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BGH - Entscheidung vom 23.01.2007

X ZR 13/03

Normen:
EPÜ § 138 Abs. 1 lit. a
IntPatÜG Art. 2 § 6 Abs. 1 Nr. 1

BGH, Urteil vom 23.01.2007 - Aktenzeichen X ZR 13/03

DRsp Nr. 2007/6861

Nichtigerklärung eines Patents betreffend ein Verfahren zur Reinigung von Oberflächen unter Verwendung einer Lichtquelle einschließlich eines Lasers mangels erfinderischer Tätigkeit, da sich die geschützte Lehre für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergab

Normenkette:

EPÜ § 138 Abs. 1 lit. a ; IntPatÜG Art. 2 § 6 Abs. 1 Nr. 1 ;

Tatbestand:

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des in der Verfahrenssprache Englisch erteilten europäischen Patents 0 689 492 (Streitpatent), das auf einer Anmeldung vom 15. März 1994 beruht, mit der die Priorität einer US-Anmeldung vom 16. März 1993 in Anspruch genommen worden ist.

Patentanspruch 1 des Streitpatents lautet aufgrund des in einem Beschränkungsverfahren ergangenen Beschlusses des Deutschen Patent- und Markenamts vom 23. August 2000 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland wie folgt:

Verfahren zur Reinigung von Oberflächen unter Verwendung einer Lichtquelle (10, 100), die einen Laser (12) einschließt, mit den Stufen, in denen man die Lichtquelle (10, 100) mit der zu reinigenden Vorrichtung ausrichtet, den Laser (12) aktiviert, um das Licht von der Quelle dazu zu bringen, auf der Oberfläche der Vorrichtung aufzutreffen und dabei das Restmaterial von dieser Oberfläche zu entfernen, dadurch gekennzeichnet, dass das Verfahren zur Reinigung metallischer Oberflächen im Inneren von Formen verwendet wird, welche restliche Stücke von Kautschuk enthalten, die mit Hilfe eines gepulsten Lasers in einer nicht erodierenden Weise entfernt werden.

Wegen des Wortlauts der hierauf entweder unmittelbar oder mittelbar rückbezogenen Unteransprüche wird auf die Streitpatentschrift (Anlage K 1) verwiesen.

Die Klägerin hält das Streitpatent für nicht patentfähig, weil sein Gegenstand nicht neu, jedenfalls aber aufgrund entgegengehaltenen Stands der Technik naheliegend sei.

Das Bundespatentgericht hat auf die deshalb erhobene Nichtigkeitsklage das Streitpatent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.

Mit ihrer Berufung beantragt die Beklagte,

dieses Urteil des Bundespatentgerichts abzuändern und die Nichtigkeitsklage abzuweisen.

Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Universitätsprofessors Dr.-Ing. habil. B. Z., der sein schriftliches Gutachten in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt in der Sache ohne Erfolg.

1. Das Streitpatent betrifft den Bereich der Herstellung von Gegenständen aus Kautschuk, beispielsweise Autoreifen, die eine komplexe Oberflächenstruktur haben können. Die Produktion geschieht typischerweise in einer mindestens zweiteiligen Form, deren innere Oberflächen der gewünschten Oberfläche des Formlings entsprechen. Wenn der geformte Gegenstand aus der Form, die üblicherweise einer Presse oder einer ähnlichen Einrichtung ausgesetzt wird, gelöst wird, kann restlicher Kautschuk in Form kleiner Stücke und/oder verwendetes Entformungsmittel an den Oberflächen der Form zurückbleiben. Diese Produktionsreste stören bei der Herstellung weiterer Gegenstände mit der vorgegebenen Oberflächenstruktur in der betreffenden Form. Das macht deren Reinigung, insbesondere ihrer inneren Oberflächen, nötig, wobei darauf zu achten ist, dass hierbei ein Abrieb an den inneren Oberflächen der Form selbst möglichst vermieden wird, weil dadurch die Formgenauigkeit der zu formenden Gegenstände leiden würde.

