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BFH - Entscheidung vom 01.08.2007

XI R 48/05

Normen:
EStG § 4 Abs. 3 § 11 Abs. 2 S. 2, Abs. 1 S. 2
UStG § 13 § 18 Abs. 1 S. 1
BGB § 197

Fundstellen:
BB 2008, 654
BFH/NV 2007, 2187
BFHE 218, 372
BStBl II 2008, 282
DB 2007, 2289
DStR 2007, 1856

BFH, Urteil vom 01.08.2007 - Aktenzeichen XI R 48/05

DRsp Nr. 2007/17547

Umsatzsteuer-Vorauszahlung als regelmäßig wiederkehrende Ausgabe; Umsatzsteuer-Erstattung als regelmäßig wiederkehrende Einnahme

»Eine für das vorangegangene Kalenderjahr geschuldete und zu Beginn des Folgejahres entrichtete Umsatzsteuer-Vorauszahlung ist als regelmäßig wiederkehrende Ausgabe im vorangegangenen Veranlagungszeitraum abziehbar.«

Normenkette:

EStG § 4 Abs. 3 § 11 Abs. 2 S. 2, Abs. 1 S. 2 ; UStG § 13 § 18 Abs. 1 S. 1 ; BGB § 197 ;

Gründe:

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte u.a. als Unternehmensberater Einkünfte aus selbständiger Arbeit und ermittelt seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes ( EStG ). In seiner Gewinnermittlung für das Streitjahr 1999 behandelte er die am 6. Januar 2000 für das IV. Quartal 1999 entrichtete Umsatzsteuer-Vorauszahlung in Höhe von 1 843,70 DM als Betriebsausgabe des Streitjahres. Zur Begründung verweisen die Kläger auf § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG . Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) folgte dieser Beurteilung nicht. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Nach Auffassung des Finanzgerichts ist die an das FA abzuführende Umsatzsteuer nicht als "regelmäßig" wiederkehrende Ausgabe zu qualifizieren.

Mit der Revision machen die Kläger geltend, dass die Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG erfüllt seien. Nachdem die Zahlungen der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) als regelmäßig wiederkehrende Einnahmen zu erfassen seien (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24. Juli 1986 IV R 309/84, BFHE 147, 419 , BStBl II 1987, 16 ), müsse dasselbe für die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen gelten. Das BFH-Urteil vom 28. Januar 1960 IV 226/58 S (BFHE 71, 111, BStBl III 1960, 291) sei überholt. Bei den Umsatzsteuer-Vorauszahlungen handele es sich um regelmäßig wiederkehrende Ausgaben, die kurze Zeit nach dem Jahreswechsel abflössen.

Es sei ohne Bedeutung, dass sich die Zahlungen der Höhe nach ändern könnten. Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes ( UStG ) sei der Unternehmer jeweils bis zum 10. des Folgemonats verpflichtet, eine Umsatzsteuer-Voranmeldung abzugeben. Die Steuer sei am 10. Tag nach Ablauf des Voranmeldungszeitraums fällig und spätestens bis zu diesem Tag an den Fiskus zu zahlen.

Die Kläger beantragen sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und unter Änderung des Einkommensteuerbescheids vom 31. Juli 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Februar 2003 die Einkünfte des Klägers aus selbständiger Arbeit um 1 843,70 DM (942,67 EUR) zu mindern.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Regelmäßig wiederkehrend i.S. von § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG sei allenfalls die Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldung, nicht hingegen die Pflicht zur Entrichtung einer Umsatzsteuer-Vorauszahlung. Vielmehr seien auch sog. Null-Festsetzungen und Umsatzsteuer-Erstattungsfälle denkbar.

Ferner entstehe der den Umsatzsteuer-Vorauszahlungen zugrunde liegende Rechtsanspruch nach § 13 UStG jeden Monat neu, während die kassenärztlichen Abschlagszahlungen aufgrund eines dauerhaft bestehenden Rechtsverhältnisses geleistet würden. Beide Fallgruppen seien daher nicht vergleichbar.

Schließlich führe die Erfassung von Umsatzsteuer-Vorauszahlungen als regelmäßig wiederkehrende Ausgabe noch im vorangegangenen Kalenderjahr zu einer Ungleichbehandlung gegenüber Umsatzsteuer-Erstattungen, die gemäß § 168 Satz 2 der Abgabenordnung ( AO ) erst nach Prüfung des FA ausbezahlt würden. Umsatzsteuer-Erstattungen für das IV. Quartal eines Kalenderjahres würden aufgrund der vorzunehmenden Prüfung durch das FA tatsächlich regelmäßig erst nach Ablauf von 10 Tagen im nachfolgenden Kalenderjahr ausbezahlt und damit auch erst in diesem Veranlagungszeitraum als Betriebseinnahme erfasst. Diese Ungleichbehandlung sei sachlich nicht zu rechtfertigen.

