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BGH - Entscheidung vom 29.03.2007

IX ZR 27/06

Normen:
InsO § 38 § 129 § 130 § 131 § 166 § 170 Abs. 2 § 171 Abs. 2 S. 3 § 173
UStG § 13b Abs. 1 Nr. 2

BGH, Urteil vom 29.03.2007 - Aktenzeichen IX ZR 27/06

DRsp Nr. 2007/9441

Erstattung der Umsatzsteuer bei abgesonderter Befriedigung des Sicherungseigentümers; Voraussetzungen einer Deckungsanfechtung

»a) Hat der wegen sicherungsübereigneter Gegenstände zur abgesonderten Befriedigung berechtigte Gläubiger das Sicherungsgut vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Besitz genommen, aber erst nach der Eröffnung verwertet, hat er in Höhe der wegen der Lieferung des Sicherungsgutes an ihn angefallenen Umsatzsteuerschuld aus dem Verwertungserlös einen Betrag in dieser Höhe in analoger Anwendung von § 13b Abs. 1 Nr. 2 UStG , § 170 Abs. 2 , § 171 Abs. 2 Satz 3 InsO an die Masse abzuführen.b) Eine Deckungsanfechtung nach §§ 130 , 131 InsO findet gegenüber solchen absonderungsberechtigten Gläubigern statt, die zugleich persönliche Gläubiger des Insolvenzschuldners sind.«

Normenkette:

InsO § 38 § 129 § 130 § 131 § 166 § 170 Abs. 2 § 171 Abs. 2 S. 3 § 173 ; UStG § 13b Abs. 1 Nr. 2 ;

Tatbestand:

Im Jahre 2002 gewährte die Beklagte, eine Bank, der K. GmbH (im Folgenden: Schuldnerin) vier Darlehen zum Kauf von zehn Sattelaufliegern. Zur Sicherheit übereignete die Schuldnerin der Beklagten die finanzierten Fahrzeuge. Am 5. März 2003 teilte der Geschäftsführer der Schuldnerin der Beklagten mit, es habe den Anschein, dass die Schuldnerin geschlossen werden müsse. Daraufhin ließ sich die Beklagte die sicherungsübereigneten Fahrzeuge noch im März 2003 herausgeben.

Am 1. April 2003 stellte die Schuldnerin Insolvenzantrag. Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 23. April 2003 die Darlehensverträge fristlos und stellte den Saldo zur sofortigen Rückzahlung fällig. Außerdem drohte sie die Verwertung der Fahrzeuge für den Fall der Nichterfüllung der Verbindlichkeiten an. Am 3. Juli 2003 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. In der Folgezeit verwertete die Beklagte die Fahrzeuge und erzielte einen Bruttoerlös von 168.780 EUR, den sie mit ihren Forderungen gegen die Schuldnerin verrechnete. Der Kläger führte die aufgrund der Veräußerung angefallene Umsatzsteuer in Höhe von 23.280 EUR an das Finanzamt ab.

Der Kläger verlangt, soweit in der Revision noch von Interesse, von der Beklagten die Erstattung der von ihm abgeführten Umsatzsteuer. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist zurückgewiesen worden. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Revision ist unbegründet.

I. Das Berufungsgericht, dessen Urteil u.a. veröffentlicht ist in NZI 2006, 702 , meint, die Beklagte habe dem Kläger die von diesem an das Finanzamt abgeführte Umsatzsteuer zu erstatten. Dies ergebe sich zwar nicht aus § 170 Abs. 2 InsO , weil sich der Anwendungsbereich der §§ 170 , 171 InsO ausschließlich auf die mit Absonderungsrechten belasteten beweglichen Sachen beschränke, die der Insolvenzverwalter in Besitz habe. Auch eine analoge Anwendung der Vorschrift komme nicht in Betracht.

