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BGH - Entscheidung vom 23.05.2007

IV ZR 3/06

Normen:
ZPO § 322 Abs. 1

BGH, Urteil vom 23.05.2007 - Aktenzeichen IV ZR 3/06

DRsp Nr. 2007/10910

»Die Rechtskraft eines auf Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente beschränkten Urteils erstreckt sich nicht auf die vertraglich neben der Rente zugesagten Überschussanteile.«

Normenkette:

ZPO § 322 Abs. 1 ;

Tatbestand:

Der Kläger fordert von der Beklagten, bei der er im Juli 1994 eine Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung genommen hat, die Zahlung der vertraglich zugesagten Überschussanteile. Die Beklagte hat den Versicherungsvertrag mit Schreiben vom 30. Dezember 2004 angefochten, weil sie vom Kläger bei Abschluss des Versicherungsvertrages über Kniebeschwerden arglistig getäuscht worden sei.

Die Beklagte war zuvor mit Schreiben vom 25. November 1996 vom Vertrag zurückgetreten, weil ihr bei Antragstellung Rückenbeschwerden des Klägers verschwiegen worden seien. Seine Klage auf Zahlung der vierteljährlichen Berufsunfähigkeits-Rente von 3.000 DM führte zu einer am 10. August 1999 rechtskräftig gewordenen, antragsgemäßen Verurteilung der Beklagten. In dem Betrag von 3.000 DM sind Überschussanteile nicht enthalten.

Das Landgericht hat die Klage auf Überschussanteile abgewiesen; das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Das Berufungsgericht meint, der Anspruch auf die Überschussanteile, die bei Berufsunfähigkeit die Rente erhöhen, sei von dem Anspruch auf die Rente selbst nicht zu trennen. Demgemäß nähmen die Überschussanteile, auch wenn sie im Vorprozess nicht ausdrücklich tituliert worden seien, an der Rechtskraft des seinerzeit ergangenen Urteils teil. Folglich sei die Beklagte mit dem Anfechtungseinwand präkludiert.

2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Zwar besteht die Wirkung der Rechtskraft (§ 322 Abs. 1 ZPO ), wenn die im ersten Prozess rechtskräftig entschiedene Rechtsfolge im zweiten Prozess nicht die Hauptfrage, sondern eine Vorfrage darstellt, in der Bindung des nunmehr entscheidenden Gerichts an die Vorentscheidung. Die Bindung beschränkt sich aber auf den Streitgegenstand des früheren Rechtsstreits, der durch den dortigen prozessualen Anspruch und den ihm zu Grunde liegenden Lebenssachverhalt bestimmt wird (st. Rspr., vgl. BGH, Urteile vom 26. Juni 2003 - I ZR 269/00 - NJW 2003, 3058 unter II 1 a; vom 11. November 1994 - V ZR 46/93 - NJW 1995, 967 unter II 1).

Hier ist im Vorprozess nur über die im Versicherungsvertrag vereinbarte Grundrente in Höhe von 3000 DM im Vierteljahr entschieden worden. Der aus demselben Versicherungsvertrag folgende Anspruch auf Überschussanteile ist im Klageantrag und in dem rechtskräftig gewordenen Urteil dagegen nicht berücksichtigt worden; dazu hat der Kläger auch nicht vorgetragen. Mithin beschränkt sich die Rechtskraft der Entscheidung im Vorprozess auf den Anspruch auf eine vierteljährliche Rente von 3000 DM bis zum Ende der vertraglich vereinbarten Laufzeit.

Die Revision macht daher mit Recht geltend, dass das Berufungsgericht den Anfechtungseinwand nur dann nicht hätte zu prüfen brauchen, wenn im Vorprozess im Wege einer Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO das Bestehen des vorgreiflichen Rechtsverhältnisses insgesamt festgestellt worden wäre. Daran fehlt es hier aber. Das Berufungsurteil weist auch keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine in diese Richtung gehende Auslegung des rechtskräftig gewordenen Urteils im Vorprozess auf. Dass sowohl die Rente von vierteljährlich 3000 DM als auch die Überschussanteile materiell-rechtlich auf einem einheitlichen Anspruch auf die Versicherungsleistung beruhen, reicht dafür nicht aus.

3. Das Berufungsgericht wird daher über den Anfechtungseinwand zu entscheiden haben.

Vorinstanz: OLG Hamburg, vom 13.12.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 9 U 119/05
Vorinstanz: LG Hamburg, vom 18.05.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 332 O 123/05