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BGH - Entscheidung vom 18.10.2007

V ZB 52/07

Normen:
ZVG § 28 Abs. 2

BGH, Beschluß vom 18.10.2007 - Aktenzeichen V ZB 52/07

DRsp Nr. 2007/22028

Fortsetzung der Zwangsversteigerung bei unwirksamer Zustellung des Anordnungsbeschlusses

Das Zwangsversteigerungsverfahren ist nicht schon deshalb nach § 28 Abs. 2 ZVG aufzuheben, weil sich im Laufe des Verfahrens vor der Anberaumung des Versteigerungstermins herausstellt, dass die (erste) Zustellung des Anordnungsbeschlusses unwirksam war und diese wiederholt wird. Ist die Beschlagnahmewirkung der Verfahrensanordnung nach § 20 Abs. 1 ZVG durch die Eintragung des Versteigerungsvermerks in das Grundbuch nach § 22 Abs. 1 S. 2 ZVG bereits eingetreten, so ist die Vollstreckung auch bei einer nicht ordnungsgemäßen Zustellung des Anordnungsbeschlusses unter Anordnung der erneuten Zustellung fortzusetzen.

Normenkette:

ZVG § 28 Abs. 2 ;

Gründe:

I. Die Beteiligte zu 1 (Schuldnerin) ist ein in der Rechtsform der Sociedad de Responsabilidad limitada betriebenes Unternehmen mit Sitz in M. (M.). Sie ist Eigentümer eines Grundstücks in F. (Hessen). Dort wohnte ihr Geschäftsführer U. L., der sich im November 2004 nach Spanien mit unbekanntem Aufenthaltsort abmeldete. Die Beteiligte zu 2 betreibt die Zwangsversteigerung aus einer auf dem Grundstück der Beteiligten zu 1 eingetragenen Grundschuld.

Die Zustellung des Anordnungsbeschlusses sowie der Beschlüsse über die Zulassung des Beitritts weiterer Gläubiger durch das Vollstreckungsgericht scheiterte zunächst. Nach Übermittlung einer Nachricht des Gerichtsvollziehers, dass der Geschäftsführer der Beteiligten zu 1 sich weiterhin in F. aufhalte und dort auch wohne, erteilte das Vollstreckungsgericht dem Gerichtsvollzieher den Auftrag, den Anordnungsbeschluss und die Beitrittsbeschlüsse dem Geschäftsführer zuzustellen. Nach den sich in der Akte befindenden Zustellungsurkunden wurden die vorgenannten Beschlüsse dem Geschäftsführer der Beteiligten zu 1 durch den Gerichtsvollzieher am 23. September 2005 übergeben.

Die Beteiligte zu 1 stellte Anfang Oktober 2005 den Antrag nach § 30a ZVG , das Zwangsversteigerungsverfahren einstweilig einzustellen. Den Antrag wies das Vollstreckungsgericht zurück. Die dagegen erhobene Beschwerde blieb ohne Erfolg. In diesem Verfahren bat U. L., weitere Zustellungen in dieser Sache an die Anschrift in F. vorzunehmen.

Im Juni 2006 hat die Beteiligte zu 1 gegen die Zwangsversteigerung Vollstreckungserinnerung mit dem Antrag eingelegt, das Verfahren nach § 28 Abs. 2 ZVG wegen eines Vollstreckungsmangels aufzuheben, weil der Anordnungsbeschluss an sie nicht wirksam zugestellt worden sei. Der Rechtsbehelf ist ohne Erfolg geblieben. Hiergegen hat die Beteiligte zu 1 sofortige Beschwerde erhoben und zu deren Begründung vorgetragen, dass ihr Geschäftsführer den Anordnungs- und die Beitrittsbeschlüsse nicht erhalten habe; denn dieser habe sich am Tage der beurkundeten Zustellung in der Schweiz aufgehalten. Der Gerichtsvollzieher habe eine Falschbeurkundung im Amt vorgenommen. Das Vollstreckungsgericht hat daraufhin den Anordnungsbeschluss dem Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1 zugestellt.

Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Beteiligte zu 1 ihren Antrag auf Aufhebung des Zwangsversteigerungsverfahrens weiter.

