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BSG - Entscheidung vom 16.05.2007

B 11b AS 27/06 R

Normen:
AlgIIV § 1 Abs. 1
GG Art. 1 Abs. 1 Art. 2 Abs. 1 Art. 20 Abs. 1
SGB II § 11 Abs. 1 S. 1 § 11 Abs. 3 § 20 Abs. 1 S. 1 § 20 Abs. 2 § 20 Abs. 3 S. 1 § 21 Abs. 5 § 22 Abs. 1 S. 1 § 23 § 9 Abs. 2 S. 1 § 9 Abs. 2 S. 3
SGG § 103

BSG, Urteil vom 16.05.2007 - Aktenzeichen B 11b AS 27/06 R

DRsp Nr. 2007/18137

Anspruch auf Arbeitslosengeld II, Verfassungsmäßigkeit der Regelleistungshöhe und der Berücksichtigung von Einkommen, Anrechnung von Rentenzahlbeträgen

1. Gegen die Höhe der in § 20 Abs. 2 und Abs. 3 SGB II gesetzlich festgelegten Regelleistung und die Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen zur Sicherung des Lebensunterhalts bestehen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. 2. Als Einkommen sind nach § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II grundsätzlich alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert zu berücksichtigen. Dazu gehören auch Rentenzahlbeträge, ohne dass eine Privilegierung nach § 11 Abs. 3 SGB II oder nach § 1 Abs. 1 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung eingreift (hier: eine Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit und eine betriebliche Invaliditätsrente). [Nicht amtlich veröffentlichte Entscheidung]

Normenkette:

AlgIIV § 1 Abs. 1 ; GG Art. 1 Abs. 1 Art. 2 Abs. 1 Art. 20 Abs. 1 ; SGB II § 11 Abs. 1 S. 1 § 11 Abs. 3 § 20 Abs. 1 S. 1 § 20 Abs. 2 § 20 Abs. 3 S. 1 § 21 Abs. 5 § 22 Abs. 1 S. 1 § 23 § 9 Abs. 2 S. 1 § 9 Abs. 2 S. 3 ; SGG § 103 ;

Gründe:

I. Streitig ist die Höhe der von der Beklagten bewilligten Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2005.

Der 1948 geborene Kläger zu 1. hatte bis zum 31. Dezember 2004 Arbeitslosenhilfe (Alhi) in Höhe von 255,78 EUR wöchentlich bezogen. Seine 1953 geborene Ehefrau, die Klägerin zu 2., erhielt im streitigen Zeitraum eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in Höhe eines Zahlbetrags von 913,91 EUR und eine betriebliche Invaliditätsrente von 85,00 EUR monatlich. Für ihre gemeinsame Mietwohnung zahlten die Kläger monatlich eine Kaltmiete von 348,19 EUR sowie Nebenkosten von insgesamt 54,76 EUR. Hinzu kam eine Zahlung von 5,11 EUR für einen Kfz-Stellplatz. Außerdem hatten die Kläger Energiekosten zu zahlen, die sich auf monatlich 91,00 EUR für Gas und 41,00 EUR für Strom beliefen. Für private Versicherungen wandten die Kläger Beiträge für Krankenzusatzversicherungen neben der gesetzlichen Krankenversicherung sowie Beiträge für Privathaftpflicht-, Fahrzeug-, Hausrat- und Rechtsschutzversicherungen auf.

Auf einen am 13. August 2004 gestellten Antrag bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 23. Dezember 2004 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von 147,58 EUR monatlich für Unterkunft und Heizung. Sie ging hierbei aus von einem Bedarf für den Lebensunterhalt in Höhe von 622,00 EUR (2 x 311,00 EUR) und von einem Unterkunftsbedarf in Höhe von 478,78 EUR, nämlich 348,19 EUR Kaltmiete, 54,76 EUR Nebenkosten und 75,83 EUR Heizung (91,00 EUR für Gas abzüglich 1/6 [15,17 EUR] für die Warmwasserbereitung). Bei dem so errechneten Gesamtbedarf in Höhe von 1.100,78 EUR rechnete die Beklagte Einkommen der Klägerin zu 2. von 953,20 EUR monatlich an. Den wegen der Höhe der Leistungen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 2005 zurück.

