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BVerfG - Entscheidung vom 05.06.2007

1 BvR 1428/07

Normen:
BVerfGG § 32 Abs. 1
VersG §§ 1 ff

Fundstellen:
NJW 2007, 2172

BVerfG, Beschluss vom 05.06.2007 - Aktenzeichen 1 BvR 1428/07

DRsp Nr. 2007/10193

Ablehnung einer einstweiligen Anordnung gegen versammlungsrechtliche Entscheidungen betreffend Kundgebungen in der Umgebung des Flughafens Rostock-Laage im Zusammenhang mit dem G8-Gipfel

Normenkette:

BVerfGG § 32 Abs. 1 ; VersG §§ 1 ff ;

Gründe:

Gegenstand der am 4. Juni 2007 um 17:53 Uhr eingegangenen Verfassungsbeschwerde und des mit ihr verbundenen Eilantrags sind versammlungsrechtliche Entscheidungen, die sich auf eine am 5. Juni 2007 ab 10.00 Uhr geplante Veranstaltung im Zusammenhang mit der Durchführung des G8-Gipfels beziehen. Mit seinem Eilantrag begehrt der Beschwerdeführer die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen eine Allgemeinverfügung, die unter anderem in der Zeit vom 2. bis 8. Juni 2007 Versammlungen in einem Gebiet um den Flughafen Rostock-Laage verbietet. Unter dieses Versammlungsverbot fällt auch eine vom Beschwerdeführer geplante Veranstaltung an der militärischen Haupteinfahrt des Flughafens Rostock-Laage am 5. und 6. Juni 2007.

Der Beschwerdeführer will mit dieser und weiteren im Zusammenhang mit ihr stehenden, nach einer Einigung mit der Behörde möglichen Versammlungen gegen die Politik der Globalisierung, wie sie die G8 betreibe, protestieren. Diese lasse sich in letzter Konsequenz nur mit Repression und militärischer Gewalt gegen die Betroffenen durchsetzen. Diese Verbindung soll an dem Fliegerhorst Laage verdeutlicht werden, an dem einerseits ein bedeutsames Jagdbombergeschwader der Bundeswehr stationiert und der andererseits Landeflughafen der Gipfelteilnehmer sei.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist abzulehnen, da die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 BVerfGG nicht vorliegen.

Das Bundesverfassungsgericht ist im Rahmen des Eilrechtsschutzes grundsätzlich auf die Prüfung beschränkt, ob eine einstweilige Anordnung zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist (§ 32 Abs. 1 BVerfGG ). Eine umfassende Rechtmäßigkeitsprüfung der angegriffenen Entscheidung kann in diesem Zusammenhang nicht erfolgen.

1. Der von § 32 Abs. 1 BVerfGG für eine einstweilige Anordnung vorausgesetzte schwere Nachteil, den es abzuwenden gilt, lässt sich vorliegend nicht feststellen.

Auf der Grundlage des Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts ist dem Beschwerdeführer die Durchführung der geplanten Versammlung nicht vollständig verwehrt. Eine Kundgebung gegenüber der Einfahrt zur Hauptwache des Fliegerhorstes Laage darf durchgeführt werden, wenn auch nur mit höchstens 50 Teilnehmern. Daneben darf der Beschwerdeführer eine Kundgebung mit unbeschränkter Teilnehmerzahl auf dem jenseits der B 103 gelegenen Platz rund um die Buswendeschleife einschließlich der Buswendeschleife durchführen, der von der Einfahrt zur Hauptwache des Fliegerhorstes etwa 500 Meter entfernt liegt. Damit ist eine räumliche Nähe zu dem Anlass des Protests, dem Flughafen und den auf ihm erfolgenden Aktivitäten, hergestellt. Dass der Beschwerdeführer die Versammlung in einem erheblich geringeren räumlichen Abstand durchführen wollte, bedingt für sich allein einen schweren Nachteil nicht. Der durch diese Einschränkungen verursachte Nachteil wiegt auch deshalb nicht besonders schwer, weil die Buswendeschleife an der Einmündung der zu dem Fliegerhorst führenden Daimler-Benz-Allee liegt, so dass nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts die Kundgebung für Personen bemerkbar ist, die zu dem Fliegerhorst gelangen oder von ihm wegfahren wollen. Der Beschwerdeführer hat nicht dargelegt, warum dies nicht ausreicht, um einen schweren Nachteil auszuschließen.