II. Das Beschwerdegericht meint, dass die von der Beteiligten zu 1 behaupteten Fehler bei der Zustellung des Anordnungsbeschlusses keinen Vollstreckungsmangel im Sinne des § 28 Abs. 2 ZVG darstellten, welcher einer Fortsetzung des Verfahrens entgegenstünde. Es liege vielmehr ein vom Vollstreckungsgericht selbst zu behebender Verfahrensmangel vor.

Das Ausbleiben der förmlichen Zustellung des Anordnungsbeschlusses im Vollstreckungsverfahren werde nach § 189 ZPO geheilt, wenn der Schuldner den Beschluss tatsächlich erhalte. Unabhängig davon sei der Mangel im Verfahren dadurch behoben worden, dass der Beteiligten zu 1 der Anordnungsbeschluss im Dezember 2006 an ihren Verfahrensbevollmächtigten erneut zugestellt worden sei.

III. Die auf Grund Zulassung statthafte (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO ) und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.

Die von der Beteiligten zu 1 vorgetragenen Zustellungsmängel begründen keinen Vollstreckungsmangel nach § 28 Abs. 2 ZVG , der die Aufhebung des Verfahrens nach Absatz 1 gebietet.

1. Das Rechtsbeschwerdegericht muss allerdings - mangels anderer Feststellungen des Beschwerdegerichts - davon ausgehen, dass der Anordnungsbeschluss und die Beitrittsbeschlüsse im September 2005 nicht durch Übergabe des Gerichtsvollziehers an den Geschäftsführer der Beteiligten zu 1 nach § 177 ZPO zugestellt worden sind und dass die Beteiligte zu 1 diese Dokumente damals auch nicht in anderer Weise tatsächlich erlangt hat.

Die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Frage, ob § 8 ZVG , der die förmliche Zustellung des Anordnungsbeschlusses sowie der Beitrittsbeschlüsse vorschreibt, eine Heilung nach § 189 ZPO ausschließt, stellt sich damit hier nicht. Nach dieser Vorschrift gilt ein Dokument zwar mit dem tatsächlichen Zugang als zugestellt, auch wenn sich die formgerechte Zustellung nicht nachweisen lässt oder diese unter Verletzung zwingender Vorschriften ausgeführt wurde. Eine Heilung nach § 189 ZPO setzt jedoch - wie nach § 187 ZPO a.F. - voraus, dass der Zustellungsadressat das Schriftstück tatsächlich erhalten hat; die Kenntnis von seinem Inhalt genügt nicht (vgl. BGHZ 70, 384, 387; Urt. v. 13. April 1992, II ZR 105/91, NJW 1992, 2099 , 2100). Davon kann nicht ausgegangen werden, weil die Beteiligte zu 1 bestritten hat, die Ausfertigungen der Beschlüsse tatsächlich erhalten zu haben.

Die Zustellung des Anordnungsbeschlusses an den Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 3 im Beschwerdeverfahren, auf die sich das Beschwerdegericht gestützt hat, beruhte dagegen auf einer erneuten Anordnung des Vollstreckungsgerichts. Die Neuvornahme der Zustellung ist von einer Heilung nach § 189 ZVG zu unterscheiden, da sie nicht auf den Zeitpunkt zurückwirkt, in dem der Geschäftsführer der Beteiligten zu 1 die Beschlüsse erstmals tatsächlich in den Händen hatte, sondern erst eintritt, wenn die Zustellung bewirkt wird (vgl. Eickmann, Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungsrecht, 2. Aufl., S. 112).

b) Die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist im Ergebnis jedoch nicht zu beanstanden. Das Zwangsversteigerungsverfahren ist nicht schon deshalb nach § 28 Abs. 2 ZVG aufzuheben, weil sich im Laufe des Verfahrens vor der Anberaumung des Versteigerungstermins herausstellt, dass die (erste) Zustellung des Anordnungsbeschlusses unwirksam war und diese wiederholt wird.

