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BGH - Entscheidung vom 19.07.2007

StbSt (R) 3/06

Normen:
StBerG § 80 Abs. 1 S. 2 § 89 Abs. 1

Fundstellen:
BStBl II 2008, 75
DB 2007, 1865
NJW-RR 2008, 506
VersR 2007, 1528
wistra 2007, 396

BGH, Urteil vom 19.07.2007 - Aktenzeichen StbSt (R) 3/06

DRsp Nr. 2008/11784

Nichterfüllen eines Auskunftsverlangens

»Kommt ein Steuerberater einem gemäß § 80 Abs. 1 Satz 2 StBerG gestellten Auskunftsverlangen des Geschäftsführers einer Steuerberaterkammer nicht nach, der nicht persönliches Mitglied der Kammer ist, stellt dies selbst dann keine sanktionsbewehrte Verletzung von Berufspflichten im Sinne von § 89 Abs. 1 StBerG dar, wenn der Geschäftsführer durch die Satzung zum Organ der Steuerberaterkammer bestimmt ist (Fortführung von BGHSt 33, 225 ).«

Normenkette:

StBerG § 80 Abs. 1 S. 2 § 89 Abs. 1 ;

Gründe:

Die Kammer für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen des Landgerichts Münster (Westfalen) hat den Steuerberater durch Urteil vom 31. Mai 2005 einer gegenüber einem Mandanten begangenen Berufspflichtverletzung schuldig gesprochen; es hat ihm hierfür einen Verweis erteilt und gegen ihn eine Geldbuße von 2.000 Euro verhängt. Auf die Berufung der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf hat der Senat für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen beim Oberlandesgericht Düsseldorf bei gleichzeitiger Verwerfung der Berufung des Steuerberaters den Schuldspruch - abweichend von der Rechtsansicht des Landgerichts - dahingehend erweitert, dass der Steuerberater auch einer Berufspflichtverletzung gemäß § 80 Abs. 1 Satz 2, § 81 Abs. 1 , § 89 Abs. 1 StBerG schuldig ist. Der Steuerberater habe von der Geschäftsführerin der Steuerberaterkammer Westfalen-Lippe unterzeichnete Auskunftsverlangen entgegen § 80 Abs. 1 Satz 2 StBerG pflichtwidrig nicht beantwortet. Den Ausspruch über die berufsgerichtlichen Maßnahmen hat es aufrechterhalten. Mit der vom Oberlandesgericht gemäß § 129 Abs. 2 StBerG zugelassenen Revision beanstandet der Steuerberater die Verletzung materiellen Rechts; er wendet sich gegen die Verurteilung insgesamt. Das Rechtsmittel hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg.

I. Das Oberlandesgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

1. Oberarzt R. , ein langjähriger Mandant des Beschwerdeführers, wies diesen im Sommer 1998 darauf hin, dass seine Nebeneinkünfte aus der Erstellung von Gutachten von seinem Arbeitgeber seinem Bruttoeinkommen zugerechnet und in den Lohnsteueranmeldungen erfasst würden. Als der Zeuge R. von einer Kollegin Ende des Jahres 2003 erfuhr, dass deren Gutachterhonorare nicht nur als Gehalt über die Lohnsteuer, sondern darüber hinaus nochmals als Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit versteuert worden seien, befürchtete er, das Finanzamt Siegen könnte bei ihm in gleicher Weise zu seinen Lasten vorgegangen sein. Er bat deshalb den Beschwerdeführer um Überprüfung der ergangenen Steuerbescheide und schickte ihm zu diesem Zweck Anfang Januar 2004 seine Gehaltsabrechnungen für die Zeit ab 1998 zu. Ende Januar 2004 wurden Oberarzt R. ein mit der Aufforderung zur Nachzahlung verbundener Einkommensteuerbescheid für 2002 sowie ein Vorauszahlungsbescheid für 2004 zugestellt. Der Beschwerdeführer reagierte weder auf die Übersendung der Gehaltsabrechnungen noch auf die ihm ebenfalls übermittelten Steuerbescheide und ließ auch weitere Schreiben seines Mandanten vom Februar 2004, darunter eine Auflistung des Arbeitgebers über die versteuerten Honorarzuwendungen, trotz eindringlicher Mahnungen unbeantwortet. Oberarzt R. legte im Hinblick auf den drohenden Fristablauf einen von ihm selbst begründeten Einspruch gegen beide Steuerbescheide ein.

