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BVerfG - Entscheidung vom 19.12.2007

1 BvR 1821/02

Normen:
BGB § 1617a Abs. 2
EGBGB Art. 224 Abs. 1
GG Art. 6 Abs. 2

BVerfG, Beschluss vom 19.12.2007 - Aktenzeichen 1 BvR 1821/02

DRsp Nr. 2009/2975

Verfassungsmäßigkeit der Einschränkung der Namenserteilung nach Volljährigkeit eines Kindes

Der Anspruch eines Kindes auf eigene Wahl des Geburtsnamens ist nicht von seinem Persönlichkeitsrecht umfasst. Vielmehr ist das Namensbestimmungsrecht für ein Kind ein Wahlrecht der Eltern. Es ist daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn nach der geltenden Gesetzeslage eine Namenswahl eines volljährigen Abkömmlings nicht zulässig ist.

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Normenkette:

BGB § 1617a Abs. 2 ; EGBGB Art. 224 Abs. 1 ; GG Art. 6 Abs. 2 ;

Gründe:

I.

Die Beschwerdeführer wenden sich gegen die Ablehnung einer Namenserteilung sowie mittelbar gegen § 1617 a Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 224 § 3 Abs. 1 Satz 2 EGBGB .

Der 1979 geborene Beschwerdeführer zu 1) wurde im Geburtenbuch des Standesamts als Kind der Eheleute Z. eingetragen. Die Kindesmutter behielt auch nach der Ehescheidung den Namen Z. bei. Mit Urteil vom 19. Februar 1989 wurde festgestellt, dass der frühere Ehemann der Mutter nicht der leibliche Vater des Beschwerdeführers zu 1) war. Am 19. Dezember 1980 erkannte der Beschwerdeführer zu 2), K., die Vaterschaft an.

Nach Ausführungen der Beschwerdeführer sei der Beschwerdeführer zu 1) die ersten fünf Jahre in der Lebensgemeinschaft der Eltern aufgewachsen und habe nach deren Trennung im Jahre 1984 bei der Mutter gelebt. Nach Erreichen der Volljährigkeit sei er in den Haushalt des Beschwerdeführers zu 2) gewechselt. In seiner sozialen Umwelt werde er üblicherweise als "Herr K." angesprochen. Diesen Namen möchte er in Zukunft auch deshalb führen, um in die Kanzlei des Vaters eintreten und den Namen bei einer späteren Familiengründung weitergeben zu können. Eine im Jahre 2000 nach § 3 des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen beantragte Änderung des Familiennamens hatte keinen Erfolg.

Nachdem auch die Eintragung einer Namenserteilung durch die Mutter und den Beschwerdeführer zu 2) vom 15. November 2001, in die der Beschwerdeführer zu 1) eingewilligt hatte, durch das Standesamt abgelehnt, ein entsprechender Antrag auf Eintragung durch das Amtsgericht und die hiergegen erhobene Beschwerde durch das Landgericht zurückgewiesen wurden, erhoben die Beschwerdeführer fristgemäß Verfassungsbeschwerde.

Die Beschwerdeführer sind der Ansicht, dass eine Namenserteilung - entsprechend der bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Kindschaftsrechts (Kindschaftsrechtsreformgesetz - KindRG ) vom 16. Dezember 1997 (BGBl. I S. 2942 ) am 1. Juli 1998 gültigen Vorschrift des § 1618 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB - durch den Vater auch noch nach Volljährigkeit des Kindes möglich sein müsse. Sie rügen insbesondere die Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG , Art. 3 Abs. 1 und 2 , Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 1 GG sowie Art. 6 Abs. 1 und 2 GG . Es bestünden keine rechtfertigenden Gründe für den Ausschluss volljähriger Kinder von namensrechtlichen Optionen. Die geschützte Familienautonomie sei verletzt, weil dem volljährigen Kind ein Namenswechsel versagt werde. Der Vater werde in seinem Recht auf Weitergabe des Namens und in seinem Elternrecht verletzt; er werde in seinem Elternrecht im Vergleich zur Mutter überproportional zurückgesetzt. Der Gesetzgeber sei zwar nicht zur Namenseinheit verpflichtet, er dürfe jedoch einer gewünschten Namenseinheit keine ungerechtfertigten Hindernisse entgegen setzen. Für die Ersetzung der bis zum KindRG im Jahr 1998 möglichen Erteilung des Vatersnamens auch an volljährige Kinder nach § 1618 a.F. durch § 1617 a Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 224 § 3 Abs. 1 Satz 2 EGBGB bestünde keine sachliche Rechtfertigung. Der Gleichbehandlungsgrundsatz sei verletzt, weil für die rechtliche Differenzierung von minderjährigen und volljährigen Kindern keine Rechtfertigung erkennbar sei.