aa) Zwar kann sich die Rechtsbeschwerde auf eine Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum berufen, nach der die Verletzung zwingender Vorschriften bei der Zustellung des Anordnungsbeschlusses dazu führen soll, dass das gesamte Versteigerungsverfahren an einem nicht behebbaren Mangel leidet (LG Koblenz, Rpfleger 1972, 183; Stöber, ZVG , 18. Aufl., § 8 Rdn 2.2; Storz, Zwangsversteigerungsverfahren, 10. Aufl., S. 372). Dem steht die Auffassung gegenüber, dass die Vollstreckung auch bei einer nicht ordnungsgemäßen Zustellung des Anordnungsbeschlusses unter Anordnung der erneuten Zustellung fortzusetzen ist, wenn die Beschlagnahmewirkung der Verfahrensanordnung nach § 20 Abs. 1 ZVG durch die Eintragung des Versteigerungsvermerks in das Grundbuch nach § 22 Abs. 1 Satz 2 ZVG bereits eingetreten ist. Die Beschlagnahmewirkungen sind dann nicht durch Aufhebung des Verfahrens zu beseitigen, weil die ordnungsgemäße Zustellung nachgeholt werden kann (vgl. OLG Köln OLGZ 1977, 240, 244; Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, 13. Aufl., § 35.5, S. 451).

Der Senat teilt die letztgenannte Auffassung. Zwar wirkt sich ein Zustellungsmangel auf das gesamte Verfahren aus, wenn er nicht behoben wird. Die nicht ausgeführte oder unwirksame Zustellung eines Anordnungs- oder Beitrittsbeschlusses ist indes kein Vollstreckungsmangel nach § 28 Abs. 2 ZVG , sondern ein vom Vollstreckungsgericht selbst ggf. durch Neuvornahme zu behebender Verfahrensmangel (zu dieser Unterscheidung: Stöber, ZVG , 18. Aufl., § 28 Rdn. 9.1; ders., ZVG -Handbuch, 8. Aufl., Rdn. 163c). Nach der Systematik des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung ist nicht das gesamte Verfahren allein deshalb aufzuheben, weil die nach § 8 ZVG vorgeschriebene Zustellung des Anordnungsbeschlusses unwirksam war. Die Rechtsfolgen einer unterbliebenen oder nicht wirksam gewordenen Zustellung sind in § 43 Abs. 2 ZVG vielmehr so geregelt, dass der Versteigerungstermin aufgehoben und neu bestimmt werden muss, wenn der Anordnungsbeschluss dem Schuldner nicht (spätestens) vier Wochen vor dem Termin zugestellt worden ist (vgl. Böttcher, ZVG , 4. Aufl., § 8 Rdn. 1; Korintenberg/Wenz, ZVG , 6. Aufl., § 8 Anm. 1; Steiner/Hagemann, ZVG , 9. Aufl., § 8 Rdn. 3). Die Wirkungen einer durch Eintragung des Versteigerungsvermerks nach § 22 Abs. 1 Satz 2 ZVG eingetretenen Beschlagnahme bleiben demgegenüber von dem Zustellungsmangel unberührt.

Die Regelungen in §§ 22 Abs. 1 Satz 2, 43 Abs. 2 ZVG beruhen auf einer Änderung im Gesetzgebungsverfahren, die zum Schutze der Gläubiger bei schwierig auszuführenden Zustellungen vorgenommen worden ist. Da eine Zustellung längere Zeit in Anspruch nehmen kann, wurde die Konzeption des § 37 Abs. 1 des Entwurfes von 1888, nach der die Beschlagnahme stets die Zustellung des Anordnungsbeschlusses voraussetzte, um die Bestimmung in § 22 Abs. 1 Satz 2 ZVG ergänzt, nach der auch die vorherige Eintragung des Versteigerungsvermerks die Beschlagnahme herbeiführt, die Versteigerung selbst aber erst nach der Zustellung des Anordnungsbeschlusses durchgeführt werden darf (dazu Jaeckel/Güthe, ZVG , 7. Aufl., § 22 Rdn. 1 und § 43 Rdn. 2; Reinhard/Müller, ZVG , 3. u. 4. Aufl., § 22 Anm. 1 und § 43 Anm. 4).