Dem Kläger stehe jedoch wegen der Umsatzsteuerbelastung der Masse ein Schadensersatzanspruch gemäß § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO i.V.m. § 819 Abs. 1 , § 818 Abs. 4 , § 292 Abs. 1 , § 989 BGB zu. Eine Deckungsanfechtung finde auch gegenüber absonderungsberechtigten Gläubigern statt. Die Inbesitznahme der Auflieger stelle eine Rechtshandlung im Sinne des § 130 InsO dar, die innerhalb der Dreimonatsfrist erfolgt sei. Die Schuldnerin sei im Zeitpunkt der Inbesitznahme zahlungsunfähig gewesen, was der Beklagten bekannt gewesen sei. Die objektive Gläubigerbenachteiligung ergebe sich daraus, dass der Kläger die Umsatzsteuer an das Finanzamt habe abführen müssen, ohne dass eine Gegenleistung in die Masse gelangt sei.

II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung im Ergebnis stand.

1. Das Berufungsgericht geht im Ausgangspunkt zutreffend davon aus, dass der Kläger infolge der Verwertung der Auflieger durch die Beklagte Umsatzsteuer in Höhe von 23.280 EUR an das Finanzamt abzuführen hatte, weil die Umsatzsteuer für die Lieferung des Sicherungsgutes an die Beklagte gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO zu den Massekosten gehörte.

a) Der Sicherungsgeber liefert das Sicherungsgut dem Sicherungsnehmer auch dann erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, wenn er das Sicherungsgut zwar bereits zuvor dem Sicherungsnehmer zur Verwertung herausgegeben hat, die Verwertung aber erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs kommt es erst mit der Veräußerung des Sicherungsgutes durch den Sicherungsnehmer an einen Dritten zu zwei Lieferungen: Der Sicherungsgeber liefert an den Sicherungsnehmer und dieser liefert an den Erwerber. Denn erst im dem Zeitpunkt der Veräußerung an den Dritterwerber scheidet der Gegenstand auch wirtschaftlich endgültig aus dem Vermögen des Sicherungsgebers aus (BFHE 126, 84 , 85 f.; 150, 379; 173, 458, 460; 175, 164, 167; 182, 444, 449; BFH/NV 1999, 680 ; 2004, 832 ; 2004, 1302).

b) Durch die Rechtsprechung ist ebenfalls geklärt, dass die Umsatzsteuer für diese Lieferung des Sicherungsgutes an den Sicherungsnehmer nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO zu den Masseverbindlichkeiten gehört (BFHE 126, 84 , 86; 175, 164, 169; BFH/NV 1998, 628; 2004, 1302 , 1303; vgl. auch BGHZ 58, 292, 294 f.; 77, 139, 144).

c) Erfolgt die Verwertung sicherungsübereigneter Gegenstände außerhalb des Insolvenzverfahrens, wird allerdings gemäß § 13b Abs. 1 Nr. 2 UStG (bis 1. Januar 2002: vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 2 UStDV ) der Sicherungsnehmer zum Steuerschuldner. Eine Verwertung außerhalb des Insolvenzverfahrens lag jedoch nicht vor. Die Verwertung ist erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt.

Das Verwertungsrecht des Gläubigers, der im Besitz der beweglichen Sache ist, an der für ihn ein Absonderungsrecht besteht, beeinträchtigt die Massezugehörigkeit dieser Sache nicht. Auch im Besitz des Gläubigers befindliches Sicherungsgut gehört deshalb bis zu seiner Verwertung zur Masse (Uhlenbruck/Maus, InsO 12. Aufl. § 171 Rn. 7; Onusseit ZInsO 2000, 586, 587; Welzel ZIP 1998, 1823, 1824; de Weerth ZInsO 2003, 246, 250; Kübler/Prütting/Kemper, InsO § 173 Rn. 10; Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 6. Aufl. S. 217). Die Lieferung an den Sicherungsnehmer, die mit der Verwertung des Sicherungsgutes durch ihn erfolgt, ist der Masse zuzurechnen.

Diese Rechtslage hat das Berufungsgericht im Einzelnen zutreffend ausgeführt. Die Revision stellt dies zwar zur Überprüfung; sie verweist dazu aber lediglich auf die neue Vorschrift des § 13b Abs. 1 Nr. 2 UStG . Ein solcher Fall liegt hier jedoch, wie dargelegt, nicht vor.

