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BFH - Entscheidung vom 31.07.2007

VII R 48/06

Normen:
ZK Art. 133
ZKDVO Art. 551 Abs. 1 Art. 552 Abs. 1
KN Unterpos. 8101 94 00, 8102 94 00, 8101 97 00, 8102 97 00

Fundstellen:
BB 2007, 2053
BFH/NV 2007, 2047
BFHE 217, 365
DB 2007, 2298
DStRE 2007, 1454

BFH, Beschluss vom 31.07.2007 - Aktenzeichen VII R 48/06

DRsp Nr. 2007/15982

Umwandlungsverfahren: Umwandlung gesinterter Wolframstangen und Molybdänstangen zu Schrott

»Dem EuGH wird folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: Können "nur gesinterte" Stangen aus Wolfram oder Molybdän der Unterpos. 8101 94 00 bzw. Unterpos. 8102 94 00 KN durch Zerbrechen oder Zerschlagen zu Schrott der Unterpos. 8101 97 00 bzw. Unterpos. 8102 97 00 KN umgewandelt werden?«

Normenkette:

ZK Art. 133 ; ZKDVO Art. 551 Abs. 1 Art. 552 Abs. 1 ; KN Unterpos. 8101 94 00, 8102 94 00, 8101 97 00, 8102 97 00;

Gründe:

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) beantragte im Oktober 2001 die Bewilligung eines Umwandlungsverfahrens für gesinterte Stangen sowohl aus Wolfram als auch aus Molybdän zur Umwandlung dieser Metallstangen zu Abfällen und Schrott durch manuelles Zerschlagen. Nach der Untersuchung mehrerer Proben kam die Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt zu dem Ergebnis, dass es sich bei den gesinterten Molybdänstangen um Molybdän in Rohform handele. Durch Brechen oder Zerschneiden könne aus diesen Stangen kein Abfall oder Schrott werden, weil sie immer noch für Zwecke wie z.B. das Einschmelzen verwendet werden könnten. Der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt --HZA--) folgte dieser Auffassung und lehnte die Bewilligung eines Umwandlungsverfahrens für Rohformen von Wolfram oder Molybdän, wie gesinterte Blöcke, Stangen oder Granalien, ab.

Auf die erhobene Klage verpflichtete das Finanzgericht (FG) dagegen das HZA, die beantragte Bewilligung zu erteilen. Das FG urteilte, dass die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung des Umwandlungsverfahrens erfüllt seien, weil die gesinterten Stangen durch das beabsichtigte manuelle Zerschlagen zu Abfällen und Schrott verarbeitet würden. Durch das Zerschlagen der gesinterten Stangen würden diese endgültig unbrauchbar gemacht, weil damit ihre Weiterverarbeitung zu Blechen, Stangen oder Drähten ausgeschlossen werde.

Mit seiner Revision macht das HZA geltend, dass es sich bei gesinterten Metallstangen zum einen nicht um "Waren aus Metall" i.S. der Anm. 8 a zu Abschn. XV der Kombinierten Nomenklatur (KN), sondern um Rohprodukte handele. Zum anderen handele es sich bei den gesinterten Metallstangen auch nach dem Zerschlagen immer noch um die Rohform des jeweiligen Metalls der Unterpos. 8101 94 00 KN bzw. der Unterpos. 8102 94 00 KN.

II. Der Senat setzt das Verfahren aus und ersucht den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art. 234 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft um eine Auslegung der Vorschriften, von denen die Entscheidung des Rechtsstreits abhängt.

1. "Nur gesinterte" Wolfram- oder Molybdänstangen sind in die Unterpos. 8101 94 00 bzw. Unterpos. 8102 94 00 KN einzureihen. Aus diesen Metallen bestehende Abfälle und Schrott sind in die Unterpos. 8101 97 00 bzw. Unterpos. 8102 97 00 KN einzureihen.

Abfälle und Schrott aus Metall fallen nach der Anm. 8 a zu Abschn. XV KN beim Be- oder Verarbeiten von Metallen an oder es sind Waren aus Metall, die durch Bruch, Verschnitt, Verschleiß oder aus anderen Gründen als solche endgültig unbrauchbar sind.

Nach Art. 552 Abs. 1 Unterabs. 1 der Zollkodex-Durchführungsverordnung ( ZKDVO ) i.V.m. Lfd. Nr. 2 des Anhangs 76 Teil A ZKDVO gelten für die Umwandlung von Waren aller Art zu Abfällen die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung eines Umwandlungsverfahrens (Art. 133 Buchst. e des Zollkodex) als erfüllt.

Nach Art. 551 Abs. 1 Unterabs. 1 ZKDVO ist das Umwandlungsverfahren nur für Waren anwendbar, deren Umwandlung zu Erzeugnissen führt, für die niedrigere Einfuhrabgabenbeträge gelten als für die Einfuhrwaren.