Klage und Berufung blieben erfolglos (Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 17. August 2005; Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts [LSG] vom 18. Mai 2006). Das LSG hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig, weil kein Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld II (Alg II) für die streitige Zeit bestehe. Die Bemessung des Bedarfs zur Sicherung des Lebensunterhaltes stimme mit den gesetzlichen Vorschriften überein, gegen die ihrerseits keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken bestünden. Die geltend gemachten Aufwendungen, zum Beispiel für private Versicherungen, führten nicht zu einer Erhöhung des Bedarfs, sondern seien mit dem Regelsatz abgegolten. Wegen der Berechnung der Kosten für Unterkunft und Heizung werde auf die Ausführungen im Schreiben der Beklagten vom 24. Februar 2005 und im Widerspruchsbescheid Bezug genommen. Die dabei vorgenommene Anrechnung von Rentenleistungen der Klägerin zu 2. entspreche dem Gesetz und sei nicht zu beanstanden. Die Beklagte habe die Kosten für Unterkunft und Heizung auch zutreffend berechnet. Die Kosten für die Erwärmung von Wasser hätten sich dabei nicht bedarfserhöhend auswirken können, weil sie bereits im Regelsatz berücksichtigt seien.

Mit den vom LSG zugelassenen Revisionen rügen die Kläger, dass die in § 20 Abs 1 SGB II bestimmten Regelleistungen mit Art 20 Grundgesetz ( GG ) iVm Art 2 Abs 1 GG unvereinbar seien. Sie seien für eine Lebensführung auf dem Niveau des soziokulturellen Minimums unangemessen niedrig und im Gesetzgebungsverfahren weder nachvollziehbar begründet noch methodisch richtig und nach rechtsstaatlichen Grundsätzen festgelegt worden. Eine sorgfältige Ermittlung des soziokulturellen Minimums hätte höhere Regelsätze zur Folge haben müssen, wobei ein Betrag von 627,00 EUR in Betracht komme.

Die Kläger beantragen,

die Urteile des Landessozialgerichts und des Sozialgerichts aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 23. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2005 zu verurteilen, den Klägern Arbeitslosengeld ab 1. Januar 2005 unter Zugrundelegung eines Regelsatzes von 627,00 EUR monatlich zu gewähren,

hilfsweise,

das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht gemäß Art 100 Grundgesetz zur Entscheidung vorzulegen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

II. Die zulässige Revision ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).

1. Zu entscheiden ist über die Revisionen beider Kläger (vgl Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 8/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 1 RdNr 11 ff und 24 ff; zustimmend ua Senatsurteil vom 23. November 2006 - B 11b AS 3/06 R, RdNr 11). Denn nach den Regelungen des SGB II (im vorliegenden Fall - soweit von Bedeutung - anwendbar in der am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Fassung durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003, BGBl I 2954, sowie durch das Kommunale Optionsgesetz vom 30. Juli 2004, BGBl I 2014) betrifft der Rechtsstreit materiell auch die Klägerin zu 2., weil sie als Ehefrau des Klägers zu 1. mit diesem zusammenlebt und deshalb mit ihm eine Bedarfsgemeinschaft bildet (§ 7 Abs 3 Nr 3 Buchst a SGB II), und weil sie nach der angegriffenen Verwaltungsentscheidung ebenso wie der Kläger zu 1. wenigstens einen individuell zu ermittelnden (anteiligen) Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung hat (vgl BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 10/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 2 RdNr 17).

In der Sache ist im Rahmen des vorliegenden Höhenstreits - ohne Rücksicht auf etwaige Bewilligungsbescheide für Folgezeiträume - nur über die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 23. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2005 zu befinden, durch den über Leistungen für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2005 entschieden wurde (vgl Urteile des BSG vom 7. November 2006 - B 7b AS 10/06 R, aaO, RdNr 11 und B 7b AS 14/06 R RdNr 30 sowie vom 23. November 2006 - B 11b AS 9/06 R, RdNr 13 f und B 11b AS 3/06 R RdNr 14; zur Abgrenzung im Falle der Leistungsablehnung vgl Senatsurteil vom 23. November 2006 - B 11b AS 1/06 R, RdNr 19). Der Senat hat insoweit bereits klargestellt, dass - unabhängig von im vorliegenden Verfahren nicht erhobenen Revisionsrügen - Bescheide über Folgezeiträume nicht in entsprechender Anwendung des § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens werden (BSG, Urteil vom 23. November 2006 - B 11b AS 9/06 R - RdNr 14).

2. Im Rahmen der erhobenen kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage sind die Leistungsansprüche unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen. Dem steht nicht entgegen, dass die Kläger im Revisionsverfahren nur noch die Verletzung von Verfassungsrecht geltend gemacht haben. Hierbei sind nach der Rechtsprechung des Senats auch für Ansprüche auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu überprüfen (BSG Urteil vom 23. November 2006 - B 11b AS 9/06 R, RdNr 16).