2. Die Vorschrift des § 170 Abs. 2 InsO regelt den hier gegebenen Sachverhalt nicht. Der Anwendungsbereich der §§ 170 , 171 InsO beschränkt sich auf die Gegenstände, an denen der Verwalter ein Verwertungsrecht hat. Dies erfordert gemäß § 166 Abs. 1 InsO , dass er die mit einem Absonderungsrecht belastete bewegliche Sache in Besitz hat. Auch § 170 Abs. 2 InsO setzt deshalb voraus, dass der Insolvenzverwalter dem Gläubiger einen Gegenstand zur Verwertung überlässt, an dem er selbst ein Verwertungsrecht hat (vgl. Uhlenbruck aaO. § 170 Rn. 13; MünchKomm-InsO/Lwowski, § 170 Rn. 47, 49). Dies war hier nicht der Fall, weil der Kläger zu keinem Zeitpunkt Besitz an den Aufliegern hatte.

3. Die Beklagte hat dem Kläger die abgeführte Umsatzsteuer jedoch in analoger Anwendung von § 170 Abs. 2 InsO zu erstatten.

Ob § 170 Abs. 2 InsO auf den hier vorliegenden Fall, dass der Absonderungsberechtigte den Besitz am Sicherungsgut vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlangt, die Verwertung aber erst nach der Eröffnung durchführt, entsprechend anwendbar ist, ist allerdings umstritten (für die Analogie: MünchKomm-InsO/Kling, Bd. 3 Insolvenzsteuerrecht Rn. 173; HK-InsO/Landfermann, 4. Aufl. § 171 Rn. 14; Stadie in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG Februar 2006 § 13b Rn. 70, § 18 Rn. 850; Marotzke ZZP 109 (1996) 429, 463 f.; Ganter/Brünink NZI 2006, 257, 260; gegen die Analogie: LG Stuttgart ZIP 2004, 119; FK-InsO/Wegener, InsO 4. Aufl. § 173 Rn. 5; Onusseit KTS 1994, 3, 20; Obermüller WM 1994, 1829, 1875; de Weerth ZInsO 2003, 246, 250; Welzel ZIP 1998, 1823, 1824 ff., 1828; Kübler/Prütting/Kemper, aaO. § 173 Rn. 10; Uhlenbruck/Maus, aaO. § 171 Rn. 8).

Der Auffassung, die die Analogie befürwortet, ist zuzustimmen. Eine Analogie setzt eine planwidrige Regelungslücke voraus (BGHZ 149, 165 , 174 m.w.N.). Hiervon ist vorliegend auszugehen. Dem Bundestag lag allerdings zu § 195 InsO -E (§ 170 InsO ) ein Antrag der SPD-Fraktion vor, der vorsah, statt der Regelungen in § 170 Abs. 2 , § 171 Abs. 2 Satz 3 InsO eine Vorschrift folgenden Inhalts einzuführen:

"Führt die Verwertung eines Gegenstandes, an dem ein Absonderungsrecht besteht, durch den Insolvenzverwalter oder durch den Gläubiger zu einer Belastung der Insolvenzmasse mit Umsatzsteuer, so ist aus dem Verwertungserlös ein Betrag in Höhe der Umsatzsteuerbelastung vorweg an die Masse abzuführen."

Dieser Antrag ist im Rechtsausschuss und sodann im Plenum des Deutschen Bundestages abgelehnt worden. Zur Begründung wurde angeführt, eine weitere Kostenbelastung der gesicherten Gläubiger solle vermieden werden (vgl. BT-Drucks. 12/7302 zu § 200a). Die vorgeschlagene Regelung hätte zwar auch den hier zu beurteilenden Fall erfasst. Dass die vorgeschlagene Regelung abgelehnt wurde, schließt eine planwidrige Regelungslücke gleichwohl nicht aus. Sie war nämlich weit umfassender angelegt und hatte nicht speziell die Regelung des hier zu beurteilenden Ausnahmefalles bei der Verwertung sicherungsübereigneter Gegenstände zum Ziel, sondern hätte alle Fälle der Verwertung von Gegenständen umfassen sollen, an denen ein Absonderungsrecht besteht, insbesondere auch solche, in denen das Verwertungsrecht dem Gläubiger zusteht (§ 173 InsO ). Erfasst worden wären insbesondere die Fälle des vertraglichen Pfandrechts an beweglichen Sachen, Forderungen und anderen Rechten (vgl. HK-InsO/Landfermann, aaO. § 173 Rn. 2; Uhlenbruck, aaO. § 173 Rn. 3; MünchKomm-InsO/Lwowski, aaO. § 173 Rn. 11 ff.).

