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BGH - Entscheidung vom 10.01.2007

5 StR 401/06

Normen:
StGB § 306a Abs. 1 Nr. 1

Fundstellen:
JuS 2007, 484
NJ 2007, 322
NStZ 2007, 270
StV 2007, 299

BGH, Beschluß vom 10.01.2007 - Aktenzeichen 5 StR 401/06

DRsp Nr. 2007/2651

Inbrandsetzen einer Kellerraumes

1. Ein Kellerraum in einem Wohnhaus ist ein in der Tatbestandsalternative "in Brand setzen" mögliches Tatobjekt des § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB , wenn das Feuer wesentliche Gebäudeteile erfasst hat oder es sich auf Gebäudeteile ausweiten kann, die für den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Gebäudes, also das Wohnen, wesentlich sind.2. Die Tatbestandsalternative "ein Gebäude durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstören" (§ 306a Abs. 1 Nr. 1 zweite Alt. StGB ) ist bei einer Brandlegung in einem Mehrfamilienhaus erst dann erfüllt, wenn eine zum Wohnen bestimmte "Untereinheit" dadurch für Wohnzwecke unbrauchbar geworden ist. Dies setzt voraus, dass wegen der Brandlegungsfolgen die Wohnung für eine beträchtliche Zeit - und nicht für Stunden oder einen Tag - nicht mehr benutzbar ist.

Normenkette:

StGB § 306a Abs. 1 Nr. 1 ;

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Brandstiftung in zwei Fällen, versuchter schwerer Brandstiftung in zwei Fällen sowie wegen Sachbeschädigung in zwei Fällen unter Einbeziehung einer anderweitig verhängten Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren, zwei Monaten und einer Woche verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision. Diese hat mit der Sachrüge den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO .

1. Nach den Feststellungen der Strafkammer zündete der Angeklagte in den Fällen 2 bis 5 der Urteilsgründe innerhalb eines Zeitraums von drei Tagen jeweils im Keller eines mehrgeschossigen Neubauhauskomplexes Gegenstände an. Er selbst bewohnte mit seiner Familie ebenso wie seine Schwiegereltern eine Wohnung in dem Komplex. Ein Motiv für diese Taten hat die Strafkammer nicht festgestellt.

Im Fall 2 zündete der Angeklagte mit einem Feuerzeug einen Karton in dem Kellerverschlag an, der neben dem von ihm genutzten Verschlag lag. Das dortige Inventar geriet in Brand. Im Fall 3 entzündete er einen aus einem anderen Kellerverschlag heraushängenden Stofffetzen, woraufhin dieser Verschlag und vier weitere "ausbrannten". Aufgrund der durch den Brand entstandenen Hitze verschmolzen Versorgungsleitungen - infolgedessen fiel der Strom aus, die Hauptstromleitung blieb für mehrere Stunden abgeschaltet - und an der Betondecke kam es zu Putzabplatzungen. Im Fall 4 entzündete er ebenfalls einen aus einem Kellerverschlag in Höhe der Versorgungsleitungen heraushängenden Stofffetzen; dieser und die Holzlatten des Verschlages fingen Feuer. Im Fall 5 zündete der Angeklagte in einer Nische des Kellergangs einen Pappkarton an, woraufhin die Versorgungsleitungen im Keller verschmolzen, weswegen der Strom abgeschaltet werden musste und drei Kellerverschläge "ausbrannten".

2. Das Landgericht ist in den Fällen 3 und 5 von einer vollendeten schweren Brandstiftung ausgegangen, weil die Versorgungsleitungen aufgrund der Brände unbrauchbar geworden seien. In den Fällen 2 und 4 habe der Angeklagte jeweils eine solche Tat versucht, da er ein Ausbreiten des Feuers auf die Versorgungsleitungen und damit auf einen für den bestimmungsgemäßen Gebrauch eines Hauses wesentlichen Teil beabsichtigt habe.

