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BGH - Entscheidung vom 20.12.2007

III ZR 27/07

Normen:
BGB § 276 § 280 § 328

BGH, Beschluß vom 20.12.2007 - Aktenzeichen III ZR 27/07

DRsp Nr. 2008/1087

Anforderungen an die Darstellung des Risikos einer Kapitalanlage im Prospekt

1. Der Prospekt über ein Beteiligungsangebot, der für einen Beitrittsinteressenten im Allgemeinen die einzige Unterrichtungsmöglichkeit darstellt, hat den Anleger über alle Umstände, die für seine Entschließung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, sachlich richtig und vollständig zu unterrichten. Dazu gehört eine Aufklärung über Umstände, die den Vertragszweck vereiteln können. Ob ein Prospekt unrichtig oder unvollständig ist, ist daher nicht allein anhand der wiedergegebenen Einzeltatsachen, sondern nach dem Gesamtbild zu beurteilen, das er von den Verhältnissen des Unternehmens vermittelt.2. Den Anforderungen an die Darstellung des Risikos einer Kapitalanlage ist nicht genügt, wenn sich für einen durchschnittlichen Anleger der - unzutreffende - Gesamteindruck aufdrängt, dass er mit seiner Beteiligung ein begrenztes Risiko eingehe.3. Für die Erstreckung der Schutzwirkung und die Haftung nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter im Bereich der Expertenhaftung (hier: Prospektprüfung durch einen Wirtschaftsprüfer) kommt es entscheidend darauf an, dass der Anleger von dem Gutachten Gebrauch macht und hierdurch ein Vertrauen des Anlegers erzeugt und auf seinen Willensentschluss Einfluss genommen wird. Es ist darauf abzustellen, was zu dem Prospektprüfungsgutachten - für alle Anleger lesbar - in dem Prospekt verlautbart worden ist. Der Anleger kann den Drittschutz grundsätzlich nur dann in Anspruch nehmen, wenn er das Gutachten für seine Zwecke anfordert und es auf diese Weise zur Grundlage seiner Entscheidung macht.

Normenkette:

BGB § 276 § 280 § 328 ;

Gründe:

I. Die Klägerin zeichnete am 13. November 2000 - unter Einschaltung der D. GmbH als Treuhänderin - eine Kommanditeinlage über 50.000 DM zuzüglich 5 v.H. Agio an dem Filmfonds V. KG. Die Fondsgesellschaft geriet im Jahr 2002 im Zusammenhang mit der Insolvenz der Produktionsdienstleisterin in eine wirtschaftliche Schieflage. Es stellte sich heraus, dass an die Produktionsdienstleisterin überwiesene Gelder nicht zurückzuerlangen waren und Erlösausfallversicherungen für aufgenommene Produktionen nicht abgeschlossen waren.

Wegen behaupteter Mängel des Prospekts begehrt die Klägerin Zug um Zug gegen Abtretung aller Ansprüche aus der Beteiligung Rückzahlung des eingezahlten Betrags von noch 26.075,88 EUR nebst Zinsen. Im Hinblick auf eine Ausschüttung von 766,94 EUR nach Schluss der mündlichen Verhandlung des erstinstanzlichen Verfahrens hat die Klägerin die Hauptsache insoweit für erledigt erklärt. Die Klägerin hält die Beklagte zu 1 - Tochtergesellschaft einer international tätigen Großbank - als (Mit-)Initiatorin und Hintermann für prospektverantwortlich. Die Beklagte zu 2, eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, nimmt die Klägerin wegen behaupteter Fehler bei der ihr von der Beklagten zu 1 aufgetragenen Prüfung des Prospekts in Anspruch.

Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision gegen das Berufungsurteil.

II. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen hinsichtlich der gegen die Beklagte zu 1 gerichteten Klage vor.

1. Das Berufungsgericht verneint eine Haftung beider Beklagten, weil der Emissionsprospekt keine Fehler erkennen lasse. Das Gesamtrisiko der Beteiligung werde nicht unzulässig verharmlost. Bei einer aufmerksamen Lektüre des Prospekts ergebe sich, dass Erlösausfallversicherungen erst für einzelne konkrete Filmvorhaben durch die Geschäftsführung abzuschließen seien. Auf S. 7 des Prospekts finde sich unter der Überschrift "Risiken der Beteiligung" der deutliche Hinweis, dass im Extremfall das eingesetzte Kapital vollständig verloren gehen könne. Die Risikobetrachtung auf S. 38 des Prospekts setze voraus, dass die Geschäftsführung das Absicherungskonzept umsetze, und sei insoweit nicht zu beanstanden.