Der hier vorliegende besondere Fall, dass der Absonderungsberechtigte den Besitz an sicherungsübereigneten Gegenständen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlangt, die Verwertung aber erst nach der Eröffnung durchführt, war dagegen nicht erkennbar bedacht worden. Insoweit liegt eine Regelungslücke vor, die ersichtlich mit den Wertungen der Insolvenzordnung und des § 13b Abs. 1 Nr. 2 UStG nicht in Einklang steht. Nach den Vorstellungen der Insolvenzordnung und des Umsatzsteuergesetzes soll die wegen der Lieferung der sicherungsübereigneten Gegenstände an den Sicherungsnehmer entstehende Umsatzsteuer im Ergebnis stets der Gläubiger tragen. Bei Verwertung dieser Sicherheit durch den Sicherungsnehmer vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ergibt sich dies aus § 13b Abs. 1 Nr. 2 UStG . Bei Verwertung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist es unerheblich, ob die Verwertung durch den Verwalter selbst erfolgt oder ob dieser die Verwertung gemäß § 170 Abs. 2 InsO dem Gläubiger überlässt. In beiden Fällen ist auch hier gemäß § 171 Abs. 2 Satz 3, § 170 Abs. 2 InsO die Umsatzsteuer wegen der Lieferung an den Gläubiger aus dem Erlös zugunsten der Masse zu entnehmen, § 170 Abs. 1 Satz 1 InsO . Hat der Gläubiger sich schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Besitz an der Sache verschafft, die Verwertung jedoch erst nach der Eröffnung vorgenommen, gibt es ebenfalls keinen sachlich gerechtfertigten Grund, die Belastung mit der Umsatzsteuer auf die Masse zu verlagern. Ein Vorteil in steuerlicher Hinsicht, nur weil die Verwertung des Gegenstandes hinausgezögert wurde - wie dies in der Literatur zum Nachteil der Masse empfohlen wird (vgl. Uhlenbruck/Maus, aaO.) -, ist mit den Zielen des Insolvenzverfahrens nicht vereinbar. Die Lücke ist deshalb in entsprechender Anwendung des § 13b Abs. 1 Nr. 2 UStG , § 170 Abs. 2 , § 171 Abs. 2 Satz 3 InsO zu schließen: Auch in diesem Fall ist der angefallene Umsatzsteuerbetrag vom Gläubiger an die Masse abzuführen.

4. Dieses Ergebnis wird durch das Anfechtungsrecht bestätigt. Das Berufungsgericht hat insoweit zutreffend gesehen, dass dem Kläger wegen der Umsatzsteuerbelastung der Masse ein Schadensersatzanspruch nach §§ 129 , 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 , § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO , § 819 Abs. 1 , § 818 Abs. 4 , § 292 Abs. 1 , § 989 BGB gegen die Beklagte zustände, wenn § 170 Abs. 2 InsO nicht anwendbar wäre.

a) Ob eine Deckungsanfechtung nach §§ 130 , 131 InsO auch gegenüber absonderungsberechtigten Gläubigern stattfindet, ist allerdings streitig. Eine Auffassung spricht sich gegen eine solche Anfechtbarkeit aus (Braun/de Bra, InsO 2. Aufl. § 130 Rn. 8; Eckardt ZIP 1999, 1734, 1740 f.; Henckel in Kölner Schrift zur InsO , 2. Aufl. S. 819; einschränkend Kübler/Prütting/Paulus, InsO § 130 Rn. 5).