Erst nachdem sich ein Sachbearbeiter des Finanzamts Siegen auf den Einspruch des Zeugen R. hin bei dem Beschwerdeführer gemeldet und um Übersendung der Bezügeabrechnungen für das Jahr 2002 gebeten hatte, wandte sich dieser mit einem Schreiben vom 2. März 2004 an das Finanzamt. Am selben Tag setzte das Finanzamt die Vollziehung des Einkommensteuerbescheids aus. Im April 2004 wurde der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2002 berichtigt. Die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1999 bis 2001 waren bereits bestandskräftig geworden. Insoweit leistete die Haftpflichtversicherung des Beschwerdeführers auf der Grundlage eines außergerichtlichen Vergleichs an den Zeugen R. Schadensersatz in Höhe von 4.000 Euro.

2. Bereits Anfang März 2004 beschwerte sich Oberarzt R. bei der Steuerberaterkammer Westfalen-Lippe über den Steuerberater. Daraufhin forderte die Steuerberaterkammer den Steuerberater mit Schreiben vom 11. Mai, 7. Juni, 26. Juli und 10. August 2004, die jeweils von ihrer Geschäftsführerin, einer Assessorin (Volljuristin), unterzeichnet waren, unter Hinweis auf § 80 StBerG zur Stellungnahme auf. Dieses Vorgehen beruht auf einem Beschluss der Mitgliederversammlung der Steuerberaterkammer vom 6. Juni 1986, mit dem in § 4 Abs. 2 der Satzung bestimmt wurde, dass der jeweilige Geschäftsführer zum Organ der Steuerberaterkammer zur Wahrnehmung der Aufgaben gemäß § 80 Satz 2 StBerG a.F. (§ 80 Abs. 1 Satz 2 StBerG n.F.) bestellt ist. Diese Satzungsänderung wurde am 9. Juli 1986 vom Finanzministerium Nordrhein-Westfalen als Aufsichtsbehörde gemäß § 78 Satz 2 StBerG genehmigt. Alle vier Schreiben der Steuerberaterkammer ließ der Steuerberater unbeantwortet.

II. Die zulässig erhobene Revision des Steuerberaters führt zur Reduzierung des Schuldspruchs und zur Aufhebung des Ausspruchs über die Höhe der Geldbuße; im Übrigen ist sie unbegründet.

