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BVerfG - Entscheidung vom 30.05.2007

2 BvR 726/07

Normen:
BVerfGG § 90 Abs. 1

BVerfG, Beschluss vom 30.05.2007 - Aktenzeichen 2 BvR 726/07

DRsp Nr. 2007/11471

Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde gegen die Ablehnung der Einstellung eines Ermittlungsverfahrens

Einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch des Beschuldigten auf Einstellung des Verfahrens gem. § 170 Abs. 2 StPO gibt es nicht. Daher ist die Nichteinstellung bzw. Fortführung eines Ermittlungsverfahrens grundsätzlich kein mit der Verfassungsbeschwerde anfechtbarer Akt öffentlicher Gewalt i.S. von § 90 Abs. 1 BVerfGG .

Normenkette:

BVerfGG § 90 Abs. 1 ;

Gründe:

I. 1. Der Generalbundesanwalt ermittelt gegen den Beschwerdeführer und zwei weitere Personen wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung gemäß § 129 a Abs. 1 StGB und damit zusammenhängender Straftaten. Anlass war das Auffinden von Spreng- und Brandvorrichtungen in Dortmund und Koblenz am 31. Juli 2006. In der Presse wird das Verfahren unter dem Schlagwort "Koffer-Bomber" thematisiert, wobei vom Beschwerdeführer in der Presse als "drittem Mann" die Rede ist.

Einen Antrag des Verteidigers des Beschwerdeführers auf Einstellung des Ermittlungsverfahrens hat der Generalbundesanwalt mit Schreiben vom 8. Januar 2007 unter Hinweis darauf, dass die Ermittlungen andauerten, abgelehnt.

2. Gegen die Nichteinstellung des Ermittlungsverfahrens richtet sich die Verfassungsbeschwerde, mit der der Beschwerdeführer die Verletzung von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG rügt. Die Nichteinstellung des Ermittlungsverfahrens sei unverhältnismäßig, da es zum gegenwärtigen Zeitpunkt keinerlei Anhaltspunkte für seine Beteiligung an den Straftaten gebe und ihn das laufende Ermittlungsverfahren unverhältnismäßig hart treffe.

II. Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen (vgl. BVerfGE 90, 22 [24 ff.]). Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. Es fehlt an der Möglichkeit einer Verletzung von Grundrechten.

1. Die Nichteinstellung bzw. Fortführung eines Ermittlungsverfahrens ist grundsätzlich kein mit der Verfassungsbeschwerde anfechtbarer Akt öffentlicher Gewalt im Sinne von § 90 Abs. 1 BVerfGG .

Einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch des Beschuldigten auf Verfahrenseinstellung nach § 170 Abs. 2 StPO gibt es nicht. Das Ermittlungsverfahren ist ein vorbereitendes Verfahren, dessen Ziel die Entschließung der Anklagebehörde ist, ob und inwieweit die öffentliche Klage geboten erscheint (§§ 160 Abs. 1 , 170 StPO ). Kommt es zur Anklage, wird der in Gestalt des Anklagesatzes konkretisierte Tatverdacht zur gerichtlichen Prüfung gestellt. Im anschließenden Zwischen- und Hauptverfahren hat der Beschuldigte umfangreiche Rechtsschutzmöglichkeiten. Rechtsschutz gegen das bloße Betreiben des Ermittlungsverfahrens schon vor dessen Abschluss für grundsätzlich geboten zu halten, wäre systemwidrig und nicht Rechtsschutz "zur rechten Zeit". In aller Regel ist dem Beschuldigten ein Zuwarten bis zur Entschließung der Staatsanwaltschaft nach § 170 StPO zuzumuten (vgl. Beschluss des Vorprüfungsausschusses des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Dezember 1983 - 2 BvR 1731/82 -, NStZ 1984, S. 228 [229]).

2. Dass das Ermittlungsverfahren durch die Bundesanwaltschaft so evident verzögert würde, dass diese Verzögerung und ein damit einhergehendes Unterlassen einer Abschlussentschließung nach § 170 StPO ausnahmsweise eine mit dem Rechtsstaatsgebot unvereinbare und den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG beeinträchtigende Dimension gewänne (vgl. dazu Beschluss des Vorprüfungsausschusses des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Juli 1982 - 2 BvR 8/82 -, NStZ 1982, S. 430 ), hat der Beschwerdeführer nicht dargetan.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG ).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Vorinstanz: BGH, vom 08.01.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 2 BJs 41/06