2. Ob es geboten ist, zur Abwehr eines Nachteils im Sinne des § 32 Abs. 1 BVerfGG eine einstweilige Anordnung zu erlassen, richtet sich auch danach, welches Schutzgut in welcher Hinsicht und Intensität gefährdet ist und durch die angegriffenen Entscheidungen geschützt werden soll. Die Entscheidungen, gegen die Eilrechtsschutz begehrt wird, sind auf den Schutz hinreichend gewichtiger Rechtsgüter gerichtet.

Das Oberverwaltungsgericht stützt die weitgehende Versagung einstweiligen Rechtsschutzes in Abwägung mit dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit auf eine Prognose über die Wahrscheinlichkeit des Eintritts von Gefahren für die öffentliche Sicherheit. Vorliegend bedarf keiner Entscheidung, ob die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zu den betroffenen Schutzgütern der öffentlichen Sicherheit und zu dem Vorliegen hinreichender Anhaltspunkte für eine Gefahr den verfassungsrechtlichen Anforderungen in jeder Hinsicht entsprechen. Jedenfalls ist es aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden, dass das Oberverwaltungsgericht eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darin sieht, dass ohne versammlungsbeschränkende Maßnahmen die körperliche Unversehrtheit der im Flughafenbereich anwesenden Personen bedroht sei. Dafür wird zum einen auf die Gefahr körperlicher Übergriffe, zum anderen auf das Erfordernis verwiesen, ausreichende Rettungs- und medizinische Versorgungsmöglichkeiten vorzuhalten. Daneben kann auch das Anliegen, Störungen der staatlichen Veranstaltung - hier des G8-Gipfels - abzuwenden, versammlungsbeschränkende Maßnahmen grundsätzlich rechtfertigen.

Das Flughafengelände ist nach den vom Beschwerdeführer nicht angegriffenen Feststellungen der Behörde und der Gerichte lediglich von einem Maschendrahtzaun umgeben, dessen Überwindung keine größeren technischen Schwierigkeiten bereite. Die Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens habe nachvollziehbar dargelegt, dass es ihr angesichts der Größe des Flughafens und der begrenzten Anzahl der zur Verfügung stehenden Polizeibeamten nicht möglich sei, sowohl den Flughafen in seiner gesamten Ausdehnung zu schützen als auch die angemeldete Kundgebung direkt am Flughafen polizeilich so zu begleiten, dass Störungen des Flughafenbetriebs und damit verbundene Gefahren für die körperliche Unversehrtheit dort anwesender Personen sowie für die Durchführung der staatlichen Veranstaltung verhindert werden könnten. Zudem hat das Oberverwaltungsgericht auf die faktische Blockadewirkung verwiesen, die bei einer Durchführung im Bereich der Einfahrt zur Hauptwache des Fliegerhorstes von einer Versammlung, für die etwa 1.500 Personen erwartet würden, ausgehe. Durch eine solche Blockade würde insbesondere ein Rettungsweg versperrt, der aber bei einem Flughafen offen gehalten werden müsse. Darüber hinaus könnte eine Blockade dazu führen, dass anreisende Teilnehmer des G8-Gipfels über möglicherweise hinzunehmende Verzögerungen hinaus daran gehindert werden, an der von der Bundesregierung durchgeführten Veranstaltung vollumfänglich teilzunehmen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Vorinstanz: OVG Mecklenburg-Vorpommern, vom 04.06.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 3 M 59/07
Vorinstanz: VG Schwerin, vom 29.05.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 1 B 246/07
Fundstellen
NJW 2007, 2172