1. Die Annahme des Oberlandesgerichts, der Steuerberater habe eine Berufspflichtverletzung begangen, indem er die Schreiben der Steuerberaterkammer unbeantwortet ließ, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Allerdings sind Steuerberater gemäß § 80 Abs. 1 Satz 2 StBerG verpflichtet, in Aufsichts- und Beschwerdesachen auf Verlangen dem Vorstand oder dem durch die Satzung bestimmten Organ der Steuerberaterkammer oder einem beauftragten Mitglied des Vorstandes oder des Organs Auskunft zu geben und ihre Handakten vorzulegen, es sei denn, dass sie dadurch ihre Verpflichtung zur Verschwiegenheit verletzen würden. Ein diesen Anforderungen entsprechendes Auskunftsverlangen hat der betroffene Berufsangehörige zu beantworten. Im Antwortschreiben hat er zumindest mitzuteilen, ob er die Auskunft verweigere (BGH, Urteil vom 3. Juli 1989 - StbSt (R) 1/89; FG Düsseldorf, Urteil vom 15. Januar 2003 - 2 K 3915/02 StB). Lässt ein Berufsangehöriger ein solches Auskunftsverlangen schuldhaft unbeantwortet, verletzt er seine beruflichen Pflichten. Gegen ihn ist dann ein berufsgerichtliches Verfahren einzuleiten, wenn nicht seine Schuld gering ist und der Vorstand eine Rüge für ausreichend erachtet (§ 81 Abs. 1 StBerG ). Die Ahndung einer solchen Berufspflichtverletzung durch Rüge seitens des Vorstandes oder mit berufsgerichtlichen Maßnahmen im Sinne der §§ 89 , 90 StBerG ist erforderlich, damit die Steuerberaterkammer die ihr zugewiesene Aufgabe, die Erfüllung der beruflichen Pflichten ihrer Mitglieder zu überwachen (vgl. § 76 Abs. 1 a.E., Abs. 2 Nr. 4 StBerG ), effektiv wahrnehmen kann (vgl. Gehre/von Borstel, Steuerberatungsgesetz 5. Aufl. § 80 Rdn. 2 f.; Goez in Kuhls/Meurers/Maxl/Schäfer/ Goez/Willerscheid, Steuerberatungsgesetz 2. Aufl. § 80 Rdn. 1 f., 4; Burhoff in Peter/Charlier, Steuerberatungsgesetz 3. Aufl. 44. Lfg./1998 § 80 Rdn. 1; vgl. auch FG Düsseldorf aaO für Vermittlungssachen im Sinne des § 76 Abs. 2 Nr. 3 StBerG ). Denn im Gegensatz zur Regelung in § 57 BRAO , wonach im anwaltlichen Berufsrecht die Rechtsanwaltskammer in derartigen Fällen ein Zwangsgeld festsetzen kann, stünde der Steuerberaterkammer andernfalls keine Sanktionsmöglichkeit zur Verfügung.

b) Die Nichtbeachtung eines Auskunftsverlangens der Steuerberaterkammer durch einen Berufsangehörigen stellt indes nur dann eine Verletzung der Berufspflichten dar, wenn das Auskunftsverlangen den Anforderungen des § 80 Abs. 1 Satz 2 StBerG entspricht. Dies ist hier nicht der Fall.

aa) Die Tatsache, dass die ein Auskunftsverlangen enthaltenden Schreiben der Steuerberaterkammer von der Geschäftsführerin unterschrieben wurden, genügte für sich allein nicht, um die Auskunftspflicht des Beschwerdeführers gemäß § 80 Abs. 1 Satz 2 StBerG auszulösen. Denn ein Steuerberater ist nur verpflichtet, Anfragen zu beantworten, die von dem Vorstand, dem satzungsmäßig dazu bestimmten Organ der Steuerberaterkammer oder einem beauftragten Vorstands- oder Organmitglied ausgehen (BGHSt 33, 225 ). Zu diesem Personenkreis gehört der (angestellte) Geschäftsführer einer Steuerberaterkammer nicht (BGH aaO; vgl. auch BGHSt 50, 230, 232 zu § 56 BRAO ).

bb) Die Möglichkeit, einen Angestellten der Steuerberaterkammer mit der Wahrnehmung der Aufgaben des § 80 Abs. 1 Satz 2 StBerG zu beauftragen, ist - im Gegensatz zur Wirtschaftsprüferkammer (vgl. § 62 WPO ), für die der Gesetzgeber dies im Jahr 2003 normiert hat (BGBl I, 2446) - gesetzlich nicht vorgesehen. Diese Regelung soll lediglich den Mitarbeitern der Landesgeschäftsstellen der Wirtschaftsprüferkammer die Durchführung von Anhörungen ermöglichen (vgl. BT-Drucks. 15/1241, S. 39). Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob die Nichtbeachtung eines aufgrund einer entsprechenden Regelung ausgesprochenen Auskunftsersuchens eine sanktionsbewehrte Berufspflichtverletzung darstellen könnte.

