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BSG - Entscheidung vom 21.08.2007

B 3 P 18/07 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 § 160a Abs. 2 S. 3

BSG, Beschluss vom 21.08.2007 - Aktenzeichen B 3 P 18/07 B

DRsp Nr. 2007/21195

Zulässigkeit der Revision, Zweck der Nichtzulassungsbeschwerde

Bei der Nichtzulassungsbeschwerde ist der Zweck des Zulassungsgrundes des Verfahrensmangels die Sicherung einer verfahrensfehlerfreien Prozessführung und insoweit auch die Gewährleistung der Rechtseinheitlichkeit. Sie dient nicht dazu, die sachliche Richtigkeit der Entscheidung des Berufungsgerichts rechtlich nochmals in vollem Umfang zu überprüfen. [Nicht amtlich veröffentlichte Entscheidung]

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 § 160a Abs. 2 S. 3 ;

Gründe:

I. Die 1920 geborene, nach zwei Schlaganfällen erheblich behinderte Klägerin (GdB 100) bezog von der beklagten Pflegekasse ab 5.3.2003 Pflegegeld nach der Pflegestufe II. Seit dem 1.10.2005 erhält sie Pflegegeld nach der Pflegestufe III. Mit der Klage begehrte sie die Gewährung von Pflegegeld nach der Pflegestufe I für die Zeit vom 21.3.2002 (Antragstellung) bis zum 4.3.2003.

Das Sozialgericht hat der Klage für die Zeit vom 17.1.2003 bis zum 4.3.2003 nach Beweisaufnahme stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen (Urteil vom 13.7.2005). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin nach weiterer Beweisaufnahme zurückgewiesen (Urteil vom 2.5.2007), weil die zeitlichen Voraussetzungen der Pflegestufe I bis zum 16.1.2003 nicht erfüllt gewesen seien. Es sei insoweit dem Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 23.5.2002 zu folgen, das bis zum ersten Schlaganfall einen täglichen durchschnittlichen Grundpflegebedarf unterhalb der nach § 15 Abs 3 Nr 1 SGB XI erforderlichen Mindestgrenze von "mehr als 45 Minuten" ergeben habe.

Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG richtet sich die Beschwerde der Klägerin, die sie ausschließlich mit Verfahrensfehlern iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG begründet.

II. Die Beschwerde erfüllt nicht die Formerfordernisse der §§ 160 Abs 2 und 160a Abs 2 Satz 3 SGG und ist deshalb ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter nach § 160a Abs 4 Satz 2 iVm § 169 SGG als unzulässig zu verwerfen.

Ein Verfahrensfehler (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) ist nur dann formgerecht dargelegt, wenn die ihn begründenden Tatsachen im Einzelnen aufgeführt sind und - in sich verständlich - den geltend gemachten Mangel ergeben. Außerdem ist darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf dem Verfahrensmangel beruhen kann (BSG SozR 1500 § 160a Nr 10, 14). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

1) Die Klägerin rügt eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG ) und macht dazu geltend, das LSG habe nicht ohne weitere Sachaufklärung dem MDK-Gutachten folgen dürfen, nachdem der Sachverständige H. in seinem gerichtlichen Gutachten vom 4.11.2006 und auch die behandelnde Ärztin L. einen täglichen Grundpflegebedarf von mehr als 45 Minuten für den fraglichen Zeitraum bestätigt hätten. Insbesondere hätte der Sohn der Klägerin H. S. als Pflegeperson zum erforderlichen Pflegebedarf vernommen werden müssen. Außerdem hätte das LSG eine weitere Auskunft der Hausärztin L. einholen müssen. Wäre dies geschehen, hätte das LSG der Berufung der Klägerin stattgeben müssen. Dies reicht zur formgerechten Darlegung eines Verfahrensfehlers des LSG nicht aus.

Die Verletzung der Amtsermittlungspflicht kann nach der ausdrücklichen Regelung in § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nur auf die Übergehung eines Beweisantrages gestützt werden, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Dazu muss der Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG gestellt oder, falls er vorher schriftsätzlich niedergelegt war, aufrechterhalten worden sein (vgl Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG , 8. Aufl 2005, § 160 RdNr 18b mit Rechtsprechungsübersicht). Einen solchen Beweisantrag hat die Klägerin in der Beschwerdebegründung nicht bezeichnet. Ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 2.5.2007 ist ein Antrag auf Vernehmung des Sohnes der Klägerin als Zeuge oder ein sonstiger Beweisantrag nicht gestellt oder wiederholt worden. Auch im Urteil des LSG wird ein derartiger Beweisantrag nicht erwähnt.

2) Soweit das Vorbringen der Klägerin zugleich die Rüge einer unzulänglichen Beweiswürdigung enthält, ist ein Verfahrensmangel ebenfalls nicht formgerecht dargelegt. Eine Verfahrensrüge kann nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG gestützt werden.

3) Die von der Klägerin im Übrigen aufgeworfene Frage, ob das LSG den erforderlichen Zeitaufwand für die Grundpflege in dem hier streitigen Zeitraum zutreffend festgestellt hat und ob deshalb der Rechtsstreit im konkreten Einzelfall "richtig" entschieden worden ist, kann nicht Gegenstand dieses Verfahrens sein. Die Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, die sachliche Richtigkeit der Entscheidung des Berufungsgerichts rechtlich nochmals in vollem Umfang zu überprüfen. Zweck des Zulassungsgrundes des Verfahrensmangels ist vielmehr die Verfahrenskontrolle durch das Bundessozialgericht; es soll eine von Verfahrensfehlern freie Prozessführung gesichert und insoweit auch die Rechtseinheitlichkeit gewährleistet sein (vgl Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 4. Aufl 2005, IX. Kap RdNr 86 mwN).

4) Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Chemnitz, vom 02.05.2007 - Vorinstanzaktenzeichen L 1 P 19/05
Vorinstanz: SG Chemnitz, vom 13.07.2005 - Vorinstanzaktenzeichen S 8 P 26/03