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BFH - Entscheidung vom 26.09.2007

II R 74/05

Normen:
BewG § 146 Abs. 5

Fundstellen:
BFH/NV 2007, 2390
BFH/NV 2007, 239
BFHE 218, 393
BStBl II 2008, 15
DB 2007, 2694

BFH, Urteil vom 26.09.2007 - Aktenzeichen II R 74/05

DRsp Nr. 2007/19567

Wohnungsbegriff bei der Bedarfsbewertung

»Die Frage, ob mehr als zwei Wohnungen vorliegen, bestimmt sich im Rahmen des § 146 Abs. 5 BewG nach dem Wohnungsbegriff, wie er für Zwecke der Einheitsbewertung des Grundvermögens im Urteil des BFH vom 5. Oktober 1984 III R 192/83 (BFHE 142, 505, BStBl II 1985, 151 ) entwickelt worden ist. Dies gilt unabhängig davon, wann das Gebäude bezugsfertig errichtet, aus- oder umgebaut worden ist.«

Normenkette:

BewG § 146 Abs. 5 ;

Gründe:

I. Mit Vertrag vom 13. August 2001 erwarb die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) durch Schenkung ein Grundstück mit aufstehendem Gebäude. Das Gebäude war wie folgt gestaltet: Hinter der Haustür lag eine kleine Diele, an deren Ende sich eine verschließbare Tür befand, die zu einer Wohnung führte. Auf der rechten Seite der Diele führte eine Treppe in das obere Stockwerk. Sie mündete auf einen Flur, von dem drei Türen abgingen. Hinter der ersten Tür befand sich ein ca. 17,5 qm großer Wohn-/Schlafraum mit einer benutzungsfähigen Küche. Eine zweite, verschließbare Tür führte in ein gut 3 qm großes Duschbad/WC. Hinter der dritten Tür lag eine weitere Wohnung, bestehend aus Schlafzimmer, Wohnzimmer, eingerichteter Küche und Bad. Dieser bauliche Zustand ist 1960 geschaffen worden. Der Wohn-/Schlafraum und das Duschbad/WC sind gemeinsam vermietet und hatten eigene Zähler und an der Haustür eine eigene Klingel.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) stellte mit Bescheid vom 21. Februar 2002 den Grundstückswert auf den 13. August 2001 in Höhe von 308 000 DM (157 477 EUR) fest. In diesem Betrag ist ein Zuschlag von 20 v.H. gemäß § 146 Abs. 5 des Bewertungsgesetzes ( BewG ) enthalten, da nach der Rechtsauffassung des FA das Grundstück nicht mehr als zwei Wohnungen aufweist. Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin geltend gemacht hatte, das Grundstück enthalte drei Wohnungen, blieben erfolglos.

Mit der Revision rügt die Klägerin fehlerhafte Anwendung des § 146 Abs. 5 BewG .

Sie beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Bescheid vom 21. Februar 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. Oktober 2002 dahingehend zu ändern, dass der Grundstückswert auf 257 000 DM (131 402 EUR) herabgesetzt wird.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

Das Finanzgericht (FG) hat zutreffend angenommen, dass der Zuschlag in Höhe von 20 v.H. gemäß § 146 Abs. 5 BewG auch dann anzusetzen ist, wenn ein Gebäude neben zwei abgeschlossenen Wohnungen eine weitere Raumeinheit enthält, die aber nicht alle tatbestandlichen Voraussetzungen einer Wohnung erfüllt. Die Frage, ob eine Wohnung vorliegt, bestimmt sich nach dem Wohnungsbegriff, wie er für Zwecke der Einheitsbewertung des Grundvermögens im Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 5. Oktober 1984 III R 192/83 (BFHE 142, 505, BStBl II 1985, 151 ) entwickelt worden ist. Dies gilt unabhängig davon, wann das Gebäude bezugsfertig errichtet, aus- oder umgebaut worden ist.

