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BGH - Entscheidung vom 06.07.2007

2 StR 207/07

Normen:
StPO § 260 Abs. 4, Abs. 5

BGH, Beschluß vom 06.07.2007 - Aktenzeichen 2 StR 207/07

DRsp Nr. 2007/14914

Fassung von Tenor und Liste der angewendeten Vorschriften bei Verurteilung mehrerer Angeklagter

1. Bei unterschiedlichen Schuldsprüchen für mehrere Angeklagte ist die Urteilsformel zur besseren Übersicht nach Angeklagten und nicht nach Straftatbeständen zu gliedern. 2. Darüber hinaus ist in solchen Fällen für jeden Angeklagten gesondert eine Liste der angewendeten Vorschriften zu erstellen.

Normenkette:

StPO § 260 Abs. 4 , Abs. 5 ;

Gründe:

Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt für schuldig befunden:

"- des besonders schweren Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung in Tateinheit mit Zuhälterei und mit einem Verstoß gegen das Aufenthaltsgesetz ,

den Angeklagten K. in zwei Fällen,

den Angeklagten S. M. in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung,

den Angeklagten H. in einem Fall,

- der Beihilfe zum besonders schweren Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung in Tateinheit mit Zuhälterei und einem Verstoß gegen das Aufenthaltsgesetz ,

den Angeklagten L. in zwei Fällen,

- der Zuhälterei in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Ausländergesetz ,

den Angeklagten S. M. in einem Fall

und den Angeklagten H. der Beihilfe hierzu,

- der Vergewaltigung,

den Angeklagten H. ,

- des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge,

den Angeklagten K. ,

- der vorsätzlichen Körperverletzung,

den Angeklagten S. M.."

Den Angeklagten K. hat es zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten, S. M. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren, H. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten und L. zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagten die Verletzung materiellen Rechts.

1. Der Senat hat mit Zustimmung des Generalbundesanwalts in den Fällen II.1 und 3 der Urteilsgründe den Vorwurf des gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern bzw. der Beihilfe dazu - bei den eingeschleusten Prostituierten handelte es sich um EG-Bürgerinnen - von der Strafverfolgung ausgenommen. Darüber hinaus hat er hinsichtlich des Angeklagten L. die Strafverfolgung beschränkt, weil die bisherigen Feststellungen im Fall II.3 keine Beihilfe zum schweren Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung belegen und im Fall II.3 nur eine Beihilfe zu § 232 Abs. 3 Nr. 3 StGB , nicht aber eine solche zu § 232 Abs. 4 Nr. 1 StGB tragen.

Die Beschränkung der Strafverfolgung hat die Aufhebung der in diesen Fällen erkannten Einzelstrafen zur Folge, da bei der Strafzumessung jeweils die tateinheitliche Verwirklichung mehrerer Straftatbestände strafschärfend berücksichtigt wurde. Die ausgeschiedenen Tatvorwürfe sind auch nicht von völlig untergeordneter Bedeutung. Hinsichtlich des Angeklagten H. kommt im Fall II.1 hinzu, dass die Kammer die Strafe dem Strafrahmen des § 232 StGB entnommen hat (UA S. 42), obwohl sie den Angeklagten überhaupt nicht nach dieser Vorschrift verurteilt hat.

Infolge der Aufhebung mehrerer Einzelstrafen können auch die verhängten Gesamtstrafen keinen Bestand haben.

2. Die Schuldspruchänderung hinsichtlich des Angeklagten K. im Fall II.6 der Urteilsgründe beruht darauf, dass die Urteilsfeststellungen kein eigennütziges Handeln belegen. Sein Tatbeitrag kann daher nur als Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, nicht aber als Täterschaft gewertet werden. In Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge steht hier der (täterschaftliche) Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG . Der Schuldspruchänderung steht § 265 Abs. 1 StPO nicht entgegen, da auszuschließen ist, dass sich der Angeklagte gegen den rechtlich so gefassten Schuldspruch anders hätte verteidigen können.

Die Schuldspruchänderung in diesem Fall führt nicht zur Aufhebung des Strafausspruchs. Der gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB anzuwendende Strafrahmen bestimmt sich auch für den geänderten Schuldspruch nach § 29 a Abs. 1 BtMG . Es ist auszuschließen, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung für dieses Betäubungsmittelgeschäft eine niedrigere Einzelstrafe verhängt hätte.

3. Die Verwirklichung des Absatzes 4 des § 232 StGB ist im Tenor als schwerer, nicht aber als "besonders" schwerer Menschenhandel zu kennzeichnen (a.A. Tröndle/Fischer, StGB , 54. Aufl. § 232 Rdn. 3), weil diese Tatbestandsvariante gegenüber der ebenfalls als schwerer Menschenhandel zu bezeichnenden Qualifikation des Absatzes 3 keinen erhöhten Strafrahmen aufweist. Eine entsprechende Differenzierung ergibt sich hier nicht aus dem Tenor, sondern lediglich aus der Liste der angewendeten Vorschriften. Ob es sich - wie der Generalbundesanwalt meint - beim Absatz 4 des § 232 StGB nicht um eine Qualifikation, sondern um einen eigenen Tatbestand handelt (so auch Tröndle/Fischer aaO. Rdn. 25; a.A. Wolters in SK- StGB § 232 Rdn. 41 ff.) und ob die Verwirklichung beider Tatalternativen im Tenor zum Ausdruck zu bringen ist, kann hier dahinstehen, da die allein revidierenden Angeklagten insoweit nicht beschwert sind.

4. Ebenso wenig beschwert es den Angeklagten H. , dass er im Fall II.4 der Urteilsgründe, in dem er sein Opfer mit einem Ledergürtel und einer Wäscheleine gefesselt hat, nicht wegen schwerer Vergewaltigung gemäß § 177 Abs. 3 Nr. 2 StGB verurteilt worden ist und dass die Kammer die weitere Qualifikation des § 177 Abs. 4 Nr. 2 a StGB nicht in Betracht gezogen hat.

5. Das Vergehen nach § 96 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG ist im Schuldspruch als gewerbsmäßiges Einschleusen von Ausländern zu bezeichnen (vgl. § 260 Abs. 4 Satz 2 StPO ).

6. Was die Urteilsabfassung anbelangt, weist der Senat darauf hin, dass die Urteilsformel zur besseren Übersicht nach Angeklagten und nicht nach Straftatbeständen zu gliedern ist (vgl. dazu im Einzelnen Meyer-Goßner/Appl, Die Urteile in Strafsachen, 27. Aufl. Rdn. 21 ff.). Darüber hinaus ist für jeden Angeklagten gesondert eine Liste der angewendeten Vorschriften zu erstellen, da zum einen unter Umständen nur so deutlich wird, welcher Angeklagte welche Regelbeispiele und welche Qualifikationen verwirklicht hat und weil zum anderen nur so eine konkrete Erfassung der Verurteilung eines jeden Angeklagten im Bundeszentralregister und in anderen Registern gewährleistet ist (vgl. Nr. 141 Abs. 1 Satz 4 RiStBV ; Meyer-Goßner/Appl aaO. Rdn. 184).

Vorinstanz: LG Aachen, vom 24.11.2006