cc) Auch der Umstand, dass in § 4 Abs. 2 der Satzung der Steuerberaterkammer Westfalen-Lippe ohne jegliche Einschränkung der jeweilige Geschäftsführer zum Organ bestimmt wird und ihm die Aufgaben des § 80 Abs. 1 Satz 2 StBerG übertragen werden, bewirkt nicht, dass der Beschwerdeführer zur Beantwortung des Auskunftsverlangens der Geschäftsführerin verpflichtet war. Denn Auskunftsverlangen, die von einer Person ausgehen, die kein persönliches Mitglied der Steuerberaterkammer ist, können auch dann keine sanktionsbewehrte Auskunftspflicht auslösen, wenn diese Person - wie hier - durch Satzung ausdrücklich zum Organ bestellt wurde (vgl. Cichon/Späth, Bonner Handbuch der Steuerberatung, 79. Ergänzungslieferung Februar 2002 § 80 StBerG , B 1172.1; a. A. Goez aaO Rdn. 21; Burhoff aaO Rdn. 2; Gehre/von Borstel aaO Rdn. 9). Der Umstand, dass die Satzungsbestimmung des § 4 Satz 2 durch das Finanzministerium Nordrhein-Westfalen als zuständiger Aufsichtsbehörde genehmigt wurde, ist insoweit ohne Bedeutung (vgl. Gehre/von Borstel aaO § 78 Rdn. 7).

Die Steuerberaterkammer ist als Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 73 Abs. 2 Satz 2 StBerG ) auch im Rahmen des ihr eingeräumten Selbstverwaltungsrechts an Recht und Gesetz gebunden (Art. 20 Abs. 3 GG ). Zwar gibt sich die Steuerberaterkammer ihre Satzung selbst (§ 78 Satz 1 StBerG ) und ist sie dabei in der Ausgestaltung weitgehend frei (vgl. Goez aaO § 78 Rdn. 8). Gleichwohl darf die Satzung nicht höherrangigem Recht widersprechen. Dem genügt die Satzung hier nicht vollständig; sie bedarf einschränkender Auslegung: § 80 Abs. 1 Satz 2 StBerG ist dahingehend auszulegen, dass die Mitglieder des Organs der Steuerberaterkammer persönlich angehören müssen, damit die Nichtbeachtung eines von ihnen ausgehenden Auskunftsverlangens sanktionsbewehrt ist. Das Auskunftsverlangen von Geschäftsführern einer Steuerberaterkammer, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, verpflichtet dagegen den Adressaten nicht zur Beantwortung. Dies folgt aus der Gesetzessystematik (dazu unter (1)) sowie dem Normzweck des § 80 StBerG im Lichte des Grundrechts der Berufsausübungsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG und unter Beachtung der Grundsätze der Selbstverwaltung (dazu unter (2)).

(1) Die Steuerberaterkammern dürfen aufgrund ihrer Satzungsautonomie (§ 78 Satz 1 StBerG ) weitere Organe neben der Mitgliederversammlung und dem Vorstand bilden (vgl. Gehre/von Borstel aaO § 78 Rdn. 4). Auch die Aufgabe, in einer Aufsichts- oder Beschwerdesache von den Mitgliedern der Steuerberaterkammer Auskünfte zu verlangen, kann nach der ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung in § 80 Abs. 1 Satz 2 StBerG auf ein hierfür bestimmtes Organ übertragen werden.

(a) Eine ausdrückliche Beschränkung des Personenkreises, aus dem die Mitglieder des Organs bestimmt werden können, enthalten die Vorschriften der §§ 73 ff. StBerG - im Unterschied zur Regelung über die Besetzung des Vorstands (§ 77 StBerG ) - nicht. Da diesem Organ jedoch im Rahmen des Anwendungsbereichs des § 80 Abs. 1 Satz 2 StBerG dieselben Befugnisse zustehen wie dem Vorstand oder einem beauftragten Vorstandsmitglied, dürfen angesichts des in einem verpflichtenden Auskunftsverlangen liegenden nicht unerheblichen Eingriffs in die Berufsausübung des betroffenen Steuerberaters (vgl. BGHSt 33, 225 , 226) keine geringeren Anforderungen an die Qualifikation des Organmitglieds gestellt werden, als sie für ein Vorstandsmitglied bestehen.

