicht. Um die Veräußerung eines volkseigenen Grundstücks geht es vorliegend nicht.

3. Die Revision ist auch nicht wegen der geltend gemachten Verfahrensfehler zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ).

a) Der Beigeladene zu 2 rügt mehrere Verstöße der Beweiswürdigung gegen Denkgesetze, die dem Tatsachenbereich zuzuordnen seien. Das Tatsachengericht verstößt gegen Denkgesetze und damit gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 VwGO ), wenn ein Schluss aus Gründen der Logik schlechthin nicht gezogen werden kann, nicht aber schon dann, wenn das Gericht andere Schlüsse gezogen hat, als sie nach Auffassung eines Verfahrensbeteiligten hätten gezogen werden müssen. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

Einen Verstoß gegen Denkgesetze sieht der Beigeladene zu 2 darin, dass der Bürgermeister von seinem Stellvertreter erst mit Schreiben vom 24. Dezember 1975 über die Beendigung des Kinderkrippenprojekts unterrichtet worden sei, aber nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts bereits am 23. Dezember 1975 dem Rechtsvorgänger der Klägerin das Grundstück angeboten haben soll. Diese Rüge greift nicht durch. Das Verwaltungsgericht ist nicht davon ausgegangen, dass der Bürgermeister Sch. erst am 24. Dezember 1975 von der Beendigung des Kinderkrippenprojekts erfahren habe. Dieses Schreiben war vielmehr die Antwort auf die Anfrage des Bürgermeisters Sch. vom 23. Dezember 1975 wie mit dem Objekt in der T. Straße 28 verfahren werden solle, nachdem der Vorsitzende des Rates des Kreises angewiesen habe, die Arbeiten einzustellen. Das Verwaltungsgericht hat gerade mit Blick auf die Tatsache, dass das Kinderkrippenprojekt noch wenige Wochen vor dem Erwerb des Hauses noch nicht aufgegeben worden war, die vorhandenen Unterlagen gewürdigt und diesen Sachverhalt in seine Überlegungen mit einbezogen.

Nach Auffassung des Beigeladenen zu 2 verstößt es ferner gegen Denkgesetze, dass das Verwaltungsgericht angenommen habe, der Verkauf habe primär Maßnahmen des Gesundheitswesens gedient, andererseits aber zugrunde gelegt habe, der Verkauf sei gemäß den Rechtsvorschriften zum Kauf von Eigenheimen zu Wohnzwecken erfolgt. Auch diese Rüge hat keinen Erfolg. Beide Begründungen sind miteinander vereinbar. Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Errichtung einer Funktionseinheit Kreiskrankenhaus in der von Dr. H. mit seiner Familie bewohnten Wohnung in der Sch. Straße 1 als Maßnahme des Gesundheitswesens geplant war. Um diese Wohnung als Funktionseinheit im Gesundheitswesen nutzen zu können, wurde für Dr. H. und seine Familie Ersatzwohnraum gesucht. Dieser Ersatzwohnraum bot sich mit dem Objekt T. Straße 28 an, das zugleich als Praxis für Dr. H. geeignet war.

Ebenso wenig begründet ist die Rüge, das Verwaltungsgericht habe denkfehlerhaft den offenkundigen Widerspruch unbeachtet gelassen, dass die Kinderkrippe keinesfalls wegen fehlender Baukapazitäten eingestellt worden sein konnte, wenn gleichzeitig der Käufer ebenfalls die Bereitstellung von Baukapazitäten verlangt habe. Für das Verwaltungsgericht war die Frage der Bereitstellung von Baukapazitäten weder für die Kinderkrippe noch für den Aus- und Umbau als Praxis entscheidungserheblich. Im Übrigen ist Beides nicht schlechthin unvereinbar. Es sind durchaus Gründe vorstellbar, warum (staatliche) Baukapazitäten nicht mehr zur Verfügung standen, aber solche für private Bauvorhaben in begrenztem Umfang vorhanden waren. So ist nicht auszuschließen, dass fehlende (staatliche) Baukapazitäten bzw. deren Zuordnung zu anderen staatlichen Bauvorhaben ihren Grund darin hatten, dass die für Bauvorhaben zur Verfügung stehenden staatlichen Haushaltsmittel erschöpft waren. Auch ist in Betracht zu ziehen, dass der Aufwand für den Umbau eines Ein- bzw. Zweifamilienhauses in eine Kinderkrippe mit 30 Plätzen deutlich höher war als der Aufwand einer Renovierung und Praxiseinrichtung.

