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BGH - Entscheidung vom 24.05.2007

IX ZR 41/05

Normen:
StPO § 111c Abs. 5 § 111g Abs. 2, 3
InsO § 80 Abs. 2

Fundstellen:
BGHReport 2007, 942
DZWIR 2007, 385
MDR 2007, 1157
NJW 2007, 3350
NZI 2007, 450
Rpfleger 2007, 624
WM 2007, 1338
ZIP 2007, 1338
ZInsO 2007, 709
ZfIR 2007, 555

BGH, Urteil vom 24.05.2007 - Aktenzeichen IX ZR 41/05

DRsp Nr. 2007/11500

Wirksamkeit der strafprozessualen Beschlagnahme von Geld in der Insolvenz des Beschuldigten

»Die Beschlagnahme eines Gegenstandes nach § 111c Abs. 1 bis 4 StPO hat im Insolvenzverfahren keine Wirkung.«

Normenkette:

StPO § 111c Abs. 5 § 111g Abs. 2 , 3 ; InsO § 80 Abs. 2 ;

Tatbestand:

Der Kläger ist Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen des W. (fortan: Schuldner). Dieser hatte den Beklagten im Jahre 2001 unter Vorspiegelung günstiger Anlagemöglichkeiten um 5.750.000 DM betrogen. Am 16. November 2001 ordnete das Amtsgericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft den dinglichen Arrest gemäß § 111d StPO in das Vermögen des Schuldners an. Am 4. Dezember 2001 gab die Staatsanwaltschaft einen Grundschuldbrief des Schuldners über 2.000.000 EUR bei der Gerichtskasse in Verwahrung. Die Grundschuld war von der Eigentümerin der im Grundbuch von Duisburg auf Blatt ... eingetragenen Eigentumswohnung als Eigentümerbriefgrundschuld bewilligt, unter der laufenden Nr. 5 in Abteilung III eingetragen und sodann an den Schuldner abgetreten worden.

Am 25. Januar 2002 erwirkte der Beklagte gegen den Schuldner ein Vorbehaltsurteil über 3.500.000 US-$. Am 4. Februar 2002 pfändete das Land Nordrhein-Westfalen (fortan: Land) die Grundschuld sowie den Anspruch des Schuldners auf Herausgabe des Grundschuldbriefs. Mit Beschluss vom 12. Februar 2002 ließ das Amtsgericht gemäß § 111g Abs. 2 StPO die Zwangsvollstreckung des Beklagten in die Grundschuld zu. Am 4. März 2002 erwirkte der Beklagte einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss hinsichtlich der Grundschuld, der am 11. März 2002 zugestellt wurde. Das Grundstück wurde am 8. Januar 2003 zwangsversteigert; der Beklagte erhielt einen Anteil von 791.772,41 EUR vom Versteigerungserlös.

Bereits am 8. März 2002 hatte ein anderer Gläubiger die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners beantragt. Das Verfahren wurde am 31. Oktober 2002 eröffnet. Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt der Kläger Auskehrung der 791.772,41 EUR nebst Zinsen aus ungerechtfertigter Bereicherung, hilfsweise aus Insolvenzanfechtung. In den Vorinstanzen hatte die Klage Erfolg. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision will der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage erreichen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision bleibt ohne Erfolg.

I. Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB bejaht. Der Beklagte sei nicht zu einer abgesonderten Befriedigung aus dem Grundstück berechtigt gewesen, weil die Pfändung der Grundschuld gemäß § 88 InsO mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unwirksam geworden sei. Auf die früheren Anordnungen könne der Beklagte sich nicht berufen. Zwar wirke die Beschlagnahme eines Gegenstandes gemäß § 111c Abs. 5 StPO wie ein Veräußerungsverbot. Es handele sich jedoch nicht um ein absolutes, sondern um ein relatives Verbot, das im Insolvenzverfahren gemäß § 80 Abs. 2 InsO keine Wirkung zeige.

II. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand. Der Beklagte hat den Anteil am Versteigerungserlös in Höhe von 791.772,41 EUR auf Kosten des Klägers ohne rechtlichen Grund erlangt. Dem Beklagten stand kein Absonderungsrecht zu, das ihm im Verhältnis zur Gesamtheit der Gläubiger das Recht, die Grundschuld zu verwerten, zugewiesen hätte.