Gemäß § 77 Satz 2 StBerG kann zum Mitglied des Vorstandes nur gewählt werden, wer persönliches Mitglied der Steuerberaterkammer ist. Zu diesem Personenkreis gehören gemäß § 74 Abs. 1 StBerG Steuerberater und Steuerbevollmächtigte, die ihren Sitz im Zuständigkeitsbereich der Steuerberaterkammer haben oder in deren Bereich bestellt worden sind. Hinzu kommen gemäß § 74 Abs. 2 i.V.m. § 50 Abs. 2 , 3 StBerG Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer und besonders befähigte Personen anderer Fachrichtungen, sofern sie Vorstandsmitglied, Geschäftsführer oder persönlich haftender Gesellschafter einer im Zuständigkeitsbereich der Steuerberaterkammer ansässigen Steuerberatungsgesellschaft sind.

(b) Auch der Vergleich mit den Beratungs- und Belehrungssachen (§ 76 Abs. 2 Nr. 1 StBerG ) sowie den Vermittlungssachen (§ 76 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 StBerG ) spricht dafür, dass als Mitglieder eines Organs im Sinne des § 80 Abs. 1 Satz 2 StBerG lediglich persönliche Mitglieder der Steuerberaterkammer, die auch als Vorstand wählbar wären, in Betracht kommen. Denn nach der Regelung des § 76 Abs. 3 Satz 1 erster Halbsatz StBerG können die vorgenannten Aufgaben nur auf Vorstandsmitglieder und damit auf persönliche Mitglieder der Steuerberaterkammer übertragen werden. Da die Eingriffsintensität von Verwaltungsmaßnahmen im Sinne des § 80 Abs. 1 StBerG in Aufsichts- und Beschwerdesachen nicht geringer ist, können aus gesetzessystematischen Gründen an die Eignung der Organmitglieder gemäß § 80 Abs. 1 Satz 2 StBerG keine geringeren Anforderungen gestellt werden.

(c) Ein Vergleich mit den Regelungen der Bundesrechtsanwaltsordnung führt zum selben Ergebnis. Nach der dem § 80 Abs. 1 StBerG vergleichbaren Regelung des § 56 Abs. 1 BRAO dürfen nur Vorstandsmitglieder der Rechtsanwaltskammer Auskunft von den Mitgliedern verlangen (vgl. BGHSt 50, 230, 231). Dem Vorstand dürfen aber - wie bei den Steuerberaterkammern - nur Kammermitglieder angehören (§ 65 Nr. 1 BRAO ). Auch die Androhung der Festsetzung eines Zwangsgeldes nach § 57 Abs. 2 BRAO kann nur vom Vorstand oder vom Präsidenten, der ebenfalls selbst Kammermitglied sein muss (§ 78 Abs. 1 i.V.m. § 65 Nr. 1 BRAO ), ausgesprochen werden.

(d) Nichts anderes ergibt sich aus einem Vergleich mit den Regelungen der Wirtschaftsprüferordnung . Die Möglichkeit, einen Geschäftsführer zum Organ der Berufskammer zu bestellen, ist auch dort gesetzlich nicht vorgesehen (vgl. § 62 WPO ). Im Übrigen lassen die insgesamt anders ausgestalteten Regelungen der Wirtschaftsprüferordnung zu Kammeranfragen und Reaktionen auf Zuwiderhandlungen und die differierende Organisationsstruktur der Wirtschaftsprüferkammer eine Übertragung der in diesem Bereich geltenden Grundsätze auf die die Steuerberaterkammern betreffenden Regelungen ohnehin nicht ohne weiteres zu.

(2) Auch aus dem Normzweck des § 80 Abs. 1 Satz 2 StBerG ergibt sich, dass den dort erwähnten Organen ausschließlich persönliche Mitglieder der Steuerberaterkammer angehören dürfen.