3. Diese Würdigung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Eine Verurteilung nach § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB in der hier in Betracht kommenden ersten Variante setzt voraus, dass ein zur Wohnung von Menschen dienendes Gebäude in Brand gesetzt oder durch die Brandlegung ganz oder teilweise zerstört wurde, bzw. der Täter dazu vorsätzlich unmittelbar angesetzt hat. Dies belegen die Feststellungen nicht.

a) Ein Kellerraum in einem Wohnhaus ist in der vom Landgericht angenommenen Tatbestandsalternative "in Brand setzen" mögliches Tatobjekt des § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB , wenn das Feuer wesentliche Gebäudeteile erfasst hat oder es sich auf Gebäudeteile ausweiten kann, die für den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Gebäudes, also das Wohnen, wesentlich sind (BGHSt 48, 14 , 21; vgl. auch BGH NJW 1999, 299 zu § 306 Nr. 2 StGB a. F.).

aa) Aus der Feststellung, dass die Kellerverschläge "ausgebrannt" seien, kann nur geschlossen werden, dass dort gelagerte Gegenstände und die Vorrichtungen zur Abtrennung der Kellerverschläge gebrannt haben. Für sich genommen genügt das nicht, da es sich nicht um für das Wohnen wesentliche Gebäudeteile handelt (verneinend z. B. BGHSt 48, 14 , 22: Holzlatten und Stoffbezug der Kellertür; BGH NStZ 2003, 266 : Holzwände, die einzelne Kellerabteile abtrennen; BGH NStE Nr. 10 zu § 306 StGB : Lattenkellertür). Feststellungen dazu, ob die Inbrandsetzung dieser Gegenstände geeignet war, das Feuer anderen, für die bestimmungsgemäße Nutzung wesentlichen Gebäudeteilen mitzuteilen, fehlen. Angesichts der üblichen Bauweise von mehrgeschossigen Wohngebäuden versteht sich dies auch nicht von selbst (vgl. hierzu BGHSt 18, 363, 364; BGH NJW 1999, 299 ).

bb) Dass infolge der Hitze Putz von der Betondecke abgeplatzt war, begründet den Tatbestand der Inbrandsetzung ebenfalls nicht (BGH, Beschluss vom 18. Oktober 1983 - 5 StR 760/83).

cc) Gleiches gilt für die verschmorten Versorgungsleitungen (vgl. BGHSt 48, 14 , 22). Bei den im Keller verlaufenden Versorgungsleitungen handelt es sich nicht um für den bestimmungsgemäßen Gebrauch wesentliche Gebäudeteile. Dass ein hitzebedingtes Verschmoren dieser Leitungen geeignet gewesen wäre, das Feuer den Wohnzwecken dienenden Bereichen des Hauses mitzuteilen, ist nicht festgestellt. Da es sich jedenfalls nicht um gasführende Versorgungsleitungen gehandelt hat, ist nicht auszuschließen, dass eine solche Eignung fehlte.

dd) Nach den Feststellungen liegt auch kein (untauglicher) Versuch einer schweren Brandstiftung vor. Es ist nicht tragfähig belegt, dass der Angeklagte das Mehrfamilienhaus und nicht nur abgetrennte Kellerbereiche in Brand setzen wollte. Angesichts des Umstands, dass er das Haus mit seiner Familie selbst bewohnte und sich auch zum Teil nach der Entzündung der Gegenstände wieder in seine Wohnung zurückbegab, hätte es hierzu näherer Erörterungen bedurft.

b) Die Feststellungen tragen auch eine Verurteilung wegen vollendeter oder versuchter Brandstiftung in der Tatbestandsalternative "ein Gebäude durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstören" (§ 306a Abs. 1 Nr. 1 zweite Alt. StGB ) nicht. Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass diese Handlungsalternative sich an dem primären Schutzzweck des § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB - Wohnen als "Mittelpunkt menschlichen Lebens" - ausrichtet und daher bei einer Brandlegung in einem Mehrfamilienhaus erst erfüllt ist, wenn eine zum Wohnen bestimmte "Untereinheit" dadurch für Wohnzwecke unbrauchbar geworden ist. Dies setzt voraus, dass wegen der Brandlegungsfolgen die Wohnung für eine beträchtliche Zeit - und nicht für Stunden oder einen Tag - nicht mehr benutzbar ist (BGHSt 48, 14 , 20). Die für Stunden unterbrochene Stromversorgung erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Soweit im Urteil festgestellt ist, dass eine Wohnung im dritten Obergeschoss aufgrund der Raucheinwirkung verrußt war und renoviert werden musste, ist weder ersichtlich, aufgrund welcher Tat es zu dieser Folge kam, noch dass die Wohnung im oben dargestellten Sinne unbrauchbar war. Zudem lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen, dass sich der Vorsatz des Angeklagten auf eine Brandstiftung an einem zur Wohnung von Menschen dienenden Gebäude bezogen hat.