b) Soweit die Beschwerde rügt, das Verwaltungsgericht habe die besondere Chronologie des Verkaufsablaufs verfahrensfehlerhaft bewertet, richtet sie sich gegen die richterliche Überzeugungsbildung. Sie hat schon deswegen keinen Erfolg, weil nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Würdigung des Sachverhalts grundsätzlich dem materiellen Recht zuzurechnen ist (Urteil vom 19. Januar 1990 - BVerwG 4 C 28.89 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 225 S. 74 f.). Ebenso wenig führt der Einwand des Beschwerdeführers, das Verwaltungsgericht habe die Regelungen über die Beweislast verletzt, zu einem Verfahrensfehler. Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze der Beweislast für die Unredlichkeit des Erwerbs haben ihre Grundlage in der materiellrechtlichen Vorschrift des § 4 Abs. 2 VermG. Eine Verkennung der Beweislast wäre deshalb kein Verfahrensfehler, sondern ein materiellrechtlicher Fehler.

Ebenso verhält es sich mit dem Einwand, das Verwaltungsgericht habe den Verkauf hinsichtlich der Rechtslage falsch eingeschätzt. Das Verwaltungsgericht hat bei der Prüfung des objektiven Tatbestands von § 4 Abs. 2 und Abs. 3 Buchst. a VermG berücksichtigt, dass das Haus in der T. Straße 28 früher an drei Mietparteien vermietet war. Es hat bei der Definition des Objekts als Einfamilienhaus im Sinne des Eigenheimgesetzes darauf abgestellt, dass danach als Eigenheim auch ein Gebäude galt, "das eine zweite Wohnung enthält, die nach ihrer baulichen Beschaffenheit besonders zur Nutzung durch Familienangehörige geeignet ist". Da es die Räume im Untergeschoss zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erwerbs als nicht zum Wohnen geeignet eingestuft hat, war die Frage, ob die Räume im Dachgeschoss als Wohnraum im Sinne des Gesetzes geeignet waren, für das Verwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich. Für das Verwaltungsgericht war nicht wesentlich, ob das Haus zu einem früheren Zeitpunkt tatsächlich durch drei Mietparteien genutzt worden war. Die Beschwerde unterstellt im Übrigen in diesem Zusammenhang, aufgrund der geplanten Sanierungsarbeiten habe festgestanden, dass das Objekt drei vollständig vermietbare Wohnungseinheiten beherbergt habe. Die Tatsache, dass das Verwaltungsgericht die Räumlichkeiten im Dachgeschoss nicht als Wohnraum in seine Entscheidung miteinbezogen hat, hatte auf den Ausgang des Verfahrens keinen Einfluss.

Das Verwaltungsgericht ist auch nicht verfahrensfehlerhaft zu der Überzeugung gelangt, dass die gewerbliche Nutzung des Eigenheims vorliegend die private Nutzung nicht überwogen habe. Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Rechtsordnung der DDR die gewerbliche Nutzung von Eigenheimen nicht fremd war. Entscheidungserheblich hat es darauf abgestellt, dass die Grundrisse eine überwiegende Wohnnutzung erkennen ließen. Im Erdgeschoss hätten sich unabhängig von den Praxisräumen vier für die Wohnnutzung vorgesehene Räume befunden. Die Räume im Obergeschoss spielten bei dieser Überlegung keine Rolle. Bei den weiteren Feststellungen des Verwaltungsgerichts zur Körperbehinderung von Dr. H. und deren Einfluss auf die rechtliche Bewertung handelt es sich lediglich um Hilfserwägungen. Weitere Ausführungen erübrigen sich daher.

Die Beschwerde sieht schließlich die Einschätzung des Verwaltungsgerichts zu den Vorgaben der Wohnraumlenkungsverordnung als verfahrenswidrig an, weil sich in der Akte keine Wohnraumzuweisungsbescheinigung finde und sich das Gericht lediglich auf die mustervertraglich vorgedruckte Vorbemerkung des Kaufvertrags beziehe. Dabei habe das Verwaltungsgericht völlig außer Acht gelassen, dass bei dieser Sachlage die Wohnraumzuweisung bereits 14 Tage vor der Billigung des Kaufes durch den Rat der Stadt E. vorgelegen haben musste. Das Verwaltungsgericht hat seine Überzeugung auf der Grundlage von § 10 Abs. 1 Satz 1 Wohnraumlenkungsverordnung gewonnen. Die materiellrechtlichen Kriterien der Dringlichkeit des Wohnungsbedarfs unter Berücksichtigung gesellschaftlicher, volkswirtschaftlicher und sozialer Erfordernisse hat das Verwaltungsgericht als unproblematisch eingestuft. Da der Verordnung über die Lenkung des Wohnraumes nicht zu entnehmen ist, dass eine Wohnraumzuweisung im Falle des Kaufes eines Objekts erst nach Billigung des Kaufes durch den Rat der jeweiligen Gemeinde zu erfolgen hat, hat das Verwaltungsgericht zu Recht nicht berücksichtigt, dass die Wohnraumzuweisung 14 Tage vor Billigung des Kaufes durch den Beschluss des Rates der Stadt E. vorgelegen haben soll. Dem Verwaltungsgericht musste sich aufgrund der Formulierung des Kaufvertrages auch nicht eine weitere Aufklärung des Sachverhalts aufdrängen, ob die Erwerber tatsächlich über eine Wohnraumzuweisung verfügt haben. Im Übrigen fällt auf, dass der Bevollmächtigte des Beigeladenen zu 2 weder schriftsätzlich noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 13. Juli 2006 einen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat.