II. Die Revision ist begründet; sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ( FGO ) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Stattgabe der Klage. Die für das IV. Quartal 1999 zu leistende Umsatzsteuer-Vorauszahlung war in diesem Veranlagungszeitraum als Betriebsausgabe abzuziehen.

1. Nach § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG gilt für regelmäßig wiederkehrende Ausgaben § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG entsprechend. Hiernach gelten regelmäßig wiederkehrende Ausgaben, die bei dem Steuerpflichtigen kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres, zu dem sie wirtschaftlich gehören, angefallen sind, als in diesem Kalenderjahr abgeflossen.

2. Im Streitfall sind diese Voraussetzungen erfüllt.

a) Die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen sind regelmäßig wiederkehrende Ausgaben, deren Wiederholung bei der Art der von dem Kläger erbrachten Leistungen von vornherein feststeht (vgl. Schmidt/Heinicke, EStG , 26. Aufl., § 11 Rz 21; Schmidt/Weber-Grellet, aaO., § 22 Rz 13). Der die regelmäßige Wiederkehr bestimmende Zahlungs- und Fälligkeitstermin ist gesetzlich geregelt; nach § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG hat der Unternehmer bis zum 10. Tag nach Ablauf jedes Voranmeldungszeitraums eine Voranmeldung abzugeben (so im Streitjahr) bzw. auf elektronischem Weg zu übermitteln; die Vorauszahlung ist gemäß § 18 Abs. 1 Satz 3 UStG am 10. Tag nach Ablauf des Voranmeldungszeitraums fällig (zur Notwendigkeit der Fälligkeit kurz vor oder nach Ende des Kalenderjahres vgl. BFH-Urteil vom 6. Juli 1995 IV R 63/94, BFHE 178, 326 , BStBl II 1996, 266 ; Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG , § 11 Rz B 88; Wolff-Diepenbrock in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 11 Rz 253).

Die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen sind kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres abgeflossen; als "kurze Zeit" gilt ein Zeitraum von bis zu 10 Tagen (Schmidt/Heinicke, aaO., § 11 Rz 23). Der Kläger entrichtete die Umsatzsteuer-Vorauszahlung am 6. Januar 2000.

Die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen gehören wirtschaftlich zum abgelaufenen Kalenderjahr; sie beruhen auf Leistungen, die der Kläger im Vorjahr erbracht hat, bzw. auf Zahlungen, die er im Vorjahr erhalten hat.

Die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen sind Betriebsausgaben, nicht nur durchlaufende Posten (vgl. Weber-Grellet, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, aaO., § 4 Rz D 310, m.w.N.).

b) In dem Urteil vom 10. Oktober 1957 IV 98/56 U (BFHE 66, 52, BStBl III 1958, 23) hatte der BFH unter Hinweis auf den öffentlich-rechtlichen Charakter der Zahlungen der KV entschieden, dass die geleisteten vierteljährlichen Abschlusszahlungen auf die Kassenleistungen bei den Ärzten keine regelmäßig wiederkehrenden Einnahmen i.S. des § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG seien, da ein fester Zahlungs- und Fälligkeitstermin nicht vorgesehen sei. In dem Urteil in BFHE 147, 419 , BStBl II 1987, 16 kam der IV. Senat hingegen zu dem Ergebnis, dass bei der Gewinnermittlung eines Arztes durch Überschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG ) die jeweils für Dezember des Vorjahres Anfang Januar des Folgejahres zu leistenden Abschlagszahlungen der KV gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG als regelmäßig wiederkehrende Einnahmen des Arztes dem vorangegangenen Kalenderjahr zuzurechnen seien. Im Unterschied zu der Entscheidung in BFHE 66, 52, BStBl III 1958, 23 bejahte der IV. Senat in diesem Fall auch die Fälligkeit der Zahlungen. An dieser Rechtsprechung hat der IV. Senat auch in der Folgezeit festgehalten (Urteil in BFHE 178, 326 , BStBl II 1996, 266 ).

In der Entscheidung in BFHE 71, 111, BStBl III 1960, 291 bezog sich der IV. Senat auf die (überholte) Entscheidung in BFHE 66, 52, BStBl III 1958, 23; jedenfalls die Umsatzsteuern und die Telefongebühren gehörten nicht zu den regelmäßig wiederkehrenden Ausgaben i.S. des § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG . Dieser Entscheidung kann nicht mehr gefolgt werden. Der öffentlich-rechtliche Charakter der Umsatzsteuer steht ihrer Berücksichtigung als wiederkehrende Ausgabe nicht entgegen; für die Umsatzsteuer ist ein fester Zahlungs- und Fälligkeitstermin vorgesehen. Der IV. Senat hat auf Anfrage dieser Abweichung zugestimmt.

