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BVerfG - Entscheidung vom 15.10.2007

2 BvR 1680/07

Normen:
GG Art. 25
IRG § 73

Fundstellen:
NVwZ 2008, 71

BVerfG, Beschluss vom 15.10.2007 - Aktenzeichen 2 BvR 1680/07

DRsp Nr. 2007/19198

Verfassungsmäßigkeit einer Auslieferung

1. Maßstab der verfassungsrechtlichen Prüfung im Auslieferungsverfahren sind nicht die Grundrechte und grundrechtsgleiche Rechte des Grundgesetzes in der Ausprägung, wie sie auf rein innerstaatliche Sachverhalt Anwendung finden. Die Gerichte haben vielmehr lediglich zu prüfen, ob eine Auslieferung die Verletzung des nach Art. 25 GG in der Bundesrepbulik Deutschland verbindlichen völkerrechtlichen Mindeststandards sowie der unabdingbaren Grundsätze der deutschen verfassungsrechtlichen Ordnung entgegen steht. Ein Widerspruch gegen den ordre public i.S. des § 73 IRG liegt vor, wenn der Verfolgte durch die Auslieferung der Folter oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe ausgesetzt würde.2. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Oberlandesgericht bei der Bewilligung davon ausgeht, dass eine derartige ständige Praxis in der Türkei nicht oder jedenfalls nicht mehr besteht.

Normenkette:

GG Art. 25 ; IRG § 73 ;

Gründe:

Die mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbundene Verfassungsbeschwerde betrifft die Auslieferung des Beschwerdeführers an die Republik Türkei.

II. 1. Dem Beschwerdeführer wird in der Türkei vorgeworfen, am 27. November 1991 in Adana als Mitglied einer Exekutionseinheit der PKK gemeinsam mit anderen auf ein Polizeifahrzeug geschossen und dabei einen Beamten getötet und weitere Beamte verletzt zu haben. Ein erstes Auslieferungsersuchen vom Mai 1998 wiederholte die Republik Türkei mit Verbalnote vom 19. September 2002 unter Hinweis darauf, dass die seinerzeit der Auslieferung entgegenstehende Todesstrafe für die in Rede stehenden Delikte abgeschafft worden sei.

2. Mit Beschluss vom 27. Februar 2007 ordnete das Oberlandesgericht Koblenz die Auslieferungshaft an. Die Auslieferung erscheine nicht von vornherein unzulässig. Zwar sei der Beschwerdeführer durch zwei Entscheidungen der 1. Staatsschutzkammer Diyarbakir aus dem Jahre 1997 wegen Betätigung als Mitglied der PKK in den Jahren 1990 - 1992 von Strafe freigestellt worden. Dies hindere die Auslieferung indes nicht, denn die Straffreistellung betreffe nach Darstellung der türkischen Strafverfolgungsbehörden nur Mitgliedschaftsdelikte, bei denen keine Gewalttaten begangen worden seien, und damit nicht den Anschlag auf das Polizeifahrzeug und die damit verbundene Tätigkeit für die PKK. Diese Darstellung sei schlüssig und mit dem Wortlaut der angewandten Norm des Türkischen Strafgesetzbuches in Übereinstimmung zu bringen.

Es sei auch nicht zu befürchten, dass der Beschwerdeführer nach seiner Auslieferung gefoltert werde. Über die pauschale Behauptung hinaus habe der Beschwerdeführer hierfür keine konkreten Anhaltspunkte genannt, solche seien auch in einem von dem Beschwerdeführer betriebenen Asylverfahren nicht festgestellt worden. Auf konkrete Anhaltspunkte im Einzelfall käme es nur dann nicht an, wenn im ersuchenden Staat eine ständige Praxis grober, offenkundiger oder massenhafter Verletzungen von Menschenrechten herrschte. Dies sei in der Türkei jedoch nicht der Fall.