a) Leistungsberechtigt sind nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II erwerbsfähige Hilfebedürftige, nämlich Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Nr 1), erwerbsfähig sind (Nr 2), hilfebedürftig sind (Nr 3) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr 4). Nähere Bestimmungen dazu sind in § 8 SGB II (Erwerbsfähigkeit) und in § 9 SGB II (Hilfebedürftigkeit) getroffen. Die Hilfebedürftigkeit wiederum hängt weiter davon ab, inwieweit einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen die Aufnahme einer Arbeit zumutbar ist (§ 10 SGB II) und inwieweit zur Deckung des Bedarfs einzusetzendes Einkommen (§ 11 SGB II) oder Vermögen (§ 12 SGB II) vorhanden sind. Den vom LSG getroffenen Feststellungen ist noch mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass der Kläger zu 1. zum Kreis der Leistungsberechtigten gehört. Die mit dem Kläger zu 1. in einer Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs 3 Nr 3 Buchst a SGB II) zusammenlebende Klägerin zu 2., die eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit und eine zeitlich begrenzte betriebliche Invaliditätsrente bezieht, erfüllt jedenfalls die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Sozialgeld (§ 28 SGB II), wovon auch die Beklagte ausgegangen ist.

b) Beim Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige nach § 19 Satz 1 SGB II als Alg II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (Nr 1) sowie unter den Voraussetzungen des § 24 einen befristeten Zuschlag (Nr 2). Leistungen erhalten nach § 7 Abs 2 Satz 1 SGB II auch Personen, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft (hierzu: Abs 3 derselben Vorschrift) leben. Nicht erwerbsfähige Angehörige, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben, erhalten nach § 28 Abs 1 SGB II Sozialgeld, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches haben (Satz 1). Das Sozialgeld umfasst ggf die sich aus § 19 Satz 1 Nr 1 ergebenden Leistungen (Satz 2).

Die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils zur Höhe der Leistungen genügen für eine Prüfung durch das Revisionsgericht nicht. Hierzu muss der berücksichtigungsfähige Bedarf der Kläger iS der §§ 19 - 23 SGB II dem auf sie entfallenden Anteil am Einkommen der Bedarfsgemeinschaft (§§ 9, 11 SGB II) gegenübergestellt werden.

Den Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts hat die Beklagte allerdings zutreffend mit 622,00 EUR (2 x 311,00 EUR) bemessen. Die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts bestimmt sich im vorliegenden Fall nach § 20 Abs 3 Satz 1 SGB II. Nach dieser Vorschrift beträgt die Regelleistung jeweils 90 vH der Regelleistung nach Abs 2, wenn zwei Angehörige der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet haben. Die monatliche Regelleistung nach § 20 Abs 2 SGB II in der bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassung beträgt in den alten Bundesländern 345,00 EUR. Danach betragen die Regelsätze für die in Bayern lebenden Kläger (gerundet) jeweils 311,00 EUR (90 vH von 345,00 EUR = 310,50 EUR), was sich mit der Bedarfsbemessung durch die Beklagte deckt.

Hingegen kann auf Grund der getroffenen Feststellungen nicht beurteilt werden, ob tatsächliche Umstände vorliegen, die eine Grundlage für Ansprüche auf Leistungen für Mehrbedarfe beim Lebensunterhalt (§ 21 SGB II) oder für unabweisbare Bedarfe oder Sonderbedarfe (§ 23 SGB II) bilden könnten. Eine derartige Prüfung durch das LSG ist schon deshalb angezeigt, weil die Klägerin zu 2. als Rentnerin und Behinderte ausweislich der vom LSG in Bezug genommenen Verwaltungsakten unter Vorlage eines ärztlichen Attests vom 14. Januar 2005 ua geltend gemacht hat, dass im Hinblick auf Allergien besondere krankheitsbedingte Aufwendungen entstünden.

Nicht beurteilt werden kann ferner, ob die Beklagte den Unterkunftsbedarf (§ 22 SGB II) zutreffend berücksichtigt hat. Hierzu verlangt der Senat bei Mietobjekten zumindest eine Aufschlüsselung nach Miet-, Heizungs- und sonstigen Nebenkosten. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen kann nicht nachvollzogen werden, ob der von der Beklagten im Ausgangsbescheid angenommene Gesamtbedarf in Höhe von 478,78 EUR zutrifft. Darauf hinzuweisen ist, dass sich insbesondere Unklarheiten hinsichtlich des für die Warmwasserbereitung abgesetzten Teilbetrages in Höhe von 15,17 EUR ergeben. Unabhängig von der Frage, ob diese Kosten in der Regelleistung nach § 20 Abs 1 SGB II enthalten sind oder nicht (s dazu Urteil des Senats vom 23. November 2006 - B 11b AS 1/06 R, RdNr 27), dürfte diese Kürzung bei den Heizungskosten allerdings rein rechnerisch dadurch ausgeglichen worden sein, dass die Beklagte in ihrem Ausgangsbescheid alle im Mietvertrag der Kläger (Bl 8 der Verwaltungsakten) aufgeführten Nebenkosten von insgesamt 54,76 EUR (36,35 EUR und 18,41 EUR) übernommen hat. Bei der Nebenkostenvorauszahlung in Höhe von 18,41 EUR handelte es sich allerdings - wie die Kläger schon im Verwaltungsverfahren vorgetragen haben (Bl 48) - um die Kosten der Warmwasserbereitung. Deshalb dürften die Kläger durch die Kürzung der Heizkosten in Höhe von 15,17 EUR, selbst wenn sie fehlerhaft gewesen sein sollte, im Ergebnis keinen Nachteil erlitten haben und insoweit durch den angefochtenen Bescheid der Beklagten nicht beschwert sein. Der Verfügungssatz des Ausgangsbescheides (mit einem zu Grunde gelegten Betrag von 478,78 EUR für Unterkunft und Heizungskosten) ist durch den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 6. Mai 2005, der bei der dortigen Neuberechnung des Bedarfs der Kläger keine Kürzung der Heizungskosten um einen Anteil für Warmwasseraufbereitung mehr vorsieht, nicht geändert worden.