c) Dieser Beurteilung steht auch nicht die vom FA hervorgehobene Tatsache entgegen, dass als Ergebnis einer Umsatzsteuer-Voranmeldung nicht nur Vorauszahlungen, sondern gelegentlich auch sog. Null-Festsetzungen oder Erstattungen in Betracht kommen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) sind wiederkehrende Leistungen i.S. des § 197 des Bürgerlichen Gesetzbuchs solche, die ihrer Natur nach auf Leistungen gerichtet sind, die nicht einmal, sondern in regelmäßiger zeitlicher Wiederkehr zu erbringen sind (z.B. BGH-Urteile vom 10. Juli 1986 III ZR 133/85, BGHZ 98, 174 , Der Betrieb --DB-- 1986, 1867; vom 14. September 2004 XI ZR 11/04, DB 2004, 2807 , und vom 18. Oktober 2005 VI ZR 312/04, Versicherungsrecht --VersR-- 2006, 132 , m.w.N.). Der BFH hat sich dieser zivilrechtlichen Begriffsbestimmung auch für die Anwendung von § 11 EStG angeschlossen (Urteil in BFHE 147, 419 , BStBl II 1987, 16 ).

Der BGH hat bereits frühzeitig geklärt, dass es der Annahme einer regelmäßig wiederkehrenden Leistung nicht entgegensteht, wenn sich zu einem der Termine gelegentlich gar kein Anspruch ergibt. Der Ausfall einzelner Leistungen wegen des "mangelnden Gegenstandes" ist demnach unschädlich (BGH-Urteil vom 23. September 1958 I ZR 106/57, BGHZ 28, 144 ). Dementsprechend hat der BFH im Zusammenhang mit dem Zufluss von Zinseinnahmen entschieden, für die Anwendung von § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG sei eine regelmäßige Wiederkehr in gleichbleibender Höhe entbehrlich (Urteil vom 3. Juni 1975 VIII R 47/70, BFHE 116, 147 , BStBl II 1975, 696 ). Die Regelmäßigkeit der Einnahmen i.S. von § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG ist bereits zu bejahen, wenn diese "nicht nur einmal oder rein zufällig mehrmals" angefallen sind (BFH-Urteil vom 10. Dezember 1985 VIII R 15/83, BFHE 145, 538 , BStBl II 1986, 342 ).

Vor diesem Hintergrund hat der Umstand, dass infolge einer abgegebenen Umsatzsteuer-Voranmeldung auch Umsatzsteuer-Erstattungen oder sog. Null-Festsetzungen auftreten können, keinen Einfluss auf die Einordnung der Umsatzsteuer-Vorauszahlungen als regelmäßig wiederkehrende Ausgaben i.S. von § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG .

d) Der Hinweis des FA, im Gegensatz zu den Abschlagszahlungen, die von der KV gegenüber den Ärzten aufgrund eines fortdauernden Rechtsverhältnisses erbracht würden, entstehe der Umsatzsteueranspruch nach § 13 UStG mit jedem steuerbaren und steuerpflichtigen Umsatz neu, führt gleichfalls zu keinem abweichenden Ergebnis.

So hat der BGH für den Fall eines monatlich mit der Ratenzahlung jeweils neu entstehenden Bereicherungsanspruchs des Kreditnehmers auf Rückzahlung rechtsgrundlos geleisteter Kreditkosten die regelmäßige zeitliche Wiederkehr des Leistungsanspruchs bejaht (Urteil in BGHZ 98, 174 , DB 1986, 1867). Mithin steht auch der mit jedem Umsatz jeweils zum Ablauf des Voranmeldungszeitraums neu entstehende Umsatzsteueranspruch (§ 13 UStG ) der Annahme der regelmäßigen zeitlichen Wiederkehr der Umsatzsteuer-Vorauszahlungen nicht entgegen.

e) Schließlich greift auch der Einwand des FA nicht durch, wonach für Umsatzsteuer-Erstattungen wegen der Anwendung von § 168 Satz 2 AO der Zeitpunkt des Zuflusses sich nicht nach § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG bestimme, was eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung im Verhältnis zu Umsatzsteuer-Vorauszahlungen zur Folge habe.

Liegen die in § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG genannten Voraussetzungen vor, ist auch eine Umsatzsteuer-Erstattung dem vorangegangenen Kalenderjahr zuzuordnen. Dass dies möglicherweise infolge der Anwendung von § 168 Satz 2 AO bei Umsatzsteuer-Erstattungen für das vorangegangene Kalenderjahr (teilweise) nicht der Fall ist, berührt den rechtlichen Anwendungsbereich von § 11 EStG nicht.

Vorinstanz: FG Berlin, vom 22.07.2004 - Vorinstanzaktenzeichen 4 K 4058/03
Fundstellen
BB 2008, 654
BFH/NV 2007, 2187
BFHE 218, 372
BStBl II 2008, 282
DB 2007, 2289
DStR 2007, 1856