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BFH - Entscheidung vom 02.08.2007

I S 15/06 (PKH)

Normen:
FGO § 142 Abs. 1
ZPO § 114, § 116 S. 1 Nr. 2

Fundstellen:
BFH/NV 2007, 2306

BFH, Beschluss vom 02.08.2007 - Aktenzeichen I S 15/06 (PKH)

DRsp Nr. 2007/17551

PKH für juristische Personen

1. Für juristische Personen erfordert die Bewilligung von PKH, dass die Unterlassung der Rechtsverfolgung allgemeinen Interesse zuwiderlaufen würde. Das ist der Fall, wenn ohne sie außer den an der Prozessführung wirtschaftlich Beteiligten ein großer Personenkreis in Mitleidenschaft gezogen werden könnte. 2. Zu den Interessen der Allgemeinheit i. S. von § 116 Satz 1 Nr. 3 ZPO zählt in erster Linie der Schutz bereits bestehender, nicht aber der möglicherweise erst noch zu schaffender Arbeitsplätze.

Normenkette:

FGO § 142 Abs. 1 ; ZPO § 114 , § 116 S. 1 Nr. 2 ;

Gründe:

I. Die Antragstellerin ist eine GmbH. Die von ihr vor dem Finanzgericht (FG) erhobene Klage wegen der Aufforderung zur Abgabe von Steuererklärungen für die Streitjahre 2001 bis 2003 wies dieses ab, ohne die Revision zuzulassen (FG des Landes Brandenburg, Urteil vom 24. August 2006 5 K 1051/05). Zur Durchführung des beim beschließenden Senat unter dem Aktenzeichen I B 143/06 anhängigen Beschwerdeverfahrens wegen Nichtzulassung der Revision beantragt sie, ihr Prozesskostenhilfe (PKH) zu bewilligen und ihre bisherige Prozessbevollmächtigte beizuordnen.

Hinsichtlich der Darlegung der subjektiven und objektiven Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe verweist die Antragstellerin auf ihre entsprechenden Darlegungen in einem weiteren, bei einem anderen Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) unter dem Aktenzeichen V S 27/06 (PKH) anhängigen Verfahren wegen PKH. Dort hatte die Antragstellerin geltend gemacht, sie beabsichtige Investitionen von ca. ... Mio. EUR und die Schaffung von bis zu 150 neuen Arbeitsplätzen. Eine Versagung der PKH könne zu deren Gefährdung führen. Sollte die angefochtene Aufforderung zur Abgabe von Steuererklärungen bestandskräftig werden, würde die derzeit durchgeführte Sitzverlegung und die damit verbundene Aktenübergabe an ein anderes Finanzamt verhindert, wodurch der vorbereitete Gesellschafterwechsel nicht zustande käme. Die derzeit vorbereiteten 12 Einstellungen im Jahr 2007 könnten nicht vorgenommen werden. Dem Schriftsatz waren zwei Anlagen mit allgemeinen Beschreibungen einer neuen ...technologie beigefügt, die unter neuer Firma und mit einem neuen Gesellschafter Geschäftsgegenstand der Antragstellerin werden solle. Abgesehen von behaupteten möglichen Umsatzzahlen in einer bestimmten Region waren keine näheren Angaben zu den zu tätigenden Investitionen und den zu schaffenden Arbeitsplätzen enthalten.

II. Der Antrag wird abgelehnt. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH gemäß § 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung ( FGO ) i.V.m. §§ 114 ff. der Zivilprozessordnung ( ZPO ) liegen nicht vor.

Es kann dahinstehen, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung, wie von § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 114 ZPO vorausgesetzt, hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Jedenfalls würde die Unterlassung der Rechtsverfolgung nicht allgemeinen Interessen zuwiderlaufen, was bei juristischen Personen aber gemäß § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO Voraussetzung für die Bewilligung von PKH ist.

1. Allgemeinen Interessen i.S. des § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO läuft die Unterlassung der Rechtsverfolgung dann zuwider, wenn ohne sie außer den an der Prozessführung wirtschaftlich Beteiligten ein großer Personenkreis in Mitleidenschaft gezogen werden könnte. Dies trifft zum Beispiel zu, wenn eine juristische Person an der Erfüllung ihrer der Allgemeinheit dienenden Aufgaben gehindert würde oder wenn ohne die Durchführung des Prozesses eine größere Zahl von Arbeitsplätzen bedroht oder eine Vielzahl von (Klein-)Gläubigern betroffen wäre (z.B. Senatsbeschluss vom 28. April 1993 I S 2/93, BFH/NV 1994, 55; vgl. auch Reiche in Beermann/Gosch, § 142 FGO Rz 64, m.w.N. aus der Rechtsprechung).

2. Anhaltspunkte, die auf einen derartigen Sachverhalt hindeuten könnten, lassen sich weder dem Vorbringen der Antragstellerin noch dem Inhalt der Akten entnehmen. Unabhängig davon, ob der pauschale Verweis der Antragstellerin auf das eigene Vorbringen in einem anderen PKH-Verfahren insoweit ohne weiteres beachtlich ist, läuft ihr mit dem Verweis in Bezug genommenes Vorbringen darauf hinaus, dass ohne die Durchführung des Beschwerdeverfahrens von ihr zu tätigende Investitionen und zu schaffende Arbeitsplätze gefährdet wären. Zu den Interessen der Allgemeinheit i.S. des § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO zählt aber in erster Linie der Schutz bereits bestehender, nicht aber möglicherweise erst noch zu schaffender Arbeitsplätze (vgl. BFH-Beschluss vom 3. Mai 2007 V S 27/06 (PKH), BFH/NV 2007, 1677 ). Abgesehen davon hat die Antragstellerin die Tatsache der zu schaffenden Arbeitsplätze sowie deren mögliche Beeinträchtigung ohne Durchführung des Beschwerdeverfahrens weder in irgendeiner Weise substantiiert dargelegt noch sind diese sonst erkennbar. Ihr Vorbringen erschöpft sich vielmehr in der bloßen allgemeinen Behauptung von mit der Schaffung von Arbeitsplätzen verbundenen Investitionen sowie der Verhinderung eines zuvor beabsichtigten Gesellschafterwechsels. Auch aus dem Inhalt der Akten ergeben sich keine entsprechenden Hinweise.

Fundstellen
BFH/NV 2007, 2306