Der Beschwerdeführer zu 1) hat persönlich zur Verfassungsbeschwerde Stellung genommen und trägt vor, er wolle nicht den Namen des geschiedenen Ehemanns seiner Mutter tragen. Der Wunsch nach dem Namen des Vaters sei erst entstanden, als er erwachsen geworden sei. Die Loyalität zu seiner Mutter habe es ihm bis zur Antragstellung auf Namensänderung aber nicht erlaubt, deren Namen abzulegen. Als er sich - im Einverständnis mit seiner Mutter und seinem Vater - entschieden habe, habe er erfahren, dass es zu spät sei. Er hätte sich also als Jugendlicher entscheiden müssen, obwohl er damals nicht habe entscheiden können, weil er zu jung und nicht volljährig gewesen sei; später sei eine Namensänderung nicht mehr möglich gewesen. Dies bedeute für ihn, dass er nie die Wahl gehabt hätte, sich für den Namen seines Vaters zu entscheiden.

II.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise unzulässig und im Übrigen in der Sache ohne hinreichende Aussicht auf Erfolg.

1.

a)

Es kann dahinstehen, ob es dem Beschwerdeführer

zu 1) möglich und zumutbar war, sein Begehren nach Änderung des Familiennamens nach Eintritt seiner Volljährigkeit und damit noch vor dem Inkrafttreten der Kindschaftsrechtsreform am 1. Juli 1998 nach § 1618 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 a.F. BGB fachgerichtlich geltend zu machen.

b)

Die Verfassungsbeschwerde ist jedenfalls insoweit unzulässig, als die Beschwerdeführer die Verletzung von

Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 103 Abs. 1 GG rügen, aber nicht hinreichend substantiiert vorgetragen haben, wodurch diese Grundrechte verletzt sein könnten (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG ).

2.

Im Übrigen hat die Verfassungsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Weder die angegriffenen Entscheidungen noch die zugrundeliegende Regelung des § 1617 a Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 224 EGBGB verletzen die Beschwerdeführer in ihren Rechten aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG , Art. 3 Abs. 1 und 2 GG , Art. 6 Abs. 2 GG und Art. 6 Abs. 1 GG .

a)

Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG schützt den Geburtsnamen eines Menschen als Mittel zu seiner Identitätsfindung und Entwicklung der eigenen Individualität (vgl. BVerfGE 104, 373 <385> ). Vom Persönlichkeitsrecht des Kindes umfasst ist deshalb das Recht auf Namenserhalt als wesentliche Voraussetzung für die Entwicklung seiner Persönlichkeit. Dies betrifft den Vornamen wie den Familiennamen. Sieht die Rechtsordnung die Familiennamensführung vor, so ist dieser Name das Mittel, mit Hilfe dessen sich das Kind in ein Verhältnis zu anderen setzen lernt. Der Einzelne kann verlangen, dass die Rechtsordnung seinen Familiennamen respektiert (vgl. BVerfGE 104, 373 <384 ff.> ).

Dagegen ist ein Anspruch des Kindes auf eigene Wahl des Geburtsnamens nicht von seinem Persönlichkeitsrecht umfasst. Das Namensbestimmungsrecht für ein Kind ist ein Wahlrecht der Eltern (vgl. BVerfGE 104, 373 <384 ff.> ; vgl. auch BTDrucks 13/4899, S. 70 und 91; BTDrucks 13/8511, S. 73 f., Diederichsen, in: Palandt, BGB , 65. Aufl., § 1626 Rz. 10).

b)

Ebenso findet ein Recht auf Weitergabe des eigenen Namens an seine Nachkommen im Persönlichkeitsrecht der Eltern keine Grundlage, sodass der Ausschluss der Namenserteilung mit Eintritt der Volljährigkeit des Kindes den Beschwerdeführer zu 2) nicht in seinem Persönlichkeitsrecht verletzen kann (vgl. BVerfGE 104, 373 <392 f.> ).

c)

Eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 und 2 GG scheidet aus, weil die gesetzliche Pflicht zur Beibehaltung des am 1. Juli 1998 geführten Familiennamens weder an das Geschlecht noch den Familienstand eines Elternteils anknüpft und die Differenzierung zwischen minderjährigen und volljährigen Kindern bei der Möglichkeit der Namenserteilung ihre Rechtfertigung darin findet, dass mit der Volljährigkeit eines Kindes das Sorgerecht seiner Eltern und damit auch ihr Recht der Namenserteilung endet.

d)

Der Beschwerdeführer zu 2) kann sich aufgrund der vorliegend eingetretenen Volljährigkeit des Beschwerdeführers zu 1) auch nicht auf die Verletzung seines mit Art. 6 Abs. 2 GG geschützten Elternrechts berufen.

e)

Soweit die Beschwerdeführer die Verletzung von Art. 6 Abs. 1 GG rügen, sind weder die angegriffenen Entscheidungen noch die den Entscheidungen zu Grunde liegenden Vorschriften verfassungsrechtlich zu beanstanden.

aa)

Art. 6 Abs. 1 GG gebietet nicht die Wahl eines einheitlichen Familiennamens (vgl. BVerfGE 78, 38 <49>). Sieht der Gesetzgeber das Führen eines Familiennamens vor, dient dies allerdings dazu, der Wertung des Art. 6 Abs. 1 GG Ausdruck zu verleihen, Ehe und Familie in ihrer Einheit als Gemeinschaft zu schützen (vgl. BVerfGE 104, 373 <386> ).

