Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BGH - Entscheidung vom 20.11.2007

XI ZB 29/06

Normen:
ZPO § 517 § 233

BGH, Beschluß vom 20.11.2007 - Aktenzeichen XI ZB 29/06

DRsp Nr. 2008/563

Anforderungen an die Ausgangskontrolle bei Übermittlung fristgebundener Schriftsätze per Telefax

Ein Rechtsanwalt ist grundsätzlich verpflichtet, für eine Büroorganisation zu sorgen, die eine Überprüfung der durch Telefax übermittelten fristgebundenen Schriftsätze auch auf die Verwendung der zutreffenden Empfängernummer hin gewährleistet. Dabei muss zur erforderlichen Ausgangskontrolle in der Regel ein Sendebericht ausgedruckt und entsprechend überprüft werden. Da dies langjähriger und feststehender Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entspricht, bedarf es eines Hinweises des Berufungsgerichts insoweit nicht.

Normenkette:

ZPO § 517 § 233 ;

Gründe:

I. Mit Telefaxschreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 17. Juli 2006 (einem Montag) legten die Beklagten Berufung gegen das ihnen am Freitag, dem 16. Juni 2006 zugestellte Urteil des Landgerichts ein, mit dem der Schadensersatzklage der Kläger stattgegeben worden war. Als Empfänger wies der Berufungsschriftsatz das Oberlandesgericht aus, enthielt jedoch im Adressfeld nicht dessen Telefaxnummer, sondern die des Landgerichts, an die die Berufungsschrift am selben Tag gefaxt wurde und dort um 15:15 Uhr einging. Das Original der Berufungsschrift ging am 19. Juli 2006 beim Oberlandesgericht ein, das Fax vom 17. Juli 2006 wurde dem Oberlandesgericht auf Anforderung am 31. August 2006 übermittelt.

Nach Hinweis der Vorsitzenden Richterin am Oberlandesgericht vom 17. August 2006, dass die Berufung beim Oberlandesgericht nach Fristablauf eingegangen sei, haben die Beklagten am 22. August 2006 gegen die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung haben sie vorgetragen, die Berufungsschrift sei versehentlich per Fax an das Landgericht versandt worden, da die - ansonsten zuverlässige - Mitarbeiterin ihrer Prozessbevollmächtigten die Telefaxnummer versehentlich aus einer bei den erstinstanzlichen Akten befindlichen Verfügung des Landgerichts übernommen habe. Diese Verfahrensweise habe den im Büro ihrer Prozessbevollmächtigten bestehenden Anweisungen widersprochen, nach welchen die Telefaxnummern grundsätzlich aus der jeweils aktuellen Fassung der Kanzleisoftware "RA-MICRO" zu entnehmen gewesen seien. Außerdem habe die Anweisung bestanden, die Nummer des Sendeberichts mit dem letzten gerichtlichen Schreiben zu vergleichen. Ein solches habe es hier vom Oberlandesgericht allerdings noch nicht gegeben, da die zweite Instanz mit der Berufungseinlegung erst habe eröffnet werden sollen. Es hätten lediglich gerichtliche Schreiben des Landgerichts vorgelegen, was letztlich zu dem Versehen geführt habe.

Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag als unbegründet zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Berufungsfrist sei durch ein Organisationsverschulden der Prozessbevollmächtigten der Beklagten versäumt worden, das diese sich zurechnen lassen müssten. Die bloße Kontrolle, ob die aus dem Sendebericht ersichtliche Nummer mit der des letzten gerichtlichen Schreibens übereinstimme, genüge als Ausgangskontrolle für durch Fax übermittelte Schriftsätze nicht. Eine wirksame Ausgangskontrolle setze vielmehr den Abgleich anhand des zuvor verwendeten oder eines anderen, ebenso zuverlässigen Verzeichnisses voraus, um nicht nur Fehler bei der Eingabe, sondern auch schon bei der Ermittlung der Faxnummer aufdecken zu können.

II. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V. mit § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO ), aber unzulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO , die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen (vgl. Senat, BGHZ 161, 86 , 87 m.w.Nachw.), sind nicht erfüllt. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ) nicht erforderlich. Es liegt weder eine Divergenz zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor noch beruht die Entscheidung des Berufungsgerichts auf einem Verstoß gegen den Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 GG i.V. mit § 139 ZPO ) noch verletzt sie den Anspruch der Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip; vgl. BVerfGE 77, 275 , 284; BVerfG NJW 2003, 281 ).

Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde weicht die angegriffene Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Verschulden eines Prozessbevollmächtigten bei der Ausgangskontrolle von Telefaxschreiben ab. Danach ist ein Anwalt grundsätzlich verpflichtet, für eine Büroorganisation zu sorgen, die eine Überprüfung der durch Telefax übermittelten fristgebundenen Schriftsätze auch auf die Verwendung der zutreffenden Empfängernummer hin gewährleistet. Dies bedeutet, dass bei der erforderlichen Ausgangskontrolle in der Regel ein Sendebericht ausgedruckt und entsprechend - d.h. auch auf die Richtigkeit der verwendeten Empfängernummer - überprüft werden muss (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 1. März 2005 - VI ZB 65/04, NJW-RR 2005, 862 , vom 10. Mai 2006 - XII ZB 267/04, NJW 2006, 2412 , 2413, Tz. 7 sowie Senatsbeschluss vom 17. April 2007 - XI ZB 39/06, FamRZ 2007, 1095 f., Tz. 5). Von diesem Grundsatz ist auch das Berufungsgericht ausgegangen. Soweit die Rechtsbeschwerde meint, das Berufungsgericht habe verkannt, dass nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10. Mai 2006 (aaO.) nicht in jedem Fall der Abgleich anhand eines Verzeichnisses erfolgen müsse, sondern nur dann, wenn sich die Faxnummer des Gerichts nicht aus der Handakte ergebe, führt das schon deshalb nicht weiter, weil sich die Faxnummer des Oberlandesgerichts im Streitfall gerade nicht aus der Handakte ergab. Eine Regelung, die sich auf den Abgleich mit den Handakten beschränkte, war - wie das Berufungsgericht zu Recht ausgeführt hat - daher nicht ausreichend.

Notwendig war vielmehr eine Regelung, die anhand des Sendeberichts die nochmalige selbstständige Prüfung der zutreffenden Empfängernummer vorsah (vgl. BGH, Beschluss vom 1. März 2005 aaO. m.w.Nachw.). Die Rechtsbeschwerde zeigt keinen Vortrag der Beklagten vor dem Tatrichter dazu auf, dass eine solche Regelung bei ihren Prozessbevollmächtigten bestanden hat. Der vor dem Tatrichter gehaltene Vortrag zum Abgleich der im Fax eingesetzten Nummer mit Verfügungen des Gerichts aus der Handakte ist in Fällen, in denen zuvor mit dem Gericht - wie hier - noch nicht korrespondiert worden ist, ersichtlich nicht ausreichend.

Das sieht auch die Rechtsbeschwerde zutreffend, beruft sich aber darauf, eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts sei erforderlich, weil sich das Berufungsgericht unter Verstoß gegen das Gebot rechtlichen Gehörs (Art. 103 GG ) und gegen bestehende Hinweispflichten auf die im Zeitpunkt seiner Entscheidung noch nicht veröffentlichte und den Prozessbevollmächtigten der Beklagten daher noch nicht bekannte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10. Mai 2006 ( XII ZB 267/04, NJW 2006, 2412 ) gestützt habe, ohne den Beklagten Gelegenheit zur ergänzenden Stellungnahme zu geben. Ein gerichtlicher Hinweis habe auch erteilt werden müssen, weil erkennbar gewesen sei, dass der Vortrag der Beklagten in der Begründung des Wiedereinsetzungsantrags zum Abgleich der Nummer in dem Sendebericht unklar und ergänzungsbedürftig gewesen sei. Für den Fall eines solchen Hinweises hätten die Beklagten ihren Vortrag dahin ergänzt, die allgemeine Anweisung sei auch dahin gegangen, auf das Verzeichnis der Rechtsanwaltssoftware "RA-MICRO" nicht nur zur Ermittlung der Telefaxnummer, sondern auch zum Abgleich mit der Telefaxnummer im Sendebericht zurückzugreifen.