1. Der nach § 146 Abs. 1 bis 4 BewG ermittelte Wert eines bebauten Grundstücks, das ausschließlich Wohnzwecken dient, ist gemäß Abs. 5 der Vorschrift um 20 v.H. zu erhöhen, wenn das Grundstück nicht mehr als zwei Wohnungen enthält.

a) Ob ein Gebäude mehr als zwei Wohnungen i.S. des § 146 Abs. 5 BewG enthält, bestimmt sich nach demselben Wohnungsbegriff, wie er zu § 75 Abs. 5 und 6 BewG entwickelt worden ist (vgl. BFH-Urteile in BFHE 142, 505, BStBl II 1985, 151 , und vom 11. April 2006 II R 77/04, BFH/NV 2006, 1707, m.w.N.; ebenso R 175 Abs. 2 der Erbschaftsteuer-Richtlinien 2003). Weder der Wortlaut des § 146 Abs. 5 BewG noch die Gesetzesbegründung lassen erkennen, dass der Gesetzgeber von diesem Wohnungsbegriff abweichen wollte. In der Begründung zum ursprünglichen Regierungsentwurf des Jahressteuergesetzes 1997 ( JStG 1997) wird vielmehr ausdrücklich auf ihn Bezug genommen (Begründung zu § 149 des Entwurfs eines Bewertungsgesetzes, BRDrucks 390/96).

Der Anwendung des § 146 Abs. 5 BewG ist dabei der sog. neue Wohnungsbegriff zu Grunde zu legen, wonach für die Beurteilung der Frage, ob die Zusammenfassung einer Mehrheit von Räumen den bewertungsrechtlichen Wohnungsbegriff erfüllt, wesentlich ist, dass diese Zusammenfassung eine von anderen Wohnungen oder Räumen, insbesondere Wohnräumen, baulich getrennte, in sich abgeschlossene Wohneinheit bildet (BFH-Urteile in BFHE 142, 505, BStBl II 1985, 151 ; vom 22. Mai 2002 II R 43/00, BFH/NV 2003, 7 ).

b) Dieser sog. neue Wohnungsbegriff gilt für Zwecke der Bedarfsbewertung unabhängig davon, wann das Gebäude bezugsfertig errichtet, aus- oder umgebaut worden ist. Für eine Anwendung der Übergangsregelung gemäß dem gleichlautenden Erlass der obersten Finanzbehörden der Länder vom 15. Mai 1985 (BStBl I 1985, 201) ist kein Raum. Die Notwendigkeit zu einer derartigen vertrauensschützenden Regelung besteht bei der gesonderten Feststellung der Grundbesitzwerte (Bedarfsbewertung) nach den §§ 138 ff. BewG nicht.

Gemäß diesen Grundsätzen hat das FG im Streitfall zu Recht angenommen, dass das von der Klägerin erworbene Gebäude nicht mehr als zwei Wohnungen enthält. Die aus dem Wohn-/Schlafraum mit Küche und dem Duschbad/WC bestehende Raumeinheit ist nicht abgeschlossen und bildet daher keine Wohnung. Die zu dieser Raumeinheit gehörenden Teile sind durch den Zugang zur zweiten abgeschlossenen Wohnung getrennt.

c) § 146 Abs. 5 BewG ist auch dann anzuwenden, wenn ein Grundstück neben zwei abgeschlossenen Wohnungen eine weitere Raumeinheit enthält, die aber nicht alle tatbestandlichen Voraussetzungen einer Wohnung erfüllt, insbesondere steht der Sinn und Zweck der Vorschrift dem nicht entgegen. Nach der Gesetzesbegründung soll der Zuschlag erfolgen, weil Einfamilienhäuser und Zweifamilienhäuser in der Regel nicht zu Renditezwecken, sondern zum Eigengebrauch errichtet werden und der Grundstücksanteil bei Einfamilienhäusern und Zweifamilienhäusern in der Regel höher ist, ohne dass sich dies auf die Miete auswirkt. Das sei bei der Ermittlung des Restwerts (§ 146 Abs. 4 BewG ) zu berücksichtigen (Begründung des Finanzausschusses zum JStG 1997, BTDrucks 13/5952, 41). Diese typisierenden Erwägungen treffen auch auf Gebäude mit einer weiteren Raumeinheit zu.

Vorinstanz: FG Niedersachsen, vom 08.02.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 1 K 433/02
Fundstellen
BFH/NV 2007, 2390
BFH/NV 2007, 239
BFHE 218, 393
BStBl II 2008, 15
DB 2007, 2694