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BGH - Entscheidung vom 12.11.2007

II ZR 259/06

Normen:
GG Art. 103 Abs. 1

BGH, Beschluß vom 12.11.2007 - Aktenzeichen II ZR 259/06

DRsp Nr. 2007/23981

Umfang des rechtlichen Gehörs im Zivilverfahren

Das rechtliche Gehör im Zivilverfahren ist verletzt, wenn die Gerichte die Anforderungen an die Substantiierung des Vortrages überspannen und nicht beachten, dass eine Partei ihrer Darlegungslast genügt, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Genügt das Parteivorbringen diesen Anforderungen an die Substantiierung, so kann der Vortrag weiterer Einzeltatsachen nicht verlangt werden. Es ist vielmehr Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei gegebenenfalls die benannten Zeugen nach weiteren Einzelheiten zu befragen.

Normenkette:

GG Art. 103 Abs. 1 ;

Gründe:

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist hinsichtlich der Abweisung seiner Klage gegenüber dem Beklagten zu 4 in Höhe von 24.200,00 EUR nebst Zinsen begründet und führt insoweit gemäß § 544 Abs. 7 ZPO unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (1); das weitergehende Rechtsmittel hat hingegen keinen Erfolg (2).

1. Das Berufungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise dadurch verletzt, dass es hinsichtlich der vom damaligen Geschäftsführer der Schuldnerin, B., am Tag der Insolvenzeröffnung veranlassten Auszahlung von 24.200,00 EUR an die G. AG den durch Zeugen unter Beweis gestellten Vortrag des Klägers zu dem Vorwurf, der Beklagte zu 4 habe sich insoweit als Teilnehmer an einer Untreue B. schadensersatzpflichtig gemacht (§ 823 Abs. 2 , 830 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB ), als nicht ausreichend substantiiert übergangen hat. Es hat sich durch offensichtlich verfahrensfehlerhafte Überspannung der Anforderungen an die Substantiierung der Kenntnis verschlossen, dass nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung eine Partei ihrer Darlegungslast genügt, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Genügt das Parteivorbringen diesen Anforderungen an die Substantiierung, so kann der Vortrag weiterer Einzeltatsachen nicht verlangt werden (vgl. Sen.Beschl. v. 21. Mai 2007 - II ZR 266/04, ZIP 2007, 1524 ; Sen.Urt. v. 25. Juli 2005 - II ZR 199/03, ZIP 2005, 1738 ). Es ist vielmehr Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei ggf. die benannten Zeugen nach weiteren Einzelheiten zu befragen. So liegt es hier.

Der Kläger hat ersichtlich seiner Vortragslast für das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs gegen den Beklagten zu 4 wegen dessen Beteiligung an einer von dem Zeugen B. als Geschäftsführer gegenüber der Schuldnerin begangenen Untreue gemäß §§ 823 Abs. 2 , 830 BGB i.V.m. § 266 StGB genügt. Nach dem Vorbringen des Klägers hat sich der Zeuge B. dadurch einer Untreue schuldig gemacht, dass er als Geschäftsführer der Schuldnerin noch am 30. Juni 2003, dem Tag der Beantragung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, unter Verletzung seiner Vermögensbetreuungspflichten in Kenntnis der Insolvenzreife der Schuldnerin fast deren gesamtes noch vorhandenes Kontoguthaben in Höhe von 24.200,00 EUR an deren Gesellschafterin, die G. AG, überwiesen hat, ohne dass dieser Zahlung eine Gegenleistung oder ein fälliger Anspruch gegenübergestanden hat.

Der Kläger hat zudem hinreichende Tatsachen für eine Teilnahme des Beklagten zu 4 an dieser behaupteten unerlaubten Handlung des Geschäftsführers B. und damit für seine eigene Haftung nach § 830 Abs. 2 BGB vorgetragen. Danach soll nämlich der Beklagte zu 4 dem Zeugen B. in einem Gespräch die Anweisung erteilt haben, Teile des Anlage- und Umlaufvermögens der Schuldnerin an die Gesellschafterin zu übertragen. Darunter sei auch zu verstehen gewesen, das Konto der Schuldnerin am 30. Juni 2003 zugunsten der Gesellschafterin "abzuräumen". Einer näheren Darlegung des Inhalts dieses Gesprächs durch den Kläger bedurfte es entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht. Es war vielmehr Sache des Tatrichters, den Zeugen zu weiteren Einzelheiten zu befragen. Soweit das Berufungsgericht von einer Beweisaufnahme auch deshalb abgesehen hat, weil nach seiner Auffassung der Vortrag des Klägers im Widerspruch dazu stehe, dass der Beklagte zu 4 gegenüber dem Zeugen später eine Schließung des Betriebes verlangt habe, liegt hierin außerdem eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts war es für die Substantiierung des Tatsachenvortrags des Klägers ohne Bedeutung, ob der Zeuge B. zu der ihm vorgeworfenen Tat auch ohne Anweisung des Beklagten zu 4 bereits bereit war oder erst durch die Weisung des Beklagten zu 4 dazu bestimmt wurde. Denn in beiden Varianten ist eine Beteiligung des Beklagten zu 4 an einer unerlaubten Handlung des Geschäftsführers anzunehmen: Entweder handelte es sich um eine Anstiftung oder eine (psychische) Beihilfe, für die der Beklagte zu 4 gemäß § 830 Abs. 2 BGB gleichermaßen als "Beteiligter" einzustehen hat.

Der - streitige - Vortrag des Klägers zur Beteiligung des Beklagten zu 4 an einer Untreue des Geschäftsführers der Schuldnerin ist für die behauptete Schadensersatzpflicht auch entscheidungserheblich. Zutreffend weist der Kläger in seiner Nichtzulassungsbeschwerde darauf hin, dass in der Übertragung des letzten verbliebenen Geldvermögens der Schuldnerin auf ihre Gesellschafterin ohne Gegenleistung ein Vermögensschaden der Schuldnerin im Sinne der §§ 823 Abs. 2 , 826 BGB liegt.

Das Berufungsgericht wird daher nunmehr die angebotenen Beweise - ggf. nach Ergänzung des diesbezüglichen wechselseitigen Parteivortrags - zu erheben haben.

2. Die weitergehende Nichtzulassungsbeschwerde ist zurückzuweisen, weil keiner der im Gesetz (§ 543 Abs. 2 ZPO ) vorgesehenen Gründe vorliegt, nach denen der Senat die Revision zulassen darf. Der Rechtsstreit der Parteien hat insoweit weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert er eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Der Senat hat die Verfahrensrügen auch hinsichtlich der weitergehenden Beschwerde geprüft und insoweit für nicht durchgreifend erachtet.

Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbs. ZPO abgesehen.

Vorinstanz: OLG Nürnberg, vom 25.10.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 4 U 875/06
Vorinstanz: LG Nürnberg-Fürth, vom 22.02.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 8 O 13451/04