2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

a) Der Senat hat - nach der Entscheidung des Berufungsgerichts - in seinen Urteilen vom 14. Juni 2007, die eine Beteiligung an derselben Fondsgesellschaft betrafen, entschieden, dass der Emissionsprospekt im Hinblick auf die im Abschnitt "Risiken der Beteiligung" angeführte, als "worst-case-Szenario" bezeichnete "Restrisiko-Betrachtung" den Anleger nicht deutlich genug darauf hinweist, dass seine Beteiligung dem Risiko eines Totalverlustes und nicht lediglich eines begrenzten Verlustes unterliegt, und hat darin einen Prospektmangel gesehen ( III ZR 300/05 - NJW-RR 2007, 1329 , 1331 Rn. 13 f; III ZR 125/06 - WM 2007, 1503 , 1504 f. Rn. 14 f). An dieser Beurteilung, die dem entscheidenden Senat des Berufungsgerichts aus dem Verfahren III ZR 125/06 bekannt ist und auf die wegen der maßgebenden Einzelheiten Bezug genommen wird, hat der Senat - nach erneuter Überprüfung - auch in seinem Urteil vom 22. November 2007 ( III ZR 210/06) festgehalten.

b) Schon die Abweichung des angefochtenen Urteils in der für die Haftung vorgreiflichen Frage der Fehlerhaftigkeit des Prospekts erfüllt die Zulassungsvoraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO , soweit es um die gegen die Beklagte zu 1 gerichtete Klage geht. Das angefochtene Urteil kann zur Zeit auch nicht mit anderer Begründung bestehen bleiben, weil das Berufungsgericht - trotz insoweit geäußerter Bedenken - offen gelassen hat, ob die Beklagte zu 1 für den angeführten Prospektmangel verantwortlich ist. Der Senat hat in seinen Urteilen vom 14. Juni 2007 eine Prospektverantwortlichkeit der Beklagten zu 1 als (Mit-)Initiatorin oder Hintermann für möglich erachtet und befunden, abschließend könne hierüber erst nach Erhebung der angebotenen Beweise entschieden werden ( III ZR 125/06 - WM 2007, 1503 , 1505 f. Rn. 17-22; III ZR 185/05 - NJW-RR 2007, 1479 f. Rn. 9-13).

c) Die Beschwerde rügt weiter mit Recht, dass sich das Berufungsgericht mit neuem Vorbringen in der Berufungsbegründung nicht auseinandergesetzt hat. Insoweit hat die Klägerin unter Bezugnahme auf eine Beweisaufnahme in einem Verfahren von Anlegern gegen die hiesige Beklagte zu 1 vor dem Landgericht F. behauptet, schon bei dem Schwesterfonds, der VIP KG, sei im Jahr 1999 mit Produktionen begonnen worden, ehe Einzelpolicen einer Erlösausfallversicherung vorgelegen hätten; ein Abschluss von Einzelversicherungen sei daran gescheitert, dass seitens des Versicherers Bedingungen nachgeschoben worden seien. Die Beklagte zu 1 habe von der Tatsache, dass mit den Produktionen bereits vor Abschluss einer Erlösausfallversicherung begonnen worden sei, Kenntnis gehabt. Sollte dieser Vortrag, für den der Kläger Beweis angetreten hat, richtig sein, läge zum einen ein weiterer Prospektmangel vor, weil dieser Umstand das gesamte der vorgesehenen Tätigkeit der Fondsgesellschaft zugrunde liegende Konzept verändert hätte und im Prospekt klar und eindeutig hätte dargestellt werden müssen. Denn das Berufungsgericht legt seiner Entscheidung im Ausgangspunkt zutreffend zugrunde, dass über Umstände, die den Vertragszweck vereiteln oder den vom Anleger verfolgten Zweck gefährden können (vgl. BGHZ 79, 337, 344; Urteil vom 26. September 1991 - VII ZR 376/89 - NJW 1992, 228 , 230 [insoweit ohne Abdruck in BGHZ 115, 213]), aufzuklären ist. Darüber hinaus dürfte bei der behaupteten Kenntnis der Beklagten zu 1 - unabhängig vom Grad ihrer Einflussnahme auf die Gestaltung des Prospekts - ihre deliktsrechtliche Verantwortlichkeit nach §§ 31 , 826 , § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 264a StGB nahe liegen (vgl. hierzu bereits Senatsurteil vom 14. Juni 2007 - III ZR 125/06 - WM 2007, 1503 , 1506 Rn. 23). Gründe des Prozessrechts, dieses Vorbringen unberücksichtigt zu lassen, hat das Berufungsgericht nicht angeführt. Sie sind auch nicht ersichtlich. Die Klägerin war mit diesem Vorbringen nicht nach § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Die zum Gegenstand ihres Beweisantritts gemachten Tatsachen sind der Klägerin, wie sie belegt hat, erst am 3. Februar 2006, also nach der Zustellung des erstinstanzlichen Urteils vom 26. Oktober 2005 zur Kenntnis gelangt. Sie hat ferner ihr Bemühen hinreichend dargelegt, von den Vorgängen aus dem Verfahren vor dem Landgericht F. zu einem früheren Zeitpunkt Kenntnis zu erhalten. Wenn die Klägerin nicht Gefahr laufen wollte, Behauptungen ohne eine hinreichende Grundlage in das laufende Verfahren einzuführen, war sie auf eine Akteneinsicht, der sich die Beklagte zu 1 widersetzt haben soll, oder eine Übersendung von Protokollen angewiesen. Beide Wege entsprachen einer sachgerechten Prozessführung und verletzten die prozessuale Sorgfalts- und Förderungspflicht nicht.