Nach anderer Auffassung finden auch Absonderungsberechtigten gegenüber die §§ 130 , 131 InsO Anwendung (HK-InsO/Kreft, 4. Aufl. § 130 Rn. 10 und § 129 Rn. 57; MünchKomm-InsO/Kirchhof, § 130 Rn. 18; FK-InsO/Dauernheim, aaO. § 130 Rn. 8; HmbKomm-InsO/Rogge, § 130 Rn. 4; Gundlach/Frenzel/Schmidt NZI 2004, 305 ff.; grundsätzlich bejahend auch Römermann/Nerlich, InsO § 130 Rn. 44).

Der zuletzt genannten Auffassung ist jedenfalls für die Fälle zu folgen, in denen der absonderungsberechtigte Gläubiger auch persönlicher Gläubiger des Schuldners ist. Gemäß § 52 Satz 1 InsO sind Gläubiger, die abgesonderte Befriedigung beanspruchen können, Insolvenzgläubiger, soweit ihnen der Schuldner auch persönlich haftet.

Der absonderungsberechtigte Gläubiger als solcher, dessen persönliche Forderung sich gegen einen Dritten richtet, mag danach nicht Insolvenzgläubiger im Sinne der §§ 130 , 131 InsO sein. Denn er ist ausschließlich als Inhaber des Absonderungsrechts betroffen (vgl. BGH, Urt. v. 6. April 2006 - IX ZR 185/04, ZIP 2006, 1009 , 1010; MünchKomm-InsO/Kirchhof, § 130 Rn. 18; Uhlenbruck/Hirte, aaO. § 130 Rn. 28).

Andererseits ist der absonderungsberechtigte Gläubiger, dem allein auf seine persönliche Forderung Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht wird, zweifellos als Insolvenzgläubiger betroffen. Werden durch eine Rechtshandlung sowohl die Stellung als Absonderungsberechtigter wie die Stellung als Insolvenzgläubiger berührt, ist der Gläubiger jedenfalls auch in seiner Eigenschaft als Insolvenzgläubiger betroffen (vgl. BGH, Urt. v. 6. April 2006 aaO.). Dies gilt im Zweifel immer dann, wenn eine Rechtshandlung die gesicherte Forderung verringern soll (MünchKomm-InsO/Kirchhof, § 130 Rn. 18). Verschafft sich der Absonderungsberechtigte in der kritischen Zeit den Besitz an dem beweglichen Sicherungsgut des Schuldners, handelt er auch im Hinblick auf seine gesicherte Forderung, deren Befriedigung er anstrebt. Dies gilt um so mehr dann, wenn, wie im Streitfall, der Absonderungsberechtigte noch keinen fälligen Anspruch auf Verwertung des Sicherungsgutes hat, sondern dieses lediglich sicherstellen will. Die Sicherstellung war hier bereits im März 2003 erfolgt. Die Darlehen wurden von der Beklagten aber erst mit Schreiben vom 23. April 2003 fristlos gekündigt und zur sofortigen Rückzahlung fällig gestellt. Die Verwertung der Fahrzeuge wurde für den Fall der Nichterfüllung der Verbindlichkeiten bis 6. Juni 2003 angedroht.

Die Anwendbarkeit der Vorschriften über die Deckungsanfechtung ergibt sich in diesen Fällen auch daraus, dass auf das Absonderungsrecht bezogene Maßnahmen des Berechtigten auch das Schuldverhältnis zwischen den Parteien berühren. Sicherungsübereignete Gegenstände sind trotz des Absonderungsrechtes des Berechtigten selbständige, im Kern geschützte Vermögenswerte des Schuldners und später der Masse (BGHZ 147, 233, 239; BGH, Urt. v. 9. Oktober 2003 - IX ZR 28/03, ZIP 2003, 2370 , 2372). Bis zur Verwertung ist der Sicherungsgeber berechtigt, das Sicherungsgut auszulösen. Erst im Zeitpunkt der Veräußerung des Sicherungsgutes durch den Absonderungsberechtigten scheidet das Sicherungsgut wirtschaftlich endgültig aus dem Vermögen des Schuldners oder der Masse aus (BFHE 126, 84 ; 173, 458; 175, 164; 182, 444). Wenn sich eine Handlung des Absonderungsberechtigten somit auf das Sicherungsgut und die persönliche Forderung bezieht, kann eine Anfechtung nach §§ 130 , 131 InsO nicht ausgeschlossen sein.