3. Mit Beschluss vom 9. Mai 2007 stellte das Oberlandesgericht die Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung zunächst zurück, da dem Oberlandesgericht eine in neuen, ergänzenden Auslieferungsunterlagen genannte Anklageschrift vom 23. Juni 1998 bisher nicht vorliege, sondern lediglich eine Anklageschrift vom 30. März 1998. Anlass, gemäß § 10 Abs. 2 IRG den Schuldvorwurf zu prüfen, bestehe nach wie vor nicht. Ein von dem Beschwerdeführer vorgelegtes Urteil eines türkischen Zivilgerichts vom 30. Mai 2002, mit dem Regressforderungen gegen den Beschwerdeführer wegen der Verletzung eines Polizeibeamten namens Ö. zurückgewiesen worden seien, könne den Tatverdacht nicht erschüttern.

4. Mit dem angegriffenen Beschluss vom 2. Juli 2007 erklärte das Oberlandesgericht die Auslieferung für zulässig. Ergänzend zu den Beschlüssen vom 27. Februar 2007 und 9. Mai 2007 führte das Oberlandesgericht aus, der Tatvorwurf bestehe unverändert fort und sei in beiden erwähnten Anklageschriften identisch. Der Grund für die zweifache Anklageerhebung liege darin, dass das Verfahren versehentlich doppelt eingetragen und infolgedessen zweifach bearbeitet worden sei. Die doppelte Rechtshängigkeit sei zwischenzeitlich beseitigt worden.

5. Mit Schriftsatz vom 4. Juli 2007 beantragte der Beschwerdeführer, die Auslieferung für unzulässig zu erklären und den Auslieferungshaftbefehl aufzuheben, hilfsweise die Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung zurückzustellen.

a) Der türkische Haftbefehl beinhalte nicht die unverzichtbare Konkretisierung der in Rede stehenden Tat nach Ort, Zeit und Art der Begehungsweise. Die Anklageschrift könne nicht als ergänzende Sachverhaltsdarstellung herangezogen werden, da dem Beschwerdeführer darin vorgeworfen werde, bei dem bewaffneten Angriff einen Polizisten getötet und zwei weitere verletzt zu haben, wohingegen in einem anderen Dokument von vier verletzten Polizisten die Rede sei.

b) Es bestünden erhebliche Zweifel hinsichtlich der Beachtung des Grundsatzes "ne bis in idem" durch die türkischen Behörden. Im Rahmen des im Jahre 1997 vor dem Staatssicherheitsgericht in Diyarbakir gegen ihn wegen Tätigkeiten für die PKK geführten Strafverfahrens sei der Beschwerdeführer nach etwa zwei Monaten Haft auf freien Fuß gesetzt worden, obgleich der aus dem Jahre 1991 datierende Haftbefehl bereits vorgelegen habe. Außerdem beträfen die damaligen Entscheidungen ausdrücklich die Jahre 1990 bis 1997.

c) Schließlich bestünden in der Person des Beschwerdeführers liegende konkrete Anhaltspunkte für eine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass er in der Türkei menschenrechtswidriger Behandlung, insbesondere Folter, unterzogen werde. Darüber hinaus herrsche in der Türkei nach wie vor eine beständige Praxis grober, offenkundiger und massenhafter Verletzungen von Menschenrechten. Dies ergebe sich aus Stellungnahmen türkischer Menschenrechtsorganisationen sowie dem jüngsten "Fortschrittsbericht" der EU hinsichtlich der Menschenrechtssituation, der der Türkei insofern ein "katastrophales Zeugnis" ausstelle. In jüngeren Entscheidungen anderer Obergerichte sei ebenfalls eine Verschlechterung der Menschenrechtssituation in der Türkei konstatiert worden.

6. Das Oberlandesgericht fasste den Schriftsatz vom 4. Juli 2007 als Gegenvorstellung beziehungsweise als Antrag auf erneute Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung gemäß § 33 Abs. 1 und Abs. 2 IRG auf und wies diese mit dem angegriffenen Beschluss vom 24. Juli 2007 zurück.

a) Die erforderliche Konkretisierung und Individualisierung des in der türkischen Haftentscheidung nur in groben Zügen dargestellten Tatvorwurfs sei in der Anklageschrift enthalten; eine den Inhaltsanforderungen der StPO genügende Haftentscheidung könne nicht verlangt werden.