(a) Die den Mitgliedern der Steuerberaterkammer durch § 80 Abs. 1 StBerG auferlegten Pflichten dienen der Überwachung der Berufspflichten durch die Steuerberaterkammer. Zur Sicherung der Effektivität dieser Überwachung stellt bereits die Verletzung der Pflichten aus § 80 StBerG eine sanktionsbewehrte Berufspflichtverletzung dar (siehe oben Abschnitt II.1.a)). Aus diesem Grund handelt es sich bei einem Auskunftsverlangen gemäß § 80 Abs. 1 Satz 2 StBerG nicht lediglich um eine den betroffenen Berufsangehörigen nicht beschwerende vorbereitende Maßnahme. Vielmehr greift schon das Auskunftsverlangen unmittelbar in die Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG ) des betroffenen Berufsangehörigen ein. Nicht ausschlaggebend ist insoweit, dass die nachfolgende Entscheidung darüber, ob ein Rügeverfahren (§ 81 StBerG ) durchgeführt oder ein berufsgerichtliches Verfahren (§§ 89 ff. StBerG ) eingeleitet werden soll, dem Vorstand obliegt, und das Auskunftsverlangen diese Entscheidung lediglich vorbereiten soll (a. A. Goez aaO Rdn. 21).

Angesichts des mit einem Auskunftsverlangen verbundenen Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit des Adressaten muss bereits diejenige Person, welche die Erforderlichkeit eines Auskunftsverlangens prüft, beurteilen können, ob der zugrunde liegende Sachverhalt grundsätzlich geeignet ist, eine berufsrechtliche Maßnahme gemäß §§ 81 , 89 ff. StBerG zu rechtfertigen. Insbesondere bedarf es bei Beschwerdesachen einer inhaltlichen Vorprüfung, die die Fähigkeit zur Unterscheidung von im Ansatz haltlosen Eingaben und Beschwerden mit berufsrechtlich relevantem Hintergrund sowie zur rechtlichen Bewertung des mit einer Beschwerde vorgetragenen Sachverhalts erfordert. Eine Prüfung lediglich der formellen Voraussetzungen eines Auskunftsverlangens wird der Grundrechtsrelevanz dieser Maßnahme nicht gerecht. Vielmehr bedarf es bei der erforderlichen Vorprüfung der Kenntnisse und Erfahrungen im Berufsfeld eines Steuerberaters. Bereits die Formulierung des Auskunftsverlangens erfordert eine ausreichende fachliche und berufliche Kompetenz, die bei einem nicht berufsangehörigen Geschäftsführer nicht in jedem Fall gewährleistet ist (vgl. Cichon/Späth aaO).

(b) Demnach gehört bereits das Auskunftsverlangen zum Kernbereich der Berufsaufsicht als wesentlichem Teil der beruflichen Selbstverwaltung. Gerade die Einordnung dieser Maßnahme als Selbstverwaltungsaufgabe gebietet aber grundsätzlich, wie dies auch bei der Ausübung des Rügerechts (§ 81 StBerG ) und bei Verhängung berufsgerichtlicher Maßnahmen (§ 95 Abs. 4 Satz 2, § 96 Abs. 3 Satz 2, § 97 Abs. 2 StBerG i.V.m. § 100 StBerG ) der Fall ist, die Mitwirkung eines Berufsangehörigen. Diese Mitwirkungsverpflichtung ist auch notwendige Folge der Zwangsmitgliedschaft in der Steuerberaterkammer: Wenn ein Steuerberater sich der Berufsaufsicht durch die Steuerberaterkammer als der beruflichen Selbstverwaltung von Berufsangehörigen unterwerfen muss, muss auch gewährleistet sein, dass Maßnahmen der Steuerberaterkammer, die in seine Rechte eingreifen, nur von Kammermitgliedern getroffen werden.

(3) Die dargestellte Auslegung des § 80 Abs. 1 Satz 2 StBerG sichert zudem, dass die Mitglieder des Organs die für eine sachgerechte Vorprüfung erforderliche Qualifikation besitzen. Andernfalls wäre im Hinblick auf den in einem sanktionsbewehrten Auskunftsverlangen liegenden nicht unerheblichen Grundrechtseingriff vor Bestellung eines Organmitglieds jeweils eine Einzelfallüberprüfung von dessen fachlicher Eignung nötig. Während neben Steuerberatern auch bei Volljuristen naheliegt, dass sie die erforderliche Qualifikation besitzen, kann dies bei Personen mit anderer beruflicher Vorbildung zweifelhaft sein.

