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BVerfG - Entscheidung vom 12.09.2007

1 BvR 2067/06

Normen:
SGB III § 148 § 434c Abs. 7

BVerfG, Beschluss vom 12.09.2007 - Aktenzeichen 1 BvR 2067/06 - Aktenzeichen 1 BvR 2156/06

DRsp Nr. 2007/19730

Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung der sozialversicherungsrechtlichen Behandlung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt

Dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10.11.1998 (BVerfGE 99, 202 ) ergibt sich kein verfassungsrechtliches Verbot, den Arbeitgeber mit Vermittlungsrisiken zu belasten. Ebenso wenig lässt sich dem Beschluss entnehmen, dass eine verfassungskonforme Regelung zwingend eine Prüfung der Kausalität zwischen Wettbewerbsverbot und Arbeitslosigkeit im Einzelfall vorsehen müsse.

Normenkette:

SGB III § 148 § 434c Abs. 7 ;

Gründe:

Die miteinander verbundenen Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Die Verfassungsbeschwerden sind unzulässig; sie sind nicht hinreichend begründet nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG .

1. Die Beschwerdeführerin macht nicht in der gesetzlich gebotenen Weise deutlich, dass der Gesetzgeber bei der Neufassung von § 148 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch ( SGB III ) durch das Gesetz zur Neuregelung der sozialversicherungsrechtlichen Behandlung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt (Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetz) vom 21. Dezember 2000 (BGBl I S. 1971; im Folgenden: § 148 SGB III n.F.) von den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 10. November 1998 (BVerfGE 99, 202 ) abgewichen ist. Gleiches gilt für den durch das Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetz eingefügten § 434c Abs. 7 SGB III , der eine modifizierte Fortgeltung von § 128a des Arbeitsförderungsgesetzes ( AFG ) für die Zeit bis zum 31. Dezember 1997 anordnete.

a) Die Beschwerdeführerin legt zunächst nicht dar, wieso sich aus dem genannten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ein verfassungsrechtliches Verbot ergeben soll, den Arbeitgeber überhaupt mit Vermittlungsrisiken zu belasten. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass das mit der Erstattungsregelung verfolgte Ziel einer Entlastung der Beitragszahler vom Risiko einer aufgrund eines Wettbewerbsverbots nur eingeschränkten Vermittelbarkeit durch Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt war und dass die seinerzeit beanstandeten Vorschriften zur Erreichung dieses Zwecks geeignet und erforderlich waren (vgl. BVerfGE 99, 202 [212]). An der Verhältnismäßigkeit der Regelung im engeren Sinne fehlte es lediglich, weil der Arbeitgeber durch diese im Wege der uneingeschränkten Kostenerstattung mit allen Vermittlungsrisiken des Arbeitsmarkts belastet wurde und sich der Gesetzgeber nicht auf einen Ausgleich der Folgelasten des besonderen Vermittlungshindernisses beschränkt hatte (vgl. BVerfGE 99, 202 [213]).

b) Ebenso wenig lässt sich dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts entnehmen, dass eine verfassungskonforme Regelung zwingend eine Prüfung der Kausalität zwischen Wettbewerbsverbot und Arbeitslosigkeit im Einzelfall vorsehen müsse. Das Bundesverfassungsgericht hat beanstandet, dass § 128a AFG und § 148 SGB III in der von ihm zu prüfenden Fassung keinen Ausnahmetatbestand vorsahen, der die Erstattungspflicht dem Grunde oder der Höhe nach von der erforderlichen Verantwortungsbeziehung abhängig machte (vgl. BVerfGE 99, 202 [214]). Ein zwingendes Gebot der Einzelfallprüfung hat das Bundesverfassungsgericht aus dem Grundgesetz nicht abgeleitet. Es hat vielmehr die Beseitigung der Verfassungswidrigkeit dem Gesetzgeber überlassen (vgl. BVerfG, aaO., S. 215 f.).

c) Auch die Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Erstattungsvorschrift des § 128 AFG (BVerfGE 81, 156) kann die Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin nicht tragen. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu entschieden, dass eine Erstattungspflicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG verstößt, die auch dann besteht, wenn der Arbeitslose Anspruch auf eine andere Sozialleistung hat, die den Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe entfallen lässt (vgl. BVerfGE 81, 156 [197]). Eine besondere Verantwortung des Arbeitgebers für die Eintrittspflicht der Solidargemeinschaft besteht nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts dann nicht, wenn sich ein vorrangig von einem anderen System sozialer Sicherung abzudeckendes Risiko realisiert (BVerfG, aaO., S. 198). Dieser Vorgabe trug § 148 SGB III n.F. beziehungsweise § 434c Abs. 7 SGB III in Verbindung mit § 128a AFG schon dadurch Rechnung, dass nur tatsächliches gezahltes Arbeitslosengeld zu erstatten war.

2. Die Verfassungsbeschwerde zeigt auch keine verfassungsrechtlich bedeutsamen Gesichtspunkte auf, die über den Einwand hinausgehen, der Gesetzgeber habe den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10. November 1998 nicht beachtet. Soweit die Beschwerdeführerin die Verfassungsmäßigkeit pauschalierender und typisierender Regelungen überhaupt in Zweifel zieht, fehlt es jedenfalls an einer Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu gesetzlichen Typisierungen (vgl. nur für das Sozialrecht BVerfGE 103, 392 [397] m.w.N.). Auch eine selbständige Grundrechtsverletzung durch die erkennenden Gerichte ist nicht hinreichend dargetan.

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 01.02.2006 - Vorinstanzaktenzeichen L 5 AL 1363/04
Vorinstanz: SG Heilbronn, LSG Baden-Württemberg, vom 30.11.2001vom 22.02.2006 - Vorinstanzaktenzeichen S 5 AL 2008/01 - Vorinstanzaktenzeichen L 5 AL 1364/04
Vorinstanz: SG Heilbronn, vom 26.04.2002 - Vorinstanzaktenzeichen S 5 AL 16/01