Das Streitpatent beschreibt als bekannte Reinigungsverfahren das Einblasen oder den Einschuss von Reinigungsmedien, wie beispielsweise CO2 oder Glas- oder Kunststoffperlen. Dabei wird dargelegt, dass dies nicht ohne Entfernung der Form aus der Presse und Überführung in einen getrennten Reinigungsbereich möglich sei, was unerwünschte Abschalt- und Wiedereinbauzeiten sowie - vor allem bei Verwendung von CO2 - die Notwendigkeit erneuter Erhitzung zur Folge habe. Die Oberflächen des Formlings gestaltende feine Vertiefungen (Risse) in der Form könnten häufig nicht direkt durch das Medium beblasen werden. Glas- und Kunststoffperlen könnten in der Form verbleiben und ihrerseits die Formgenauigkeit des herzustellenden Gegenstands beeinträchtigen. Außerdem entstünden fortgesetzte Kosten für den Erwerb und die Entsorgung der Reinigungsmedien.

2. Hieraus leitet die Streitpatentschrift ab, es solle eine Methode zur Verfügung gestellt werden, mit der an Ort und Stelle in einer Presse oder in einer sonstigen Formvorrichtung befindliche Formen in einer nicht erodierenden Weise gereinigt werden können, worunter - was auch zwischen den Parteien nicht streitig ist - zu verstehen ist, dass an den inneren Oberflächen der Form selbst kein nachteiliger Abrieb stattfindet.

Patentanspruch 1 in der Fassung, die er durch den Beschränkungsbeschluss erhalten hat, schlägt hierzu als Verfahren zur Reinigung von Oberflächen eine Vorgehensweise vor, die sich wie folgt gliedern lässt:

1. a) Es wird eine Lichtquelle benutzt,

b) die einen Laser einschließt,

c) der gepulst ist.

2. Es werden folgende Schritte ausgeführt:

a) Die Lichtquelle wird zu der zu reinigenden Vorrichtung ausgerichtet.

b) Der Laser wird so aktiviert, dass er das Licht von der Quelle dazu bringt,

(1) auf eine Oberfläche der Vorrichtung aufzutreffen, die metallisch ist,

(2) und dabei das Restmaterial von dieser zu entfernen,

(3) und zwar in nicht erodierender Weise.

3. a) Das Verfahren wird (zur Reinigung metallischer Oberflächen) im Innern von Formen verwendet,

b) welche restliche Stücke von Kautschuk enthalten,

(1) so dass diese (in einer nicht erodierenden Weise) entfernt werden.