(4) Die gebotene enge Auslegung des § 80 Abs. 1 Satz 2 StBerG führt auch zu keinem erhöhten Verwaltungsaufwand. Denn sie gebietet nicht, dass dem Organ mehrere Mitglieder angehören. Zudem können die Aufgaben aus § 80 Abs. 1 Satz 2 StBerG auf einzelne Organmitglieder übertragen werden.

2. Im Gegensatz zur Nichtbeachtung des Auskunftsverlangens hat das Oberlandesgericht das - mangels Aufteilbarkeit der Anschuldigungspunkte in selbstständige Taten ebenfalls vom Revisionsangriff erfasste - Verhalten des Beschwerdeführers gegenüber dem Zeugen R. rechtsfehlerfrei als Berufspflichtverletzung gewertet.

Der Steuerberater hat seine Pflicht zur gewissenhaften Berufsausübung (§ 57 Abs. 1 StBerG ) dadurch verletzt, dass er auf die mehrfachen drängenden Aufforderungen seines Mandanten R. nicht reagiert und keine sachbezogenen Aktivitäten entwickelt hat, obwohl dies wegen der laufenden Einspruchsfrist zwingend geboten war. Er durfte nicht darauf vertrauen, sein Mandant werde selbst Einspruch gegen die ergangenen Steuerbescheide einlegen, sondern musste Sorge dafür tragen, dass die Bescheide nicht in Bestandskraft erwachsen konnten. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, der "streitbefangene" Zeitraum habe sechs Wochen nicht überschritten, steht dies der Würdigung seines Verhaltens als Berufspflichtverletzung nicht entgegen.

3. Trotz des reduzierten Schuldspruchs kommt ein Teilfreispruch nicht in Betracht. Die Berufsgerichtsbarkeit für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigte kennt - wie das Disziplinarrecht und das anwaltsgerichtliche Verfahren - keine Unterteilung des Sachverhalts in selbständige Handlungen, und zwar auch dann nicht, wenn mehrere dem Betroffenen zur Last gelegte Anschuldigungspunkte für sich selbst geprüft und rechtlich gewürdigt werden können und mehrere Taten im Sinne des § 264 StPO betreffen (vgl. BGHSt 33, 225 , 229 f. m.w.N.). Der Senat hat allerdings den diesen Grundsätzen widersprechenden Schuldspruch im angefochtenen Urteil in Wegfall zu bringen.

4. Die Verringerung des Schuldumfangs hat die Aufhebung des Ausspruchs über die Höhe der Geldbuße zur Folge. Zwar hat das Oberlandesgericht keine weitergehenden Maßnahmen verhängt als das Landgericht in erster Instanz. Es hat dabei aber den Umstand der Verletzung von Berufspflichten nicht nur gegenüber einem Mandanten, sondern auch gegenüber der Steuerberaterkammer ausdrücklich zum Nachteil des Beschwerdeführers gewertet. Dass das Oberlandesgericht ohne diese rechtsfehlerhafte Erwägung eine niedrigere Geldbuße verhängt hätte, kann der Senat nicht ausschließen, und zwar trotz des auf den Umfang der erstinstanzlichen Verurteilung reduzierten Schuldumfangs, für den das Landgericht keine geringere Geldbuße verhängt hatte. Angesichts des größeren Gewichts des bestehenbleibenden Schuldvorwurfs schließt der Senat allerdings aus, dass hier mildere berufsgerichtliche Maßnahmen als solche gemäß § 90 Abs. 2 StBerG in Betracht kommen.

Das Oberlandesgericht hat daher nur noch über die Höhe der Geldbuße, über die der Senat mangels entsprechenden staatsanwaltschaftlichen Antrags nicht entscheiden kann, zu befinden. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es bei dem hier ausschließlich vorliegenden Wertungsfehler nicht. Das Oberlandesgericht kann ergänzende, zu den bisherigen Feststellungen nicht im Widerspruch stehende Feststellungen treffen.

Vorinstanz: OLG Düsseldorf, vom 26.09.2006
Fundstellen
BStBl II 2008, 75
DB 2007, 1865
NJW-RR 2008, 506
VersR 2007, 1528
wistra 2007, 396