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BSG - Entscheidung vom 04.06.2007

B 11a AL 153/06 B

Normen:
SGB III § 183 Abs. 1 S. 1
SGG § 183 S. 1 § 197a Abs. 1

BSG, Beschluss vom 04.06.2007 - Aktenzeichen B 11a AL 153/06 B

DRsp Nr. 2007/18135

Beteiligteneigenschaft eines Leistungsempfängers im sozialgerichtlichen Verfahren bei Abtretung des Leistungsanspruchs

Hat der Arbeitnehmer seinen Insolvenzgeldanspruch nach § 183 SGB III bereits während des Vorverfahrens abgetreten und wird im Rechtsstreit der Anspruch des Rechtsnachfolgers geltend gemacht, so ist er nicht in seiner Eigenschaft als Leistungsempfänger iS von § 183 S. 1 SGG am Rechtsstreit beteiligt. Hieran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Arbeitnehmer den Anspruch als gewillkürter Prozessstandschafter geltend macht. [Nicht amtlich veröffentlichte Entscheidung]

Normenkette:

SGB III § 183 Abs. 1 S. 1 ; SGG § 183 S. 1 § 197a Abs. 1 ;

Gründe:

Die Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen (§§ 160a Abs 4 Satz 2, 169 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), da die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise dargelegt bzw bezeichnet sind.

1. Der Vortrag des Beschwerdeführers, die Rechtssache sei von grundsätzlicher oder "grundlegender" Bedeutung, ist unzureichend. Denn die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) lässt sich nur darlegen, indem die Beschwerdebegründung ausführt, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; BVerwG NJW 1999, 304 ; vgl auch BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und gegebenenfalls des Schrifttums nicht ohne weiteres zu beantworten ist und den Schritt darzustellen, der die Entscheidung der als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfrage durch das Revisionsgericht notwendig macht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung des Klägers nicht.

Der Beschwerdeführer versäumt es bereits, eine verallgemeinerungsfähige Rechtsfrage mit über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung eindeutig zu formulieren. Soweit er dem Landessozialgericht (LSG) vorhält, dieses wolle dem Erwerber eines Geschäftsbetriebes - im vorliegenden Fall der Beigeladenen - "die insolvenzrechtlichen Haftungseinschränkungen versagen", wenn eine Betriebsveräußerung eine Betriebsübernahme vor Insolvenzeröffnung verabrede, letztere aber erst nach Eröffnung vollzogen werde, fehlt es an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit der vom LSG herangezogenen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG), insbesondere Urteil vom 8. November 1988, BAGE 60, 118 ff (siehe im Einzelnen Seite 12 des Urteils des LSG). Der in der Beschwerdebegründung allein gegebene Hinweis auf die Kommentierung von Palandt zu § 613a Bürgerliches Gesetzbuch ( BGB ) ist zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit unzureichend und vermag die erforderliche Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BAG nicht zu ersetzen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21).

Im Übrigen fehlen auch nachvollziehbare Ausführungen zur Klärungsfähigkeit. Denn der Beschwerdeführer zeigt nicht schlüssig auf, dass in einem Revisionsverfahren durch das Bundessozialgericht (BSG) über eine etwa dem Gesamtvorbringen zu entnehmende Rechtsfrage zur Auslegung des § 613a BGB unter Zugrundelegung der - für die Beurteilung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung maßgeblichen - tatsächlichen Feststellungen des LSG notwendiger Weise zu entscheiden wäre. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach den Ausführungen des BAG in der erwähnten Entscheidung vom 8. November 1988 (BAGE 60, 118 ) für einen Betriebsübergang der Zeitpunkt maßgebend ist, zu dem der Erwerber in die technische Leitungsmacht des Betriebes eintritt (aaO RdNr 14), und dass das LSG unter Hinweis auf diese Rechtsprechung des BAG ausgeführt hat, eine rechtsgeschäftliche Übertragung der Leitungsmacht sei spätestens zu Arbeitsbeginn am 2. Januar 2002 und damit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten (Seite 12 des angefochtenen Urteils). Unklar bleibt deshalb, inwiefern unter den vom LSG konkret festgestellten tatsächlichen Umständen noch einer Entscheidung über die in der Beschwerdebegründung dargestellte Problematik zur "insolvenzrechtlichen Haftungseinschränkung" erforderlich sein soll. Soweit die Ausführungen der Beschwerdebegründung im Kern darauf ausgerichtet sind, die Richtigkeit der Entscheidung des LSG in der Hauptsache zu beanstanden, ist darauf hinzuweisen, dass im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nicht darüber zu befinden ist, ob das LSG im Ergebnis zutreffend entschieden hat oder nicht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 7; stRspr).