b) Hinsichtlich des Einwandes des Strafklageverbrauchs führte das Oberlandesgericht ergänzend aus, Gegenstand der türkischen strafgerichtlichen Entscheidungen aus dem Jahr 1997 sei ausdrücklich nur der Vorwurf der Mitgliedschaft in einer illegalen Organisation. Selbst nach deutschem Recht ergebe sich aus der Aburteilung des Organisationsdeliktes kein Strafklageverbrauch bezüglich schwerer Straftaten, die der Täter in Verfolgung der Ziele der Organisation begangen hat.

c) Zwar gehe aus der zwischenzeitlich vorgelegten Klageschrift hervor, dass Grundlage des zivilgerichtlich geltend gemachten Schadensersatzanspruchs der hier in Rede stehende Überfall auf türkische Polizeibeamte vom 27. November 1991 sei. Der in diesem Verfahren mitbeklagte und als Täter der Körperverletzung zum Nachteil des Polizisten Ö. angesehene T. werde in den hier in Rede stehenden Anklageschriften indes ebensowenig als Mittäter des Beschwerdeführers bezeichnet wie der Beschwerdeführer in der zivilgerichtlichen Entscheidung der Beteiligung an der Verletzung des Polizisten Ö. bezichtigt werde. Weder über eine Täter- noch über eine Opferidentität lasse sich daher eine Verbindung der jeweiligen Verfahrensgegenstände herstellen.

d) Schließlich sei auch die Behauptung des Beschwerdeführers, er werde in der Türkei menschenrechtswidriger Behandlung ausgesetzt sein, nicht stichhaltig. Ausweislich eines Berichts des Auswärtigen Amts vom 11. Januar 2007 seien in der Türkei seit November 2002 durch umfangreiche gesetzgeberische und weitere Reformen markante Fortschritte in der Durchsetzung der Menschenrechte erzielt worden. Menschenrechtsfragen würden offen diskutiert und hätten nicht nur in der Regierung, sondern auch in der türkischen Öffentlichkeit einen wesentlich höheren Stellenwert als zuvor. Zur Bekämpfung der Folter habe die Regierung im Rahmen einer "Null-Toleranz-Politik" alle gesetzgeberischen Mittel eingesetzt, solche Vorgehensweisen staatlicher Stellen zu unterbinden. Die Strafandrohung für Folter und Misshandlung sei deutlich erhöht worden; die Staatsanwaltschaften seien angewiesen, Folterstraftaten vorrangig und mit besonderem Nachdruck zu verfolgen. Die Zahl bekannt gewordener Fälle von Folter und Misshandlungen habe weiter abgenommen. Fälle schwerer Folter kämen nach Angaben aller in der Türkei tätigen Menschenrechtsorganisationen nur noch vereinzelt vor. Die früher berüchtigten Staatssicherheitsgerichte und entsprechenden Staatsanwaltschaften seien im Mai 2004 aufgelöst worden. Nach diesem Bericht des Auswärtigen Amts könne keine Rede davon sein, dass in der Türkei eine ständige Praxis grober, offenkundiger und massenhafter Verletzungen von Menschenrechten herrsche. Dieser Lagebeurteilung des Auswärtigen Amtes sei ein höheres Maß an Aussagekraft zuzumessen als einem von dem Beschwerdeführer vorgelegten Bericht von amnesty international, der schon seiner Überschrift nach auf eine ergebnisorientierte Darstellung schließen lasse. Sofern vereinzelte Übergriffe staatlicher Strafverfolgungsorgane auf Gefangene nicht auszuschließen seien, sei es zudem wenig wahrscheinlich, dass diese den Beschwerdeführer treffen würden. Vielmehr könne davon ausgegangen werden, dass gerade die Behandlung der wegen Terrorismusverdachts an die Republik Türkei ausgelieferten Personen unter weiterer Beobachtung durch die diplomatischen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland stehe und damit auch die Einhaltung der Menschenrechte gegenüber dem Beschwerdeführer kontrolliert werde.

III. In seiner Verfassungsbeschwerde führt der Beschwerdeführer aus:

1. Er sei im Jahre 1998 in die Bundesrepublik eingereist und habe seine Anerkennung als Asylberechtigter beantragt. Das Asylverfahren sei "rechtskräftig mit der Feststellung eines Abschiebungshindernisses gemäß § 53 Abs. 3 AuslG abgeschlossen".