Diese Lehre zum technischen Handeln nutzt mithin einen gepulsten Laser und die Lasertechnik, um innere Oberflächen von Formen von dort anhaftenden Kautschukresten zu reinigen. Gegenstand der Reinigung kann jede Art von Resten aus Kautschuk, beispielsweise auch von solchen sein, die durch Polymerisation entstanden sind, etwa solche aus Polybutadien, weil der Anspruchswortlaut insoweit keinerlei Einschränkung erkennen lässt. Einer der Vorteile der geschützten Lehre mag in der Eignung liegen, die Oberflächenreinigung vor Ort zu bewältigen, also in einer Form, die in einer Presse oder einer sonstigen Formvorrichtung eingebaut ist und bleibt, wie es in der Streitpatentschrift als Aufgabe der Erfindung bezeichnet ist. Die geschützte Lehre beschränkt sich aber nicht auf Ausführungen, die das tatsächlich vermögen. Sie umfasst vielmehr auch die Reinigung von inneren Formflächen, nachdem die Form einer Presse oder einer ähnlichen Vorrichtung entnommen und geöffnet ist. Denn auch insoweit enthält der Patentanspruch keine nähere Festlegung. Soweit in ihm von dem Entfernen restlicher Stücke von Kautschuk die Rede ist, ergibt die maßgebliche Auslegung des Patentanspruchs selbst ferner, dass die betreffenden Angaben sich auf den Abtrag von den inneren Oberflächen der Form beziehen und dass nicht etwa die vollständige Beseitigung in oder aus der Form heraus für Patentanspruch 1 kennzeichnend ist. Denn auch hiervon ist in diesem Patentanspruch selbst nicht die Rede. Geschützt sind lediglich die Reinigung der Oberflächen und die Entfernung des Restmaterials von diesen. Der Streit der Parteien und die Zweifel des gerichtlichen Sachverständigen, ob mittels der geschützten Vorgehensweise allein die vollständige Restmaterialbeseitigung möglich ist, können deshalb dahinstehen. Mit Patentanspruch 1 sind vielmehr auch Verfahren geschützt, die zwar auf die genannten Schritte setzen, bei denen aber weitere Schritte nötig sind, um Kautschukreste als gelöste Stücke aus der Form zu entfernen, die an dem in der Beschreibung mehrfach erwähnten, durch die geschützten Verfahrensschritte bewirkten Verdampfungsprozess selbst nicht teilhaben, sondern durch die dort (Spalte 4 Zeilen 40 ff.) ebenfalls beschriebene Ausdehnung des Entformungsmittels von den Formoberflächen nur abgesprengt werden. Bestätigung findet diese Auslegung in der Darstellung in Spalte 4 Zeilen 42 ff. der Beschreibung, weil es dort ausdrücklich als Möglichkeit der Verwirklichung der Erfindung bezeichnet ist, während der beanspruchten Verfahrensschritte als zusätzliche Maßnahme Luft in die Formöffnung zu blasen, um ein vollständiges Wegspülen verbliebenen Materials aus der Form zu gewährleisten. Schließlich ist für die geschützte Erfindung weder kennzeichnend, dass die Form bestimmte innere Oberflächen, beispielsweise solche mit komplexer Struktur, etwa feinen Vertiefungen (Rissen) oder mit den in Anspruch 5 genannten inneren Ausrüstungsflächen hat, in bzw. an denen eine Reinigung besonders erschwert ist, noch dass durch das Laserlicht eine in bestimmter Weise ablaufende Ablösung des Kautschuks, etwa unter Nutzung einer Mehrfachreflexion, eintritt. Denn auch in dieser Hinsicht enthält der Wortlaut des Patentanspruchs keine Präzisierung. Bei der Form muss es sich nur um eine solche handeln, an deren inneren metallischen Oberflächen sich Reste von Kautschuk befinden können, und hinsichtlich des Auftreffens des Lichts sind im Patentanspruch nur der Vorgang als solcher und seine Zielrichtung bzw. sein Ergebnis benannt. Zusammenfassend ist deshalb festzustellen, dass Patentanspruch 1 in der Fassung, die er durch das Beschränkungsverfahren erhalten hat, eine ganz allgemein formulierte Lehre gibt, dass im Wege der Lasertechnik mit den patentgemäßen Mitteln und Verfahrensschritten Kautschukreste von inneren Oberflächen von Formen ohne Beeinträchtigung derselben abgelöst werden können und dass auf diese Weise dazu beigetragen werden kann, dass wieder eine reine Form erhalten wird, mit der formgenaue Gegenstände hergestellt werden können.

3. Es kann dahinstehen, ob Patentanspruch 1 durch einen zum Stand der Technik gehörenden Gegenstand bereits vollständig vorweggenommen war. Denn der vom Bundespatentgericht bejahte Nichtigkeitsgrund des Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i.V. mit § 138 Abs. 1 lit. a EPÜ besteht jedenfalls deshalb, weil sich die geschützte Lehre für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergab.

