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BVerfG - Entscheidung vom 27.05.2007

1 BvQ 16/07

Normen:
BVerfGG § 32 Abs. 1

BVerfG, Beschluss vom 27.05.2007 - Aktenzeichen 1 BvQ 16/07

DRsp Nr. 2007/11985

Zurückweisung eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die behördlich angeordnete sofortige Vollziehung mehrerer versammlungsrechtlicher Auflagen betreffend die Durchführung eines Aufzugs am Vortage des ASEM-Gipfels in Hamburg

Normenkette:

BVerfGG § 32 Abs. 1 ;

Gründe:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung betrifft die behördlich angeordnete sofortige Vollziehung mehrerer versammlungsrechtlicher Auflagen betreffend die Durchführung eines Aufzugs am Vortage des ASEM-Gipfels in Hamburg. Die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung sind nicht gegeben.

1. Der Antrag ist teilweise bereits unzulässig. Hinsichtlich der Auflagen Nr. 2, 6 und 7 hat der Antragsteller nicht in einer im Eilverfahren ausreichenden Weise dargelegt, dass sie für ihn schwere Nachteile im Sinne des § 32 Abs. 1 BVerfGG bewirken.

Es ist aufgrund des Vortrags des Antragstellers nicht ersichtlich, dass die Verlegung des Orts der Auftaktkundgebung der Versammlung von dem vorgesehenen Platz auf eine nahe gelegene Straße (Auflage Nr. 2) besonderes Gewicht hat. Die Gerichte haben ausgeführt, dass die Versammlung auch an dem nunmehr angeordneten Standort eine hinreichende Chance auf Beachtung hat. Dass den Teilnehmern und Außenstehenden die Möglichkeit verbaut wird, die Wortbeiträge der Auftaktveranstaltung wahrzunehmen, hat der Antragsteller nicht nachvollziehbar dargelegt. Inwieweit in der Veränderung des Ortes ein faktisches Verbot der geplanten Auftaktkundgebung liegen soll, wie der Antragsteller vorbringt, ist nicht erkennbar.

Soweit untersagt wurde, Transparente und Plakate von einer Länge jeweils über 150 cm seitlich zu führen (Auflage Nr. 6), ergibt sich aus dem Antrag gleichfalls nicht, weshalb dadurch der Demonstrationserfolg in einer einen schweren Nachteil im Sinne des § 32 Abs. 1 BVerfGG bewirkenden Weise gefährdet wird. Die Teilnehmer der Versammlung haben nach wie vor die Möglichkeit, ihr Anliegen den umstehenden Personen auf derartigen Schriftbändern mitzuteilen, wenn diese entweder die festgelegte Höchstlänge nicht überschreiten oder quer zur Marschrichtung gehalten werden.

Schließlich ist nicht dargetan, inwieweit ein schwerer Nachteil für die Durchführung der Versammlung deshalb droht, weil das Laufen und Sprinten untersagt wurde (Auflage Nr. 7). Der Antragsteller hat nicht dargelegt, dass es für das kommunikative Anliegen der Versammlung auf die von ihm erstrebte "Stimmungshebung" durch Laufen und Sprinten ankommt.

2. Im Übrigen geht die nach § 32 Abs. 1 BVerfGG erforderliche Folgenabwägung zulasten des Antragstellers aus.

Soweit der benannte Versammlungsleiter Dr. S. abgelehnt wurde (Auflage Nr. 1), steht dies seiner Teilnahme an der Versammlung nicht entgegen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass durch das Erfordernis, einen anderen Versammlungsleiter zu benennen, die Durchführung der Versammlung gefährdet und dadurch ein schwerer Nachteil für den Antragsteller eintreten würde. So erscheint denkbar, den Antragsteller, der ohnehin für den Leiter ansprechbar sein und in enger Absprache mit ihm bleiben wollte, als Versammlungsleiter vorzusehen. Der Antragsteller macht zwar geltend, er sei auch anderweitig in Kommunikationsprozesse der veranstaltenden Gruppen eingebunden und könne daher die Versammlungsleitung nicht zusätzlich übernehmen. Nach dem Vorbringen des Antragstellers ist Dr. S. gleichfalls seit langem an der Vorbereitung und Organisation der Versammlung beteiligt gewesen. Insofern kommt hinsichtlich der erwähnten Kommunikationsprozesse ein Funktionsaustausch des Antragstellers mit Dr. S. in Betracht. Der Antragsteller hat nicht dargelegt, weshalb Dr. S. für die Kommunikation mit den weiteren Veranstaltern während der Versammlung nicht geeignet sein sollte oder dass die Hinderung, die beabsichtigte Kommunikation mit anderen wahrzunehmen, einen schweren Nachteil im Sinne des § 32 Abs. 1 BVerfGG darstellen würde.

Soweit die Marschroute der Versammlung gegenüber der Anmeldung abgeändert wurde (Auflage Nr. 3), liegt dem eine Gefahrenprognose der Versammlungsbehörde und der Gerichte zugrunde, die seitens des Bundesverfassungsgerichts im Eilverfahren nicht näher überprüft werden kann. Jedenfalls ist sie nicht offensichtlich fehlsam. Die geänderte Marschroute deckt sich bis zu der Zwischenkundgebung auf dem Rödingsmarkt mit der Anmeldung. Auch ab diesem Punkt führt sie zumindest durch innenstadtnahe Gebiete. Die Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts, dass auch auf diesem Demonstrationsweg die Versammlungsteilnehmer hinreichende Möglichkeiten haben, Beachtung für ihr kommunikatives Anliegen zu erhalten, ist im Rahmen des Eilverfahrens nicht zu beanstanden.

3. Dem Antragsteller bleibt unbenommen, die Rechtmäßigkeit der von ihm angegriffenen Auflagen im Hauptsacheverfahren klären zu lassen.

Vorinstanz: OVG Hamburg, vom 26.05.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 4 Bs 130/07
Vorinstanz: VG Hamburg, vom 25.05.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 5 E 1801/07