Dass das Berufungsgericht dieses Vorbringen unberücksichtigt und in seinen Entscheidungsgründen unerwähnt gelassen hat, verletzt die Klägerin in ihrem Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG und führt ebenfalls nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO zur Zulassung der Revision, soweit es um die gegen die Beklagte zu 1 gerichtete Klage geht. Dies gilt auch dann, wenn man bei der Frage, ob das rechtliche Gehör verletzt worden ist, - wie geboten - von dem materiellrechtlichen Standpunkt des Berufungsgerichts ausgeht, der Prospekt enthaltene einen hinreichenden Hinweis zum Totalverlustrisiko. Da nicht auszuschließen ist, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung des Vorbringens anders entschieden hätte, macht der Senat von der Möglichkeit Gebrauch, mit der Zulassung der Revision zugleich das angefochtene Urteil in diesem Umfang aufzuheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 544 Abs. 7 ZPO ).

d) Demgegenüber kommt eine Haftung der Beklagten zu 2 nicht in Betracht, so dass das angefochtene Urteil insoweit im Ergebnis bestehen bleiben kann. Die Klägerin, die sich das Prospektprüfungsgutachten nicht vor ihrer Anlageentscheidung hat aushändigen lassen, kann eine Haftung der Beklagten zu 2 nicht mit ihrem Vortrag begründen, die V. GmbH habe ihr die Beteiligung empfohlen; deren Mitarbeiter S. habe mitgeteilt, dass es ein beanstandungsfreies Prospektprüfungsgutachten gebe; er hätte die Beteiligung ohne das beanstandungsfreie Gutachten nicht empfohlen, was die Behauptung einschließe, dass er auch den Inhalt des Gutachtens gekannt habe; sie - die Klägerin - habe auf die Angaben im Gutachten vertraut. Wie der Senat unter Heranziehung früherer Entscheidungen befunden hat, kommt es für die Erstreckung der Schutzwirkung und die Haftung nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter im Bereich der Expertenhaftung entscheidend darauf an, dass der Anleger von dem Gutachten Gebrauch macht und hierdurch ein Vertrauen des Anlegers erzeugt und auf seinen Willensentschluss Einfluss genommen wird (Urteil vom 14. Juni 2007 - III ZR 125/06 - WM 2007, 1503 , 1507 Rn. 28). Ferner ist zu berücksichtigen, dass das Maß der Erstreckung der Schutzpflicht nicht allein aus der Sicht des am Vertrag nicht beteiligten Dritten zu bestimmen, sondern dass dies in erster Linie Sache der Vertragsparteien ist (vgl. Senatsurteil BGHZ 138, 257 , 261). Im vorliegenden Fall ist insoweit darauf abzustellen, was zu dem Prospektprüfungsgutachten - für alle Anleger lesbar - in dem Prospekt verlautbart worden ist. Wenn es dort heißt, dass "der Bericht nach Fertigstellung den von den Vertriebspartnern vorgeschlagenen ernsthaften Interessenten auf Anforderung zur Verfügung gestellt" werde, kann der Anleger den Drittschutz grundsätzlich nur dann in Anspruch nehmen, wenn er das Gutachten für seine Zwecke anfordert und es auf diese Weise zur Grundlage seiner Entscheidung macht. Solchen Sachvortrag weist die Beschwerde auch in ihrem Schriftsatz vom 19. September 2007 nicht auf.

Vorinstanz: OLG München, vom 18.12.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 17 U 1697/06
Vorinstanz: LG München I, vom 26.10.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 29 O 5203/05