2. Der Vortrag des Beschwerdeführers, das Urteil des LSG beruhe auch auf einer Abweichung (von) "der ständigen Rechtsprechung" des BSG und des BAG, wird nicht näher erläutert. Damit sind die Erfordernisse des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG unabhängig davon, dass nach § 160 Abs 2 Nr 2 SGG eine Abweichung von Rechtsprechung des BAG nicht zur Zulassung der Revision zum BSG führen kann, eindeutig nicht beachtet.

3. Ebenfalls nicht den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG entsprechend bezeichnet ist der geltend gemachte Verfahrensmangel im Sinne des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG . Der Vortrag des im Berufungsverfahren rechtskundig vertretenen Beschwerdeführers, das LSG sei dem schriftsätzlich gestellten Beweisantrag auf Vernehmung des Zeugen K ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt und es habe auch, obwohl es zunächst über eine Ladung des Zeugen informiert habe, in der mündlichen Verhandlung keinen Hinweis zur Entbehrlichkeit der Zeugeneinvernahme gegeben, reicht nicht aus. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des BSG muss eine Nichtzulassungsbeschwerde, die damit begründet wird, das Berufungsgericht sei einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt, aufzeigen, dass der Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung protokolliert oder im Urteilstatbestand aufgeführt ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 64; SozR 3-1500 § 160 Nr 9, Nr 29 und Nr 31, jeweils mwN). Ein Beweisantrag, der mit der Rüge der Verletzung des § 103 SGG zur Zulassung der Revision führen kann, muss also ein Beweisantrag im Sinne dieser Vorschrift sein, also unzweifelhaft erkennen lassen, dass eine weitere Sachaufklärung von Amts wegen für erforderlich gehalten wird (sogenannte "Warnfunktion"). Das danach erforderliche Vorbringen - insbesondere Aufrechterhaltung eines früher gestellten Beweisantrages in der mündlichen Verhandlung - lässt sich der Beschwerdebegründung nicht entnehmen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 29; SozR 4-1500 § 160a Nr 9 RdNr 15). Soweit der Beschwerdeführer die Verletzung einer Hinweispflicht rügt, ist zu beachten, dass das Berufungsgericht nicht verpflichtet ist, auf die Stellung eines Beweisantrages hinzuwirken, dh ein Beschwerdeführer, der keinen ordnungsgemäßen Beweisantrag gestellt hat, kann nicht über den Umweg der Rüge einer Verletzung der §§ 106 oder 112 SGG die Zulassung der Revision erreichen (BSG SozR 1500 § 160a Nr 34, 56, stRspr; vgl auch Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 1990, RdNr 217).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung ( VwGO ). Weder der Kläger noch die Beklagte sind in kostenrechtlicher Hinsicht nach Maßgabe des § 183 SGG privilegiert. Insbesondere ist der Kläger nicht in seiner Eigenschaft als Leistungsempfänger am Rechtsstreit beteiligt (§ 183 Satz 1 SGG ). Denn der Kläger trägt selbst vor, er habe schon während des Vorverfahrens seinen Anspruch auf Insolvenzgeld an die beigeladene GmbH abgetreten; im Rechtsstreit geltend gemacht wird also der Anspruch des Rechtsnachfolgers - keines Sonderrechtsnachfolgers - eines Leistungsempfängers. Ein Fall des § 183 Satz 2 SGG liegt nicht vor. Auch die Tatsache, dass der Kläger den Anspruch der GmbH als gewillkürter Prozessstandschafter geltend macht, vermag nichts daran zu ändern, dass er nicht in seiner Eigenschaft als Leistungsempfänger am Rechtsstreit beteiligt ist (vgl auch BSG SozR 4-1500 § 197a Nr 4 RdNr 3).

Vorinstanz: LSG Nordrhein-Westfalen, vom 19.07.2006 - Vorinstanzaktenzeichen L 12 AL 12/05
Vorinstanz: SG Düsseldorf, vom 08.11.2004 - Vorinstanzaktenzeichen S 3 AL 109/02