Das Familiennamensrecht zu konstituieren und auszugestalten, ist Sache des Gesetzgebers (vgl. BVerfGE 78, 38 <49>). Soll der Familienname Funktionen der Zuordnung seines Namensträgers innerhalb eines Gemeinwesens erfüllen, kann seine Wahl nicht allein der freien Entscheidung des Einzelnen überlassen bleiben, sondern es bedarf Regeln, nach denen er vergeben wird oder ausgewählt werden kann, die auch die Belange der Allgemeinheit berücksichtigen. Die mit der Ausgestaltung des Familiennamensrechts vom Gesetzgeber verfolgten Ziele müssen in Einklang mit den Wertvorgaben der Verfassung und den Grundrechten der von ihr Betroffenen stehen und der Funktion des Familiennamens förderlich sein (vgl. BVerfGE 104, 373 <386> ). Insofern hat der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Familiennamensrechts auch das mit Art. 6 Abs. 2 GG geschützte Recht der Eltern und den Schutz des geführten Namens zu respektieren, der vom Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG umfasst ist (vgl. BVerfGE 104, 373 <385, 387> ).

Das Recht der Eltern, Sorge für ihr Kind zu tragen, umfasst auch das Recht, ihrem Kind einen Namen zu geben (vgl. BVerfGE 61, 358 <371 f.>; 75, 201 <218> ). Dies betrifft auch den Familiennamen respektive Geburtsnamen ihres Kindes im Rahmen ihrer Möglichkeit zur Namensführung und Namenswahl (vgl. BVerfGE 104, 373 <387> ).

bb)

Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber die Erteilung des Geburtsnamens für ein Kind an die elterliche Sorge gebunden hat und die Möglichkeit der Einbenennung mit Eintritt der Volljährigkeit des Kindes entfallen lässt.

(a)

Ist das Namensbestimmungsrecht der Eltern für ihr Kind Ausfluss ihres Rechts aus Art. 6 Abs. 2 GG , Sorge für ihr Kind zu tragen, endet dieses Recht mit der Volljährigkeit des Kindes. Auch der Schutz der Familie aus Art. 6 Abs. 1 GG begründet Eltern kein Recht, ihren erwachsenen Kindern einen anderen Geburtsnamen als Familiennamen zu geben, um damit die (neue) familiäre Einheit zum Ausdruck zu bringen.

Art. 224 § 3 Abs. 1 EGBGB stellt klar, dass sich für vor dem Stichtag geborenen Kinder keine Änderung des Geburtsnamens mehr ergeben und neues Recht nur für spätere Änderungen des Namens maßgeblich sein soll (BTDrucks 13/4899, S. 139). Der bereits geführte Geburtsname eines vor dem 1. Juli 1998 geborenen Kindes soll sich nicht durch das Inkrafttreten der §§ 1616 ff. BGB in der Fassung des Kindschaftsrechtsreformgesetzes ändern. Dies entspricht dem Prinzip der intertemporalen Kontinuität des Namens als eines unter früherem Recht erworbenen Rechts (Rauscher, in: Staudinger, 12. Aufl., 2000, Anhang zu § 1600 e ; Art. 224 , § 3 Abs. 1 EGBGB , Rz. 4,

S. 524).

(b)

Die Einschränkung der Möglichkeiten des Wechsels des Familiennamens mit Eintritt der Volljährigkeit rechtfertigt sich darüber hinaus mit dem öffentlichen Interesse an der Beibehaltung des bisherigen Namens. Zwar hat sich das Gewicht der sozialen Ordnungs- und Abstammungsfunktion des Namens durch die Änderungen des Namensrechts verringert. Jedoch ist die Funktion des Namens, den Einzelnen in seinen vielfältigen sozialen Beziehungen kontinuierlich erkennbar zu machen, nicht weggefallen und kann als Rechtfertigung für die Beibehaltung des Familiennamens angeführt werden.

Diesem Prinzip entspricht zum einen die im Rahmen des öffentlichrechtlichen Namensänderungsverfahrens (§ 3 NamÄndG ) für Unzuträglichkeiten im Einzelfall geschaffene Ausnahme der Namensänderung nur "aus wichtigem Grunde", zum anderen aber auch, dass der Gesetzgeber die in § 1617 a Abs. 2 BGB enthaltene Möglichkeit der Namenserteilung an die elterliche Sorge anknüpft und damit auf minderjährige Kinder begrenzt hat.

Damit hat der Gesetzgeber der sozialen Ordnungs- und Abstammungsfunktion des Namens sowie der Namenskontinuität in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Art und Weise Rechnung getragen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Vorinstanz: BayObLG, 1 ZBR 88/02 vom 14.08.2002,
Vorinstanz: LG München I, 16 T 4792/02 vom 27.05.2002,
Vorinstanz: AG München, vom 27.02.2002 - Vorinstanzaktenzeichen III 209/01