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BVerwG - Entscheidung vom 04.05.2007

1 B 8.07

BVerwG, Beschluß vom 04.05.2007 - Aktenzeichen 1 B 8.07 - Aktenzeichen 1 PKH 7.07

DRsp Nr. 2007/10112

Gründe:

Den Klägern kann die beantragte Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, weil ihre Beschwerde, wie sich aus den nachstehenden Ausführungen ergibt, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO ).

Die Beschwerde der Kläger ist unzulässig. Sie legt die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) und der Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ) nicht in einer Weise dar, die den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt.

Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufgeworfen wird, die im Interesse der Einheit oder Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Die Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangen die Bezeichnung einer konkreten Rechtsfrage, der in einem Revisionsverfahren entscheidungserhebliche Bedeutung zukommen würde, sowie einen Hinweis auf den Grund, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher höchstrichterlich noch nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage führen kann. Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

Die Beschwerde selbst bezeichnet keine konkrete Rechtsfrage, die höchstrichterlicher Klärung bedürfte. Eine derartige Frage lässt sich dem Beschwerdevorbringen auch sonst nicht entnehmen. Der Sache nach geht es der Beschwerde - in der Art einer Berufungsbegründung und mit langen allgemeinen Ausführungen zur Lebensplanung von Asylbewerbern - darum, dass im Hinblick auf die (unangemessen) lange Dauer der Asyl- bzw. Asylfolgeverfahren der Kläger, türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit, ein Verstoß insbesondere gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK festgestellt wird. Die Beschwerde macht geltend, die Rechtssache habe "aufgrund des Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK " grundsätzliche Bedeutung; hierbei sei es nicht von Belang, dass ein Asylbewerber die Möglichkeiten der behördlichen und gerichtlichen Verfolgung seiner Interessen, als Asylberechtigter anerkannt zu werden, tatsächlich ausschöpfe und sich das Verfahren daher bis zu seinem Abschluss übermäßig in die Länge ziehe; ob ein asylrechtliches Verfahren denselben Maßstäben unterliege wie ein Verfahren, in dem es um zivilrechtliche Ansprüche im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK gehe, sei höchstrichterlich bisher noch nicht entschieden worden.

Die Beschwerde übersieht dabei, dass Art. 6 Abs. 1 EMRK nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in asyl- und ausländerrechtlichen Verfahren wie dem der Kläger keine Anwendung findet (vgl. etwa Urteil vom 14. März 2002 - BVerwG 1 C 15.01 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 58 m.w.N.). Dies hat der Senat auch schon in einem Verfahren entschieden, an dem die Prozessbevollmächtigte der Kläger beteiligt war (Beschluss vom 8. Dezember 2005 - BVerwG 1 B 37.05 -). Ein Rechtsstreit über die Abschiebung eines Ausländers ist auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht als Streitigkeit in Bezug auf "zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen" im Sinne von Art. 6 Abs. 1 EMRK anzusehen (vgl. EGMR , Große Kammer, Urteil vom 5. Oktober 2000 - Nr. 39652/98 - Maaouia - InfAuslR 2001, 109 [Leitsatz]; Urteil vom 12. Juli 2001 - Nr. 44759/98 - Ferrazzini - NJW 2002, 3453; Urteil vom 16. September 2004 - Nr. 11103/03 - Ghiban - NVwZ 2005, 1046; vgl. auch Meyer-Ladewig, EMRK , 1. Aufl. 2003, Art. 6 Rn. 9).