c) Das Verwaltungsgericht hat auch nicht gegen den Überzeugungsgrundsatz verstoßen, § 108 Abs. 1 VwGO . Die Rüge hat keinen Erfolg, weil das Verwaltungsgericht keinen wesentlichen Sachverhalt ausgeblendet hat.

Die Beschwerde rügt, das Verwaltungsgericht habe bei der Beurteilung des subjektiven Tatbestands außer Acht gelassen, dass die Erwerber bereits 1972 den Bau eines Eigenheims unter exakt den gleichen Voraussetzungen beantragt hätten und ihnen dieser Bau nicht genehmigt worden sei. Die Erwerber hätten daher aufgrund dieser Kenntnis wissen müssen, dass bei dem Erwerb des Hauses in der T. Straße 28 nicht "alles mit rechten Dingen" zugegangen sei. Die Beschwerde übersieht, dass für das Verwaltungsgericht die Frage der Erfüllung des subjektiven Tatbestands nur Hilfserwägung war. Aus diesem Grund geht auch der Einwand ins Leere, das Verwaltungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass sich Dr. H. eines sehr guten persönlichen Verhältnisses zu Bürgermeister Sch. berühmt habe. Unabhängig davon hat das Verwaltungsgericht diesen Vortrag in seine Überlegungen mit einbezogen. Dies folgt aus der Unterstellung dieses Vortrags als wahr.

Die Einschätzung der Beschwerde, "schlicht abwegig" sei die Auffassung des Gerichts, der Beigeladene zu 2 habe nicht mitgeteilt, in welchem Kontext die Äußerung hinsichtlich des guten persönlichen Verhältnisses zwischen Dr. H. und dem Bürgermeister Sch. gefallen sein soll, richtet sich nicht gegen die tatsächliche Grundlage für die innere Überzeugung des Gerichts, sondern gegen die Würdigung der festgestellten Tatsache. Die Beschwerde will damit andere rechtliche Schlüsse als das Verwaltungsgericht ziehen. Ein Verfahrensfehler wird damit nicht dargelegt.

Die weiteren Rügen, mit denen geltend gemacht wird, das Verwaltungsgericht habe einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde gelegt, gehen ebenfalls fehl. Dies betrifft zum einen den Zeitpunkt, zu dem der Rat der Stadt den Verkauf des Gebäudes beschlossen hat. Das Verwaltungsgericht hat den Beschluss des Rates vom 6. Februar 1976 zutreffend als "nachträgliche Beschlussfassung" gewertet. Es hat aber dahingestellt sein lassen, ob hierin ein Rechtsverstoß und die Absicht, den Erwerb gezielt zu beeinflussen, gesehen werden könne. Es fehle jedenfalls an der Erfüllung des subjektiven Tatbestandes, da keine Anhaltspunkte dafür bestehen würden, dass die Eheleute H. Einblick in die internen Entscheidungsvorgänge gehabt hätten.

Auch hat das Verwaltungsgericht nicht dadurch einen falschen Sachverhalt zugrunde gelegt, dass es an mehreren Stellen des Urteils als Datum des Abschlusses des Mietvertrages den 16. Mai 1976 angibt. Zwar datiert der Mietvertrag vom 16. Februar 1977. Er enthält aber in § 1 die Regelung, dass er rückwirkend ab dem 16. Mai 1976 gilt. Dies spricht dafür, dass die fehlerhafte Datumsangabe in dem Urteil ein Versehen darstellt. Für die Erwägungen des Verwaltungsgerichts war maßgebend, dass der Mietvertrag sich Geltung ab dem 16. Mai 1976 beilegt.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 , § 162 Abs. 3 VwGO . Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus §§ 47 , 52 GKG .

Vorinstanz: VG Frankfurt/O.- 4 K 2033/00 - 28.9.2006,