2. Im fachgerichtlichen Verfahren habe er auf zahlreiche "Ungereimtheiten" des Falles, insbesondere die späte Anklageerhebung, die fragliche Anzahl der Verletzten, die Geltendmachung von Schadensersatzforderungen wegen eines verletzten Polizisten, der in dem Strafverfahren gar nicht auftauche, und die Abweisung der zivilgerichtlichen Klage, hingewiesen. Indem das Oberlandesgericht gleichwohl an seiner Haltung festgehalten habe, einen Verstoß gegen den Grundsatz des "ne bis in idem" verneint und daher keinen Anlass für eine Prüfung des Schuldvorwurfs gesehen habe, habe es das Gehörsrecht des Art. 103 Abs. 1 GG verletzt.

3. Schließlich habe der Beschwerdeführer im fachgerichtlichen Verfahren unter Vorlage von Berichten von amnesty international sowie unter Hinweis auf diverse asylrechtliche Entscheidungen auf die beachtliche Wahrscheinlichkeit der Gefahr von Folterungen im Zusammenhang mit polizeilichen Ermittlungen hingewiesen. Dass das Oberlandesgericht gleichwohl ohne Auseinandersetzung mit diesen Entscheidungen, die auch von sogenannten Asylsachverständigen bestätigt werde, an seiner Auffassung festhalte, sei schlechthin nicht mehr nachvollziehbar. Mit seiner Weigerung, den Sachverhalt näher aufzuklären, habe das Oberlandesgericht somit "Art. 16a Abs. 1 GG , Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit § 60 Abs. 1 AufenthG , Art. 19 Abs. 4 , Art. 3 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG " verletzt.

IV. Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG sind nicht erfüllt. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt, da sie keine Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BVerfGE 90, 22 [25 f.]).

1. Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung des Grundrechts aus Art. 16a Abs. 1 GG rügt, hat er nicht dargelegt, dass ihm dieses Grundrecht nach Maßgabe des Art. 16a Abs. 2 und 3 GG überhaupt zusteht. Der Hinweis auf das allein in dem Auslieferungsersuchen begründete Abschiebungshindernis des früheren § 53 Abs. 3 AuslG genügt insofern nicht.

2. Eine Verletzung des Gehörsrechts aus Art. 103 Abs. 1 GG ist auf der Grundlage des Vortrags des Beschwerdeführers ebenfalls nicht erkennbar. Der Gehörsgrundsatz verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht jedoch der von dem Beteiligten vertretenen Rechtsansicht zu folgen (vgl. BVerfGE 64, 1 [12]; 87, 1 [33]). Aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt auch keine Pflicht der Gerichte, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Denn grundsätzlich geht das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass die Gerichte das Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Art. 103 Abs. 1 GG ist daher erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall aus besonderen Umständen klar ergibt, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (vgl. BVerfGE 65, 293 [295]; 70, 288 [293]; 86, 133 [145 f.]; stRspr). Art. 103 Abs. 1 GG schützt weiterhin auch nicht davor, dass das Vorbringen eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts unberücksichtigt bleibt, etwa weil es nach Ansicht des Gerichts für die zu treffende Entscheidung unerheblich ist (vgl. BVerfGE 21, 191 [194]; 69, 145 [148 f.]; 70, 288 [294]; 96, 205 [216]; stRspr).