4. Die Verurteilung wegen Sachbeschädigung in zwei Fällen - hierbei entzündete er jeweils einen Container in einem Müllraum, der zu dem von ihm bewohnten Wohnkomplex gehörte - ist zwar rechtsfehlerfrei, jedoch können die diesbezüglichen Einzelstrafen nicht bestehen bleiben. Denn die Erwägungen, mit denen das Landgericht eine erhebliche Beeinträchtigung des Steuerungsvermögens des Angeklagten verneint hat, sind nicht tragfähig.

Der Angeklagte, der früher Missbrauch von "Valoron" betrieb und zur Tatzeit regelmäßig "Tilidin", ein entfernt mit Morphin verwandtes Analgetikum, konsumierte, hat eine deutliche Affinität zum Feuerlegen, die in den abgeurteilten Taten und in der Vorverurteilung wegen zehn Brandstiftungsdelikten zum Ausdruck gekommen ist. Ein Tatmotiv konnte für keine der hiesigen Taten festgestellt werden. Angesichts dessen durfte sich die Strafkammer nicht auf die Wiedergabe der gutachterlichen Stellungnahme beschränken, die - soweit im Urteil wiedergegeben - im Wesentlichen an die wenigen durch den Angeklagten gewonnenen Erkenntnisse anknüpfte. Denn dieser hat in Ausübung seines Schweigerechts zu den ihm vorgeworfenen Taten keine Angaben gemacht, weswegen die Kammer "nicht genügend Anhaltspunkte" (UA S. 35) für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit gewinnen konnte.

Vielmehr hätte es aufgrund der oben dargestellten Auffälligkeiten und der Art der Kriminalität (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Oktober 1995 - 5 StR 530/95; BGH, Beschluss vom 25. Juli 2001 - 5 StR 287/01) zur Beurteilung, ob der Angeklagte an einer erheblichen Persönlichkeitsstörung im Sinne einer schweren seelischen Abartigkeit leidet, einer sorgfältigen Auseinandersetzung mit sämtlichen diesbezüglich zur Verfügung stehenden Anknüpfungstatsachen bedurft. So wird das bei der Wiedergabe der Ausführungen der Sachverständigen erwähnte Vorgutachten im Rahmen der früheren Verurteilung nicht erörtert. Das Urteil beschränkt sich auf das Einfügen der Feststellungen zum Tatablauf; zu welchem Ergebnis das Gutachten und das verurteilende Tatgericht kamen, wird nicht mitgeteilt. Auch fehlen Ausführungen dazu, welche Erkenntnisse sich aus den Vernehmungen der Ehefrau und der Schwiegereltern zur Verfassung des Angeklagten - über den "Tilidinkonsum" hinaus - ergeben haben. Weiterhin lassen die Urteilsgründe in diesem Zusammenhang eine Auseinandersetzung mit den Begleiterscheinungen weiterer Aburteilungen oder Beschuldigungen vermissen.

Sollte das Ergebnis der neuen Hauptverhandlung zur sicheren Feststellung der Merkmale des § 21 StGB führen, was nach der bislang hingenommenen unzulänglichen Beurteilungsgrundlage trotz des bisherigen Begutachtungsergebnisses nicht fernliegt, kommt die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB in Betracht.

Zur Gesamtstrafbildung wird auf die Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 5. September 2006 verwiesen.

Vorinstanz: LG Berlin, vom 25.04.2006
Fundstellen
JuS 2007, 484
NJ 2007, 322
NStZ 2007, 270
StV 2007, 299