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BVerwG - Entscheidung vom 30.04.2007

1 B 18.07

BVerwG, Beschluß vom 30.04.2007 - Aktenzeichen 1 B 18.07

DRsp Nr. 2007/10367

Gründe:

Die auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die Beschwerde hält zunächst die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob unter Berücksichtigung des Ablaufs der Umsetzungsfrist der Richtlinie 2004/83/EG, der sog. Qualifikationsrichtlinie, bei der Auslegung des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die Auslegung, die die "Wegfall der Umstände"-Klausel durch den UNHCR, die Völkerrechtslehre sowie die internationale Staatenpraxis erfährt, dahin gehend berücksichtigt werden muss, dass ein wirksamer Schutz des Herkunftslandes für den zurückkehrenden Flüchtling erst dann zu bejahen ist, wenn das Vorhandensein einer funktionierenden Regierung und grundlegender Verwaltungsstrukturen sowie das Vorhandensein einer angemessenen Infrastruktur, innerhalb derer die Einwohner ihre Rechte ausüben können, einschließlich ihres Rechtes auf eine Existenzgrundlage, gewährleistet sind. Diese Grundsatzrüge genügt bereits nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO . Die Beschwerde macht hierzu geltend, die Qualifikationsrichtlinie habe in Art. 11 Abs. 1 Buchst. e die "Wegfall der Umstände"-Klausel des Art. 1 C Nr. 5 Satz 1 der Genfer Flüchtlingskonvention - GFK - (nahezu) wortgleich übernommen. Die Beschwerde befasst sich dann zustimmend mit der Auslegung dieser Klausel, wie sie insbesondere vom UNHCR vertreten wird. Danach müsse für den Flüchtling der Schutz seines Herkunftsstaates im Sinne der Grundsatzfrage wirksam und verfügbar sein. Dies sei im Falle des Irak, dem Herkunftsstaat des Klägers, derzeit nicht der Fall. Das Berufungsgericht verweise auf die Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. November 2005 - BVerwG 1 C 21.04 - (BVerwGE 124, 276 = Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG Nr. 15), die sich grundlegend mit der Auslegung des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG beschäftige. Die Auslegung der Qualifikationsrichtlinie nach Ablauf der Umsetzungsfrist sei jedoch nicht Gegenstand dieser Entscheidung.

Mit diesem Vorbringen wird die behauptete rechtsgrundsätzliche Bedeutung der aufgeworfenen Frage nicht hinreichend dargelegt. So zeigt die Beschwerde nicht auf, inwiefern Art. 11 Abs. 1 Buchst. e der Qualifikationsrichtlinie, der insoweit in wortgleicher Übereinstimmung mit Art. 1 C Nr. 5 Satz 1 GFK zu berücksichtigen sei, eine bisher nicht bedachte oder erneut klärungsbedürftige Auslegungsfrage zu § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG aufwerfen soll, nachdem das Bundesverwaltungsgericht in der zitierten Grundsatzentscheidung vom 1. November 2005 ausdrücklich auf Art. 1 C Nr. 5 GFK eingegangen ist und unter Berücksichtigung dieser Bestimmung den vom Berufungsgericht angewandten Maßstab für den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung gebildet hat. Die Beschwerde geht auch nicht darauf ein, dass nach Art. 14 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie die Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft nach Maßgabe des Art. 11 nur für Anträge auf internationalen Schutz vorgesehen ist, die nach Inkrafttreten der Richtlinie gestellt wurden. Der Kläger hat seinen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter bzw. als Flüchtling aber schon im Januar 2001 gestellt.

Die Beschwerde hält weiter für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob "§ 73 Abs. 2a AsylVfG auf Widerrufsfälle anwendbar (ist), in denen nach dem 01.01.2005 ein Widerrufsverfahren eingeleitet wurde". Dem Beschwerdevorbringen ist zu entnehmen, dass es der Beschwerde um die Frage geht, ob Asyl- bzw. Flüchtlingsanerkennungen, die vor dem 1. Januar 2005 erfolgt und seit drei Jahren unanfechtbar sind, nur noch im Wege einer Ermessensentscheidung widerrufen werden können, die im Falle des Klägers nicht gegeben ist (vgl. § 73 Abs. 2a Satz 3 AsylVfG ). Auch insoweit führt die Beschwerde nicht (mehr) auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Das Bundesverwaltungsgericht hat inzwischen geklärt, dass § 73 Abs. 2a AsylVfG zwar im Grundsatz auch auf Anerkennungen anzuwenden ist, die vor dem 1. Januar 2005 unanfechtbar geworden sind. Dies bedeutet aber nicht, dass nach Ablauf von drei Jahren seit Unanfechtbarkeit der Anerkennung ein Widerruf nur noch im Wege einer für den Anerkannten günstigeren Ermessensentscheidung getroffen werden kann. Denn nach dem in § 73 Abs. 2a AsylVfG vorgesehenen neuen zweistufigen Verfahren ist solch ein Ermessen erst dann eröffnet, wenn eine vorangegangene erste Prüfung der Widerrufsvoraussetzungen stattgefunden und nicht zu einem Widerruf geführt hat (Negativentscheidung). Daran fehlt es in diesen Fällen. Darüber hinaus war auch die dem Bundesamt in der Vorschrift nunmehr gesetzte Frist für eine derartige erste Prüfung noch nicht abgelaufen, da die neue Frist bei Altfällen erst mit dem Inkrafttreten der Vorschrift am 1. Januar 2005 zu laufen begonnen hat (Urteil vom 20. März 2007 - BVerwG 1 C 21.06 - zur Veröffentlichung in den Entscheidungssammlungen BVerwGE und Buchholz vorgesehen).

Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO . Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG .

Vorinstanz: OVG Nordrhein-Westfalen, vom 24.11.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 9 A 1082/06