Da es im vorliegenden Fall nicht streitig ist, dass die übrigen Voraussetzungen für die Bewilligung eines Umwandlungsverfahrens erfüllt sind, wäre der Klägerin die beantragte Bewilligung zu erteilen, wenn die eingeführten nur gesinterten Wolfram- oder Molybdänstangen der Unterpos. 8101 94 00 bzw. Unterpos. 8102 94 00 KN (gegenwärtiger Zollsatz 5 % bzw. 3 %), nachdem sie zerbrochen oder zerschlagen worden sind, Schrott der Unterpos. 8101 97 00 bzw. Unterpos. 8102 97 00 KN (Zollsatz frei) wären.

2. Nach den Erläuterungen zum Harmonisierten System (ErlHS) zur Pos. 8101 Rz. 01.0 wird Wolfram als pulverförmiges Metall gewonnen, das entweder zu Rohblöcken (Ingots) oder zu Stangen gepresst wird, die im Elektroofen gesintert werden und die anschließend mechanisch gehämmert und durch Walzen oder Ziehen zu Blechen, zu Stangen mit geringerer Querschnittsabmessung oder zu Draht weiterverarbeitet werden. Am häufigsten wird das Metall als Ferrowolfram bei der Herstellung von Sonderstählen verwendet (ErlHS zur Pos. 8101 Rz. 04.1).

Molybdän wird entweder in kompaktem Zustand oder als Pulver gewonnen, das nach dem gleichen Verfahren wie Wolfram bearbeitet werden kann (ErlHS zur Pos. 8102 Rz. 01.0). Ebenso wie Wolfram wird das Metall u.a. als Ferromolybdän bei der Stahlherstellung verwendet (ErlHS zur Pos. 8102 Rz. 04.0).

3. Der beschließende Senat geht davon aus, dass die genannten Metalle in ihrer Rohform nicht durch Zerbrechen oder Zerschlagen zu Schrott umgewandelt werden können. Wird ein aus reinem Wolfram bzw. Molybdän bestehender Ingot zerschlagen, so sind die dabei entstehenden Bruchstücke nach wie vor das Metall in seiner Rohform und nicht Schrott. Dem entspricht die Argumentation des HZA, wonach der Wortlaut der Pos. 8101 und 8102 KN zwischen Wolfram bzw. Molybdän einerseits und Waren daraus andererseits unterscheidet und nach der Anm. 8 a zu Abschn. XV KN das endgültige Unbrauchbarmachen nur für Waren aus Metall, nicht aber für das Metall selbst in Betracht kommt.

Zu den Unterpos. 8101 94 00 und 8102 94 00 KN gehören allerdings nicht nur die genannten Metalle in ihrer Rohform, sondern auch aus diesen Metallen bestehende gesinterte Stangen. Der beschließende Senat hält es für zweifelhaft, ob dem Wortlaut dieser Unterpositionen zu entnehmen ist, dass "nur gesinterte" Metallstangen, obwohl sie aus einer ersten Bearbeitung des Metalls hervorgegangen sind, mit der Rohform des jeweiligen Metalls gleichzusetzen sind (so offenbar ErlHS zur Pos. 8101 Rz. 10.0) mit der Folge, dass auch das Zerbrechen oder Zerschlagen der gesinterten Stangen nicht zu ihrer Umwandlung zu Schrott der Unterpos. 8101 97 00 bzw. 8102 97 00 KN führen kann, oder ob "nur gesinterte" Metallstangen, obwohl sie in derselben Unterposition wie das Metall in seiner Rohform aufgeführt sind, bereits Waren aus Metall darstellen, die durch Zerbrechen oder Zerschlagen ihrer Verwendungsmöglichkeiten verlustig gehen können.

4. Sollte von der letztgenannten Auslegung auszugehen sein, würde sich die weitere nach Ansicht des beschließenden Senats zweifelhafte Frage stellen, ob "nur gesinterte" Stangen aus Wolfram bzw. Molybdän durch Zerbrechen oder Zerschlagen zu Schrott umgewandelt werden, weil dadurch --wie seitens der Klägerin vorgetragen und vom FG angenommen-- ihre Weiterverarbeitung zu Blechen, Stangen oder Drähten ausgeschlossen wird, oder ob die auch nach dem Zerbrechen oder Zerschlagen weiterhin bestehende alleinige Verwendungsmöglichkeit der gesinterten Bruchstücke zum Einschmelzen bei der Stahlherstellung die Annahme ausschließt, dass die vormaligen Stangen nunmehr i.S. der Anm. 8 a zu Abschn. XV KN "als solche endgültig unbrauchbar" sind.

Vorinstanz: FG Düsseldorf, vom 27.07.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 4 K 4536/03
Fundstellen
BB 2007, 2053
BFH/NV 2007, 2047
BFHE 217, 365
DB 2007, 2298
DStRE 2007, 1454