An diesem Maßstab gemessen lässt sich dem Vortrag des Beschwerdeführers eine Gehörsverletzung nicht entnehmen. Das Oberlandesgericht hat sich in seinen Entscheidungen mit den von dem Beschwerdeführer genannten "Ungereimtheiten" des Verfahrens in der Türkei teils ausdrücklich auseinandergesetzt. So enthält der Beschluss vom 2. Juli 2007 Ausführungen zu der Frage der doppelten Anklageerhebung. Die Begründungen sowohl des Beschlusses vom 24. Juli 2007 als auch des - hier nicht angegriffenen - Beschlusses vom 9. Mai 2007 zeigen, dass sich das Oberlandesgericht auch mit dem Obsiegen des Beschwerdeführers in dem zivilgerichtlichen Verfahren beschäftigt hat. Das Oberlandesgericht hat sich daneben sowohl in dem Beschluss vom 27. Februar 2007, mit dem es die Auslieferungshaft angeordnet hatte, als auch in dem Beschluss vom 24. Juli 2007 ausdrücklich mit der Problematik eines eventuellen Strafklageverbrauchs in der Türkei auseinandergesetzt und einen solchen - aus Sicht des Beschwerdeführers zu Unrecht - verneint. Insoweit geht die Begründung der Verfassungsbeschwerde über eine im Hinblick auf Art. 103 Abs. 1 GG unbeachtliche reine Ergebniskritik nicht hinaus. In den genannten Beschlüssen hat sich das Oberlandesgericht schließlich auch mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers bezüglich der Gefahr von Folter und unmenschlicher Behandlung in der Türkei eingehend beschäftigt. Es hat hierzu ausführlich aus einem Bericht des Auswärtigen Amtes zitiert und dargelegt, dass und warum es sich trotz des wohl teilweise gegensätzlichen Inhalts des von dem Beschwerdeführer erwähnten - hier nicht vorgelegten - Berichts von amnesty international der dortigen Darstellung und Einschätzung anschließe. Auch wenn das Oberlandesgericht in diesem Zusammenhang auf die ihm von dem Beschwerdeführer genannten Entscheidungen anderer Obergerichte nicht ausdrücklich eingegangen ist, ist nicht erkennbar, dass es den Vortrag des Beschwerdeführers zu der von ihm befürchteten Foltergefahr nicht in Erwägung gezogen hätte. Gleiches gilt auch, soweit im Übrigen einzelne Teile des Vortrags des Beschwerdeführers keinen ausdrücklichen Niederschlag in den Gründen der angegriffenen oder in Bezug genommenen Entscheidungen des Oberlandesgerichts gefunden haben. Die Begründung der Verfassungsbeschwerde vermag besondere Umstände, aus denen sich ergibt, dass sein Vorbringen entgegen der genannten Vermutung nicht berücksichtigt worden sei, nicht aufzuzeigen.

3. Auch im Übrigen ist ein Verfassungsverstoß durch die angegriffenen Entscheidungen nicht erkennbar. Maßstab der verfassungsrechtlichen Prüfung im Auslieferungsverfahren sind nicht die Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte des Grundgesetzes in der Ausprägung, wie sie auf rein innerstaatliche Sachverhalte Anwendung finden. Das Grundgesetz geht von der Eingliederung des von ihm verfassten Staates in die Völkerrechtsordnung der Staatengemeinschaft aus (vgl. Präambel, Art. 1 Abs. 2 , Art. 9 Abs. 2 , Art. 23 bis 26 GG ) aus. Es gebietet damit zugleich, fremde Rechtsordnungen und -anschauungen grundsätzlich zu achten, auch wenn sie im Einzelnen nicht mit den deutschen innerstaatlichen Auffassungen übereinstimmen. Sollen der im gegenseitigen Interesse bestehende zwischenstaatliche Auslieferungsverkehr erhalten und auch die außenpolitische Handlungsfähigkeit der Bundesregierung unangetastet bleiben, so ist eine Beschränkung des verfassungsrechtlichen Maßstabs geboten. Die Gerichte haben daher lediglich zu prüfen, ob einer Auslieferung die Verletzung des nach Art. 25 GG in der Bundesrepublik Deutschland verbindlichen völkerrechtlichen Mindeststandards sowie der unabdingbaren Grundsätze der deutschen verfassungsrechtlichen Ordnung entgegensteht (vgl. BVerfGE 63, 332 [337 f.]; 75, 1 [19]; 108, 129 [136 f.]; BVerfGK 3, 159 [163]). Auf der Ebene des einfachen Rechts nimmt § 73 IRG dieses verfassungsrechtliche Gebot auf, indem dort die Leistung von Rechtshilfe und damit auch die Auslieferung für unzulässig erklärt wird, wenn sie wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung widersprechen würde. Ein derartiger Widerspruch gegen den ordre public liegt vor, wenn der Verfolgte durch die Auslieferung der Folter oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe ausgesetzt würde. Dies folgt einerseits aus der im völkerrechtlichen Menschenrechtsschutz mittlerweile fest etablierten Ächtung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung (vgl. Art. 3 EMRK , Art. 7 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966 [BGBl 1973 II S. 1533] und das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984 [BGBl 1990 II S. 246], vgl. auch BVerfGK 3, 159 [164]) sowie innerstaatlich aus Art. 1 Abs. 1 , Art. 2 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG .

Die Auslegung und Anwendung der Gesetze auf den konkreten Sachverhalt und dessen Beurteilung sind allerdings grundsätzlich Sache des dafür zuständigen Fachgerichts (vgl. BVerfGE 18, 85 [93]; stRspr). Auch in Auslieferungsverfahren prüft das Bundesverfassungsgericht insoweit nur, ob die Rechtsanwendung und das dazu eingeschlagene Verfahren unter keinem denkbaren Gesichtspunkt vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass die Entscheidung auf sachfremden und damit willkürlichen Erwägungen beruht (BVerfGE 108, 129 [137]; BVerfGK 2, 82 [85]).

Vor diesem Hintergrund ist ein Verfassungsverstoß durch die angegriffenen Entscheidungen nicht erkennbar. Das Oberlandesgericht hat zutreffend ausgeführt, dass eine die Auslieferung hindernde Gefahr menschenrechtswidriger Behandlungen nur angenommen werden kann, wenn stichhaltige Gründe vorgetragen sind, nach denen gerade im konkreten Einzelfall eine beachtliche Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Verfolgte in dem ersuchenden Staat Opfer von Folter oder anderer grausamer, erniedrigender oder sonst unmenschlicher Behandlung werde, es sei denn, in dem ersuchenden Staat herrsche eine ständige Praxis grober, offenkundiger oder massenhafter Verletzungen der Menschenrechte (vgl. BVerfGE 108, 129 [138 f.]).

Anhaltspunkte dafür, dass die Annahme des Oberlandesgerichts, eine derartige ständige Praxis bestehe in der Türkei nicht oder jedenfalls nicht mehr, willkürlich sein könnte, sind auf der Grundlage des Vortrags des Beschwerdeführers nicht ersichtlich. Die Republik Türkei ist Mitglied des Europarates und Vertragsstaat der EMRK . Sie ist ferner Konventionsstaat des VN-Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984 sowie des Europäischen Übereinkommens zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe vom 26. November 1987. Sie hat sich damit in mehrfacher Weise - auch gegenüber der Bundesrepublik Deutschland, die ebenfalls Vertragsstaat der genannten Konventionen ist - völkerrechtlich verpflichtet, die Anwendung von Folter und sonstiger unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung zu bekämpfen. Vor diesem Hintergrund ist die von dem Oberlandesgericht geäußerte Erwartung, dass die Behandlung ausgelieferter Personen in der Republik Türkei von der Bundesregierung besonders beobachtet wird, zutreffend, zumal ein Verstoß gegen die genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen das gegenseitige Vertrauen der beiden Staaten, wie es in der gegenseitigen Auslieferungsverpflichtung des Art. 1 EuAlÜbk zum Ausdruck kommt, nachhaltig enttäuschen würde (vgl. BVerfGE 108, 129 [140 ff.]). Weiter ist auf der Grundlage des Vortrags des Beschwerdeführers aus verfassungsrechtlicher Sicht nichts dagegen zu erinnern, dass das Oberlandesgericht seiner Beurteilung der tatsächlichen Praxis in der Republik Türkei den Bericht des Auswärtigen Amtes zugrunde gelegt und auf dieser Basis zu dem Schluss gekommen ist, dass eine die Auslieferung hindernde Gefahr der Folter oder sonstiger menschenrechtswidriger Behandlungen nicht bestehe. Insgesamt fehlt es dem Vortrag des Beschwerdeführers an Anhaltspunkten dafür, dass die Einschätzung des Oberlandesgerichts, in der Republik Türkei herrsche keine ständige Praxis grober, offenkundiger oder massenhafter Verletzungen der Menschenrechte, unter keinem Gesichtspunkt mehr vertretbar und damit willkürlich wäre.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde erledigt sich der zugleich gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Vorinstanz: OLG Koblenz - (1) Ausl. -III- 6/98 - 24.7.2007,
Vorinstanz: OLG Koblenz - (1) Ausl. -III- 6/98 - 2.7.2007,
Fundstellen
NVwZ 2008, 71