1. Gemäß § 88 InsO wird nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Sicherheit unwirksam, welche der Insolvenzgläubiger im letzten Monat vor dem Eröffnungsantrag oder nach diesem Antrag durch Zwangsvollstreckung an dem zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögen erlangt hat. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Der Beklagte hat eine Grundschuld gepfändet. Nach § 857 Abs. 6 , § 830 Abs. 1 und 2 ZPO ist die Pfändung einer Briefgrundschuld mit Erlass des Pfändungsbeschlusses und Übergabe des Briefs an den Gläubiger bewirkt; wird der Pfändungsbeschluss vor der Übergabe des Briefes dem Drittschuldner zugestellt, so gilt die Pfändung diesem gegenüber vom Zeitpunkt der Zustellung an. Im vorliegenden Fall kann die Pfändung nicht vor dem 4. März 2002 - dem Datum des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses - wirksam geworden sein. Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist bereits am 8. März 2002 gestellt worden.

2. Entgegen der Ansicht des Beklagten kann die Pfändung der Grundschuld nicht gemäß oder entsprechend § 111g Abs. 3 , § 111c StPO auf den Zeitpunkt der Beschlagnahme der Grundschuld durch das Land zurückbezogen werden.

a) Allerdings sind die tatbestandlichen Voraussetzungen der genannten Vorschriften erfüllt. Die Grundschuld ist gemäß § 111c Abs. 3 Satz 1 StPO in der Fassung vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe und der Vermögensabschöpfung von Straftaten vom 24. Oktober 2006 (BGBl I S. 2350) am 1. Januar 2007 durch die am 4. Februar 2002 bewirkte Pfändung zugunsten des Landes beschlagnahmt worden. Die Zwangsvollstreckung des Beklagten in die Grundschuld ist mit Beschluss vom 12. Februar 2002 zugelassen worden (§ 111g Abs. 2 StPO ). Gemäß § 111g Abs. 3 Satz 1 StPO wirkte das aus der vom Land veranlassten Beschlagnahme folgende Veräußerungsverbot nach § 111c Abs. 5 StPO vom Zeitpunkt der Beschlagnahme an auch zugunsten des Beklagten.

b) Die in § 111g Abs. 3 Satz 1 StPO angeordnete Rückwirkung gilt jedoch nur für das Veräußerungsverbot gemäß § 111c Abs. 5 StPO , nicht auch für das im Wege der Zwangsvollstreckung erlangte Pfändungspfandrecht an der Grundschuld. Der Wortlaut der Vorschrift ist eindeutig. Für eine teleologische Erweiterung ihres Anwendungsbereichs ist angesichts dessen kein Raum (Breuer, KTS 1995, 1, 12).

c) Das Veräußerungsverbot gemäß § 111c Abs. 5 StPO , auf das sich der Beklagte gemäß § 111g Abs. 3 Satz 1 StPO beziehen könnte, verliert mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners seine Wirkung.

aa) Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 InsO ist ein gegen den Schuldner bestehendes Veräußerungsverbot, das nur den Schutz bestimmter Personen bezweckt (§§ 135 , 136 BGB ), im eröffneten Insolvenzverfahren ohne Wirkung. Die Vorschrift des § 80 Abs. 2 Satz 1 InsO soll - ebenso wie die Vorgängervorschrift des § 13 KO - den Grundsatz der Gleichbehandlung persönlicher Insolvenzgläubiger gewährleisten (vgl. BGHZ 56, 228, 231). Verfügungsverbote im Sinne von §§ 135 , 136 BGB , die gerade den Schutz bestimmter einzelner Personen bezwecken, laufen diesem Grundsatz zuwider. § 80 Abs. 2 Satz 1 InsO erklärt sie daher für unwirksam.

