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BGH - Entscheidung vom 19.07.2007

3 StR 163/07

Normen:
StPO § 247 § 338 Nr. 5

BGH, Beschluß vom 19.07.2007 - Aktenzeichen 3 StR 163/07

DRsp Nr. 2007/15770

Sachbeweiserhebung in Abwesenheit des Angeklagten

1. Ist eine (weitere) Sachbeweiserhebung in Abwesenheit des Angeklagten während dessen an sich gerechtfertigten Ausschlusses durch den Beschluss nach § 247 StPO nicht gedeckt und wird diese auch nicht später in Anwesenheit des Angeklagten wiederholt, so ist der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO gegeben.2. Dieser Verfahrensverstoß führt ausnahmsweise nur zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs, wenn ein Einfluss des Verfahrensfehlers auf den Schuldspruch zum Nachteil des Beschwerdeführers denkgesetzlich ausgeschlossen ist.

Normenkette:

StPO § 247 § 338 Nr. 5 ;

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen 26 Taten des (überwiegend schweren) sexuellen Missbrauchs zum Nachteil von zwei Kindern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt und die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten. Die Revision des Angeklagten rügt mit Einzelbeanstandungen die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Sie hat mit einer Verfahrensrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.

1. Die Revision stellt das Verfahren im Zusammenhang mit dem Ausschluss des Angeklagten gemäß § 247 StPO in zweifacher Weise zur Prüfung: Soweit sie rügt, die Voraussetzungen für einen Ausschluss des Angeklagten hätten nicht vorgelegen, zeigt sie keinen Rechtsfehler auf. Zutreffend beanstandet sie hingegen, dass das Landgericht während der Vernehmung einer Zeugin in Abwesenheit des Angeklagten eine von dem Beschluss nach § 247 StPO nicht gedeckte Beweiserhebung vorgenommen habe.

Während der Vernehmung der Zeugin hat das Landgericht Lichtbilder in Augenschein genommen und eine Urkunde verlesen. Durch die Niederschrift über die Hauptverhandlung wird bewiesen (§ 274 StPO ), dass es sich dabei um eine förmliche Beweisaufnahme gehandelt hat.

Die Sachbeweiserhebung in Abwesenheit des Angeklagten war durch den Beschluss nach § 247 StPO nicht gedeckt (vgl. Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 247 Rdn. 7 m. w. N. zur st. Rspr.). Da sie auch nicht später in Anwesenheit des Angeklagten wiederholt wurde, ist der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO gegeben.

Der Verfahrensverstoß führt hier allerdings ausnahmsweise nur zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs. Auch wenn ein absoluter Revisionsgrund nach § 338 StPO gegeben ist, gefährdet dies den Bestand des angefochtenen Urteils nicht, soweit ein Einfluss des Verfahrensfehlers auf das Urteil zum Nachteil des Beschwerdeführers denkgesetzlich ausgeschlossen ist (BGH NJW 1977, 443; BGHR StPO § 338 Beruhen 1; Beschl. vom 31. Januar 2001 - 3 StR 528/00). So liegt es hier, soweit das Landgericht den Angeklagten schuldig gesprochen hat. Die Überzeugung von den Taten des Angeklagten beruht auf dem Geständnis des Angeklagten und der Inaugenscheinnahme der zahlreichen kinderpornographischen Bildserien und Videosequenzen, die der Angeklagte von seinen Tathandlungen angefertigt hat. Die fehlerhaft durchgeführten Sachbeweiserhebungen konnten hingegen zum Schuldspruch nichts beitragen. Sie betrafen eine Zeugin, mit der der Angeklagte im Jahr 2000 sexuelle Kontakte hatte, und waren lediglich geeignet, das Aussehen des damals 15jährigen Mädchens und dessen Aussageverhalten in einem früheren Strafverfahren gegen den Angeklagten aufzuklären. Zu dem Schuldspruch hatten sie keinerlei Bezug.

Über den Rechtsfolgenausspruch muss hingegen neu entschieden werden.

2. Im Übrigen ist die Revision unbegründet. Dies gilt auch für die Beanstandung, die Aufklärungspflicht hätte die Hinzuziehung eines weiteren, sexual-medizinischen Sachverständigen zur Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten erfordert. Wegen der Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs kommt es indes auf sie ebenso nicht mehr an wie auf die zahlreichen gegen den Rechtsfolgenausspruch gerichteten sachlichrechtlichen Rügen. Der Senat bemerkt hierzu nur Folgendes: Angesichts des festgestellten Tatbildes, welches sowohl hinsichtlich der Tathandlungen als auch der Auswirkungen auf die Entwicklung der geschädigten Kinder nur als außergewöhnlich schwerwiegend angesehen werden kann, ist die Beanstandung der Revision, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft die Annahme von minder schweren Fällen abgelehnt, schlechthin abwegig.

Vorinstanz: LG Osnabrück, vom 20.12.2006