Hiermit kann die Rechtsbeschwerde nicht durchdringen. Auf ihren erstmals im Rechtsbeschwerdeverfahren ergänzten Vortrag kommt es nicht an, weil das Berufungsgericht weder Hinweispflichten noch den Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs und wirkungsvollen Rechtsschutzes verletzt hat.

Die Rechtsbeschwerde verkennt bereits, dass es sich bei dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 10. Mai 2006 nicht um eine neue Rechtsprechung handelt, die den Prozessbevollmächtigten der Beklagten noch nicht bekannt sein musste. Es entspricht vielmehr langjähriger und ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass ein Anwalt grundsätzlich verpflichtet ist, für eine Büroorganisation zu sorgen, die eine Überprüfung der durch Telefax übermittelten fristgebundenen Schriftsätze auch auf die Verwendung der zutreffenden Empfängernummer hin gewährleistet. Dabei muss zur erforderlichen Ausgangskontrolle in der Regel ein Sendebericht ausgedruckt und entsprechend überprüft werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. Oktober 1995 - XII ZB 123/95, VersR 1996, 778 , vom 20. Dezember 1999 - II ZB 7/99, NJW 2000, 1043 , vom 10. Januar 2000 - II ZB 14/99, NJW 2000, 1043 , 1044, vom 12. März 2002 - IX ZR 220/01, VersR 2002, 1577 , vom 24. April 2002 - AnwZ 7/01, BRAK-Mitt. 2002, 171 und vom 18. Mai 2004 - VI ZB 12/03, FamRZ 2004, 1275 f.). Dass es insoweit einer Abschlusskontrolle bedarf, bei der nicht nur die Vollständigkeit der Übermittlung, sondern auch die Richtigkeit der Empfängernummer grundsätzlich anhand eines Verzeichnisses abschließend und selbstständig zu prüfen ist, ist ebenfalls nicht erst seit dem Beschluss vom 10. Mai 2006 Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. etwa zuvor bereits BGH, Beschluss vom 1. März 2005 - VI ZB 65/04, NJW-RR 2005, 862 m.w.Nachw.). Eines Hinweises des Berufungsgerichts auf diese Rechtsprechung, die den Prozessbevollmächtigten der Beklagten hätte bekannt sein müssen, bedurfte es daher schon aus diesem Grund nicht.

Eine Hinweispflicht des Berufungsgerichts ergab sich entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde auch nicht daraus, dass der Vortrag der Beklagten in ihrem Wiedereinsetzungsgesuch zu den in der Kanzlei ihrer Prozessbevollmächtigten getroffenen Anordnungen zur Kontrolle der Faxnummer anhand des Sendeberichts etwa unklar oder erkennbar ergänzungsbedürftig gewesen wäre. Die Beklagten hatten dort ausdrücklich zu den bei ihren Prozessbevollmächtigten getroffenen Anweisungen für die Kontrolle der Faxnummern anhand des Sendeberichts vorgetragen. Dass die dort geschilderten Anweisungen gerade für Fälle der vorliegenden Art erkennbar nicht tauglich und nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs daher nicht ausreichend waren, ist kein Grund für eine Hinweispflicht des Gerichts.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO .

Vorinstanz: OLG Braunschweig, vom 08.09.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 8 U 160/06
Vorinstanz: LG Göttingen, vom 12.06.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 2 O 598/04