bb) Ob das Veräußerungsverbot gemäß § 111c Abs. 5 StPO absolut oder nur relativ wirkt, ist allerdings umstritten (für eine absolute Wirkung etwa MünchKomm-InsO/Ott, § 80 Rn. 154; Nerlich/Römermann/Wittkowski, InsO § 80 Rn. 179; HambK-InsO/Kuleisa, § 80 Rn. 62; für eine relative Wirkung etwa LG Düsseldorf ZInsO 2002, 87, 88; Jaeger/Henckel, KO 9. Aufl. § 13 Rn. 4; Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 80 Rn. 145; FK-InsO/App, 4. Aufl. § 80 Rn. 27; Kübler/Prütting/Lüke, InsO § 80 Rn. 73 mit Fn. 161; Raebel in Lambert-Lang/Tropf/Frenz, Handbuch der Grundstückspraxis 2. Aufl. Teil 5 Rn. 163; Breuer, KTS 1995, 1, 12; Hess/Albeck, ZIP 2000, 871, 873; Malitz NStZ 2002, 337, 341; KK-StPO/Nack, 5. Aufl. § 111c Rn. 6; Meyer-Goßner, StPO 49. Aufl. § 111c Rn. 10; SK-StPO/Rudolphi, § 111c Rn. 8). Wortlaut, Systematik, Gesetzgebungsgeschichte sowie Sinn und Zweck des insolvenzrechtlichen Gleichbehandlungsgebotes sprechen jedoch klar für eine nur relative Wirkung der Vorschrift.

(1) Der Wortlaut der Vorschriften des § 111g Abs. 3 Satz 1 und des § 111c Abs. 5 StPO ist eindeutig. § 111g Abs. 3 Satz 1 StPO verweist auf § 111c Abs. 5 StPO . § 111c Abs. 5 StPO legt der Beschlagnahme die Wirkung eines Veräußerungsverbots im Sinne von §§ 136 , 135 BGB bei, also diejenige eines relativen Veräußerungsverbots.

(2) Sieht man beide Vorschriften im Zusammenhang, lässt dies ebenfalls nur den Schluss auf eine relative Wirkung des § 111c Abs. 5 StPO zu. Gemäß § 111g Abs. 3 Satz 1 StPO gilt das Veräußerungsverbot nach § 111c Abs. 5 StPO vom Zeitpunkt der Beschlagnahme an auch zugunsten von Verletzten, die während der Dauer der Beschlagnahme die Zwangsvollstreckung in den beschlagnahmten Gegenstand betreiben. Eine derartige Anordnung wäre nicht erforderlich, wenn das Veräußerungsverbot von vornherein absolut, also für und gegen jedermann wirken würde.

(3) Auch die Gesetzesmaterialien sind eindeutig. Der Gesetzgeber wollte der Beschlagnahme nach § 111c Abs. 1 bis 4 StPO die Wirkung eines relativen Veräußerungsverbotes beimessen (BT-Drucks. 7/550, S. 293). In der 13. Legislaturperiode hat es überdies einen Gesetzentwurf gegeben, welcher die Einfügung folgender Bestimmung vorsah (BT-Drucks. 13/9742, S. 8):

"Die Wirkung der Beschlagnahme wird nicht davon berührt, dass über das Vermögen des Betroffenen das Konkurs-, Vergleichs- oder Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet wird".

In der Begründung hieß es, das neue Recht sehe im Interesse einer effektiven Durchsetzung der Rückerstattungsansprüche Verletzter die Insolvenzfestigkeit des mit der Beschlagnahme verbundenen relativen Verfügungsverbots vor (BT-Drucks. 13/9742, S. 19). Auch dieser Entwurf ging also von einem nicht insolvenzfesten relativen Verfügungsverbot aus, dessen Wirkungen erweitert werden sollten.

(4) Sinn und Zweck des § 111g Abs. 3 Satz 1 StPO könnten allerdings für eine absolute Wirkung des in Bezug genommenen Veräußerungsverbotes sprechen. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers (BT-Drucks. 7/550, S. 292) sollte die Sicherstellung von Gegenständen zur Sicherung des Verfalls (§§ 73 ff. StGB ) gleichzeitig auch der Schadloshaltung des Verletzten dienen. Dazu wurde in den §§ 111b bis 111l StPO die bevorrechtigte Zugriffsmöglichkeit des Verletzten auf sichergestellte Vermögenswerte vorgesehen. Schutzbedürftig ist der Verletzte nicht nur bei der Einzelzwangsvollstreckung, sondern auch und gerade im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Täters. Im Ergebnis trägt jedoch auch diese Überlegung nicht.

(a) Die Vorschrift des § 111g Abs. 3 Satz 1 StPO gewährleistet keinen lückenlosen Schutz jedes einzelnen Verletzten. Wie der Senat bereits entschieden hat, gilt sie nicht für das Verhältnis mehrerer Verletzter untereinander (BGHZ 144, 185 , 191). Insoweit soll vielmehr nach wie vor das allgemeine vollstreckungsrechtliche Prioritätsprinzip gelten. Käme es nach Zulassung der Zwangsvollstreckung in den beschlagnahmten Gegenstand allein auf den Rang der Beschlagnahme nach § 111c Abs. 5 StPO an, würden diejenigen Verletzten benachteiligt, deren Pfandrechte nach allgemeinen Grundsätzen Priorität genießen.