a) Als Fachmann, auf den hierbei abzustellen ist, ist ein Diplom-Ingenieur anzusehen, der an einer Universität oder Technischen Hochschule Maschinenbau studiert hat und auf dem Gebiet der Fertigungs- und Produktionstechnik bereits mehrjährig tätig ist. Denn derartige Personen wurden zum Prioritätszeitpunkt sowohl von Unternehmen, die Werkzeuge für die Gieß- und Formtechnik herstellen, als auch von Anwendern auf diesem Gebiet typischerweise eingesetzt, wenn es darum ging, Verbesserungen zu entwickeln. Sie waren auf Grund ihrer Ausbildung und Berufserfahrung befähigt, neben Aufgaben der Fertigungs- und Produktionstechnik auch Aufgaben des Werkzeugbaus und der Materialbearbeitung einschließlich der dazugehörenden Werkstoffkunde zu bewältigen. Diese Personen waren jedenfalls auf Grund entsprechender Ausbildung während des Studiums über die Grundlagen der Lasertechnik informiert, die zunächst von Mitte der 70er bis Mitte der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts in der Forschung zunehmendes Interesse fand und deren praktischer Anwendungsbereich sodann bis Mitte der 90er Jahre immer weiter ausgedehnt wurde, und sie wussten, dass es mit dieser Technik möglich ist, kostengünstig zu schneiden, Oberflächen mittels Gravierens beispielsweise zu beschriften oder zu markieren oder Oberflächen zu entrosten. Das hat die insoweit mit dem gerichtlichen Sachverständigen geführte Diskussion ergeben, welche Ausbildung, welches Wissen und welche Erfahrung üblicherweise bei Personen vorhanden sind, die von einschlägigen Unternehmen der Branche der Parteien beschäftigt werden, um die Entwicklung voranzutreiben.

b) Der Senat hat keine Zweifel, dass ein solcher Fachmann um die Nachteile wusste, die in der Streitpatentschrift im Hinblick auf sandstrahlähnliche Reinigungsverfahren geschildert sind. Denn diese Nachteile liegen auf der Hand. Sie waren mit Optimierungsmaßnahmen, wie sie der Prozessbevollmächtigte der Beklagten in der mündlichen Verhandlung angesprochen hat, nicht vollständig zu beseitigen. Denn bei Beaufschlagung einer durch Kautschukreste verschmutzten Oberfläche mit beschleunigten Massen bleibt jedenfalls die Gefahr, dass es zum - wie es der gerichtliche Sachverständige genannt hat - Formverschleiß kommt, der möglichst vermieden werden muss, wenn es um die Produktion formidentischer Erzeugnisse geht. Es bestand damit für den Fachmann aller Anlass, sich nach anderer Technik umzusehen, mit der ebenfalls innere Oberflächen von Hohlkörpern gereinigt werden können. Der gerichtliche Sachverständige hat das ebenso gesehen. Damit war zum einen in naheliegender Weise der Weg zur Reinigung mittels eines Lasers gewiesen. Wie der Fachmann angesichts seiner Ausbildung wusste, wird nämlich bei dieser Technik nicht nur ebenso wie bei sandstrahlähnlichen Verfahren mit energiereicher Bestrahlung der Oberfläche gearbeitet; zum Prioritätszeitpunkt war über die vom gerichtlichen Sachverständigen als bisher im Vordergrund stehend bezeichneten Anwendungsgebiete des Schneidens, Gravierens und Entrostens hinaus auch beschrieben, dass verschmutzte Oberflächen mittels Laserenergie gereinigt werden können, ohne auf die Grundstruktur der Oberfläche einzuwirken. Auf das US-Patent 4 920 994 aus dem Jahre 1990 (Anl. K11) wird insoweit verwiesen. Zum anderen war damit auch die Berücksichtigung dessen nahegelegt, was der Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung 0 380 387 aus dem Jahre 1990 (Anl. K5) zu entnehmen war. Denn diese Schrift ist nicht nur ebenfalls Beleg dafür, dass zum Prioritätszeitpunkt der Laser als Mittel zur Reinigung verschmutzter Oberflächen herangezogen werden konnte. Sie bot darüber hinaus auch ein Beispiel dafür, dass ein Einsatzgebiet eines Lasers unter anderem gerade auch die Reinigung von Hohlkörpern, nämlich von Rohren, sein kann. Auch die Reinigung mittels Lasers bis - wie der gerichtliche Sachverständige sich ausgedrückt hat - in eine Kavität hinein war also bekannt.

Die europäische Patentanmeldung 0 380 387 schlägt hierzu ein Verfahren zur Reinigung auch metallischer Oberflächen vor, das sich mit den Merkmalen 1 a-c, 2 a, 2 b (1) und (2) umschreiben lässt. Die Übereinstimmung in diesen Merkmalen ist durch die schriftlichen Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen bestätigt und hierüber besteht zwischen den Parteien auch kein Streit.