c) Auf den noch festzustellenden Bedarf ist das Einkommen anzurechnen. Denn Hilfebedürftigkeit besteht nur, wenn der Lebensunterhalt einer Bedarfsgemeinschaft nicht oder nicht ausreichend aus zu berücksichtigendem Einkommen gesichert werden kann (§ 9 Abs 1 SGB II). Bei Personen, die - wie die Kläger - in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ist dabei auch Einkommen des nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten zu berücksichtigen (§ 7 Abs 3 Nr 3 Buchst a, § 9 Abs 2 Satz 1 SGB II). Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig (§ 9 Abs 2 Satz 3 SGB II).

Die Beklagte hat die von der Klägerin zu 2. bezogene Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit in Höhe des Zahlbetrages sowie die betriebliche Invaliditätsrente als Einkommen berücksichtigt. Gegen die Berücksichtigung der genannten Renten lassen sich keine durchgreifenden Einwendungen erheben. Denn als Einkommen sind nach § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II - von hier ersichtlich nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen - grundsätzlich alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert zu berücksichtigen. Dazu gehören auch Rentenzahlbeträge, ohne dass eine Privilegierung nach § 11 Abs 3 SGB II oder nach § 1 Abs 1 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (Alg II-V) eingreift (vgl Senatsurteil vom 23. November 2006 - B 11b AS 1/06 R, RdNr 35 - zur Altersrente). § 11 SGB II regelt die Berücksichtigung von Einkommen im Wesentlichen wie das Sozialhilferecht (vgl BT-Drucks 15/1516 S 53). Nach § 76 Abs 1 Bundessozialhilfegesetz waren Renten wegen Erwerbsunfähigkeit in vollem Umfang als Einkünfte zu berücksichtigen. Auch im bisherigen Recht der Alhi galt insoweit nichts anderes (vgl BSG SozR 3-4100 § 138 Nr 12 S 64). Die Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen unterliegen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (Senat aaO, RdNr 55). Dies gilt auch, soweit die Klägerin zu 2. im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung durch § 9 Abs 2 Satz 3 SGB II in den Kreis der Hilfebedürftigen und damit Leistungsberechtigten nach dem SGB II einbezogen wird (vgl BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 8/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 1 RdNr 15).

3. Auch die von den Revisionsklägern geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die gesetzliche Festlegung der Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts teilt der Senat nicht. Insbesondere konnte sich der Senat nicht davon überzeugen, dass die in § 20 Abs 2 und 3 SGB II gesetzlich festgelegte Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts verfassungswidrig zu niedrig ist. Insoweit wird auf die Ausführungen des erkennenden Senats in seiner Entscheidung vom 23. November 2006 - B 11b AS 1/06 R - (zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen) verwiesen. In dieser Entscheidung hat der Senat im Übrigen auch zu der in der Revisionsbegründung nicht problematisierten Frage eines Verstoßes der Abschaffung der Alhi durch Art 3 und 61 des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt ohne Übergangsregelung dargelegt, warum er einen Verstoß gegen höherrangiges Recht nicht zu erkennen vermag. Dabei ist auch berücksichtigt worden, dass - wie der vorliegende Sachverhalt deutlich macht - durch den Systemwechsel vor allem jene früheren Bezieher von Alhi finanzielle Einbußen erlitten haben, die einstmals ein relativ hohes Erwerbseinkommen bezogen hatten (vgl BSG, Urteil vom 23. November 2006 - B 11b AS 3/06 R - RdNr 43).

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

Vorinstanz: LSG Bayern, vom 18.05.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 11 AS 111/05
Vorinstanz: SG Nürnberg, vom 17.08.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 8 AS 156/05