(b) Im Insolvenzverfahren konkurrieren die Verletzten, die in beschlagnahmte Vermögensgegenstände des Täters vollstrecken können, allerdings nicht nur untereinander, sondern auch mit den sonstigen Gläubigern des Täters. Sie sind diesen gegenüber nur insoweit bessergestellt, als außerhalb der Monatsfrist des § 88 InsO unanfechtbar erlangte Pfändungspfandrechte an beschlagnahmten Gegenständen auch im Insolvenzverfahren Bestand haben. Die Beschlagnahme selbst verliert nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens jedoch ihre Wirkung. Solange der Gesetzgeber keine abweichende Regelung trifft, hat es bei dabei zu bleiben. Der Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger kann nur kraft gesetzlicher Anordnung durchbrochen werden (vgl. BVerfGE 65, 182 , 191). Eine solche Regelung hat weder der Gesetzgeber des Art. 19 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch (der §§ 111a ff. StPO ) noch derjenige der Insolvenzordnung getroffen (vgl. auch Breuer, KTS 1995, 1, 12). Eine absolute Wirkung des § 111c Abs. 5 StPO würde zudem in erster Linie den Fiskus privilegieren. Die Geschädigten, die sich auf § 111g Abs. 3 Satz 1 StPO berufen, leiten ihre Rechtsstellung von derjenigen des Fiskus ab. Vorrechte (auch) des Fiskus sollten mit der Einführung der Insolvenzordnung gerade beseitigt werden (vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 92).

d) Entgegen einer in der Literatur vertretenen Ansicht (Löwe/Rosenberg/Schäfer, StPO 25. Aufl. § 111b Rn. 50d) folgt die Insolvenzfestigkeit der Beschlagnahme gemäß § 111c StPO schließlich nicht aus § 80 Abs. 2 Satz 2 InsO .

aa) Nach § 80 Abs. 2 Satz 2 InsO bleiben die Vorschriften über die Wirkungen einer Pfändung oder einer Beschlagnahme im Wege der Zwangsvollstreckung von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unberührt. Damit sollte klargestellt werden, dass die Regelung des § 80 Abs. 2 Satz 1 InsO weder die Pfändung von beweglichen Sachen oder Rechten noch die Beschlagnahme von unbeweglichem Vermögen im Wege der Zwangsvollstreckung in Frage stellt (BT-Drucks. 12/2443, S. 135).

bb) Für eine Beschlagnahme nach § 111c Abs. 1 bis 4 StPO ist § 80 Abs. 2 Satz 2 InsO damit von vornherein nicht anwendbar. Die Beschlagnahme eines Rechts wird zwar "durch Pfändung" bewirkt (§ 111c Abs. 3 Satz 1 StPO ). Die Vorschriften der Zivilprozessordnung gelten jedoch nur "sinngemäß", nämlich nur für den Vorgang der Pfändung als solchen. Die Rechtsfolge der Pfändung ist in § 111c Abs. 5 StPO abweichend von der Zivilprozessordnung geregelt. Es entsteht - ebenso wie bei Beschlagnahmen nach § 111c Abs. 1 , 2 und 4 , die keine Pfändung vorsehen und nicht auf die Zivilprozessordnung verweisen - kein Pfändungspfandrecht, sondern nur ein Veräußerungsverbot. Soweit der Senat in der Entscheidung BGHZ 144, 185 , 188 f. obiter eine andere Ansicht vertreten hat, hält er daran nicht fest.

Hinweise:

Anmerkung Stefan Fritsche DZWIR 2007, 385

Vorinstanz: OLG München, vom 19.01.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 15 U 3726/04
Vorinstanz: LG München I, vom 26.03.2004 - Vorinstanzaktenzeichen 10 O 19773/03
Fundstellen
BGHReport 2007, 942
DZWIR 2007, 385
MDR 2007, 1157
NJW 2007, 3350
NZI 2007, 450
Rpfleger 2007, 624
WM 2007, 1338
ZIP 2007, 1338
ZInsO 2007, 709
ZfIR 2007, 555