Soweit die Beschwerde die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG anspricht, macht sie nicht ersichtlich, welche Fragen hierzu in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts noch ungeklärt sind und inwiefern es anlässlich des Entscheidungsfalles weitergehenden oder neuen rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf geben könnte. Dass hinsichtlich Art. 19 Abs. 4 GG ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vorliegen soll, wird mit dem Beschwerdevorbringen weder ausdrücklich geltend gemacht noch schlüssig bezeichnet. Zwar folgt aus der Garantie effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG auch, dass Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit zu gewähren ist. Bei Prüfung der Angemessenheit der Verfahrensdauer ist aber neben den durch die Verfahrensdauer etwa bedingten Nachteilen vor allem auch zu berücksichtigen, inwieweit der Betroffene durch Betreiben seiner Rechtssache oder auf sonstige Weise auf eine kürzere Verfahrensdauer tatsächlich hingewirkt hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Juli 2001 - 2 BvR 2078/00 - juris). Die Beschwerde legt nicht dar, dass die Kläger im bisherigen Verfahren auf eine möglichst zügige Bearbeitung gedrängt haben. Sie geht insbesondere auch nicht auf die Besonderheiten des vorliegenden Verfahrens ein, das durch mindestens drei, nach Angaben der Beschwerde noch weiterer Asylfolgeanträge und zweier Ausreisen des Klägers zu 6 geprägt ist, der Vater der Klägerinnen zu 2 bis 5 ist, die eigene Verfolgungsgründe nicht geltend gemacht haben. Sie zeigt auch nicht substanziiert auf, welche gewichtigen Nachteile den Klägern durch die Verfahrensdauer entstanden sind. So übergeht sie zum einen, dass die Kläger aufgrund des mit einem Asylantrag verbundenen vorläufigen Aufenthaltsstatus in dem fraglichen Zeitraum rechtlich und tatsächlich Schutz vor einer behaupteten von ihnen befürchteten Verfolgung erhalten haben. Sie verkennt zum anderen, dass auch eine zeitnähere Entscheidung im Berufungsverfahren, wenn sie denn zugunsten der Kläger ausgefallen wäre, diesen keine unentziehbare Rechtsposition verschafft hätte (vgl. § 73 AsylVfG ). Ebenso fehlt es an einem schlüssigen Vortrag im Beschwerdeverfahren dazu, dass den Klägern bis zu einem bestimmten früheren Zeitpunkt, zu dem über die Sache spätestens hätte entschieden werden müssen, ein Anspruch auf Anerkennung zugestanden hätte.

Auch soweit sich die Beschwerde auf die Verfahrensfehler der Verletzung der richterlichen Hinweispflicht, der Sachaufklärungspflicht und des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs stützt (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 86 Abs. 1 und 3 VwGO sowie Art. 103 Abs. 1 GG ), entspricht sie nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO . Die Beschwerde beruft sich auf Verfahrensfehler, die nicht dem Berufungsgericht, sondern dem Verwaltungsgericht unterlaufen sein sollen. Das Verwaltungsgericht hätte darauf drängen müssen, dass bestimmte Bescheinigungen bzw. eidesstattliche Versicherungen, auf die sich die Kläger bezogen hatten, die von ihnen aber offenbar versehentlich nicht vorgelegt worden waren, nachgereicht werden. Dann hätte das Berufungsgericht den Klägern nicht die Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG entgegenhalten können. Ungeachtet der Frage, ob mit diesem Vorbringen beachtliche Verfahrensmängel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO bezeichnet sind, übergeht die Beschwerde in diesem Zusammenhang den Umstand, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht auf den behaupteten Mängeln beruhen kann. Denn das Berufungsgericht hat seine Entscheidung nicht nur auf die Versäumung der Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG gestützt, sondern sich zusätzlich mit den fraglichen, im Berufungsverfahren nachgereichten Bescheinigungen und eidesstattlichen Versicherungen inhaltlich auseinandergesetzt und seine Entscheidung selbständig tragend damit begründet, dass auch unter Berücksichtigung dieser Dokumente den Klägern bei einer Rückkehr in die Türkei nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit landesweite Verfolgung drohe (UA S. 11, 13 und 14 f.).

Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO . Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG .

Vorinstanz: VGH Hessen - 6 UE 2409/04.A - 30.8.2006,