Entscheidend ist vorliegend schließlich zu berücksichtigen, dass die Wirkung der Verwertungshandlung sich nicht darauf beschränkte, dass der Wert des Sicherungsgutes dem Absonderungsberechtigten zufloss, sondern es wurde ein zusätzlicher Nachteil der Masse durch Belastung mit der Umsatzsteuerschuld herbeigeführt.

Der Senat hat demgemäß eine Deckungsanfechtung in derartigen Fällen bisher auch nicht abgelehnt, sondern lediglich deshalb verneint, weil Anfechtungsvoraussetzungen nicht vorlagen, insbesondere die stets erforderliche objektive Gläubigerbenachteiligung (vgl. BGH, Urt. v. 20. November 2003 - IX ZR 259/02, ZIP 2004, 42 , 43; v. 23. September 2004 - IX ZR 25/03, ZIP 2005, 40 ).

b) Die Besitzverschaffung ermöglichte der Beklagten eine Befriedigung mit dem Bruttoerlös, verstärkte also ihr Sicherungsrecht, indem sie es vor einer Minderung des Sicherungswertes infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewahrte, die wegen des Verwertungsrechtes des Insolvenzverwalters sowie dessen Anspruchs auf Feststellungs- und Verwertungspauschale sowie eine Umsatzsteuererstattung gemäß § 170 Abs. 2 , § 171 Abs. 2 Satz 3 InsO eingetreten wäre.

Hinsichtlich der entgangenen Feststellungs- und Verwertungskostenpauschale fehlt es allerdings an einer objektiven Gläubigerbenachteiligung (vgl. BGHZ 154, 72 , 76 f.; BGH, Urt. v. 9. Oktober 2003 - IX ZR 28/03, ZIP 2003, 2370 , 2372; v. 20. November 2003 - IX ZR 259/02, ZIP 2004, 42 , 43; v. 23. September 2004 - IX ZR 25/03, ZIP 2005, 40 ). Diese sind nicht mehr Gegenstand des Rechtsstreits. Anderes würde aber hinsichtlich der Umsatzsteuer gelten, die der Kläger infolge der Verwertung des Sicherungsgutes durch die Beklagte an das Finanzamt abführen musste. Hätte die Beklagte das Sicherungsgut noch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwertet, wäre sie selbst gemäß § 13b Abs. 1 Nr. 2 UStG Steuerschuldnerin der Umsatzsteuer geworden, hätte also nur den Nettoerlös zur Abdeckung ihrer Forderungen gegen die Schuldnerin verwenden können (Stadie in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, aaO. Februar 2006 § 18 Rn. 853; Maus EWiR 2004, 983, 984).

Hätte sich die Beklagte bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht den Besitz verschafft, wäre das Sicherungsgut bei der Schuldnerin verblieben und damit in den Besitz des Klägers gelangt. Dieser hätte bei eigener Verwertung des Sicherungsgutes (vgl. § 171 Abs. 2 Satz 3 InsO ) die angefallene Umsatzsteuer vom Erlös zugunsten der Masse entnehmen und bei Verwertung des Sicherungsgutes gemäß § 170 Abs. 2 InsO verlangen können, dass die Beklagte den angefallenen Umsatzsteuerbetrag an die Masse abführt.

Da der Sicherungsnehmer sich in aller Regel erst dann den Besitz der Sache verschafft, wenn er weiß, dass der Schuldner finanziell nicht mehr leistungsfähig ist, wären in solchen Fällen nahezu immer auch die subjektiven Voraussetzungen von § 130 InsO gegeben.

Vorinstanz: OLG Düsseldorf, vom 13.01.2006 - Vorinstanzaktenzeichen I-16 U 49/05
Vorinstanz: LG Wuppertal, vom 04.03.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 2 O 189/04