Jedenfalls im Hinblick auf die Reinigung von Formen, die eine ähnlich einfache innere Formgebung wie Rohre haben, waren auch keine Hinderungsgründe gegeben, den Vorschlag der europäischen Patentanmeldung 0 380 387 als Vorbild auch auf dem hier interessierenden Gebiet der Technik heranzuziehen (Merkmal 3 a). So hat der gerichtliche Sachverständige angegeben, die Lehre der europäischen Patentanmeldung habe dem Fachmann alles an die Hand gegeben, um mittels geeigneter und an sich bekannter Auslegung der vorgeschlagenen Technik gewünschte Abtragsvorgänge zu gestalten, zumal diese Entgegenhaltung anders als die Streitpatentschrift auch noch über die insoweit typischen Parameterfelder informiere.

Die beanspruchten Mittel und Verfahrensschritte sollen nach der Beschreibung der europäischen Patentanmeldung 0 380 387 allerdings eingesetzt werden, um - gegebenenfalls neben einer entstandenen Oxydschicht - Schmierstoffe, die bei der Herstellung von Rohren verwendet zu werden pflegen, von den inneren Oberflächen zu entfernen. Der Fachmann, der sich diesen naheliegenden Vorschlag zunutze machen wollte, musste deshalb noch erkennen, dass er sich - wie der Lehre des Streitpatents entnommen werden muss - auch für die Oberflächenreinigung von Restkautschuk eignet (Merkmal 3 b) und sich hiermit eine unerwünschte Beeinträchtigung der zu reinigenden Oberflächen selbst bei der Entfernung von Kautschukresten vermeiden lässt (Merkmale 2 b (3) bzw. 3 b (1)).

Was den Abtrag von restlichen Stücken von Kautschuk anbelangt, war die erforderliche Erkenntnis in der europäischen Patentanmeldung 0 380 387 selbst zumindest schon angelegt. Denn diese Schrift vermittelt den Eindruck, dass die dort vorgeschlagene Vorgehensweise einen Abtrag von Materialien aller Art erlaube. Ein vom gerichtlichen Sachverständigen als möglicher Hinderungsgrund insoweit angesprochener Hinweis, dass eine Ausnahme bei Kunststoff bestehe, war in der Veröffentlichung der Anmeldung nicht enthalten. Es galt damit, allenfalls noch eine Bestätigung zu finden, dass mittels der in der europäischen Patentanmeldung 0 380 387 vorgeschlagenen Lasertechnik auch Kautschuk abgetragen werden kann. Auch diese Bestätigung konnte der Fachmann, der sich mit Veröffentlichungen zu Lasertechnik und deren bisherigen Anwendungen befasste, dem Stand der Technik entnehmen. Denn schon seit 1978 war durch den Aufsatz "Infrared Laser Ablation of Polymers" (Anl. K14) unter - wie der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat - Angabe auch noch heute für richtig gehaltener Einzelheiten des Prozesses als Ergebnis von Studien der Fachwelt offenbart, dass bei Polymeren und speziell Polybutadien eine durch Laserstrahlung erzeugte Ablation möglich ist.

Die Beklagte hat allerdings den Wert der mit dem 1978 erschienen Aufsatz vermittelten Erkenntnis für das hier interessierende Verfahren zur Entfernung von Kautschukresten aus Formen angezweifelt, weil dort auch davon die Rede ist, verschiedene der mit dem Laser bestrahlten Materialien seien flüssig geworden bzw. hätten eine Kohlenkruste gebildet. Der auch hierzu befragte gerichtliche Sachverständige ist dem jedoch nicht beigetreten. Abgesehen davon war die Erkenntnis, dass tatsächlich auch Kautschuk mittels Lasertechnik beseitigt werden kann, durch den Aufsatz "Laserfräsen, Formabtrag mit Hochleistungslasern" aus dem Jahre 1991 (Anl. K17) vorgegeben, der das Laserabtragen von Flexodruck-Walzen behandelt, die üblicherweise eine Gummibeschichtung aufweisen. Beschrieben war damit zwar kein Reinigungsvorgang, sondern eine formgebende Bearbeitung. Das beschriebene Verfahren schließt aber die Möglichkeit ein, die Beschichtung aus Kautschuk bereichsweise bis auf die Walze wegzunehmen. Angesichts der fachlichen Qualifikation des Fachmanns unterliegt es deshalb keinen durchgreifenden Zweifeln, dass der Stand der Technik es nahelegte, sich den Vorschlag der europäischen Patentanmeldung auch zur Reinigung von inneren Oberflächen zunutze zu machen, die restliche Stücke aus Kautschuk enthalten.