Das Gesetz geht demnach davon aus, dass ein Versteigerungsverfahren auch dann ordnungsgemäß durchgeführt wird, wenn die Zustellung des Anordnungsbeschlusses erst nach einer Beschlagnahme durch Eintragung des Versteigerungsvermerks erfolgt, wie es bei den im Ausland vorzunehmenden oder den öffentlichen Zustellungen häufig sein kann, wenn nur die Zustellung des Beschlusses an den Schuldner vor der in § 43 Abs. 2 ZVG bestimmten Frist vor dem Versteigerungstermin ausgeführt wird. Eine Verzögerung bei der Zustellung begründet danach keinen Aufhebungsgrund nach § 28 Abs. 2 ZVG , und zwar unabhängig davon, ob diese auf Schwierigkeiten bei der Ausführung des ersten Auftrages oder auf einer Neuvornahme beruht, weil die erste Zustellung wegen eines nicht heilbaren Mangels unwirksam war.

bb) Ein zur Aufhebung nach § 28 Abs. 2 ZVG führender Verfahrensmangel lässt sich auch nicht mit der Erwägung der Rechtsbeschwerde begründen, dass die vorgeschriebene Zustellung des Anordnungsbeschlusses auch dazu dient, dem Schuldner eine sachgerechte Wahrnehmung seiner Interessen in dem anhängigen Verfahren zu sichern, die ihm jedoch nicht möglich sei, solange er von der für ihn wichtigen Einleitung des Verfahrens und den Beitrittszulassungen nichts erfahren habe.

Eine unterlassene oder - hier gescheiterte - erste Zustellung des Anordnungsbeschlusses kann zu einem der Fortsetzung des Verfahrens entgegenstehenden Verfahrensmangel führen, selbst wenn die Zustellung noch vor dem Versteigerungstermin nachgeholt wird. Das ist denkbar, wenn durch die verspätete Zustellung das verfassungsrechtliche Gebot eines fairen, rechtsstaatlichen Versteigerungsverfahrens verletzt wurde, weil der Schuldner deswegen Anträge auf Einstellung des Verfahrens nach § 30a ZVG , § 765a ZPO (vgl. BVerfGE 46, 325 , 334; 49, 220, 226) nicht stellen oder eine Beschwerde gegen die Verkehrswertbestimmung nach § 74a Abs. 5 ZVG nicht erheben konnte.

Von alledem kann hier jedoch keine Rede sein. Die Beteiligte zu 1 hat in diesem Verfahren - trotz des von ihr jetzt behaupteten Zustellungsmangels - innerhalb der in § 30b Abs. 1 Satz 1 ZVG bestimmten Notfrist von zwei Wochen, die mit dem Zugang der mit dem Anordnungsbeschluss verbundenen Belehrung beginnt, den Einstellungsantrag nach § 30a ZVG gestellt. Ihr waren zudem weder die Anordnung der Versteigerung noch die das Verfahren betreibenden Gläubiger unbekannt, die sie in einem von ihrem Geschäftsführer verfassten Schriftsatz bezeichnet hat. Sie hat darüber hinaus im weiteren Verlauf des Verfahrens, über dessen Fortgang sie durch die von ihrem Geschäftsführer erbetene Zustellungen an die Anschrift in F. offenbar informiert war, alle denkbaren Rechtsbehelfe - insbesondere gegen die Wertfestsetzung - erhoben.

Die von der Rechtsbeschwerde vertretene Auffassung liefe unter Berücksichtigung der vorstehenden Umstände hier mithin darauf hinaus, dass der vorgetragene Mangel bei Zustellung des Anordnungsbeschlusses entgegen der Regelung in § 43 Abs. 2 ZVG zu einer Aufhebung des Verfahrens führt, obwohl nichts dafür erkennbar ist, dass die Beteiligte zu 1 dadurch in der Wahrung ihrer Rechte gehindert gewesen sein könnte.

IV. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die durch das Rechtsbeschwerdeverfahren entstandene Festgebühr (Nr. 2242 KV- GKG ) hat der Rechtsbeschwerdeführer nach § 26 Abs. 3 GKG zu tragen. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Schuldner kommt nicht in Betracht, weil sich die Beteiligten des Zwangsversteigerungsverfahrens in der Regel nicht als Parteien im Sinne der Zivilprozessordnung gegenüber stehen (Senat, Beschl. v. 18. Mai 2005, V ZB 142/05, WM 2006, 1727 , 1730).

Vorinstanz: LG Fulda, vom 05.02.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 3 T 199/06
Vorinstanz: AG Fulda, vom 30.06.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 5 K 52/05