Was schließlich die Notwendigkeit nicht erodierender Arbeitsweise anbelangt, handelte es sich angesichts der Produktidentität, die durch die Form gewährleistet werden soll, ohnehin um eine Selbstverständlichkeit. Im Übrigen fehlte es in der europäischen Patentanmeldung 0 380 387 auch insoweit nicht an einem entsprechenden Hinweis. So ist im Zusammenhang mit der dort abgehandelten französischen Patentschrift 2 535 380 erwähnt, dass die Leistung des Impulslasers so zu bemessen ist, dass die Dekontaminierung ohne Beschädigung der Metalloberfläche abläuft. Im Weiteren wird das Verfahren nach der französischen Patentschrift zwar als riskant bezeichnet; gleichwohl enthielt die europäische Patentanmeldung damit aber jedenfalls eine Anregung, durch Versuche zu klären, ob mit den dort vorgeschlagenen Mitteln und Verfahrensschritten nicht auch die Kautschukentfernung auf nicht erodierende Weise möglich sei.

Der Senat ist überzeugt davon, dass solche Versuche im Fachkönnen lagen und die Erkenntnis vermitteln, dass und wie der Abtrag von Kautschukresten ohne Formverschleiß erfolgen kann. Denn aufgrund der ihm auf der Hochschule und in der Praxis vermittelten systematischen Denk- und Vorgehensweise war der Fachmann gewohnt, auf Grund von naheliegenden Überlegungen gewonnene Erkenntnisse durch geeignete Versuche zu überprüfen. Da das Gebiet der Oberflächenbearbeitung mittels Lasers seit Jahren eingeführt war, muss das auch im Hinblick auf das selbstverständliche Bestreben angenommen werden, jede Erosion der inneren Oberflächen der Form zu vermeiden. Der gerichtliche Sachverständige hat dies bestätigt, indem er Versuche insoweit als fachlich angezeigt und machbar bezeichnet hat. Als Indiz hierfür kann im Übrigen der Umstand herangezogen werden, dass nicht einmal im Streitpatent nähere Parameter der Verfahrensgestaltung genannt sind. Offensichtlich geht auch das Streitpatent also davon aus, dass die nach seiner Lehre notwendige ergebnisorientierte Verfahrensgestaltung einem Fachmann jedenfalls durch im Fachkönnen liegende Versuche möglich war. Für die europäische Patentanmeldung gilt angesichts der bereits erwähnten Angaben des gerichtlichen Sachverständigen zu dem Offenbarungsgehalt dieser Schrift nichts anderes. Somit erschloss sich auch das Merkmal 2 b (3) bzw. 3 b (1) als mögliches und geeignetes Lösungsmittel in naheliegender Weise.

4. Die unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 1 in der beschränkten Fassung zurückbezogenen Unteransprüche 2 bis 9 teilen das Schicksal des Hauptanspruchs. Es ist nicht ersichtlich, dass mit ihnen mehr als im handwerklichen Können des Fachmanns liegende Ausgestaltungen der nach allem naheliegenden Lehre zum technischen Handeln des Streitpatents beinhalten. Die Beklagte macht eine erfinderische Tätigkeit insoweit auch nicht geltend.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO i.V. mit § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG .

Vorinstanz: BPatG, vom 24.10.2002 - Vorinstanzaktenzeichen 2 Ni 13/01 (EU)